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Archiv "Urolithiasis – interdisziplinäre Herausforderung in Diagnostik, Therapie und Metaphylaxe" (06.02.2015)

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ÜBERSICHTSARBEIT

Urolithiasis – interdisziplinäre Herausforderung in Diagnostik, Therapie und Metaphylaxe

Christian Fisang, Ralf Anding, Stefan C. Müller, Stefan Latz, Norbert Laube

ZUSAMMENFASSUNG

Hintergrund: Die Prävalenz der Urolithiasis liegt in Deutschland bei 4,7 %. Die Inzidenz hat sich in den letzten drei Dekaden verdreifacht. Bei fehlender Meta- phylaxe liegt – abhängig von der Steinbeschaffenheit – das Rezidivrisiko bei 50–80 %. Durch eine risikoadaptierte Metaphylaxe kann das Rezidivrisiko auf 10–15 % gesenkt werden.

Methode: Es erfolgte eine selektive Literaturrecherche in PubMed unter ande- rem mit den Schlagwörtern „urolithiasis“, „urinary stones“, „epidemiology, li- thogenesis“, „biominerals“, „risk factors“ und „diagnosis, therapy, metaphyla- xis“. Bei der Auswertung der Suchergebnisse wurde die Leitlinie „Urolithiasis“

der „European Association of Urology“ mitberücksichtigt.

Ergebnisse: Die akute Nierenkolik kann in der Regel ohne aufwendigen appara- tiven Aufwand diagnostiziert werden. Um den Stein zu beseitigen, stehen grö- ßen- und lageadaptierte Verfahren wie die extrakorporale Stoßwellenlithotrip- sie, Ureterorenoskopie, perkutane Nephrolitholapaxie und eine Operation zur Verfügung. Bis zu einer Größe von 5 mm gehen die meisten Harnleitersteine spontan ab. Bei 75 % der Patienten ist der Verlauf unkompliziert. Zur Metaphy- laxe ist lediglich eine in jeder Praxis durchführbare Basisabklärung erforder- lich. Bei 25 % der Patienten ist der Verlauf kompliziert. In diesen Fällen ist eine ausgedehnte interdisziplinäre Abklärung metabolischer Parameter an einem Harnsteinzentrum indiziert.

Schlussfolgerung: Ursache und Therapie einer Urolithiasis sind vielfältig. Es bedarf oftmals einer subtilen metabolischen Abklärung. Die verschiedenen Therapieoptionen müssen immer individuell geprüft werden. Während zu den operativ-interventionellen Verfahren aussagekräftige Daten vorliegen, fehlen zur Metaphylaxe hochwertige randomisierte Studien. Der Fokus der Forschung sollte insbesondere auf die Ursachenentstehung gelenkt werden.

►Zitierweise

Fisang C, Anding R, Müller SC, Latz S, Laube N: Urolithiasis—an interdisciplinary diagnostic, therapeutic and secondary preventive challenge. Dtsch Arztebl Int 2015; 112: 83–91. DOI: 10.3238/arztebl.2015.0083

D

ie Urolithiasis war im Jahr 2006 nach den Er- krankungen der Prostata die zweithäufigste Di- agnose urologischer Kliniken Deutschlands (1).

Harnsteine sind polykristalline Konkremente in den Harnwegen von Mensch und Tier. Sie gehören zu den Biomineralisaten wie zum Beispiel Knochen und Zäh- ne. Während die nicht-pathologischen Produkte der Biomineralisation, gebildet in genetisch festgelegten Prozessen, einen hohen biologischen Ordnungsgrad aufweisen, sind Harnsteine Sonderfälle. Ihre Genese wird von pathologisch-anatomischen und physikalisch- chemischen Faktoren bestimmt (2).

Circa 97 % der Harnsteine werden in den Nieren und Harnleitern sowie 3 % in der Harnblase und Harnröhre gefunden (3). Ihre Größe reicht von Mikrometern bis zu mehreren Zentimetern. Sie bleiben oft lange unbe- merkt, bevor sie sich – häufig mit heftigen Schmerzen – bemerkbar machen oder beim Röntgen beziehungs- weise Ultraschall entdeckt werden (Abbildung 1).

Der Harnstein ist ein Symptom exo- und endogener Einflussfaktoren und zumeist multifaktorieller Genese.

Mit dem Abgang oder der operativen Entfernung des Harnsteins ist die Ursache allerdings nicht behoben.

Ein Rezidiv ist in vielen Fällen die Regel (4).

Aufgrund der ätiologischen Vielfalt gestaltet sich die Phasenverteilung multipel: Calciumoxalate (Whewel- lit, Weddellit, Häufigkeit > 80 %), Calciumphosphate (Carbonatapatit 5 %), Magnesiumammoniumphosphat-

„Infektsteine“ (Struvit 5 %) und Harnsäure (13 %) sind die häufigsten Mineralisate. Cystin, Ammoniumurat und Brushit sind mit jeweils ≤ 1 % selten (5, 6).

