• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Periprothetische Femurfraktur – eine interdisziplinäre Herausforderung" (26.09.2014)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Periprothetische Femurfraktur – eine interdisziplinäre Herausforderung" (26.09.2014)"

Copied!
7
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

ÜBERSICHTSARBEIT

Periprothetische Femurfraktur – eine interdisziplinäre Herausforderung

Alexander Hagel, Holger Siekmann, Karl-Stefan Delank

ZUSAMMENFASSUNG

Hintergrund: Korrespondierend zu den steigenden Implan- tationszahlen von Hüft- und Kniegelenkstotalendoprothe- sen ist auch eine entsprechende Zunahme der periprothe- tischen Frakturen (PPF) festzustellen. Am häufigsten ist das Femur betroffen.

Methode: Diese Übersichtsarbeit basiert auf einer selekti- ven Literaturrecherche in der Datenbank PubMed. Die Su- che erfolgte mit vorgegebenen MeSH-Begriffen (Medical Subject Headings) und als Freitextsuche mit einer logi- schen Kombination von Suchbegriffen in aktuellen deutsch- und englischsprachigen Publikationen (Evidenz- stärke III–IV).

Ergebnisse: Die weichteilschonende, winkelstabile Platten- Osteosynthese bei festem Implantatsitz, ist ein sicheres Verfahren zur Versorgung von periprothetischen Femur- frakturen (PPFF). Entscheidend hierbei ist die Beurteilung des Prothesensitzes, da bei Fehleinschätzung ein Versa- gen des Verfahrens unvermeidlich ist. Die Revisionsendo- prothetik kommt bei periprothetischen Femurfrakturen mit gelockerten Prothesen zum Einsatz, aber auch gescheiter- te Osteosyntheseverfahren können einen Prothesenwech- sel erforderlich machen. Ein konservatives Vorgehen bei diesen Frakturen ist aufgrund der hohen Komplikationsra- ten nur in Ausnahmefällen indiziert.

Schlussfolgerung: Die Versorgung periprothetischer Frak- turen erfordert Kompetenz sowohl bezüglich der Osteo- syntheseverfahren als auch der Revisions-/Endoprothetik.

Eine präoperative Planung mit der Festlegung entspre- chender Alternativverfahren muss erfolgen und bedingt ein entsprechendes Equipment.

►Zitierweise

Hagel A, Siekmann H, Delank KS: Periprosthetic femoral fracture—an interdisciplinary challenge. Dtsch Arztebl Int 2014; 111: 658–64. DOI: 10.3238/arztebl.2014.0658

D

ie Implantation von Hüft(HTEP)- und Kniege- lenkstotalendoprothesen (KTEP) gehört in Deutschland zu den 20 häufigsten operativen Eingrif- fen bei stationären Patienten (1). In den statistischen Auswertungen des BQS-Instituts (1) und des Schwedi- schen Hüftregisters (2) zeigt sich ein deutlicher Zu- wachs der Implantationszahlen. Dies ist durch die ge- stiegene Lebenserwartung bei besserer medizinischer Versorgung in den Industrienationen, mit entsprechen- der Zunahme von verschleißbedingten Gelenkerkran- kungen, bei gleichzeitig immer älter werdendem Pa- tientengut zu erklären (3). Zudem zeigt sich in der Pri- märendoprothetik ein deutlicher Trend zu immer jünge- ren Patienten (2), wobei ein gestiegener Anspruch an die Lebensqualität und das zunehmende Aktivitäts - niveau eine maßgebliche Rolle spielen können (4). Da- her ist mit einem Anstieg prothesenbedingter Kompli- kationen zu rechnen (5). Lindahl sah in seiner Nachunter suchung von 43 350 Hüfttotalendoprothesen- revisionen des schwedischen Hüfttotalendoprothesen- registers, welche im Zeitraum von 1979 bis 2011 ope- riert wurden, 8,1 % (n = 3 530) erforderliche Revisi- onsoperationen aufgrund periprothetischer Frakturen.

Auch konnte er im zeitlichen Verlauf einen Zuwachs dieser Frakturen verzeichnen (6).

