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Archiv "Epidermolysis bullosa: eine interdisziplinäre Herausforderung" (08.06.2001)

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D

ie Epidermolysis bullosa (EB) ist eine erbliche bullöse Derma- tose, bei der minimale Traumen Hautblasen zur Folge haben (Abbil- dung 1)(7). Kausal für die EB-Subty- pen verantwortlich sind Mutationen in Genen für Strukturproteine der der- mo-epidermalen Basalmembranzone.

Bis heute sind Defekte in zehn ver- schiedenen Genen bei den unter- schiedlichen EB-Formen bekannt (4, 14). Die von diesen Genen kodierten Proteine sind essenzielle Bestandteile von supramolekularen Verankerungs- komplexen (Hemidesmosomen, Ver- ankerungsfibrillen), die die Epidermis mit der Dermis verankern (2). Der Funktionsverlust oder ein komplettes Fehlen mutanter Proteine führt zum verminderten Zusammenhalt der Hautschichten und klinisch zur Bla- senbildung. Nach Hochrechnungen, die auf internationalen Studien basie- ren, ist in Deutschland mit mehr als 4 700 an EB erkrankten Personen zu rechnen (8).

Aufgrund des Blasenbildungsni- veaus wird die EB in drei Hauptkate- gorien unterteilt. Auf ultrastrukturel- ler Ebene findet die Spaltung bei EB simplex (EBS) in der Epidermis inner- halb der basalen Keratinozyten, bei EB junctionalis (EBJ) entlang der Ba- salmembran und bei EB dystrophica (EBD) unterhalb der Basalmembran statt (Grafik 1) (9). Bei der EBS führen Mutationen in Keratin-Genen oder im Plectin-Gen zum Kollaps des Keratin-Zytoskeletts und zur Zytolyse der basalen Keratinozyten (Tabelle 1) (6, 12, 16).

Bei der EBJ sind die Hemidesmoso- men, die die Epidermis mit der Basal- membran verknüpfen, abnormal. Mu- tationen in den Genen für Laminin 5 (1, 12), Kollagen XVII (13–15) und a6ß4 Integrin (14, 17) (Tabelle 1) führen zu abnormalen Hemidesmoso- men und zu reduzierter Verankerung

der Epidermis. Bei der EBD sind die Epidermis und die Basalmembran in- takt, aber die Vernetzung mit der darunterliegenden Dermis durch de- fekte Verankerungsfibrillen destabili- siert. Kollagen VII ist die Hauptkom- ponente dieser Fibrillen, und Mutatio- nen im Kollagen-VII-Gen verursachen die EBD (4, 5, 11).

Neue molekulargenetische Unter- suchungen haben gezeigt, dass bei al- len EB-Kategorien Nullmutationen schwere und zum Teil letale Krank- heitsverläufe verursachen (1, 11). Im Gegensatz dazu sind andere Gende- fekte, zum Beispiel Aminosäuresub- stitutionen, mit milderen klinischen Manifestationen assoziiert (5, 15).

Fast alle Epidermolysis-bullosa-Fa- milien, haben ihre spezifische Muta- tion(en), und Compound-Heterozygo- tie ist sehr häufig, das heißt der Patient trägt zwei verschiedene Mutationen, die zusammen für das klinische Bild der Erkrankung verantwortlich sind (4, 11).

Epidermolysis bullosa:

eine interdisziplinäre Herausforderung

Neues über Genetik, Pathophysiologie und Management Hauke Schumann

Gabriele Beljan Leena Bruckner-Tuderman

Zusammenfassung

Epidermolysis bullosa (EB) ist eine Gruppe von erblichen blasenbildenden Erkrankungen, die neben Beteiligung der Haut und angrenzender Schleimhäute auch mit Muskeldystrophie, Pseudosyndaktylie, Ösophagusstenosen oder Pylorusatresie assoziiert sein kann. Pathogene- tisch bedingen Mutationen in Strukturprote- inen der Basalmembran-Zone der Haut eine Fragilität dieser Zone, sodass minimale Trau- men zur Blasenbildung führen. Das klinische Bild reicht von früh letalen Formen mit ausge- prägtem Befall bis zu milder akraler Beteili- gung oder zu oft verkannten Minimalläsionen ohne Blasenbildung. Da der Erstkontakt bei dem klinisch weit gefächerten Bild durch viele ärztliche Disziplinen erfolgen kann, gewinnt das Erkennen der Symptome, auch der Mini- malformen, an Bedeutung. Rasante molekular- genetische Fortschritte bezüglich der Pathoge-