Da sich die Lebensgewohnheiten verändert und die Diagnostik verbessert hat, stiegen Prävalenz und Inzi- denz an. Eine bundesweite Erhebung von 1979–2001 zeigt eine Verdreifachung von Inzidenz und Präva - lenz (0,54 %–1,47 % und 4,0 %–4,7 %) (4). Damit gilt die Urolithiasis als Volkskrankheit. 50 % der Patien - ten müssen mit mindestens einem Stein-Rezidiv, 10 %–20 % der Patienten mit mindestens drei Rezidiv- Episoden rechnen (4, 6). In den USA wird eine Präva- lenz von circa 12 % beobachtet (6). Auch in den Schwellenländern nimmt die Häufigkeit des wohl- standbedingten Harnsteinleidens zu, das unter anderem durch kalorienreiche Ernährung bei geringer physi- scher Aktivität verursacht wird. Schon Hildegard von Bingen (1098–1179) erkannte den Zusammenhang zwischen üppigen Mahlzeiten, Wein und Harnsteinbil- dung, so dass sie daher zur diätetischen Lebensführung

Universitätsklinikum Bonn, Klinik für Urologie und Kinderurologie: Dr. med. Fisang, Dr. med. Anding, Prof. Dr. med. Müller, Dr. med. Latz

Deutsches Harnsteinzentrum, Urologisches Zentrum Bonn: PD Dr. rer. nat. Laube

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mahnte (7, 8). 9,7 % der deutschen Männer, jedoch nur 5,9 % der Frauen im Alter zwischen 50–64 Jahren hat- ten im Jahr 2000 bereits eine Steinepisode. In den letz- ten beiden Jahrzehnten zeigte sich überwiegend im Al- ter zwischen 40–49 Jahren ein Inzidenzanstieg (4, 6, 9).

Regionale und geschlechtsspezifische Unterschiede lie- gen vor: In ost- und süddeutschen Bundesländern sind Harnsäuresteine, in Ostdeutschland aber Infektsteine häufiger (9). Calciumphosphatsteine lassen sich eher bei jüngeren Patienten, Harnsäuresteine und atypische Steinzusammensetzungen dahingegen bei älteren Pa- tienten nachweisen (10). Der ausgeübte Beruf kann ein Risikofaktor sein: Ein erhöhtes Risiko besteht unter an- derem bei Ärzten – das höchste bei Chirurgen (11).

Hier spielt unter anderem die schlechte Flüssigkeitsbi- lanz eine wichtige Rolle.

Wesentlich für Variationen sind Ernährungsgewohn- heiten, persönliche Verhaltensweisen, Klima, Umwelt, Ethnizität und Erblichkeit (Abbildung 2).

Exogene Risikofaktoren wie unter anderem Ernäh- rungs- beziehungsweise Lebensweisen, die durch den Mangel an physischer Aktivität in Kombination mit ho- her Energiezufuhr infolge von fett-, eiweiß-, kohlenhy- drat- und purinreichen Nahrungsmitteln charakterisiert sind (13, 14), aber auch Nikotingenuss und Alkohola- busus sowie chronischer Stress (15) gewinnen an Be-

deutung. Daher wird erwartet, dass die Urolithiasisinzi- denzen und -prävalenzen insbesondere in Europa und den USA ansteigen (7).

Akute Nierenkolik

Kolikartige Flankenschmerzen – je nach Steinposition im Ureter – ausstrahlend bis hin zum Vernichtungs- schmerz sind das häufigste Leitsymptom (16). Das Schmerzmaximum hochsitzender Konkremente befin- det sich im kostovertebralen Winkel. Sind sie tiefer lo- kalisiert, so verlagert sich der Schmerz in den Unter- bauch und strahlt möglicherweise bis ins Genital aus (16). Die Patienten irren rastlos umher, ohne in einer bestimmten Position Linderung zu finden. Vegetative Begleitreaktionen wie Übelkeit und Erbrechen können auftreten. Die Differenzialdiagnosen umfassen je nach Präsentation auch die des akuten Abdomens: Pyelo- nephritis, Divertikulitis, Appendizitis, Cholezystitis, Pankreatitis, aber auch Extrauteringravidität und stil - gedrehte Ovarialzysten, vertebragene Beschwerden, Pneumonie, Bauchaortenaneurysma und Herzinfarkt sollten angesichts ihrer möglichen Konsequenzen in Betracht gezogen werden.

Bevor diagnostische Schritte eingeleitet werden, soll- te der durch Koliken geplagte Patient eine zweckmäßige Analgesie erhalten (17, 18). Optionen sind hier Nichtste- Abbildung 1: Beginnend mit pathologischen Prozessen bei der Urinbildung kann es bereits im Nierentubulus zu Mineralisationen kommen (a). Im weiteren Verlauf der ableitenden Wege des Harntrakts gebildete, nur wenige Mikrometer große Kristalle haften bevorzugt in Strö- mungsnischen dem Urothel an, wo sie – zum Teil unter Beteiligung organischer Kittsubstanzen – zu größeren Aggregaten heranwachsen (b).

In den Nieren (c), in der Blase (d), aber auch in der Harnröhre (f) können unter ungünstigen Umständen, zum Beispiel bei ausgeprägter Stoff- wechselerkrankung, akutem Harnwegsinfekt oder medikamentös verursachter Änderung der Urinzusammensetzung, bereits innerhalb weni- ger Wochen mehrere Zentimeter große Harnsteine anfallen. In der Regel wandern jedoch bereits die millimetergroßen Konkremente (e) aus den Nieren in die Harnleiter, wo sie unter kolikartigen Schmerzen (Vernichtungsschmerz) entweder von selbst in die Blase abgehen oder, wenn sie nicht abgangsfähig sind, operativ entfernt werden müssen.