Methode

Diese Übersichtsarbeit basiert auf einer selektiven Lite- raturrecherche (PubMed/Medline). Die Suche erfolgte mit vorgegebenen MeSH-Begriffen (Medical Subject Headings) und als Freitextsuche mit einer logischen Kombination folgender Suchbegriffe: periprothetische Frakturen/periprosthetic fractures, Femur/femur, Knie- totalendoprothese/total knee replacement, Hüfttotalen- doprothese/total hip replacement, Revisionsendopro- thetik/revision arthroplasty, Osteosynthese/osteosyn- thesis, Klassifikation/classification, Risikofaktoren/risk factors in deutsch- und englischsprachigen Publikatio- nen der genannten Datenbank. Aufgrund der vielfälti- gen Behandlungswege, der unterschiedlichen Fraktur- klassifikationen und Studien mit geringen Fallzahlen ist der direkte Vergleich von Komplikationen und ande- ren Aspekten nur bedingt möglich. Bei der Recherche wurde deshalb besonderes Augenmerk auf deskriptive Studien mit hohen Fallzahlen gelegt (Evidenzstärke III–IV). Eine Leitlinie zur Versorgung dieser Frakturen wurde bislang von der Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie nicht veröffentlicht.

Department für Orthopädie, Unfall- und Wiederherstellungschirurgie, Martin Luther Universität Halle-Wittenberg: Dr. med. Hagel, Dr. med. Siekmann, Prof. Dr. med. Delank

(2)

Inzidenz/Risikofaktoren

Die periprothetische Femurfraktur (PPFF) stellt die häufigste Frakturlokalisation im Bereich der unteren Extremität dar (4), wobei prinzipiell zwischen intra- und postoperativ entstandenen PPFF zu unterscheiden ist. Die Inzidenz von intraoperativ durch die Implan- tation entstandene PPFF wird in der Literatur bei Pri- märimplantationen mit 0,1–1 % und bei den Revisio- nen mit bis zu 6 % angegeben (7). Insbesondere durch die zunehmende Zahl der zementfreien minimal-inva- siven Hüftendoprothetik besteht die Gefahr der Ent- stehung von iatrogenen PPFF durch die zugangs - bedingte verminderte Übersicht und den Einsatz von Impaktoren bei der Präparation des Femurschaftes (8). Für die postoperativen, das heißt traumatischen PPFF beträgt die Inzidenz bei KTEP 0,3–5,5 % (7) (9–11). Vergleichbare Zahlen (0,1–6 %) liegen auch für die HTEP vor (3, 12).

Der Zeitraum von der Versorgung mit einer Total - endoprothese im Bereich der unteren Extremität bis zum Auftreten einer entsprechenden PPFF wird in der Literatur mit 20–63,6 Monaten angegeben (5, 11, 13, 14). Die Sterblichkeit nach stattgehabter PPFF und deren Versorgung variiert in Abhängigkeit vom Pa- tientenalter und den vorliegenden Begleiterkrankun- gen zwischen 4,5 % und 22 % (13, 15–19). Zusätzlich wurde eine 10-Jahres-Überlebenswahrscheinlichkeit nach Versorgung periprothetischer HTEP-Frakturen von 69,9 % ermittelt; wobei alle Komplikationen in- nerhalb der ersten 22 Monate nach entsprechender Versorgung der PPFF auftraten (6).

Ursächlich für PPFF sind zumeist niedrig-energeti- sche Frakturmechanismen durch Stürze oder aber in- adäquate Traumata durch gelockerte Prothesenanteile, abriebbedingte Osteolysen, periprothetische Infektio- nen oder Stressfrakturen bei Implantatfehlstellungen.

Zudem können im Rahmen der Revisionsendoprothe- tik beziehungsweise beim Vorliegen allgemeiner Risi- kofaktoren PPFF vermehrt auftreten (10, 20, 21).

Eine Sonderform der PPFF stellt das sogenannte femorale Notching dar; hier kommt es intraoperativ bei der Präparation des Femurs zum vermehrten ven- tralen Unterschneiden im Bereich der Femurkom- pakta, was in biomechanischen Studien eine deutli- che Abnahme der Torsionsstabilität bedingte. Im fi- niten Knochenmodell wurde hier eine Schwächung bis zu 29 % in Abhängigkeit zur Tiefe des Notchings nachgewiesen (7, 22, 23). Allerdings konnte dies in klinische Studien nicht bestätigt werden, hierfür ist wahrscheinlich ein konsekutives Knochenremode- ling ursächlich (10). Daher wird das Notching selbst als auslösendes Moment für eine PPFF kontrovers diskutiert.

Zu den allgemeinen Risikofaktoren für eine PPFF zählen hohes Patientenalter, neurologische Erkran - kungen mit Sturzneigung sowie Erkrankungen, wel- che eine verminderte Knochenqualität oder Fraktur- heilung bedingen können (Osteoporose, Erkrankungen aus dem rheumatischen Formenkreis, metabolische Knochenerkrankungen, Steroidmedikamentation) (6, 10, 24).

