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Archiv "Diagnostik und Therapie der Porphyrien: Eine interdisziplinäre Herausforderung" (30.04.2004)

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(1)

P

orphyrine sind Farbstoffe, die in der Natur weit verbreitet sind. Häm, das Endprodukt der Porphyrin- Häm-Biosynthese, besteht aus einem Tetrapyrrolring, worin Protoporphyrin

IX mit Fe2+ einen Chelatkomplex bil- det. Häm vermag Sauerstoff zu binden und auch wieder abzuspalten und nimmt daher eine zentrale Rolle im Stoffwechsel zahlreicher evolutionsge- schichtlich äußerst unterschiedlicher Tier-, Pflanzen-, Bakterien- und Hefen- spezies ein. Eine Reihe metabolisch bedeutsamer Zellproteine beinhalten Häm als prosthetische Gruppe, darunter zum Beispiel Hämoglobin, Myoglobin, Peroxidase und die Gruppe der Cyto- chrome (1, 4).

Ätiologie und Pathophysiologie

Bei den Porphyrien handelt es sich um vorwiegend genetisch bedingte Erkran- kungen des Porphyrinstoffwechsels mit variabler klinischer Symptomatik. Ur-

sache ist eine partielle katalytische De- fizienz eines der Enzyme der Porphy- rin-Häm-Biosynthese (Grafik 1) mit konsekutiver Akkumulation eines oder mehrerer Intermediärmetaboliten vor dem jeweiligen Syntheseschritt, wobei es sich bei den akkumulierenden Sub- stanzen um die oxidierten Substrate des defekten Enzyms handelt (1, 4). Diese Metaboliten entfalten, zumeist erst un- ter dem Einfluss triggernder Faktoren (beispielsweise porphyrinogene Medi- kamente, Hormone, Alkohol, UV- Strahlung), zyto- und gewebstoxische Effekte, die das jeweilige Krankheits- bild bestimmen (14).

Die Regulation der Häm-Biosynthese erfolgt durch negative Rückkopplung des Enzyms δ-Aminolävulinsäure- Synthase (ALA-S) (Grafik 1). Hohe Konzentrationen an freiem Häm inhi- bieren die katalytische Aktivität der

Diagnostik und Therapie der Porphyrien

Eine interdisziplinäre Herausforderung

Pamela Poblete Gutiérrez1, 2, Tonio Wiederholt1, 2, Klaus Bolsen3 Kerstin Gardlo3, Claudia Schnabel4, Gerd Steinau5, Frank Lammert6 Clemens Bartz7, Oliver Kunitz8, Jorge Frank1, 2

Zusammenfassung

Die Porphyrien umfassen eine Gruppe hetero- gener Stoffwechselerkrankungen, die über- wiegend aus hereditären, selten auch erworbe- nen Funktionsstörungen der Häm-Biosynthese resultieren. Basierend auf den klinischen Sym- ptomen können die verschiedenen Porphyrien in akute und nichtakute Formen eingeteilt werden. Die Diagnose dieser Erkrankungen ist schwierig, da die Symptome meist unspezifisch sind und darüber hinaus bei einzelnen Porphyrieformen auch Überschneidungen der biochemischen Laborparameter beobachtet werden. Dies trifft insbesondere auf die akuten Porphyrien zu, die sich mit lebensbedrohlichen akuten neurologischen Attacken manifestieren können und eine sofortige Behandlung erfor- dern. Derartige Attacken werden hauptsäch- lich durch porphyrinogene Medikamente, aber auch durch Hormone, Alkohol und chronische Infektionen hervorgerufen. Die Diagnosestellung

und Behandlung eines Porphyriepatienten stel- len hohe Anforderungen an den betreuenden Arzt und verlangen eine enge interdisziplinäre Zusammenarbeit. Da es sich bei den Porphyrien um selten diagnostizierte Erkrankungen han- delt, besteht oftmals Unsicherheit bezüglich des richtigen diagnostischen und therapeuti- schen Vorgehens.

