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Archiv "Helmut Pfleger: Arzt und Schachgroßmeister - Die Lust am Kampf" (13.11.1992)

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Einer gegen viele: Simultanpartie

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Helmut Pfleger war zehn Jahre alt, als er seinem Vater am Schach- brett kaum mehr eine Chance ließ.

Der Vater, Lehrmeister und leiden- schaftlicher Schachspieler zugleich, mag sich über den respektlosen Knirps geärgert haben, der ihn da gleich serienweise Matt setzte; eine gute Portion Stolz auf den Sprößling wird der Professor der Chemie ganz sicher empfunden haben. Keine Fra- ge: Der Junge hatte das Zeug zu ei- nem Meister im Spiel der Könige — genau genommen sogar zu einem in- ternationalen Großmeister, wie sich Jahre später herausstellen sollte.

Mitte der 70er Jahre: Dr. med.

Helmut Pfleger arbeitet wie ein Be- sessener. Tagsüber leistet er seinen Dienst in der Universitäts-Poliklinik München, in der knapp bemessenen Freizeit sitzt er über dem Brett mit den 64 Feldern in schwarz und weiß.

„Es gibt Zeiten, da will man alles auf einmal", erinnert sich der Internist an jene Jahre zurück, als er neben seinem Beruf als Arzt so „ganz ne- benbei" zum weltbesten Amateur- Schachspieler avancierte. Platz 34 auf der Weltrangliste, vor ihm nur

noch Profis, hinter ihm kolonnenwei- se dasselbe Bild.

Helmut Pfleger hat in seiner ak- tiven Schach-Laufbahn viele Titel er- Ein Foto mit Selten-

heitswert: Der jun- ge Helmut Pfleger mit dem amerikani- schen Schachgenie Bobby Fischer (1.) - ein Treffen in Bam- berg

Fotos: Privat

rungen. Er war Deutscher Meister, und er war jener Spieler, der ganz entscheidend zum damals sensatio- nellen dritten Platz der deutschen Mannschaft bei der Schach-Olympi- ade in Tel Aviv beigetragen hatte.

Aus welchem Holz müssen Spieler geschnitzt sein, die in die Weltspitze vordringen?

„Die Triebfeder ist Leiden- schaft", sagt Helmut Pfleger, der ge- gen nahezu alle Großen der Schach- welt gespielt hat. „Und es ist das Be- streben, besser sein zu wollen als der Gegner. Immer und unter allen Um- ständen."

Ein anderer, Wolfram Runkel von der „Zeit", bestätigt diese Aus-

sage sozusagen durch die Hintertür.

In einem Geleitwort zu einem

der zahlreichen Pfleger-Bücher („ Schach -Kabinett — Amüsante Aufgaben, überraschende Lösun- gen") schreibt er: „Pfleger versteht Schach nicht nur als Wissenschaft, Kunst, Spiel und Sport, sondern auch als Spaß — außer wenn er sel- ber spielt: dann sieht er gequält und finster drein."

Besser sein als alle anderen — Helmut Pfleger verweist auf ein pro- minentes und doch beliebiges Bei- spiel, wenn es um die zwei Gesichter eines schachspielenden Menschen geht: Victor Kortschnoi, ehemaliger Weltmeister. „Kortschnoi ist privat ein friedfertiger, freundlicher Mann", sagt der 49jährige Arzt.

„Nimmt er jedoch am Schachbrett Platz, dann wird er zum Berserker."

Pfleger weiß, wovon er spricht.

Immerhin saß er Kortschnoi selbst sechs Mal gegenüber. Einmal siegte der Deutsche, einmal der Russe.

Viermal trennten sich die beiden mit Remis. „Es ist die Lust am Kampf, die einen zu großen Leistungen führt."