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roidale Antirheumatika, zum Beispiel Diclophenac und Metamizol (Evidenzlevel 1b Grad-A), und Opioide, zum Beispiel Tramadol (Evidenzlevel 4 Grad-C). Diese wer- den in Kombination appliziert (19–21).

Danach muss eine symptom- beziehungsweise diffe- renzialdiagnostisch-gelenkte körperliche Untersuchung erfolgen, wobei die Palpation des Nierenlagers und des Abdomens obligat ist. Anschließend sollte Spontanurin mit einem Urinteststreifen, auch Urinstix genannt, un- tersucht werden. Mikrohämaturie ist ein deutlicher Hinweis auf eine Nierenkolik. Die Sonographie bietet ein wertvolles nichtinvasives Diagnostikum. Mit einer Sensitivität von 61 %–93 % und einer Spezifität von 84 %–100 % ist diese Methode der erste Schritt der weiteren Diagnostik (6, 22). Sonographisch erkennbar ist bei Uretersteinen meist nur der Harnstau. Aufgrund von Darmgasüberlagerungen entgeht der Stein häufig der direkten Darstellung. Die Trias aus kolikartigem Flankenschmerz, sonographisch diagnostizierter Ekta- sie des Hohlsystems und Mikrohämaturie ist nahezu pathognomonisch für die Ureterolithiasis. Die Sensiti- vität der Mikrohämaturie im Rahmen dieser Trias be- trägt 0,95 in der akuten Phase (23).

Sofern verfügbar, ist eine native „low-dose“ CT- Aufnahme des Abdomens das bildgebende Diagnosti- kum der Wahl (Evidenzlevel 1a Grad-A) (6) – mit einer

Spezifität und Sensitivität von fast 99 %. Röntgennega- tive Steine wie Harnsäuresteine werden dargestellt, mittels Dichtemessung („Hounsfield-Units“) erste Hin- weise auf die Steinart und Hilfestellungen bei der Dif- ferenzialdiagnostik gegeben (6, 24–26). Alternative Bildgebungsverfahren sind eine Röntgenleeraufnahme sowie ein Ausscheidungsurogramm. Allerdings besteht hier die Gefahr, dass durch kontrastmittelinduzierte Diurese in der akuten Kolik das Nierenbeckenkelchsys- tem rupturiert (6).

Die laborchemische Blutuntersuchung sollte Elek- trolyte, Harnsäure, Kreatinin, C-reaktives Protein (CRP), ein kleines Blutbild sowie die Globalparameter der Gerinnung umfassen (Grad-A) (6).

Wird ein Harnsteinkonkrement als Ursache der Be- schwerden bestätigt, sind je nach Lage und Steingröße verschiedene Therapieoptionen möglich (6). Zur Verfü- gung stehen

die konservative Therapie

die extrakorporale Stoßwellenlithotripsie (ESWL)

die Ureterorenoskopie (URS)

die perkutane Nephrolitholapaxie (PCNL) sowie

die laparoskopische und

die offene Operation.

In extremen Fällen muss eine Nephrektomie erfol- gen. Laparoskopische oder offene Operationen finden Abbildung 2: Der sogenannte Steingürtel (rot) umläuft die gesamte Erde und ist gekennzeichnet durch Harnsteinprävalenzen von 10–15 %.

Hier wirken sich die klimatischen und sozialen Bedingungen steinfördernd aus, so dass unter anderem Armutssteine, regional zunehmend auch Wohlstands- steine auftreten. Nahezu ausschließlich wohlstandsbedingt hat sich in Europa und den USA ein Gebiet mit stark erhöhter Prävalenz (gelb) von Calciumoxalat- und Harnsäuresteinen etabliert. Klimasimulationen für die USA lassen wahrscheinlich werden, dass der Steingürtel in den kommenden zwei Jahrzehnten nordwärts wandert (12).

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meist nur in Kombination mit der Sanierung von Ko- morbiditäten, zum Beispiel Nierenbeckenabgangsste- nose, Anwendung.

Eine medikamentös-orale Chemolitholyse, die Harn- steine in vivo auflöst, kann ausschließlich bei Harnsäu- rekonkrementen durchgeführt werden (Grad-A) (6).

Angelehnt an die deutschen und europäischen Uro- lithiasis-Leitlinien ergeben sich folgende Behandlungs- optionen:

Konservative Steintherapie

Die häufigste Behandlungsstrategie der akuten Nieren- kolik ist die konservative Therapie mit dem Ziel des spontanen Steinabgangs bei Harnsteinen (Evidenzlevel 1a Grad-A) („Medical Expulsive Therapy“). Sie sollte nur mit Vorsicht im Falle erhöhter Retentionsparameter oder Infektparameter erfolgen. Ferner sollte von einem konservativen Therapieversuch Abstand genommen werden, wenn der Patient trotz adäquater Analgesie TABELLE 1

Anamnestische Befunde zur Charakterisierung eines unkomplizierten Harnsteinpatienten (6, 37) Anamnesebefund

Erstepisode Erwachsenenalter

keine anatomischen Auffälligkeiten Korrelation zur Lebensweise wahrscheinlich negative Familienanamnese hinsichtlich Urolithiasis

singulärer Stein

Hinweis

Cave: Krankengeschichte mit „häufig Schmerzen in der Niere“ in der Kindheit, jedoch unklarer Genese