nese ermöglichen schon heute frühe präzise Diagnostik. Die Entwicklung gentherapeuti- scher Verfahren legt eine Basis für zukünftige kausale Therapien. Bis dahin bleibt die sympto- matische Behandlung und ein optimiertes in- terdisziplinäres Management der Ansatz der Wahl.

Schlüsselwörter: Haut, Blasen, Basalmembran, Laminin, Kollagen

Summary

Epidermolysis Bullosa:

an Interdisciplinary Challenge

Epidermolysis bullosa (EB) refers to a group of blistering skin diseases which can be associat- ed with muscular dystrophy, pseudosyndacty- ly, esophageal stenosis or pyloric atresia. The cause of the diseases are mutations in the genes for structural proteins of the skin base-

ment membrane zone. The gene defects lead to extreme fragility of this zone, and minimal trauma can cause skin blisters. The clinical spectrum varies from early lethal forms with massive blistering to mild acral involvement or to minimal lesions without blistering which often go undiagnosed. Since the first contact with an EB patient can be made by any clinical specialist, it is important to recognize the symptoms and the minimal signs. Rapid progress in understanding the molecular basis of EB allows an early, precise diagnosis. The develop- ment of novel therapeutic strategies gives hope for causal therapies in the future. Present- ly, however, symptomatic treatment and a multidisciplinary approach to the disease are the most important aspects for the manage- ment of EB.

Key words: skin, blister, basement membrane, laminine, collagen

Universitäts-Hautklinik (Direktor: Prof. Dr. med. T. Luger), Universitätsklinikum, Münster

(2)

Klinisches Bild und neue, vereinfachte Nomenklatur

Wegen der ausgeprägten genetischen Heterogenität ist eine EB-Nomenkla- tur aufgrund der molekularen Abnor- mitäten nicht praktikabel. Andererseits ist jetzt bekannt, dass viele frühere Sub- typen keine eigenständigen Krank- heitsbilder darstellen. Deshalb wurde von führenden EB-Spezialisten 1999 ei- ne neue vereinfachte Nomenklatur be- schlossen (7), die auch in diesem Arti- kel angewandt wird. Im Folgenden wer- den das Spektrum der EB-Manifesta- tionen und die typischen Symptome der Hauptgruppen kurz erläutert.

Spektrum der EB-Manifestationen Erwartungsgemäß ist das Spektrum der EB-Manifestationen sehr breit. Beson- ders problematisch ist die Situation bei Neugeborenen (Abbildung 1 A). Post- partal findet sich oft eine massive Bla- senbildung, unabhängig vom Subtyp, und eine rein klinische Diagnose ist nicht möglich. Wie bei Verbrennungs- opfern kann sich durch Flüssigkeits- und Eiweißverlust und durch bakteriel- le Superinfektionen eine vitale Bedro- hung entwickeln. Um Risiken für se- kundäre Probleme abzuschätzen und um prognostische Aussagen treffen zu können, ist eine frühe Differenzierung der verschiedenen EB-Formen jedoch notwendig und mit molekularer Ana- lyse einer Hautbiopsie und einer Blut- probe möglich. Die sekundären klini- schen Merkmale wie Vernarbung, Mili- en, Nageldystrophie, Hyperkeratosen, Hyperpigmentierungen, Zahnanomali- en, oder Alopezie, entwickeln sich erst im Laufe der ersten Lebensjahre. Asso- ziationen mit Pylorusatresie, Muskel- dystrophie, Ösophagusstenosen, Pseu- dosyndaktylien, Anämie, Eisen- und Eiweißmangel, Entwicklungsverzöge- rung und psychosomatischen Proble- men sind weitere Aspekte, die einer multidisziplinären Betreuung bedürfen (Tabelle 2). Auf der anderen Seite ge- hören zum Spektrum der EB-Manife- stationen auch Patienten, die bei Ge- burt nur geringgradig oder gar nicht be- troffen sind und im Verlauf des Lebens, in Einzelfällen erst im Erwachsenenal- ter milde Symptome entwickeln.