KASTEN

Prädiktoren für eine periprothetische Femurfraktur

neu aufgetretene Instabilität

belastungsabhängige Schmerzen

Funktionseinschränkung

Achsfehlstellung

zunehmende Lysesäume im Verlaufsröntgen

Abbildung 1: Vancouver-Klassifikation nach Masri et al. (26)

Typ A Typ B1 Typ B2 Typ B3 Typ C

(3)

Diagnosik

Die Prädiktoren einer drohenden PPFF (Kasten) sind im Rahmen der Anamnese und der klinischen Unter- suchung eruierbar. Um die bestmögliche Therapie ei- ner eingetretenen PPFF gewährleisten zu können und perioperative Komplikationen zu vermeiden, ist prä- operativ eine genaue Frakturanalyse erforderlich.

Während bei einfachen Frakturen Nativröntgenauf- nahmen in zwei Ebenen ausreichend sind, sollte bei komplexeren Frakturen mit entsprechenden Defekt- zonen zusätzlich ein Computertomogramm (CT) durchgeführt werden (25). Wenn möglich sollten Voraufnahmen der Prothese in die Beurteilung mit einbezogen werden, um den Frakturverlauf, die Im- plantatwahl und die Planung des operativen Zugangs mit größtmöglicher Sicherheit durchführen zu kön- nen.

Klassifikationen

Für die Beschreibung und Klassifikation von PPFF der unteren Extremität haben sich je nach Lokalisati- on verschiedene Klassifikationen international durchgesetzt. Im Wesentlichen beziehen sich diese auf die Art der Fraktur, ihren Verlauf in Bezug zur Totalendoprothese sowie die Implantatstabilität selbst. Im Falle der PPFF bei liegenden Hüfttotalen- doprothesen hat sich die Vancouver-Klassifikation durchgesetzt (25–27). Diese differenziert zwischen den Typen A, B und C, wobei unter den Typen A und B noch die Subtypen AG, AL und Subtypen B1, B2 und B3 unterschieden werden (Abbildung 1, Tabelle 1). Sofern Schwierigkeiten bestehen, zwischen den Subtypen B1 und B2 (stabile/lockere Prothese) zu unterscheiden, ist in der Regel die chirurgische Ex- ploration erforderlich.

Im Bereich der Knietotalendoprothetik kommt fe- moral die Einteilung nach Lewis-Rorabeck (25, 29) zur Anwendung (Abbildung 2, Tabelle 1), welche TABELLE 1

Erläuterung der Klassifikationen periprothetischer Femurfrakturen

HTEP, Hüftgelenkstotalendoprothesen; KTEP, Kniegelenkstotalendoprothesen

Vancouver-Klassifikation proximaler Femurfrakturen bei HTEP nach Masri et al. (26) Typ

A B

C

Lewis-Rorabeck-Klassifikation bei suprakondylärer Femurfrakturen bei KTEP (29) Typ

I II III

Lokalisation der Femurfraktur Regio trochanterica

distal des Trochanter major bis zur Prothesenspitze

unterhalb des Prothesenschaftes

Femurfraktur nicht disloziert disloziert

disloziert/nicht disloziert

Subtyp

AG: Trochanter major AL: Trochanter minor B1: stabile Prothese B2: instabile Prothese B3: instabil und schlechte

Knochenqualität

Prothesensitz fest fest locker

Abbildung 2:

Klassifikation periprothetischer Femurfrakturen nach Lewis-Rora- beck (29)

Typ I Typ II Typ III

(4)

zwischen drei Frakturtypen unterscheidet und durch den Grad der Frakturdislokation und der Prothesen- stabilität determiniert wird. Sie unterscheidet festsit- zende Prothesen mit (Typ II) und ohne (Typ I) Dislo- kation sowie gelockerte femorale Prothesen (Typ III).

Therapiestrategie

In Abhängigkeit von Art und Verlauf der Fraktur und deren Bezug zur Prothese, sowie der Implantatstabi- lität selbst, bestehen vielfältige Therapieoptionen (Grafik). Die konservative Therapie kann bei nicht dislozierten PPFF mit adäquatem Implantatlager, in Abhängigkeit vom Allgemeinzustand des Patienten und dessen OP-Fähigkeit indiziert sein. In der Lite- ratur herrscht jedoch Konsens darüber, dass wegen der hohen Begleitkomplikationen (Pseudarthrosera- ten bis 20 %, Sekundärluxation bei Belastungsauf- bau, postoperative Bewegungseinschränkungen) die konservative Therapie nur in ausgewählten Fällen zur Anwendung kommen sollte (10, 11, 21, 24, 31, 32). Auch die Stabilisierung mittels eines Fixateur externe wird wegen des erhöhten Infektionsrisikos und der zusätzlichen Diskriminierung des Knochen- lagers durch die erforderlichen Bohrlöcher der Pins nur in ausgesuchten Fällen temporär empfohlen (9–11). Die nachfolgend beschriebenen und in Tabel- le 2 aufgezeigten operativen Verfahren und deren In- dikationen kommen regelmäßig, abhängig von Frak- turtyp, Implantatsitz und Knochenqualität zur An- wendung.