Ausschluss von z. B. Hufeisennieren, Abgangsstenosen

z. B. Steinbildung zeitnah zu Lebensabschnitt mit außergewöhnlichen Belas- tungen und spezifischen Kompensationsreaktionen

Cave: Hinweise auf möglicherweise unentdeckte Steinbildungen bei Familien- angehörigen über Äußerungen wie z. B. „da war immer mal was, aber ich kann mich nicht recht erinnern …“

Kontrolle mit geeigneten Bildgebungsverfahren

TABELLE 2

Charakterisierung eines Hochrisiko-Harnsteinpatienten (6, 37)

ESWL, extrakorporale Stoßwellenlithotripsie Anamnesebefund

Patient im Kindes- oder Jugendalter Brushit-, Infekt-, Harnsäure-/Urat-Steinbildung chronisch psychovegetativer Stress Einzelniere

Fehlbildung des Harntraktes gastrointestinale Funktionsstörungen hohe Rezidivrate

Hyperparathyreoidismus (HPT) Nephrokalzinose

positive Familienanamnese primäre Hyperoxalurie renal-tubuläre Azidose residuale Steinfragmente

Cystin-, 2,8-Dihydroxyadenin-, Xanthinsteine

Hinweis

Geschwister ggf. im Hinblick auf ein Steinbildungsrisiko untersuchen Begleitminerale bei Ursachenabklärung und Therapie beachten Höhe ggf. mit Hilfe validierter Stress-Bewertungssysteme erfassen

z. B. Morbus Crohn, Colitis ulcerosa, Sprue, chronische Pankreatitis, Leberzirrhose, Dünndarmresektion

> 3 Steine in drei Jahren. Mögliche Änderungen der Steinart (Haupt- und Ne- benmineralphase) bzw. der Gemengeanteile geben Hinweise auf veränderte Stoffwechsellagen.

fünf Formen des HPT, primärer-quintärer HPT

zahlreiche Ursachen, u. a. infolge von renaltubulärer Azidose, primäre Hyperoxalurie, Sarkoidose, Hyperparathyreoidismus, chronische Glomerulitis Kinder des Patienten ggf. im Hinblick auf ein Steinbildungsrisiko untersuchen zwei Typen, autosomal-rezessiv vererbte Erkrankung

durch Urin-pH-Verlaufskurve, Blutgasanalyse und Ammoniumchlorid- Belastungstest abklären

ggf. endoskopische Verfahren zur Steinentfernung in Betracht ziehen, insbesondere wenn die Steinart schwer ESWL-desintegrierbar ist, z. B. bei Brushit, Cystin, Whewellit

Steinbildung genetisch bedingt; lebenslange Metaphylaxe ist zwingend notwendig

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ne Harnleiterschienung mit konsekutiver ESWL mög- lich. Dabei muss angemerkt werden, dass ungefähr 20 % der Patienten allein aufgrund der Harnleiterschie- ne arbeitsunfähig sind (31).

Bei Harnleitersteinen > 10 mm sollte bevorzugt eine Ureterorenoskopie durchgeführt werden. Zu den jüngsten Weiterentwicklungen der semi-rigiden und flexiblen Ureterorenoskopie zählen unter anderem kleinere Instrumentendurchmesser sowie höhere Fle- xionswinkel. Dadurch wandelt sich die Therapie pro- ximaler Harnleitersteine. Mittlerweile werden bei geringer Komplikationsrate Steinfreiheitsraten bis 82 % erzielt (6).

Distale Harnleitersteine

Wenn distale Harnleitersteine eine Größe von ≤ 10 mm besitzen, sind die ESWL und die Endoskopie gleich- wertige Optionen mit Steinfreiheitsraten von 86 % be- ziehungsweise 97 %. Bei Konkrementen > 10 mm tritt die Endoskopie mit Steinfreiheitsraten von 93 % versus 74 % in den Vordergrund (Empfehlung Grad-A) (6).

Metaphylaxe

Um nach der erfolgreichen Primärtherapie eine effekti- ve Rezidivprophylaxe einzuleiten, muss das Steinmate- rial asserviert und eine leitliniengerechte Steinanalyse mittels Fourrier-Transform-Infrarotspektroskopie (FT- IR) oder Röntgendiffraktometrie (XRD) durchgeführt werden. Ohne Steinanalyse ist keine zielgerichtete The- rapie möglich (Evidenzlevel 2 Grad-A) (6, 32).

Eine Analytik sollte nach jedem Steinereignis erfol- gen, da sich die individuelle Zusammensetzung aus den verschiedensten Gründen klinisch relevant ändern kann (Evidenzlevel 2 Grad-B) (6). Da die Versorgungsreali- fortwährend Schmerzen erleidet oder vegetative Be-

schwerden wie Übelkeit und Erbrechen persistieren.

Alpha-Blocker begünstigen den Spontanabgang und re- duzieren erneute Kolikepisoden (Evidenzlevel 1a Grad-A) (6, 20, 27–29). Je nach Literatur zeigen sich Spontanabgangsraten von 71 %–98 % bei distalen Stei- nen ≤ 5 mm und von 25 %–79 % bei Steinen zwischen 6–10 mm. Proximale Harnleitersteine ≤ 5 mm gehen zu 29 %–98 %, Steine ≤ 10 mm in 10 %–53 % der Fälle spontan ab (30).