EB simplex

Die EB simplex (EBS) ist durch intraepidermale, ober- flächliche Blasen charakteri- siert, die ohne Narben aushei- len. Die meisten EBS-Pa- tienten haben dominant ver- erbte Mutationen in den Ge- nen für die Keratine 5 und 14 (6, 14). Die häufigste EBS- Form, gleichzeitig auch die häufigste EB-Form insge- samt, ist die EBS localisata Weber-Cockayne. Die Bla- senbildung ist auf Hände und Füße das heißt mechanisch stark belastete Bereiche be- schränkt und kann erst in der Kindheit oder in der Ju- gend auftreten. Typischerwei- se sind im Sommer nach län- geren Fußmärschen die Füße betroffen („summer bliste- ring“). Der Leidensdruck ist häufig so gering, dass die Pati- enten keine ärztliche Hilfe aufsuchen. EBS Koebner und EBS Dowling-Meara stellen generalisierte EBS-Formen dar (7). Blasenbildung besteht EB simplex

EB junctionalis

EB dystrophica Grafik 1

Schematische Darstellung der Spaltbildungsebenen in der dermo-epidermalen Junktionszone bei den verschiedenen EB-Formen. Bei EBS findet sich die Blase im Bereich der ba- salen Keratinozyten der Epidermis, das Zytoskelett ist be- troffen. Bei EBJ entsteht der Spalt zwischen Epidermis und Dermis, oft sind die Hemidesmosomen betroffen. Bei der EBD sind dermale Blasen zu finden und die Verankerungsfi- brillen sind verändert. –, Basalmembran; ÇÇÇÇ, Verankerungs- fibrillen.

Abbildung 1: Die Band- breite der klinischen Ma- nifestationen der Epider- molysis bullosa. a) Gene- ralisierte Blasenbildung bei einem Neugebore- nen erlaubt keine Aussa- ge über den EB-Subtyp und den klinischen Ver- lauf. Hier ein Kind mit EBS Dowling Meara am 2. Lebenstag mit drama- tischer Besserung im Verlauf der nächsten Monate. b) Durch konti- nuierliche dermale Bla- senbildung entwickeln sich bei EBD Hallopeau- Siemens Vernarbungen und Mutilationen (Pseu- dosyndaktylien) zum Teil schon im ersten Lebens- jahr. c) Überschießendes Granulationsgewebe an den Zehen, wie es oft bei EBJ Herlitz zu finden ist.

d) Nageldystrophien sind

häufig bei EBJ und EBD, können aber auch die einzige Manifestation bei heterozygoten Trägern von EB-Mutationen oder bei Patienten mit milden lokalisierten EB-Formen sein. e) An mechanisch bela- steten Stellen treten nach minimalen Traumen gehäuft Blasen auf. f) Ausdünnung der Haare durch re- zidivierende Traumen bei Haarspangenbenutzung bei einem neunjährigen Mädchen mit EBJ.

(3)

seit Geburt, und initial ist das gesamte Integument befallen, manchmal mit Schleimhautläsionen. Der Verlauf ist sehr günstig und im Erwachsenenalter finden sich oft nur noch palmoplantare Hyperkeratosen und Hyperhidrose.

Bei der seltenen EBS mit Muskeldys- trophie, die durch rezessiv vererbte Plektin-Mutationen bedingt ist, findet sich eine generalisierte Blasenbildung

und eine Muskeldystrophie, die in der Regel später einsetzt aber wesentlich die Lebenserwartung bestimmt (16).

EB junctionalis

Alle Subtypen von EB junctionalis (EBJ) zeigen eine Spaltbildung ent- lang der Basalmembran, und die Bla- sen heilen daher ohne Narbenbildung.