Vorgehen bei Vancouver Typ A

Im Falle einer perioperativ stattgehabten oder einer postoperativen dislozierten PPFF (> 2 cm) dieses Typs ist eine Versorgung mit verschiedenen Plattensystemen oder Zuggurtungen mittels Cerclagen und Kirschner- drähten zu empfehlen (33). Postoperativ ist eine Teilbe- lastung und Vermeidung der aktiven Abduktion für sechs Wochen obligat, da sonst eine sekundäre knö- cherne Dislokation durch den muskulären Zug droht.

Vorgehen bei Vancouver Typ B1 und C

Für diese PPFF-Typen kommt ausschließlich die win- kelstabile Plattenosteosynthese in Betracht. Aufgrund ihrer multiplen Verankerungsmöglichkeiten und der ex- zellenten Primär- und Rotationsstabilität (12) kommt sie bei allen PPFF der unteren Extremität, bei welchen ein Prothesenerhalt möglich ist, zum Einsatz (11). Be- dingt durch den dezentrierten Kraftfluss zeigt dieses Verfahren eine weniger stabile Fixation bei varischer Belastung und der Rotationsstabilität als die intramedu- läre Nagelung (34). Dies könnte die erhöhte Pseudar- throserate der winkelstabilen Plattenosteosynthese ge- genüber der retrograden Nagelung erklären (21, 24).

Der Vorteil der winkelstabilen Plattenosteosynthese besteht darin, dass auch bei prothesennahen bezie- hungsweise bei Frakturen mit Prothesenlagerbeteili- gung eine gute Fixierung und Primärstabilität erreicht werden kann. Die neuste Generation dieser winkelsta- bilen Platten besitzt die Möglichkeit zum polyaxial winkelstabilen Einbringen der entsprechenden Platten- GRAFIK

Therapie algorithmus bei periprothe tischen Femurfrakturen

Periprothetische Femurfraktur

proximal (Vancouver-Klassifikation)

Prothesensitz

fest locker

Typ B1 & C

Typ B2

Typ B3

disloziert (< 2 cm):

konser - vativ

disloziert (> 2 cm):

Haken- platte oder K-Drähte + Cercla-

gen

Pro - thesen- wechsel

Pro - thesen- wechsel

+ ggf.

Strutgraft winkel -

stabile Platten - osteo - synthese

ggf.

polyaxial (Typ-B1)

distal

(Lewis-Rorabeck-Klassifikation)

Prothesensitz

locker (Typ III)

„open box“

„closed box“

intrame- dulärer

Stem

Pro - thesen- wechsel

retro- - grade Nagelung/

winkel - stabile Platten - osteo - synthese

winkel - stabile Platten - osteo - synthese

winkel - stabile Platten - osteo - synthese

ggf.

polyaxial fest (Typ I & II)

Typ A

(5)

Tumorendoprothesen oder patientenspezifisch angefer- tigten Implantaten. Die modular aufbaubaren Prothesen haben den Vorteil, dass bei Bedarf die Verankerungs- strecke an die intraoperativ vorgefundenen ossären Be- dingungen angepasst werden kann. Wesentliche Kom- plikation stellen auch hier die Infektionen (3 %) und die Pseudarthrosen (3,3 %) dar und bei 5 % ist eine Re- visionsoperation erforderlich. Bestehende Knochende- fekte können zusätzlich durch ein Augmentation-Allo- graft (sogenannte Strutgrafts) behandelt werden. Bei diesem Verfahren werden größere knöcherne Defekte durch biologische Augmentation struktureller knöcher- ner Allografts überbrückt. Strutgrafts finden sowohl im Rahmen der Revisionsendoprothetik als auch als zu- sätzlicher stabilisierender Folgeeingriff bei gescheiter- ten Osteosynthesen Anwendung. Als Nachteilig sind die erforderlichen zugangsbedingten Weichteilschädi- gungen mit Diskriminierung der periostale Durchblu- tung und dem daraus resultierenden zusätzlich erhöhten Risiko für Infektionen und Pseudarthrosen zu nennen.

Evidenzbasierte Daten für die Verwendung von Strut- grafts bei der Versorgung von PPFF liegen aber bislang nicht vor (24).