Zur konservativen Steintherapie gehören auch das

„watchful waiting“, also „abwarten und beobachten“, beim asymptomatischen Nierenstein sowie die Chemo- litholyse bei beispielsweise Harnsäuresteinen (30).

Interventionelle Steintherapie

Steine des Nierenbeckens sowie oberer/mittlerer Kelchgruppe Hier kommen die ESWL, PCNL und flexible URS zum Einsatz. Bei Steinen ≤ 20 mm hat die ESWL mit einer Steinfreiheitsrate von 56 %–94 % in der oberen/mittle- ren Kelchgruppe und von 79 %–85 % im Nierenbecken Vorzug (Grad-B). Da bei Steinen > 20 mm das Risiko einer „Steinstraße“, im Harnleiter hintereinander gestaf- felte Desintegrate, besteht und ferner die Steinfreiheits- rate sinkt, ist hier die PCNL vorzuziehen (Grad-B) (6).

Nierensteine der unteren Kelchgruppe

Aufgrund der Anatomie ist hier die Steinfreiheitsrate der ESWL geringer. Abhängig von unter anderem Vor- therapien, Rezidivrisiko, Komorbiditäten und anatomi- schen Gegebenheiten ist die Mini-PCNL mit einem Durchmesser von 11–21 Charrière bereits bei Konkre- menten um 10 mm immer häufiger eine Option (Grad-B) (6). Bei Steinen bis 10 mm konkurriert die flexible URS mit der ESWL (6). In der Aktualisierung der EAU-Richtlinien 04/2014 (6) wurde im Vergleich zu 2013 die Endoskopie aufgewertet. Nun erscheinen endoskopische Interventionen, also die Ureteroreno- skopie oder die PCNL, bei Steinen jeglicher Größe als gleichwertige Option zur ESWL. Da allerdings keine randomisierten Studien hierzu existieren, ergibt sich für die Aufwertung eine Grad-B-Empfehlung, die auf Ex- pertengruppenkonsens beruht.

Ausgusssteine

Nierensteine, die große Teile des Nierenbeckens oder mindestens einen Kelch ausfüllen, heißen Ausgussstei- ne. Therapeutisch kommen die PCNL, gegebenenfalls kombiniert mit der ESWL und der flexiblen URS, so- wie in seltenen Fällen die Nephrolithotomie in Frage.

Bei funktionslosen Nieren kann auch eine Nephrekto- mie erfolgen (6).

Proximale Harnleitersteine

Bei Steinen ≤ 10 mm ist die ESWL mit Steinfreiheitsra- ten zwischen 70 % und 90 % die bevorzugte Wahl (Grad-A) (6). In Fällen, in denen eine primäre In-situ- ESWL nicht möglich ist oder laborchemische Konstel- lationen, beispielsweise eine Niereninsuffizienz oder ein Harnwegsinfekt, die ESWL kontraindizieren, ist ei-

GRAFIK

Abhängigkeiten der Lithogenese vom Urin-pH (modifiziert nach Laube und Berg) (e13)

relative Löslichkeit

Ammoniumurat Harnsäure Cystin

CaOx

Phosphate

Urin-pH

5 6 7 8

Verdacht auf „...“, wenn Urin-pH im Tagesprofil dauerhaft in folgenden Bereichen:

„Säurestarre“ „renal-tubuläre Acidose“

„Harnwegsinfekt“

(6)

TABELLE 3

Relevante Wirkstoffe in der medikamentösen Harnsteinprophylaxe (e13)

RTA, renal-tubuläre Azidose Wirkstoff Alkalicitrate

Allopurinol

Calcium (Ca)

L-Methionin

Magnesium (Mg)

Natriumcarbonat

Pyridoxin (Vitamin B6)

Thiazide

(Hydrochlorothiazid)

Tiopronin

Zielsetzung – Harnalkalisierung

– Indem die Hypocitraturie ausge- glichen wird, sinkt der ionisierte Calcium-Anteil im Urin. Dies reicht oftmals aus, um eine milde Hypercalciurie zu behandeln (5–8 mmol/Tag).

– Säure-Basen-Gleichgewicht bei RTA und metabolischer Azidose regulieren

Senkung einer – Hyperurikosurie – Hyperurikämie

enterale Hyperoxalurie senken

Harnansäuerung

– isolierte Hypomagnesiurie aus- gleichen

– enterale Hyperoxalurie senken – Mg (versus Ca) → nicht lithogen – Harnalkalisierung

– Hypocitraturie ausgleichen, um den ionisierten Ca-Anteil im Urin zu senken

– Säure-Basen-Gleichgewicht bei RTA und metabolischer Azidose regulieren

endogene Hyperoxalurie senken

tubuläre Ca-Rückabsorption bei Hypercalciurie (> 8 mmol/Tag) erhöhen, damit sich die renale Ca-Ausscheidung verringert

intermediäre Umwandlung von schwer löslichem Cystin → Cystein + Cystein-Medikament-Komplex (leicht-löslich)