Schlüsselwörter: Porphyrie, Diagnosestellung, Therapiekonzept, Häm-Biosynthese, Hautver- änderung

Summary

Diagnosis and Therapy of the Porphyrias The porphyrias are a heterogeneous group of predominantly inherited or, in some cases, ac- quired metabolic diseases resulting from a dys- function in heme biosynthesis. With regard to

clinical symptoms, the different types of por- phyrias can be classified in acute and non-acute forms. Diagnosis of these diseases is difficult because the symptoms are often unspecific and, furthermore, the porphyrias can also reveal overlapping biochemical findings. This particularly holds true for the acute porphyrias, which can present with life threatening acute neurological attacks requiring immediate me- dical treatment. Such attacks are mainly provok- ed by porphyrinogenic drugs but also by hor- mones, alcohol ingestion, and chronic infec- tions. Diagnosis and treatment of the porphy- rias present an extraordinary challenge to the attending physicians and require a close inter- disciplinary collaboration. Since the porphyrias are rarely diagnosed, an uncertainty regarding accurate diagnostic and therapeutic measures often prevails.

Key words: porphyria, diagnosis, therapeutic concept, heme biosynthesis, skin changes

1Klinik für Dermatologie und Allergologie (Direktor: Prof.

Dr. med. Hans F. Merk), Universitätsklinikum der RWTH, Aachen

2Porphyrie-Zentrum (Leiter: Prof. Dr. med. Jorge Frank), Universitätsklinikum der RWTH Aachen

3Universitätshautklinik (Direktor: Prof. Dr. med. Dr. h.c.

Thomas Ruzicka), Heinrich-Heine-Universität, Düsseldorf

4Institut für Klinische Chemie und Pathobiochemie (Di- rektor: Prof. Dr. med. Prof. h.c. [RCH] Axel M. Gressner), Universitätsklinikum der RWTH, Aachen

5Chirurgische Klinik (Direktor: Prof. Dr. med. Dr. h.c.Volker Schumpelick), Universitätsklinikum der RWTH, Aachen

6Medizinische Klinik III (Direktor: Prof. Dr. med. Dipl.- Biochem. Siegfried Matern), Universitätsklinikum der RWTH, Aachen

7Frauenklinik für Gynäkologie und Geburtshilfe (Direk- tor: Prof. Dr. med. Werner Rath), Universitätsklinikum der RWTH, Aachen

8Klinik für Anästhesiologie (Direktor: Prof. Dr. med. Rolf Rossaint), Universitätsklinikum der RWTH, Aachen

(2)

ALA-S; umgekehrt führt ein Häm- Mangel zur Induktion und Aktivitäts- steigerung (1, 4).

Ist die Funktion eines oder mehrerer Enzyme der Häm-Biosynthese gestört, kann es zur unphysiologischen Anhäu- fung von Intermediärprodukten in ver- schiedenen Organen kommen, bevor- zugt jedoch in der Leber, im hämato- poetischen System und in der Haut. Die einzelnen Porphyrieformen manifestie- ren sich biochemisch in der Regel mit Exkretion und Akkumulation von spe- zifischen Porphyrinen oder deren Vor- stufen δ-Aminolävulinsäure (ALA) und Porphobilinogen (PBG) in Urin, Stuhl und Blut (Tabelle 1). Nachfolgend lösen diese Metaboliten zytotoxische Effekte aus, die den klinischen Sympto- men der Porphyrien zugrunde liegen (1, 4, 14).

Klinik

Traditionell wurden die Porphyrien auf der Basis der organspezifischen Expres- sion des defizienten Enzyms in hepati- sche und erythropoetische Formen un- terteilt. Aus klinischer Sicht ist es heut- zutage jedoch sinnvoller, akute und nichtakute Porphyrieformen zu unter- scheiden (Tabellen 2 und 3) (1, 4, 17).

Die akuten Porphyrien manifestie- ren sich in erster Linie unter dem Bild eines akuten Abdomens mit krampfar- tigen, diffusen und lang anhaltenden Bauchschmerzen. Begleitend findet man oftmals Übelkeit und rekurrentes Erbrechen, das im weiteren Verlauf zu einer Störung des Elektrolythaushalts mit konsekutiver Dehydratation führen kann. Über eine inadäquate Sekretion von antidiuretischem Hormon (ADH) aufgrund einer Beteiligung des Hypo- thalamus kann es nachfolgend zur Hy- ponatriämie kommen. Weitere klini- sche Symptome sind unter anderem ar- terielle Hypertonie, Tachykardie, Kon- vulsionen, Para- und Tetraplegie, Läh- mung der Atemhilfsmuskulatur sowie Bewusstseinsstörungen bis hin zum Ko- ma (1, 2, 4, 12, 13, 17).