Vorgehen bei Rorabeck Typ I und II

Bei diesen Frakturtypen haben sich zwei Osteosyn- theseverfahren etabliert. Zum einen die winkelstabi- le Plattenosteosynthese als offenes oder minimalin- vasives Verfahren (vergleichbar dem Vorgehen bei schrauben. Somit wird primär die Schraube mit einem

freien Einführwinkel von bis zu 15° so positioniert, dass entweder eine sichere bikortikale Verankerung der Schraube erreicht wird oder eine prothesennahe mono- kortikale Verankerung erreicht werden kann. Sekundär wird diese dann mittels Verschlusskappe verklemmt, was eine Winkelstabilität zwischen Schraube und Platte herstellt. Der Vorteil dieser Implantateigenschaft liegt in der Versorgung von Frakturen in unmittelbarer Nähe von intramedulären Prothesenanteilen, da ein guter Kraftschluss erreicht werden kann und Sollbruchstellen vermieden werden. Trotz der genannten Vorteile besitzt dieses Verfahren eine hohe Komplikationsrate (6, 21, 35, 36). Typische Komplikationen sind Infektionen (5,3– 14,3 %), Pseudarthrosen (5,3–7 %) und erforder- liche Revisionsoperationen (8,8–14,3 %) (Tabelle 2).

Zusätzlich kann eine fehlerhafte Klassifikation bei der Frakturbeurteilung zu einem Versagen beziehungswei- se einer Überforderung des Verfahrens beziehungswei- se Implantates führen (6).

Vorgehen bei Vancouver Typ B2 und B3

Diese PPFF-Typen erfordern stets einen Wechsel der Endoprothese wobei die Versorgung von B3-Frakturen aufgrund der schlechten Knochenqualität oder ausge- prägter Trümmerzonen mitunter schwierig ist. Die Ver- sorgungsmöglichkeiten sind hier vielfältig und reichen von zementfreien modular aufbaubaren Implantaten oder zementierten Revisonsendoprothesen bis hin zu TABELLE 2

Vergleich der Therapieoptionen bei periprothetischen Femurfrakturen

HTEP, Hüftgelenkstotalendoprothesen; KTEP, Kniegelenkstotalendoprothesen Indikationen

Komplikationen Infektionen Pseudarthrosen – erforderliche Revision Mortalität

Vorteil

Nachteil

winkelstabile Plattenosteosynthese Lewis-Rorabeck Typ I + II

Vancouver Typ B1 + C

5,3–14,3 % 5,3–7 % 8,8–14,3 % 4,54–13,4 % – Primär- und Rotationsstabilität – bei Osteoporose anwendbar – als vorgeformte anatomische Platten – weichteilschonender Zugang möglich – zusätzlich auch polyaxial winkelstabil – intraoperative Durchleuchtungszeit – frühfunktionelle Nachbehandlung – Komplikationsraten

– Diskriminierung Prothesenlager – Korrekturverlust bei Trümmerfraktur – dezentraler Kraftfluss

Nagelosteosynthese Lewis-Rorabeck Typ I + II

0–2,9 % 3,3–29 % 4,6–40 % 0–22 % – Primär- und Rotationsstabilität – zentraler Kraftfluss (intramedulär) – weichteilschonender Zugang – frühfunktionelle Nachbehandlung

– Reposition schwierig – Stabilitätsverlust bei:

– weitem Markraum Spiralfrakturen Osteoporose

– interkondyläre Distanz limitiert – intraoperative Durchleuchtungszeit – Frakturabstand zur Prothese – postoperative Beinlängendifferenz – postoperative Achsfehlstellungen

Revisionsendoprothetik Lewis-Rorabeck Typ III Vancouver Typ B2 + B3

3 % 3 % 5 % 14,5 % – Primärstabilität – zentraler Kraftfluss

– frühfunktionelle Nachbehandlung

– Weichteiltrauma – Knochenverlust

– postoperative HTEP-Luxation – postoperative Beinlängendifferenz

(6)

den PPFF-Typen Vancouver B1 und C, siehe dort), zum anderen die retrograde intrameduläre Nagelung.

Letztere kann nur bei sogenannten „open box“-Knie- totalendoprothesen (kreuzbanderhaltende KTEP) zur Anwendung kommen, da hier keine Führungsbox für den entsprechenden Inlay-Zapfen im Bereich des Femurteils besteht, wodurch die Einbringung des Nagels möglich ist. Gleichzeitig limitiert sich das Verfahren selbst, da hier der Nageleintrittspunkt durch das Prothesendesign vorgegeben ist und der Nageldurchmesser entsprechend der interkondylären Distanz der Femurprothese gewählt werden muss (11).

Des Weiteren muss, zwecks sicherer distaler Veranke- rung des Nagels, die Fraktur einen gewissen implan- tatspezifischen Abstand zum Femurteil aufweisen, um eine sichere Verriegelung des Nagels mit mindestens zwei Bolzen gewährleisten zu können (37).