Dosierung

5–12 g/Tag (14–36 mmol/

Tag),

Kinder: 0,1–0,15 g/kg KG/Tag – CaOx-Metaphylaxe:

ad Urin-pH 6,5–6,8 – Harnsäuremetaphylaxe:

ad Urin-pH 6,5–6,8 – Harnsäurelitholyse:

ad Urin-pH 7,0–7,2 – Cystinmetaphylaxe:

ad Urin-pH 8,0–8,5 100–300 mg/Tag, Kinder: 1–3 mg/kg KG/Tag

160 mg (entsprechend 100 mg Mg) jeweils zu den Mahlzeiten,

maximal 500 mg/Tag 600–1 500 mg/Tag ad Urin-pH 5,8–6,2

200–400 mg/Tag, Kinder: 6 mg/kg KG/Tag

4,5 g/Tag, Ziel-Urin-pH:

siehe Alkalicitrate

initial 5 mg/kg KG/Tag, maximal 20 mg/kg KG/Tag

12,5–50 mg/Tag (einschleichend dosieren), Kinder: 0,5–1 mg/kg KG/Tag)

initial 250 mg/Tag, maximal 2 000 mg/Tag

Besonderheiten

Dosis und Einnahmeintervalle richten sich nach Urin-pH bzw. Bedarf, um eine Acidose auszugleichen.

Cave:

bei Cystinmetaphylaxe Phosphatausfällungen möglich (→ hoher Urin-pH)

– 100 bis 200 mg/Tag bei alleiniger Hyperurikosurie – Dosisanpassung bei

Niereninsuffizienz Cave:

hochdosierte Allopurinol therapie kann zu Xanthinurie führen Einnahme 30 Minuten vor den Hauptmahlzeiten Cave:

Hypercalciurie (→ Kontrollen) Cave:

kontrainduziert bei RTA – bei Calciumphosphaten nur sinnvoll, wenn diese infektassoziiert sind

(→ Unterstützung der Antibiose) Dosisreduktion bei

Niereninsuffizienz, Einnahme zu den Hauptmahlzeiten

Dosis richtet sich nach Urin-pH bzw. Bedarf zum Ausgleich einer Azidose

bei ausbleibendem Effekt Einnahme spätestens nach einem Jahr beenden Cave:

Polyneuropathie

– verminderte Glukoseintoleranz – Anstieg der Serumharnsäure Cave:

– Hypotonieneigung – Kaliumverlust – (Hypocitraturie) Cave:

– Tachyphylaxie – Proteinurie

Indikation bei folgenden Harnsteinarten – Calciumoxalat – Harnsäure – Cystin

– nichtinfektassoziierte Calciumphosphate

– Harnsäure – Calciumoxalat

(nur bei erhöhter Harn- säure im Serum oder Urin)

– Ammoniumurat – 2,8-Dihydroxyadenin Calciumoxalat

– Infektsteine – Ammoniumurat – Calciumphosphat

– Calciumoxalat

– Calciumoxalat – Harnsäure – Cystin

– Calciumoxalat

– Calciumoxalat – Calciumphosphat

– Cystin

(7)

tät allerdings anders aussieht, wird dies häufig überse- hen und ein langjähriger Patient erfährt unter Umstän- den einen veralteten Therapieansatz.

Es ergibt sich die Frage, wie umfangreich ein Stein- ereignis abgeklärt werden muss. Kritiker können an- führen, weshalb der komplexe Aufwand der postinter- ventionellen Diagnostik betrieben werden muss, wenn doch mit dem Hinweis „mehr trinken“ bereits alle the- rapeutischen Maßnahmen erschöpft sind. Letztlich kann eine erneute Steinepisode auch mit einer operati- ven Intervention einhergehen. Dabei müssen Kompli- kationen wie akutes Nierenversagen oder Urosepsis, aber auch die zum Teil nicht unerheblichen Komorbidi- täten, zum Beispiel chronische und terminale Nierenin- suffizienz, bedacht werden (33). Darüber hinaus sind zahlreiche andere Komorbiditäten beschrieben. Rule und Kollegen zeigten, dass Harnsteinbildung mit einem erhöhten Risiko für einen Myokardinfarkt einhergeht (34). 4 564 Patienten wurden mit 10 860 Kontrollen verglichen. Nach einem Beobachtungszeitraum von 9 Jahren zeigte sich ein um 38 % höheres Risiko. Nach Adjustierung bezüglich der Risikofaktoren, zum Bei- spiel eine Niereninsuffizienz, ergab sich ein erhöhtes Risiko von 31 %. Zudem beschrieb die Arbeitsgruppe um Sun ein erhöhtes Risiko für ein Urothelkarzinom bei Harnsteinbildnern (35).

Postinterventionelle Diagnostik und Metaphylaxe – idealerweise eingeleitet, nachdem eine Steinfreiheit er- reicht ist – müssen risikoadaptiert und individualisiert sein. Sie reichen von kontrolliertem Abwarten bis hin zur interdisziplinären Stoffwechseluntersuchung. Circa 25 % der Patienten müssen einer Hochrisikogruppe zu- geordnet werden (36, 37). Bei schätzungsweise 75 % der Betroffenen kann nach metabolischer Basisdiag- nostik durch eine allgemeine Harnsteinmetaphylaxe weiteren Steinepisoden effektiv vorgebeugt werden (38).

Die Anamnese und steinartspezifisch abgeleitete diä- tetisch-medikamentöse Therapie ist, neben der bioche- misch orientierten Stoffwechselabklärung und Untersu- chung möglicher anatomischer Ursachen, essenziell für die postinterventionelle Metaphylaxe. Dies gilt sowohl bei Patienten, die zum ersten Mal an Urolithiasis lei- den, als auch bei denjenigen mit Rezidiven. Eine ziel- gerichtete Therapie reduziert signifikant die Rezidivra- te (10 %–15 % versus 50 %–80 %) (39–40).