Die nichtakuten Porphyrien manife- stieren sich mit einer gesteigerten Pho- tosensitivität und Hautveränderungen an den lichtexponierten Arealen des Körpers. Man findet unter anderem

Blasen, brennende Erytheme, Erosio- nen, Ulzerationen, Krusten, Milien so- wie hypo- und hyperpigmentierte Nar- ben (1, 4, 17)(Abbildungen 1 a und b).

Die Porphyria variegata und die hereditäre Koproporphyrie können sich sowohl mit neurologischen, als auch mit kutanen Symptomen präsentieren und werden daher auch als neurokutane Porphyrien bezeichnet (1, 4, 6).

Akute Porphyrien

Die akute intermittierende Porphyrie (AIP) ist, mit Ausnahme des Vorkom- mens in Chile und Südafrika, die häufig- ste akute Porphyrieform (1, 4, 5, 7). Es handelt sich um eine autosomal domi- nant vererbte Erkrankung mit inkom- pletter Penetranz und variabler klini-

scher Manifestation. Durch Mutationen im Porphobilinogen-Desaminase- (PBG- D-)Gen auf Chromosom 11q24.1– q24.2 kommt es zu einer Funktionseinschrän- kung des gleichnamigen dritten Enzyms der Häm-Biosynthese (auch Uropor- phyrinogen-I-Synthase genannt).

Die charakteristischen klinischen Zeichen der AIP sind kolikartige Bauchschmerzen (90 Prozent), Erbre- chen (80 Prozent) und Obstipation (75 Prozent), was nicht selten zur Fehldia- gnose eines „akuten Abdomens“ und einer konsekutiven Laparotomie führt.

Neurologische Zeichen (50 bis 60 Pro- zent) sind in ihrer klinischen Ausprä- gung sehr variabel und beinhalten mo- torische und sensorische Störungen, Hirnnervenbeteiligung und generalisier- te Krampfanfälle. Es treten keine ku- tanen Veränderungen auf (1, 4, 5, 16).

Porphyrin-Häm-Biosynthese; die katalytische Defizienz des zweiten bis achten Enzyms des Syntheseweges ist jeweils mit einer spezifischen Porphyrieform assoziiert.

Grafik 1

(3)

Die neurologischen Symptome der Porphyria variegata (PV) sind von de- nen der AIP nicht zu unterscheiden.

Daneben kann jedoch auch die Haut betroffen sein, wobei ausschließlich an den lichtexponierten Arealen des Kör- pers eine erhöhte kutane Verletzlich- keit, Druckempfindlichkeit, Photosen- sitivität, Blasenbildung, Erosionen, Krusten, Milien und Narben auftreten können (Abbildungen 1 a und b). Die Erkrankung resultiert aus Mutationen im Protoporphyrinogenoxidase-(PPO-) Gen auf Chromosom 1q22, das für das gleichnamige siebte Enzym der Häm- Biosynthese kodiert (1, 4–6).

Bei der hereditären Coproporphyrie (HCP) handelt es sich um eine auto- somal dominant vererbte Erkrankung.

Die neurologischen Veränderungen sind, verglichen mit der AIP und VP, meist geringer ausgeprägt. Hautsym- ptome, die klinisch nicht von denen der Porphyria variegata abgegrenzt werden können, findet man in etwa 30 Prozent der Fäl-

le. Ursächlich sind Mutationen im Co- proporphyrinogeno- xidase-(CPO-)Gen, das auf Chromosom 3q12 lokalisiert ist und für das gleichna- mige sechste Enzym der Häm-Biosynthe- se kodiert (1, 4, 5).

Die δ-Aminolävu- linsäuredehydratase- Defizienzporphyrie

(Synonym: Doss-Porphyrie) ist eine au- tosomal rezessiv vererbte Erkrankung.

Als seltenste Form der akuten Porphyri- en mit weltweit sieben dokumentierten Patienten kommt ihr eine nur unterge- ordnete klinische Bedeutung zu (1, 4, 5).

Nichtakute Porphyrien

Bei der Porphyria cutanea tarda (PCT) handelt es sich um die weltweit häu- figste Porphyrieform. Klinisch manife- stiert sich die Erkrankung mit Hautver- änderungen, die nicht von denen der PV und HCP unterschieden werden können. Die PCT nimmt eine Sonder- stellung ein, da es sich um die einzige Porphyrieform handelt, die nicht aus- schließlich monogen vererbt wird. Zum jetzigen Zeitpunkt unterscheidet man mindestens zwei Formen der PCT: die erworbene (sporadische) PCT, oder Typ-I-PCT und die hereditäre (familiä- re) PCT, oder Typ-II-PCT, die autoso-

mal dominant vererbt wird und auf Mu- tationen im Uroporphyrinogendecar- boxylase- (URO-D-)Gen auf Chromo- som 1p34 zurückzuführen ist (1, 4, 5).