Problematisch stellt sich mitunter, im Vergleich zu offenen Verfahren, die schwierigere Frakturrepositi- on dar. Auch ist die Implantatstabilität bei osteoporo- tischen Knochen, weitem distalen Metaphysenkanal oder bei längeren Spiralfrakturen der winkelstabilen Plattenosteosynthese unterlegen (11, 20), weshalb sich bei langstreckigen Spiralfrakturen deutlich hö- here Pseudarthroseraten bei der Versorgung mit einer Nagelosteosynthese zeigen (11, 24). Das geringe Weichteiltrauma in Kombination mit einer guten Ro- tationsstabilität bei kurzstreckigen Frakturen sind die Stärken dieses Osteosyntheseverfahrens. Die In- fektionsrate liegt, bedingt durch das geringe Weich- teiltrauma bei der Einbringung des retrograden Na- gels, zwischen 0 und 2,9 %. In Abhängigkeit von der Frakturlokalität und -länge zeigt sich eine Pseudar- throsenrate von 1,5–29 % mit entsprechend erforder- lichen Revisionsraten von 4,6–40 % (21, 36) (Tabel- le 2).

Sonderfall Rorabeck Typ III

Diese PPFF erfordert stets einen Prothesenwechsel.

Das Portfolio reicht von Implantaten mit unter- schiedlichen Kopplungsgraden bis hin zu Tumoren- doprothesen oder patientenspezifisch angefertigten Implantaten. Hier haben modular aufbaubare Prothe- sen einen Vorteil, da bei Bedarf intraoperativ die Verankerungsstrecke und der Kopplungsgrad ent- sprechend den vorgefundenen Bedingungen und An- forderungen angepasst werden können. Bestehende Knochendefekte können auch hier zusätzlich durch ein Strutgraft behandelt werden.

Fazit

Die Versorgung des gesamten Spektrums dieser Frakturen erfordert vom Operateur detailliertes Wis- sen und Versiertheit bezüglich der Osteosynthesever- fahren und Revisions-/Prothesensysteme. Bei zuneh- mend älteren multimorbiden Patienten sind relevante Begleiterkrankungen zu berücksichtigen. Eine inter- disziplinäre Betreuung, wie sie in Krankenhäusern der Maximalversorgung gewährleistet wird, muss gegeben sein. Wesentliche Faktoren für einen erfolg-

reichen postoperativen Verlauf sind die Compliance des Patienten und ein adäquates, wenn möglich früh- funktionelles physiotherapeutisches Nachbehand- lungskonzept. Aufgrund der eingangs erwähnten Veränderung in der Alterspyramide besteht zuneh- mend das Problem der Versorgung multimorbider Patienten (ASA-Risikoklassifikation > 3). Diese Pa- tienten profitieren von einer zeitnahen operativen Versorgung (31), da durch eine verzögerte operative beziehungsweise konservative Therapie postoperati- ve Komplikationen zunehmen (32). Somit sollte die zeitnahe Schaffung einer primären belastungs- be- ziehungsweise übungsstabilen Situation, zur Vermei- dung der oben genannten Risiken und Komorbiditä- ten, stets die zentrale Zielstellung sein.

Es besteht ein Bedarf für eine einheitliche Klassi- fikation dieser Frakturen, wie auch für prospektive, evidenzstarke vergleichende Studien zu verschiede- nen Behandlungsstrategien der periprothetischen Fe- murfraktur.

KERNAUSSAGEN

Die Versorgung einer periprothetischen Femurfraktur (PPFF) erfordert Kompetenz und Sachkenntnis in Frak- turheilung und Revisions-/Endoprothetik und ist Zen- trumsaufgabe.

Die periprothetische Fraktur des Femur ist kein Notfall, bedarf aber der geplanten zeitnahen operativen Versor- gung.

Die konservative Therapie der PPFF ist aufgrund der Risiken nur in Ausnahmen indiziert.

Die Versorgung PPFF sollte darauf zielen eine postope- rative, frühfunktionelle Mobilisation zu ermöglichen.

PPFF im Zusammenhang mit gelockerten Implantaten (Vancouver Typ B2 und B3 bzw. Rorabeck Typ III) erfor- dern stets einen Prothesenwechsel.

Interessenkonflikt

Die Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Manuskriptdaten

eingereicht: 31. 1. 2014, revidierte Fassung angenommen: 14. 7. 2014

LITERATUR

1. Veit C, Bauer J, Döbler K, et al.: Bundesgeschäftsstelle Quali- tätssicherung gGmbH: Qualitätsreport 2008. Krefeld: Schotte 2008; www.bqs-qualitaetsreport.de/ (last accessed on 16 June 2014)

2. Garellick G, Karrholm J, Rogmark C, et al.: Swedish hip arthro- plasty register—annual report 2011. Goteborg: Register (eds.) 2011: 9–25.