Die wichtigsten assoziierten Faktoren sind En - zymdefekte, Hormonstörungen, Malabsorption des Magen-Darm-Trakts, Niereninsuffizienz, Störungen der Urodynamik, rezidivierende ureasepositive Harn- wegsinfektionen und ungünstige Urin-pH-Werte. Ins- besondere Auswirkungen einer modernen westlichen Lebensweise lösen als Risikofaktoren des metabo - lischen Syndroms (e1–e3) immer häufiger Harnstein- bildungen aus. Bei Übergewicht ab einem Body-Mass- Index (BMI) ≥ 25 kg/m2 und Adipositas ab einem BMI

≥ 30 kg/m2 erhöht sich das Risiko für die Harnsteinbil- dung signifikant (e4, e5).

Eine erschöpfende Diskussion über die Pathomecha- nismen der Biomineralisation und deren Abklärung so-

wie Differenzialtherapie sprengt den Rahmen des vor- liegenden Artikels erheblich. Daher konzentrieren sich die Autoren im Folgenden auf eine orientierende Über- sicht (36, 37).

Unkomplizierter Verlauf

Etwa 75 % der Harnsteinpatienten können als unkom- pliziert eingestuft werden. Die Basischarakterisierung erfolgt durch die in Tabelle 1 gezeigte Anamnese. Ver- einfacht: jeder Patient, der nicht mindestens ein Kriteri- um gemäß Tabelle 2 erfüllt, ist ein Patient mit niedri- gem Rezidivrisiko.

Beim unkomplizierten Harnsteinpatienten ist eine ausgedehnte metabolische Diagnostik nicht notwen- dig, dennoch sollten – unabhängig von der Steinart – einige allgemeine Maßnahmen durchgeführt werden.

Hierzu gehört eine ausführliche Anamnese, um mögli- che Risikofaktoren eines Rezidivs frühzeitig zu erfas- sen:

familiäre Disposition

Merkmale des metabolischen Syndroms, bei- spielsweise Adipositas, Hypertonie, Dyslipopro- teinämien, Hyperglykämie

psychisch-physische Konstitution, zum Beispiel psychische Probleme wie Unruhe, Desensibilisie- rung, Desinteresse und Motivationsverlust oder physische Probleme wie zum Beispiel Beweglich-

keitrezidivierende Harnwegsinfektionen

sozial-berufliche Besonderheiten wie Partner- schaft, Arbeitslosigkeit, Schichtarbeit, Pausenre- gelungen, Verpflegungsmöglichkeiten, häufige Außendienst- und Reisetätigkeit

Stoffwechselstörungen, zum Beispiel renale Re- absorptions- und Transportstörungen: „renal leak“

(Calcium, Phosphat); Säurestarre (Azidurie: Urin- pH dauerhaft < 6,0; unter anderem assoziiert mit dem metabolischen Syndrom und begünstigt durch eine zu hohe Zufuhr an tierischen Protei- nen); Cystinurie; enterale Hyperabsorption litho- gener Substanzen (zum Beispiel Calcium, Oxa- lat); Hormonstörungen (unter anderem im Parat- hormon- und Cortisolspiegel); erhöhter Vita- min-D3-Spiegel; Enzymdefekte

urodynamische Anomalien: Die Anamnese kann Flankenschmerzen bei erhöhter Flüssigkeitszu- fuhr, Restharngefühl, Flankenschmerzen bei Mik- tion, rezidivierende Harnwegsinfekte und sono- graphische Zufallsdiagnosen von Harntransport- störungen oder möglicherweise schon intrauterin im Rahmen der sonographischen Schwanger- schaftsvorsorge umfassen. Weiterführende Unter- suchungen bezüglich urodynamischer Anomalien sollten bei entsprechender Anamnese durchge- führt werden.

ursächliche Komorbiditäten, zum Beispiel Mor- bus Crohn, Kurzdarmsyndrom, zystische Fibrose, Osteoporose, katabole Stoffwechsellage zum Bei- spiel aufgrund Tumor-, Bauchspeicheldrüsen- oder Lebererkrankungen.

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Da der Übergang zwischen niedrigem und hohem Risiko in der klinischen Praxis mitunter fließend sein kann, empfehlen die Autoren auch bei Patienten mit niedrigem Risiko – optional ergänzend – zum Scree- ning schwerer metabolischer Störungen die folgende weiterführende Diagnostik. Diese ist obligat bei Hoch- risikopatienten:

Die Patienten sollten über mindestens drei Tage ein Ernährungstagebuch führen, in dem alle Nah- rungsmittel sowie Getränke mit Angabe von Zeit- punkt und Menge aufgeführt werden. So können Besonderheiten der Ernährungsweise, zum Bei- spiel omnivor, carnivor, vegetarisch oder vegan, leicht erfasst werden.

Unter Alltagsbedingungen mit pH-Messung bei jeder Miktion über eine Woche sollte ein Urin- pH-Profil angefertigt werden, so dass unter ande- rem eine renal-tubuläre Azidose (RTA) ausge- schlossen werden kann. Bei der RTA liegt eine tu- buläre Störung der Protonenausscheidung oder Bikarbonatresorption vor. Dadurch entsteht eine metabolische Azidose. Der Urin-pH ist typi - scherweise dauerhaft > 5,8. Zudem können wo- chentagsabhängige sowie lebenswandelbedingte pH-Schwankungen (zum Beispiel Arbeitstagsitua- tion versus Wochenendsituation) erfasst werden.