Das klinische Bild reicht von der schweren EBJ Herlitz und EBJ mit Pylorusatresie bis zu milder EBJ non- Herlitz. Die EBJ Herlitz wird durch Nullmutationen in den Genen für La- minin 5 verursacht, die zum Verlust dieses wichtigen Proteins und zu ex- tremer Hautfragilität führen. Mit der Geburt tritt eine massive Blasenbil- dung der Haut und der Schleimhäute auf, gefolgt von schlecht heilenden Erosionen und Granulationsgewebe vor allem an Fingerspitzen, am Gesäß und perioral (Abbildung 1 C)(1, 3).

Hinzu treten Flüssigkeits- und Pro- teinverlust sowie systemische Infek- tionen, sodass der Verlauf zumeist in- nerhalb der ersten zwei Lebensjahre letal ist. Für die EBJ mit Pylorusatre- sie sind Mutationen in den Genen für a6b4 Integrin verantwortlich und be- dingen eine Blasenbildung der Haut und Schleimhäute (14, 17). Die Py- lorusatresie kann chirurgisch behoben werden, die Prognose hängt von der Art der Mutation und von der Schwe- re der Hautbeteiligung ab. In ausge- prägten Fällen mit Nullmutationen ist der Verlauf - wie bei EBJ Herlitz – le- tal, aber in milderen Fällen kann die Blasenbildung sehr geringfügig sein.

Für die nicht letalen EBJ-non-Herlitz- Formen sind Mutationen im Kolla- gen-XVII-Gen, seltener in den a6b4 Integrin- und den Laminin-5-Genen verantwortlich. Klinisch ist das Bild sehr variabel (Abbildung 1 F) (7, 8).

Die generalisierten Formen zeigen oft Schleimhaut- und gastrointestinale Beteiligung, eine leichte Hautatro- phie, Nageldystrophien, Zahnschmelz- defekte und Alopezie (Abbildung 1) (13). Bei den lokalisierten Formen sind späterer Beginn und akrale Blasen- bildung, Nageldystrophien und Zahn- schmelzdefekte typisch (15).

EB dystrophica

Bei der EB dystrophica (EBD) entste- hen die Blasen unterhalb der Basal- membran und heilen daher mit Nar- benbildung ab. Auch hier variiert der Schweregrad des klinischen Verlaufs je nach Subtyp. Dominant oder rezessiv vererbte Mutationen im Kollagen-VII- Gen sind für alle EBD-Subtypen ver- antwortlich. Die schwerste Form, EBD

´ Tabelle 1CC´

Neue Klassifikation der Epidermolysis bullosa hereditaria

Haupt-EB- Häufigste EB-Subtypen Betroffenes Gen Betroffenes

Formen Protein

EB simplex EBS Weber-Cockayne KRT 5 und KRT 14 Keratin 5 und 14

(EBS) EBS Koebner KRT 5 und KRT 14 Keratin 5 und 14

EBS Dowling Meara KRT 5 und KRT 14 Keratin 5 und 14 EBS mit Muskeldystrophie PLEC 1 Plectin EB junctionalis EBJ Herlitz LAMB3, LAMC2, LAMA3 Laminin 5,

(EBJ) EBJ non-Herlitz COL17A1, LAMB3, Kollagen XVII,

LAMC2, LAMA3 Laminin 5, EBJ mit Pylorusatresie ITGA6, ITGB4 a6 b4 Integrin EB dystrophica EBD Hallopeau-Siemens COL7A1 Kollagen VII

(EBD) EBD non-Hallopeau-Siemens COL7A1 Kollagen VII

dominante EBD COL7A1 Kollagen VII

Modifiziert nach Fine et al. (7)

´ Tabelle 2CC´

Interdisziplinäres Management

Disziplin Häufige Probleme und Maßnahmen

Anästhesisten Operationen, Verbandswechsel, Schienenanpassung, Zahnbehandlung

Augenärzte Blasen, Erosionen an Konjunktiven und Cornea, narbige Ektropien Chirurgen Pseudosyndaktylien, Pylorusstenosen, Ösophagusdilatation,

PEG-Anlage (PEG, perkutane endoskopische Gastrostomie) Ernährungsberater Mangelzustände, Obstipation, Sondenernährung

Ergotherapeuten Entwicklungsförderung, Hilfsmittelauswahl

Hautärzte Diagnostik, Wundversorgung, Malignomfrüherkennung, interdis- ziplinäre Koordination