3. Rupprecht M, Lehmann W: Periprothetische Femurfrakturen. Un- fallchirurg 2008; 111: 812–20.

4. Raschke M, Stange R, Kösters C: Versorgung periprothetischer und periimplantärer Frakturen – Moderne Plattenosteosynthese- verfahren. Unfallchirurg 2012; 115: 1009–21.

(7)

5. Beals R, Tower S: Periprosthetic fractures of the femur. Clinical Orthopaedics and Related Research 1996; 327: 238–46.

6. Lindahl H, Malchau H, Odén A, et al.: Risk factors for failure af- ter treatment of a periprosthetic fracture of the femur. Journal Bone Joint Surgery 2006; 88: 26–30.

7. Gruner A, Hockertz T, Reilmann H: Die periprothetische Fraktur – Klassifikation, Management, Therapie. Unfallchirurg 2004; 107:

35–49.

8. Probst A, Schneider T, Hankemeier S, et al.: Der Prothesennagel – primär belastungsstabiles Implantat bei peri- und subprotheti- schen Frakturen des Femurs. Unfallchirurg 2003; 106: 722–31.

9. Diehl P, Burgkart R, Gollwitzer H: Periprothetische Frakturen nach Knietotalendoprothetik. Orthopäde 2006; 35: 961–74.

10. Mittelmeier T, Stöckle U, Schaser K, et al.: Periprothetische Frakturen nach Knietotalendoprothetik. Unfallchirurg 2005; 108:

481–96.

11. Wick M, Müller E, Muhr G, et al.: Die operative Versorgung su- prakondylärer Femurfrakturen bei liegender Knieendoprothese –

“less invasive stabilization system“ (LISS) oder retrograder Na- gel. Unfallchirurg 2004; 107: 181–8.

12. Dennis M, Simon J, DiCesare P, et al.: Fixation of periprosthetic femoral shaft fractures occuring at the tip of the stem – a biomechanical study of 5 techniques. Churchill Livingstone.

The Journal of Arthroplasty 2000; 15: 523–8.

13. Gregory E, Davis C: Early healing with locked condylar plating of periprosthetic fractures around the knee. The Journal of Arthro- plasty 2005; 20: 984–9.

14. Agarwal S, Sharma R, Jain J: Periprosthetic fractures after total knee arthroplasty. Journal of Orthopaedic Surgery 2014; 22:

24–9.

15. Ricci W, Loftus T, Cox C, et al.: Locked plates combined with mi- nimally invasive insertion technique for the treatment of peripro- sthetic supracondylar femur fractures above the total knee ar- throplasty. J Orthop Trauma 2006; 20: 190–6.

16. El-Zayat B, Zettl R, Ruchholtz S: Minimalivasive Versorgung geriatrischer und osteoporotischer Femurfrakturen mit polyaxial- winkelstabilem Implantat (NCB-DF). Unfallchirurg 2010: 115:

134–44.

17. Streubel P, Gardner M, Ricci W: Are extreme distal periprosthetic supracondylar fractures of the femur too distal to fix using a lateral locked plate? J Bone Joint Surg 2010; 92: 527–34.

18. Munro J, Masri B, Duncan C, et al.: Tapered fluted modular tita- num stems in the management of Vancouver B2 and B3 peri- prosthetic fractures. Bone Joint J 2013; 95: 17–20.

19. Han H, Won K, Kang S: Retrograde intramedullary nailing for peri- prosthetic supracondylar fractures of the femur after total knee arthroplasty. Clinics in Orthopedic Surgery 2009; 1: 201–6.

20. Pressmar J, Macholz F, Liener U, et al.: Ergebnisse und Kompli- kationen der Behandlung periprothetischer Femurfrakturen mit einem winkelstabilen Plattensystem. Unfallchirurg 2010; 113:

195–202.

21. Zlowodzki M, Herrera D, Kregor P, et al.: Treatment of acute dis- tal femur fractures above a total knee arthroplasty. Acta Ortho- paedica 2008; 79: 22–7.

22. Zalzal P, Backstein D, Gross Allan, et al.: Notching oft the ante- rior femoral cortex during total knee arthroplasty. The Journal of Arthroplasty 2006; 21: 737–43.

23. Ritter M, Keating E: Anterior femoral notching and ipsilateral su- prakondylar femur fracture in total knee arthroplasty. Journal of Arthroplasty 1988; 3: 185–7.

24. Nauth A, Schemitsch MD: Periprosthetic distal femur fractures:

Current Concepts. Lippincott Williams & Wilkins. J Orthop Trauma 2011; 25: 82–5.