Die erythropoetische Protoporphy- rie (EPP) wird autosomal dominant vererbt und resultiert aus Mutationen im Ferrochelatase- (FC-)Gen auf Chro- mosom 18q21.3, die eine katalytische Defizienz des gleichnamigen achten Enzyms der Häm-Biosynthese zur Fol- ge haben. Die Erkrankung manifestiert sich im Allgemeinen bereits im Kindes- alter mit brennenden Erythemen, Ero- sionen und Krusten an den lichtexpo- nierten Hautarealen (1, 4, 5, 9).

Die congenitale erythropoetische Porphyrie (CEP), auch als Morbus Günther bekannt, ist eine autosomal re- zessiv vererbte Erkrankung. Zugrunde liegen homozygote oder verbunden heterozygote Mutationen im Uropor- phyrinogen-III-Cosynthase- (URO-S-) Gen auf Chromosom 10q25.3-26.3, die zu einer fast vollständigen enzymati- schen Defizienz des gleichnamigen vierten Enzyms der Häm-Biosynthese führen. Klinisch weisen diese Patienten eine hochgradige Photosensitivität und teilweise mutilierende Hautverände- rungen auf. Mit weltweit circa 150 doku- mentierten Fällen handelt es sich um ei- ne seltene Erkrankung (1, 4, 5, 8).

Die hepatoerythropoetische Porphy- rie (HEP) ist die rezessiv vererbte Form der PCT. Die Erkrankung resultiert aus homozygoten oder verbunden hetero- zygoten Mutationen im URO-D-Gen, die mit einer starken enzymatischen Defizienz des gleichnamigen Enzyms einhergehen. Im Gegensatz zur PCT manifestiert sich die HEP bereits im frühen Kindesalter, wobei sie klinisch der CEP ähnelt. Die Erkrankung ist

´ Tabelle 1 ´

Normalwerte der Porphyrine und Prophyrin-Intermediärmetaboliten in Urin, Erythro- zyten, Plasma und Stuhl (modifiziert nach[1])

Porphyrine/Inter- Urin Erythrozyten Plasma Stuhl (< 200 nmol/g

mediärmetaboliten Trockengewicht)

δ-Aminolävulinsäure < 4,5 mg/L Nicht detektierbar < 35 µg/100 mL Nicht detektierbar Porphobilinogen < 2,5 mg/L Nicht detektierbar Nicht detektierbar Nicht detektierbar Uroporphyrin < 30 rel. % Spur 0–10 rel. % 0–2 rel. % Coproporphyrin > 70 rel. % 5–10 rel. % 0–20 rel. % 2–33 rel. % Protoporphyrin Nicht 90–95 rel. % 0–80 rel. % 60–98 rel. %

detektierbar

Isocoproporphyrin Nicht Nicht detektierbar Nicht detektierbar Nicht detektierbar detektierbar

rel., relative Prozentangabe

´ Tabelle 2 ´

Klassifikation und Charakteristika der aktuen Prophyrien

Akute Porphyrien Genlocus Erbgang Kommentar

Akute intermittierende 11q24.1–q24.2 Autosomal dominant Häufigste akute Porphyrie-Form weltweit;

Porphyrie Keine Hautveränderungen

Porphyria variegata 1q22 Autosomal dominant Gründer-Mutationen in Südafrika und Chile beschrieben; Hautveränderungen

Hereditäre Coproporphyrie 3q12 Autosomal dominant Selten; Hautveränderungen

ALA-Defizienz Porphyrie 9q34 Autosomal rezessiv Sehr selten (7 Fälle weltweit beschrieben) ALA,δ-Aminolävulinsäure

(4)

sehr selten und wurde bislang lediglich in Europa und den USA beschrieben (1, 4, 5).

Die charakteristischen Merkmale der einzelnen akuten und nichtakuten Porphyrieformen sind in Tabelle 2 und Tabelle 3 dargestellt.