Kinderärzte Grundversorgung, interdisziplinäre Koordination Krankengymnasten Kontrakturprophylaxe und Behandlung, Vermeidung von

Pseudosyndaktylien

Intensivmediziner Schwere Blasenbildung, Sepsis, schwere Flüssigkeits- und Eiweiß- verluste

Psychosomatiker Krankheitsbewältigung

Orthopäden Operative Versorgung, Spezialschuhwerk, Schienenanpassung, Gelenkkontrakturen, Hilfsmittelanpassung

Sozialarbeiter Behindertenausweis, Pflegeversicherung, Reha

Zahnärzte Zahnerhaltung, Zahnaufbau, Mundschleimhautbehandlung

(4)

Hallopeau-Siemens, entsteht durch Nullmutationen, führt zur Invalidität und hat eine reduzierte Lebenserwar- tung (3, 4, 11). Generalisierte Blasenbil- dung ist schon bei Geburt vorhanden und führt während der Kindheit zu ei- ner starken Vernarbung, Synechiebil- dung, Nagelverlust, Gelenkkontraktu- ren und zur Mutilation (Pseudosyndak- tylie) der Hände und Füße (Abbildung 1 B) (8).

Der Befall von Mundschleimhaut und Gastrointestinaltrakt verursacht Schluckbeschwerden und Ösophagus- stenosen, perianale Blasen und Erosio- nen führen zu Defäkationsschmerzen und Obstipation (8). Diese Beschwer- den wiederum haben reduzierte Nah- rungsaufnahme sowie Protein- und Blutverlust, Anämie und Wachstums- störungen zur Folge. Eine weitere Komplikation bei dieser Form ist eine deutlich erhöhte Inzidenz von spinozel- lulären Narbenkarzinomen jenseits des 20. Lebensjahres, wie statistische Ana- lysen größerer Patientenkollektive ge- zeigt haben (8). Die Non-Hallopeau- Siemens-Formen entwickeln generali- sierte, nicht zu Mutilationen führende Blasenbildung und haben die Tendenz zur Besserung im Verlauf (4). Die domi- nanten EBD-Formen zeigen ein insge- samt milderes klinisches Bild. In der Regel findet sich eine akral betonte lo- kalisierte Blasenbildung und bei einzel- nen Individuen allein Nageldystrophien als Manifestation (3).

Moderne molekulare Diagnostik

Die frühe klinische Unterscheidung der EB-Subtypen ist schwierig, da die cha- rakteristischen sekundären Merkmale und Begleitsymptome langsam entste- hen. Jedoch erlaubt die molekulare Diagnostik oft eine genaue Subtypisie- rung schon im Neugeborenenalter. Ei- ne Voraussetzung dafür ist eine sorgfäl- tige Familienanamnese zur Bestim- mung des Erbganges (8). Dabei muss besonders auch auf Minimalbefall der Familienmitglieder geachtet werden, zum Beispiel Zehennagel- oder Zahn- anomalien ohne Blasenbildung. Für die Diagnostik ist eine Hautbiopsie notwendig. Dies ist auch im Neugebo-

renenalter unproblematisch, da die Wundheilung bei der EB normal ist.

Am besten geeignet sind Hautbiopsien aus klinisch nicht befallener periläsio- naler Haut, weil sie durch Entzündung und/oder Reepithelialisierung nicht se- kundär verändert sind. Das Antigen Mapping ist eine einfache und schnelle Methode zur Bestimmung der Blasen- bildungsebene und des betroffenen Proteins. Kryoschnitte einer Hautbiop- sie werden mit Antikörpern gegen ver- schiedene Strukturproteine der Haut- Basalmembranzone mittels Immun- fluoreszenz (IF) gefärbt (10). Aus der Konstellation der Markerantikörper am Blasenboden oder -dach ergibt sich das Niveau der Spaltung (Abbildung 2).