25. Ruchholtz St, Jordi T, Florian G, et al.: Periprosthetic fracture around the knee – the best way of treatment. Eur Orthop Trau- matol 2013; 4: 93–102.

26. Masri B, Meek R, Duncan C: Periprosthetic fracture evaluation and treatment. Clin Orthop Relat Res 2004; 420: 80–95.

27. Hou Z, Bowen T, Smith W: Periprosthetic femoral fractures asso- ciated with hip arthroplasty. Orthopaedics 2010; 33: 908–16.

28. Scholz R, Matzen P, von Salis-Soglio G, et al.: Treatment of peri- prosthetic femoral fractures associated with total hip arthroplas- ty. Z Orthop Ihre Grenzgeb 2003; 141: 296–302.

29. Rorabeck C, Taylor J: Classification of periprosthetic fractures complicating total knee arthroplasty. Orthop Clin North Am 1999; 30: 209–14.

30. Kösters C, Stange R, Raschke M: Periprothetische Frakturen bei Knieendoprothesen. Trauma Berufskrankheit 2012: 14: 1–7.

31. Meyer C, Alt V, Heiss C, et al.: Marknagelung periprothetischer Femurfrakturen nach Revisions-Knietotalendoprothese. Unfall- chirurg 2011, 114: 241–7.

32. Wick M, Müller E, Muhr G: Suprakondyläre Femurfrakturen bei Knieendoprothesen. Unfallchirurg 2001; 104: 410–3.

33. Pritchett J: Fracture of the greater trochanter after hip replace- ment. Clin Orthop Relat Res 2001; 390: 221–6.

34. Bong M, Di Cesare P: Comparison of the LISS and a retrograde- inserted supracondylar intramedullary nail for fixation of a peri- prosthetic distal femur fracture proximal to a total knee arthro- plasty. The Journal of Arthroplasty 2002; 7: 876–81.

35. Corten K, Vanrykel F, Bellemans J: An algorithm for the surgical treatment of periprosthetic fractures of the femur around a well- fixed femoral component. JBJS 2009; 91: 1424–30.

36. Horneff J, Scolaro J , Metha S, et al.: Intramedullary nailing ver- sus locked plate for treating supracondylar periprosthetic femur fractures. Orthopaedics 2013; 6: 561–6.

37. Mittelmeier T, Beck M: Retrograde Verriegelungsmarknagelung bei periprothetischer distaler Femurfraktur nach kondylärem Kniegelenkersatz. Unfallchirurg 2005; 108: 497–502.

Anschrift für die Verfasser Dr. med. Alexander Hagel

Department für Orthopädie Unfall- und Wiederherstellungschirurgie Martin Luther Universität Halle-Wittenberg

Ernst-Grube Straße 40, 06097 Halle/Saale alexander.hagel@uk-halle.de

Zitierweise

Hagel A, Siekmann H, Delank KS: Periprosthetic femoral fracture—

an interdisciplinary challenge. Dtsch Arztebl Int 2014; 111: 658–64.

DOI: 10.3238/arztebl.2014.0658

@

The English version of this article is available online:

www.aerzteblatt-international.de

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Die Vertreter der Waldbesitzervereinigungen Holzkirchen und Wolfratshausen appellieren deshalb gemeinsam mit dem BUND Naturschutz an die Abgeordneten im Bundestag, aber auch

Aus dermatologischer Sicht eine eher seltene zusätzliche Organmanifestation der Psoriasis, von Rheumatologen oft als „kleine“ Schwe- ster der rheumatoiden Arthritis betrachtet,

In dieser Abschlussarbeit wird bewußt ein Kapitel der Ernährung und Malnutrition bei DialysepatientInnen behandelt, da diese einerseits bei der Grunderkrankung

Die prinzipiell pharmakologische Behandelbarkeit von Tinnitus wird nahegelegt durch die Beobachtung, dass der spannungsabhängige Natrium-Kanal-Blocker Lido- cain nach

Lag früher die Therapie der übergewichtigen Patienten zu- meist in konservativ medizinischer Hand, so hat sich mittlerweile – nicht zuletzt durch die Verbreitung

Gemein- samkeiten mit dem HELLP-Syndrom bestehen in einer hämolytischen An- ämie (SLE: durch Autoantikörper in- duzierte Zytopenie mit Coombs-posi- tiver hämolytischer Anämie;

Schematische Darstellung der Spaltbildungsebenen in der dermo-epidermalen Junktionszone bei den verschiedenen EB-Formen. Bei EBS findet sich die Blase im Bereich der ba-

Dieses Indika- tionsspektrum lässt sich nach unserer Erfahrung auch auf das Femur (AO 32 A – C) übertragen, wobei durch den Einsatz spezieller Implantate auch AO 31 A 1