Diagnose

Die Diagnostik bei Verdacht auf Vorlie- gen einer Porphyrieerkrankung stützt sich auf vier Säulen (Grafik 2):

Inspektion des Patienten (Hautver- änderungen, neuroviszerale Symptome) sowie Eigen- und Familienanamnese,

biochemische Untersuchungen in Urin, Stuhl, Erythrozyten und Plasma,

enzymatische Untersuchungen, molekulargenetische Untersuchun- gen.

Da die Porphyrien aus einer Dysre- gulation der Häm-Biosynthese resultie- ren, manifestieren sie sich laborche- misch mit Exkretion und Akkumulation von spezifischen Porphyrinen und Por- phyrinvorstufen, die im Urin, Stuhl und Blut gemessen werden können (1, 4, 17).

Bei Verdacht auf eine akute Porphy- rie sollten zunächst im Urin die Ge- samtporphyrine sowie die beiden Por- phyrinvorläufer ALA und PBG unter- sucht werden. Typischerweise findet man stark erhöhte Werte für alle drei Metaboliten, wobei eine akute Porphy- rieattacke stets von einem Anstieg des PBG um das 20- bis 50-fache der Norm begleitet ist. Bei Verdacht auf Vorlie- gen einer PV oder HCP ist die Unter- suchung einer Stuhlprobe unerlässlich.

Charakteristischerweise findet man bei diesen beiden Erkrankungen eine

Erhöhung des Protoporphyrins und des Coproporphyrins im Stuhl, die wegweisend ist. Bei der PCT zeigt sich im Gegensatz zu den drei zuvor ge- nannten Porphyrieformen keine Er- höhung der Porphyrinvorläufer ALA und PBG im Urin, sondern ausschließ- lich eine Erhöhung der Porphyrine.

Charakteristischerweise kann beglei- tend im Stuhl Isocoproporphyrin nach- gewiesen werden. Zur Diagnostik der EPP ist die Untersuchung des Proto- porphyrins in den Erythrozyten erfor- derlich (1, 4).

Die biochemische Untersuchung von Urin, Stuhl und Blut wird von zahlrei- chen Laboratorien in Deutschland an- geboten und sollte bei Verdacht auf eine Porphyrie stets durchgeführt werden.

Hingegen ist die Messung der residuel- len Aktivität einzelner Enzyme der Häm-Biosynthese sowie die molekular- genetische Untersuchung zur Detektion krankheitsverursachender Mutationen in den für diese Enzyme kodierenden

Genen in der Regel wenigen Spezialla- boratorien vorbehalten, hierunter auch einigen in Deutschland.

Therapie

Akute Porphyrien

Die Behandlung einer akuten Porphy- rieattacke erfordert initial oftmals ei- ne intensivmedizinische Überwachung.

Während die Mehrzahl der Patienten im Laufe ihres Lebens nur ein oder zwei Porphyrieattacken erleiden, kommt es bei einem geringen Prozentsatz, insbe- sondere bei Frauen, auch zu regelmäßig (alle drei bis vier Wochen) auftretenden akut lebensbedrohlichen Attacken, ohne dass ein Auslöser eruiert werden kann.

Therapeutisch wird bei allen Patienten Hämin-Arginat als intravenöse Kurzin- fusion eingesetzt. Bei frühzeitiger Gabe von Hämin-Arginat klingen die Be- schwerden meist innerhalb von 24 bis

48 Stunden ab. Die früher praktizierte al- leinige Anwendung von glucosehaltigen Infusionen ist unzu- reichend und somit als obsolet anzuse- hen. Neben der Be- handlung mit Hämin- Arginat ist die Thera- pie weitgehend sym- ptomatisch und rich- tet sich nach den führenden klinischen Beschwerden, wobei

´ Tabelle 3 ´

Klassifikation und Charakteristika der nichtakuten Porphyrien

Nichtakute Porphyrien Genlocus Erbgang Kommentar

Porphyria cutanea tarda 1p34 Autosomal dominant Häufigste Porphyrieform weltweit;

Hereditäre und erworbene Formen Erythropoetische 18q21.3 Autosomal dominant In circa 5 % der Fälle schweres

Protoporphyrie transplantationspflichtiges Leberversagen

Congenitale erythropoetische 10q25.3–q26.3 Autosomal rezessiv Schwerer klinischer Verlauf: Hämolytische