Das Antigen Mapping liefert auch In- formation über das Fehlen eines Struk- turproteins, zum Beispiel Fehlen von Laminin 5 bei EBJ Herlitz (1), a6b4 In-

tegrin bei EBJ mit Pylorusatresie (14, 17), Kollagen XVII bei EBJ non-Her- litz (13, 15) oder Kollagen VII bei EBD Hallopeau-Siemens (4, 5, 11). Die traditionelle elektronenmikroskopische Diagnostik unterstützt das Antigen Mapping. Auffällige Ultrastrukturen und charakteristische Merkmale kön- nen damit beurteilt werden, zum Bei- spiel die Keratinfilamente, die Hemi- desmosomen und die Verankerungsfi- brillen. Mutationsanalysen ergeben die exakte Diagnose. Zurzeit sind diese Analysen, für die aus Blut isolierte DNA benötigt wird, nur in spezialisier- ten Forschungslaboratorien durchführ- bar (4, 14). Die Mutationsbestimmung ist zur Bestimmung der Prognose und Risikofaktoren, zur Genträgeranalyse und damit für die genetische Beratung und für pränatale Diagnostik notwen- dig (Grafik 2). In der Zukunft könnte Abbildung 2: Zur Bestimmung der Blasenbildungsebene werden Kryoschnitte einer Hautbiopsie mit Antikörpern gegen verschiedene Markerproteine der dermo-epidermalen Junktion mittels Immun- fluoreszenz gefärbt (Antigen Mapping). Aus der Konstellation der Markerantikörper am Blasenboden oder -dach ergibt sich das Niveau der Spaltung. a) Lineare gelbe Fluoreszenz an der Haut-Basalmem- bran mit Antikörpern gegen Kollagen VII in normaler Kontrollhaut. Die Zellkerne sind rot gefärbt. b) Fehlen des Kollagen-VII-Signals bei dem Patienten deutet auf eine COL7A1-Mutation und eine EBD Hallopeau-Siemens hin. c) Fluoreszenz am Blasenboden mit Antikörpern gegen Laminin 5 weist auf junktionale oder epidermale Spaltbildung hin.

Grafik 2

Diagnosefindung bei der hereditären Epidermolysis bullosa

(5)

eine individuelle, „maßgeschneiderte“

Gentherapie für EB möglich werden, die eine genaue Identifizierung der Mu- tationen voraussetzt.

Minimalzeichen und Symptome

Jüngste Untersuchungen haben gezeigt, dass heterozygote Mutationsträger in EB-Familien Minimalzeichen der Er- krankung aufweisen können. Bei EBJ und EBD findet sich zum Teil bei anson- sten gesunden Personen ohne Blasenbil- dung eine isolierte Nageldystrophie, Schleimhaut-“Aphten“, Zahnschmelz- defekte, Schmelzverfärbung oder gestei- gerte Kariesneigung als Minimalzeichen der Erkrankung (8). Karies kann einer- seits durch gestörte Zahnentwicklung aufgrund von EB-Mutationen, ander- seits durch die erschwerte Zahnhygiene bei Schleimhautfragilität bedingt sein.

Palmoplantarkeratosen, kombiniert mit einer Hyperhidrose, stellen ein Minimal- symptom der EBS dar. Bei Pylorusatre- sie, Ösophagusstenosen und Muskeldy- strophie sollte nach Blasenbildungsten- denz oder Minimalzeichen gefragt und an eine EB-assoziierte Form gedacht werden(7).

Therapie und interdisziplinäres Management

Ein grundsätzliches Ziel der EB-Be- handlung ist eine möglichst normale Lebensführung. Dabei müssen bei Kin- dern Phasen mit vermehrter Blasenbil- dung in Kauf genommen werden, damit eine psychomotorisch altersentspre- chende Entwicklung gewährleistet ist.

Neben der heimatnahen Versorgung durch Dermatologen, Hausärzte und Kinderärzte ist bei diesen seltenen Er- krankungen eine Anbindung an ein spezialisiertes Zentrum von Vorteil. So können interdisziplinäre Zusammenar- beit koordiniert und längerfristige Be- handlungspläne erstellt werden, um den vielfältigen Problemen gerecht zu werden (Textkasten).