Blut-Untersuchung (Blutbild, Calcium, Kreatinin, Harnsäure) (Grad-A); auf eine grundsätzliche Pa- rathormon-Bestimmung kann nur bei einem völ- lig unkomplizierten Patienten verzichtet werden (e6).

Untersuchung mindestens eines 24-Stunden-Sam- melurins (e7): Volumen, pH (Grafik), Natrium, Kalium, Calcium, Magnesium, Ammonium, Chlorid, Oxalat, Citrat, Phosphat, Harnsäure und Kreatinin (Grad-A). Bei Infektzeichen muss eine Urinkultur zum Keimnachweis angefertigt wer- den (14).

Berechnung empirischer Risikoindizes der Harn- steinbildung aus den obigen Harnparametern (e8, e9) und/oder die zusätzliche Bestimmung des Kristallisationsrisikos basierend auf dem BONN- Risk-Index (BRI) (e10–e12). Hierdurch kann das aus den Einzelwerten erhaltene Risikoprofil und der Therapieverlauf umfassender bewertet wer- den.

Bestätigt sich durch die Basisdiagnostik die Klassifi- zierung als unkomplizierter Harnsteinpatient, muss kei- ne weitergehende metabolische Diagnostik erfolgen.

Eine allgemeine Harnsteinmetaphylaxe mit regelmäßi- gen Kontrollen ist ausreichend (6, 36, 37, 39).

Komplizierter Verlauf

Ungefähr 25 % der Harnsteinpatienten gelten als kom- plizierte Harnsteinpatienten. Diese Patienten, die von den Leitlinien (6, 37) in die Hochrisikogruppe einge- stuft wurden, weisen mindestens eines der in Tabelle 2 gezeigten Merkmale auf:

Die oben genannte Basisabklärung für unkompli- zierte Harnsteinpatienten geht der weiteren Abklärung

des Hochrisikopatienten voraus. Die erweiterte meta- bolische Abklärung erfordert eine aufwendige und in- terdisziplinäre Diagnostik, die von spezialisierten Zen- tren durchgeführt werden sollte. Sind die individuellen Unterschiede der Harnsteinbildung abgeklärt und eine medikamentöse Unterstützung der Therapie notwendig, so stehen verschiedene Wirkstoffe zur Verfügung. Die Tabelle 3 fasst die Wichtigsten zusammen.

Fazit

Urolithiasis ist eine Volkskrankheit mit zunehmender Häufigkeit. Ein breit gefächertes Armamentarium ope- rativer Therapien steht zur Verfügung. Die EAU-Leitli- nien informieren bezüglich operativer Maßnahmen und Metaphylaxe. Eine Übersicht zur Differenzialdiagnos- tik für den täglichen Gebrauch gibt eine an den Harn- stein-Leitlinien praxisorientierte Lehrtafel, in der De- tails der Pathogenese, metabolischen Diagnostik und Metaphylaxe zusammengetragen wurden (e13).

KERNAUSSAGEN

Harnsteine sind Symptome vieler renaler, endokriner, intestinaler oder im Extremfall auch maligner Erkran- kungen. Die Bildung wird häufig ausgelöst und beein- flusst durch externe Risikofaktoren.

Wahl und Erfolg der Methode, den Harnstein zu entfer- nen, hängen von Lage, Größe und Zusammensetzung des Konkrements sowie von den Komorbiditäten ab.

Es gibt verschiedene Steinarten, die sich zum Teil unter sich gegenseitig ausschließenden physikalisch-chemi- schen Bedingungen bilden. Daher sind Steinanalysen obligat.

Jeder Patient kann nach einer zielgerichteten Anamne- se als Normal- oder Hochrisikopatient klassifiziert wer- den. Davon hängt das weitere diagnostisch-therapeuti- sche Vorgehen ab.

Eine individualisierte, risikoadaptierte Metaphylaxe senkt das Rezidivrisiko von circa 50 % auf etwa 15 %.

Interessenkonflikt

Die Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Manuskriptdaten

eingereicht: 30. 5. 2014, revidierte Fassung angenommen: 24. 11. 2014

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Anschrift für die Verfasser Dr. med. Christian Fisang Universitätsklinikum Bonn Klinik für Urologie und Kinderurologie Sigmund-Freud-Straße 25 53127 Bonn

Christian.Fisang@ukb.uni-bonn.de

Zitierweise

Fisang C, Anding R, Müller SC, Latz S, Laube N: Urolithiasis—an interdisciplinary diagnostic, therapeutic and secondary preventive challenge. Dtsch Arztebl Int 2015; 112: 83–91. DOI: 10.3238/arztebl.2015.0083

@

Mit „e“ gekennzeichnete Literatur:

www.aerzteblatt.de/lit0615 oder über QR-Code The English version of this article is available online:

www.aerzteblatt-international.de

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Urolithiasis – interdisziplinäre Herausforderung in Diagnostik, Therapie und Metaphylaxe

Christian Fisang, Ralf Anding, Stefan C. Müller, Stefan Latz, Norbert Laube

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Referenzen

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