Porphyrie Anämie; Knochenbeteiligung; Mutilationen

Hepatoerythropoetische 1q34 Autosomal rezessiv Homozygote Variante der Porphyria

Porphyrie cutanea tarda; Hohe Lichtempfindlichkeit

Abbildung: Hautveränderungen bei Porphyria variegata a) Blasen, Erosionen, Ulzerationen, Krusten, Milien und

hyperpigmentierte Narben an den Händen einer Patientin mit Porphyria variegata. Diese Effloreszenzen können sich auch bei der Porphyria cutanea tarda und der hereditären Coproporphyrie manifestieren.

b) Detailaufnahme der rechten Hand derselben Patientin mit Porphyria variegata: prall gefüllte Blase, Erosionen, Ulzeration, Kruste und hyperpigmentierte Narben.

(5)

stets auf eine adäquate Analgesie und ausreichende Flüssigkeitssubstitution zu achten ist (4, 11, 13, 15, 17). Patienten, die regelmäßig wiederkehrende akute Attacken präsentieren, sollten dauerhaft in sieben bis zehntägigen Intervallen je eine Ampulle Hämin-Arginat intravenös erhalten, da unter dieser Behandlung die Anfallshäufigkeit drastisch reduziert werden kann und den Patienten die re- gelmäßige mehrtägige stationäre Auf- nahme zur Therapie der akuten Krisen erspart wird. Die prophylaktische Gabe von Hämin-Arginat bei regelmäßig auf- tretenden Porphyrieattacken ist nicht nur geeignet, den Patienten wieder eine geregelte Lebensführung zu ermögli-

chen, sondern darüber hinaus auch aus gesundheitsökonomischer Sicht empfeh- lenswert.

Als Stufenplan zur Behandlung einer akuten Porphyrieattacke empfiehlt sich folgendes therapeutische Vorgehen (4, 11, 17):

initial gegebenenfalls intensivmedi- zinische Überwachung,

Gabe von Hämin-Arginat intra- venös (über einen 24-Stunden-Notfall- service als Normosang bei der Firma Orphan Europe GmbH, Telefon 0 60 74/

81 21 60) erhältlich,

Dosierung für Hämin-Arginat: 3 mg/kg KG 1 ⫻ täglich intravenös (als Kurzinfusion in 100 mL isotoner NaCl-

Lösung über 15 bis 20 Minuten) über vier Tage (maximal sieben Tage),

Identifikation und Elimination mög- licher porphyrinogener Faktoren,

gegebenenfalls adjuvante Gabe von Glucose intravenös (4 bis 6 g Kohlenhy- drate/kg KG/Tag; zum Beispiel als fünf- prozentige oder zehnprozentige Gluco- selösung, bei Kontrolle des Blutzucker- spiegels),

suffiziente Schmerztherapie (Pethi- din, Opiate),

Therapie von Übelkeit und Erbre- chen (Chlorpromazin oder Promazin;

eventuell 5HT3-Antagonisten),

Ausstellen eines Porphyrie-Notfall- ausweises.

Nichtakute Porphyrien

Bei den nichtakuten Porphyrien stehen die kutanen Symptome im Vordergrund.

Allgemein gilt, dass die Patienten topisch applizierbare Lichtschutzpräparate mit hohem Lichtschutzfaktor (LSF > 30) ver- wenden und durch geeignete Kleidung (Kopfbedeckung, Kleidung mit langen Ärmeln et cetera) einer direkten Exposi- tion der Haut gegenüber UV-Licht vor- beugen sollten.

Zur Behandlung der PCT empfiehlt sich eine niedrig dosierte Therapie mit 125 mg Chloroquin zweimal pro Woche (zum Beispiel montags und donners- tags), wobei unbedingt auf die genaue Einhaltung dieser Dosierung zu achten ist, da bei höherer Dosierung die klini- schen Beschwerden aggraviert werden können. Auf die früher empfohlene Aderlasstherapie kann, in Abhängigkeit vom Ferritinspiegel und sofern keine Kontraindikationen gegenüber Chloro- quin bestehen, heute verzichtet werden.

In der Behandlung der EPP hat sich die orale Gabe von Betacaroten zur Prävention oder Reduzierung der Pho- tosensitivität in bis zu 60 Prozent der Fälle als wirkungsvoll erwiesen. Um ei- ne optimale Photoprotektion zu ge- währleisten, sollten täglich 60 bis 180 mg Betacaroten eingenommen werden, bis die Carotenspiegel im Serum bei minde- stens 600 g/dL liegen. Es empfiehlt sich, die Betacarotentherapie im Februar einzuleiten und bis zum Oktober durch- zuführen.