Die Lokaltherapie der Haut ist ein essenzieller Teil der täglichen Behand- lung. Das Vermeiden von mechanischen Traumen und eine sorgfältige Hautpfle-

ge bleiben die wesentlichsten Maßnah- men. Aufstechen und Desinfektion der Blasen, Säuberung der Wunden und Rückfettung der Haut mit gut ver- streichbaren Lotionen reichen in der Regel als tägliche Behandlung. Topi- sche Antibiotika sollten nur bei Sekun- därinfektionen und externe Steroide nur kurzfristig zum Beispiel bei Ekze- matisierung und Juckreiz eingesetzt werden. Beim Verbinden der oberfläch- lichen Hautdefekte dürfen keine Pfla- ster oder verklebende Materialien ein- gesetzt werden. Vorteilhaft sind selbst- haftende Binden und Schlauchverbän- de. Es haben sich neben Fettgazen in Verbindung mit Vlieskompressen vor allem aber auch silikonbeschichtete Gitterverbände (zum Beispiel Mepi- thel) oder silikonbeschichteter Poly- urethanschaum (zum Beispiel Mepilex) bewährt, da eine Haftung ohne Verkle- ben der Verbände möglich ist und die Reepithelialisierung gefördert wird.

Es gibt keine wirksame systemische Therapie für die EB. Multizentrische Studien haben gezeigt, dass die Gabe von Steroiden oder Phenylhydantoin (Phenytoin) überholt sind. In der Lite- ratur finden sich Berichte über erfolg- reiche Behandlungen in Einzelfällen mit Retinoiden, Antibiotika, Vitamin E und anderen Medikamenten, aber diese haben sich bisher in großen Patienten- gruppen nicht bewährt. Gegebenenfalls ist eine effektive Juckreiztherapie zur Vermeidung von Kratzen und dadurch induzierte Blasenbildung sinnvoll.

Aussichten für Gentherapie

Die Identifizierung von ursächlichen Mutationen, das rasant gewachsene Verständnis der Pathomechanismen der EB und die schnelle Entwicklung der molekularen Technologien zeich- nen interessante kausale Therapiemög- lichkeiten für die Zukunft auf. Das Ziel der so genannten Ex-vivo-Gentherapie ist es, ein gesundes Gen in die kranke Epidermiszelle einzuschleusen und da- mit die Synthese eines normal funktio- nierenden Proteins zu induzieren. Dies könnte mit autologen, genetisch „repa- rierten“ Keratinozyten-Transplantaten oder mit externen Gen-Vehikeln, zum Beispiel Liposomen („gene cream“) oder speziellen Sprühverfahren („gene gun“) erreicht werden. Für die Anwen- dung solcher Behandlungen scheint die EB eine optimale Erkrankung darzu- stellen, weil viele betroffene Gene und Mutationen bekannt sind und die wich- tigen Proteine von der epidermalen Ke- ratinozyten synthetisiert werden. Dar- über hinaus ist die Distanz von außen zu den defekten Zellen und zur Basal- membran kurz und die Technologien für Keratinozytenkultur und -trans- plantion gut entwickelt. Trotz viel ver- sprechender Erfolge unter Laborbedin- gungen dürfte die Anwendung bei Pati- enten kurz- oder mittelfristig allerdings noch nicht zu erwarten sein. Die Erfah- rungen eines koordinierten, multidiszi- plinären Behandlungsregimes zeigen aber, dass die meisten Probleme der EB-Patienten in der Zusammenarbeit der ärztlichen Disziplinen zumindest gelindert werden können.

Zitierweise dieses Beitrags:

Dt Ärztebl 2001; 98: A 1559–1563 [Heft 23]

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literatur- verzeichnis, das über den Sonderdruck beim Verfasser und über das Internet (www.aerzteblatt.de) erhältlich ist.

Anschrift für die Verfasser:

Prof. Dr. med. Leena Bruckner-Tuderman Klinik und Poliklinik für Hautkrankheiten Universitätsklinikum Münster Von-Esmarch-Straße 58, 48149 Münster E-Mail: eb@uni-muenster.de Das Spektrum der EB-Manifestationen

Blasen

Erosionen

Narben

Milien

Aphten

Hautfragilität

Pflasterunverträglichkeit

Nageldystrophien

Zahnschmelzdefekte

Vermehrt Karies

Palmoplantarkeratosen

Alopezie

Pigmentmale

Pylorusatresie

Ösophagusstenosen

Muskeldystrophie Textkasten

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