Die Behandlung der CEP und HEP ist schwierig und in aller Regel erfolglos, da

´ Tabelle 4 ´

Therapeutisches Vorgehen bei den akuten und nichtakuten Porphyrie-Formen*1 Akute Porphyrien Therapiestrategien

Akute intermittierende Porphyrie; Ggf. intensivmedizinische Überwachung;

Porphyria variegata; Hereditäre Kontaktaufnahme mit einem Porphyriezentrum Coproporphyrie; Intravenöse Gabe von Häm-Arginat (Normosang) in δ-Aminolävulinsäuredehydratase- einer Dosierung von 3 mg/kg KG 1 x täglich als Kurzin- Defizienzporphyrie fusion über 4 Tage

Identifikation und Elimination präzipitierender Fakto- ren (porphyrinogene Medikamente, Hormone, Alkohol) Ggf. Kohlenhydratsubstitution i. v., z. B. mittels Glucoselösung (4–6 g Kohlenhydrate/kg KG/d) Adäquate Schmerztherapie, z. B. Pethidin oder Opiate (mit Ausnahme von Pentazocin)

Therapie von Übelkeit und Erbrechen, z. B. Promazin oder Chlorpromazin; evtl. 5HT3-Antagonisten Laborkontrolle der Prophyrinvorläufer im Urin Nichtakute Porphyrien Therapiestrategien

Porphyria cutanea tarda; Lichtschutzpräparate mit hohem Lichtschutzfaktor Hepatoerythropoetische Porphyrie Geeignete Schutzkleidung (Kopfbedeckung, Kleidung

mit langen Ärmeln, etc.) zur Vermeidung einer direkten UV-Exposition.

Chloroquin 125 mg 2 x /Woche /z. B. montags und donnerstags; auf festen Rhythmus achten) Laborkontrolle der Porphyrine im Urin

Erythropoetische Protoporphyrie Lichtschutzpräparate mit hohem Lichtschutzfaktor Geeignete Schutzkleidung (Kopfbedeckung, Kleidung mit langen Ärmeln, etc.) zur Vermeidung einer direkten UV-Exposition

Betacaroten 60–180 mg/d, nach Möglichkeit von Februar bis Oktober einnehmen; Betacarotenspiegel überwachen

Laborkontrolle des Protoporphyrins in den Erythrozyten Kongenitale erythropoetische Lichtschutzpräparate mit hohem Lichtschutzfaktor Porphyrie Geeignete Schutzkleidung (Kopfbedeckung, Kleidung

mit langen Ärmeln, etc.) Keine UV-Exposition

Ggf. Wechseln des Tag-Nacht-Rhythmus Behandlung einer evtl. Anämie

Ggf. allogene Knochenmarkstransplantation;

Therapie in der Regel frustran

*1Während sich die Therapiestrategien hinsichtlich der aktuen Porphyrieattacken nicht voneinander unterscheiden, empfiehlt sich für die nichtakuten Formen ein in Abhängigkeit von der vorliegenden Variante indiviuelles Vorgehen.

(6)

es sich um autosomal rezessiv vererbte Erkrankungen handelt, die mit einer dra- stischen Reduktion der residuellen En- zymaktivitäten und äußerst schwerwie- gender Photosensitivität und Hautaffek- tion bis hin zur Mutilation, einhergehen.

Ein adäquater Lichtschutz ist für beide Erkrankungen unerlässlich (1, 4, 8).

Die Empfehlungen zur Behandlung der akuten und nichtakuten Porphyrien sind zusammenfassend in Tabelle 4 dar- gestellt. Da es sich bei den Porphyrien, mit Ausnahme der Typ-I-PCT, um gene- tisch determinierte Erkrankungen han- delt, sind alle zuvor beschriebenen The- rapiestrategien rein präventiv und/oder symptomatisch und nicht kurativ. Der einzig denkbare kausale Behandlungsan- satz wäre eine Enzymsubstitutions- be- ziehungsweise Gentherapie (3, 5).

Fazit

Bei den Porphyrien handelt es sich um klinisch, laborchemisch und molekular- genetisch sehr komplexe Erkrankungen, die auch den erfahrenen Arzt oftmals vor

große differenzialdiagnostische Schwie- rigkeiten stellen und daher zumeist nicht oder erst zu einem späten Zeitpunkt dia- gnostiziert werden. Diagnose und Thera- pie insbesondere der akuten Porphyrie- formen erfordern somit in vielen Fällen eine enge interdisziplinäre Zusammen- arbeit mit Kollegen aus verschiedenen medizinischen Fachrichtungen, um den Patienten die bestmögliche Betreuung zukommen zu lassen.

Manuskript eingereicht: 1. 8. 2003, revidierte Fassung angenommen: 6. 2. 2004

Zitierweise dieses Beitrags:

Dtsch Arztebl 2004; 101: A 1250–1255 [Heft 18]

Algorithmus zum diagnostischen Vorgehen bei Verdacht auf Porphyrie

Grafik 2

MEDIZINGESCHICHTE(N) )

AUSGEWÄHLT UND KOMMENTIERT VON H. SCHOTT AUSGEWÄHLT UND KOMMENTIERT VON H. SCHOTT

Impfung Hühnercholera

Zitat: „Wenn die vollständige Im- munität [1] erreicht ist, so kann man den höchstvirulenten Mikroben in irgendwelche Muskeln einimpfen, ohne die geringste Störung zu bewir- ken; mit anderen Worten, jede Kul- tur in diesen Muskeln ist unmöglich geworden; sie enthalten keinen Nährstoff mehr für den Mikroben.

Der Eindruck, den man ange- sichts dieser Tatsachen erhält, läßt sich kaum wiedergeben. Hier sind 20 Hühner, die niemals einen Anfall der Hühnercholera erlitten haben;

ich impfe sie mit dem höchstvirulen- ten Virus in den Brustmuskel, besser noch in den Schenkelmuskel, um die Wirkungen des ansteckenden Sti- ches bequemer verfolgen zu kön- nen. Am anderen Tage bleiben alle diese Hühner im Nest, hinken stark und sind von tiefer Schlafsucht er- griffen; der geimpfte Muskel ist stark geschwollen, in seinem Innern ganz speckig, von Mikroben über- füllt. Von Stunde zu Stunde verfällt dann bald das eine, bald das andere Huhn dem Tode. In 48 Stunden sind die 20 Hühner verendet. – Hier sind andere 20 Hühner, vorgeimpft mit der wirksamsten Vakzine, einge- impft zur selben Stunde, am selben Ort, mit demselben Virus in gleicher Menge wie die ersten 20; am ande- ren Morgen und am dritten Morgen sind sie alle lebendig, munter, fres- sen und glucksen; die Hähne krähen;

kurz, Bewegung und Leben in der Fülle der Gesundheit [...]. Und dieser Gesundheitszustand ist dauer- haft.“

Louis Pasteur: Die Hühnercholera, ihr Erreger, ihr Schutzimpfstoff (1880). Übersetzt und eingeleitet von G. Sticker. Leipzig 1923 (Klassiker der Medizin;

Band 30), Seite 52 f. – [1] Nach Vakzination mit dem abgeschwächten Virus. Pasteur (1822–1895), Ent- decker der Mikroben,Wegbereiter der Bakteriologie, demonstriert hier erstmals die Grundlagen der erworbenen Immunität durch Impfung.

Bei Hautveränderungen an den lichtexponierten Arealen des Körpers und/oder akuten neurologischen Attacken sollte stets an eine Porphyrieerkrankung gedacht werden. Falls eine Porphyria variegata oder eine hereditäre Coproporphyrie ausgeschlossen werden soll, ist eine biochemische Analyse der Porphyrine und Porphyrinvorstu- fen im Urin und gegebenenfalls im Stuhl, erforderlich. Bei Verdacht auf erythropoetische Protoporphyrie ist eine Bestimmung des Protoporphyrins in Erythrozyten notwendig. Bei biochemischen Überschneidungen, in unklaren Fällen und zwecks Familienstudien empfiehlt sich eine molekulargenetische Analyse. PGB, Porphobilinogen

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literatur- verzeichnis, das beim Verfasser erhältlich oder im Internet unter www.aerzteblatt.de/lit1804 abrufbar ist.

Anschrift für die Verfasser:

Prof. Dr. med. Jorge Frank Klinik für Dermatologie und Allergologie Universitätsklinikum der RWTH Aachen Pauwelsstraße 30

52074 Aachen

E-Mail: jfrank@ukaachen.de

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