Überraschend kommt dann eine Bemerkung, die eher unerwartete Einblicke in die Welt des Spitzen- schachs vermittelt: „Kein Spitzen-

Helmut Pfleger: Arzt und Schachgroßmeister

Die Lust am Kampf

A1-3858 (26) Dt. Ärztebl. 89, Heft 46, 13. November 1992

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DEUTSCHES

ÄRZTEBLATT

KURZBERICHT

Gerontopsychiatrische Tagesldinik feiert Geburtstag

Kranke: Aus der Sackgasse raus

Pfleger und Schachfreund Richard von Weizsäcker

spieler", sagt er, „weiß wirklich ge- nau, warum er bestimmte Züge macht. Vieles geschieht rein intuitiv

— auch wenn sich die jeweiligen Zü- ge im nachhinein sauber analysieren lassen und sich als strategisch völlig richtig erweisen."

Rund 50 000 Schachbilder habe jeder internationale Großmeister

„gespeichert", ein reicher Fundus, der kluge Entscheidungen auch un- ter enormem Zeitdruck möglich macht. Und dann gibt es noch das Quentchen Genialität, das beispiels- weise den legendären Bobby Fischer, aber auch den ehemaligen Weltmei- ster Karpow auszeichnet. Gegen bei- de hat Pfleger gespielt, gegen Kar- pow zweimal verloren und zweimal Remis.

Fischer, erinnert sich Pfleger, hat ihn während eines Aufenthalts in seiner Heimatstadt Bamberg einmal ganz verwundert gefragt, warum er denn noch zur Schule ginge, wo er doch Schach spielen könne. 1960 war das. Beide waren damals noch keine 17 Jahre alt.

Helmut Pfleger hat sich anders entschieden. Keine Frage, Schach bedeutet ihm viel. Aber offenbar nicht alles. Da ist der Arzt Helmut Pfleger, der Jahre nach seiner Wei- terbildung zum Internisten heute ei- ne kleine psychotherapeutische Pra- xis in München betreibt.

Die Liebe zum Schach, die enge Verbundenheit mit dem Spiel der Könige, ist dem internationalen Großmeister natürlich geblieben.

Früher, als er noch mit ganzem Herz und voller Seele dabei war, empfand er nach Niederlagen eine schmerzli- che, depressive Leere. Heute sieht er vieles lockerer — und ist damit wohl für die Beletage des Schachs verlo- ren. Josef Maus

„Das Besondere an der tageskli- nischen Behandlung ist, daß sie die Erkrankung der Patienten thera- piert, ohne diese — trotz oft sehr schwerer Auffälligkeiten — aus ih- ren sozialen Bezügen und der Le- bensführung in der eigenen Woh- nung herauszureißen." Mit Genugtu- ung und auch ein wenig Stolz blickt Dr. Christel Kretschmar, Abteilungs- leiterin für Gerontopsychiatrie an der Rheinischen Landesklinik Düs- seldorf, anläßlich des 15. Geburts- tags „ihrer" Tagesklinik auf die An- fänge zurück. Zu Recht, wie die Zah- len zeigen: Die 15 Therapieplätze sind — nach einigen Anlaufschwie- rigkeiten Ende der siebziger Jahre — stets vollständig belegt, die Warteli- ste wird immer länger.

I Soziales Urnfeld besonders wichtig

Die Tagesklinik versteht sich als Mittler zwischen der ambulanten Be- handlung durch den niedergelasse- nen Arzt und einer vollstationären Therapie. Unter klinischen Bedin- gungen wird vor allem eine spezielle Gruppe von Alterskranken behan- delt, bei der die Erhaltung des sozia- len Umfeldes besonders wichtig ist.

Die Patienten, zumeist unter De- pressionen, Wahnkrankheiten, hirn- organischen Störungen oder Süchten leidend, kommen fünfmal pro Wo- che für acht Stunden in das Kran- kenhaus, können abends aber in ihr gewohntes Umfeld zurückkehren.

Aufgenommen werden auch Risiko- patienten, etwa Suizidgefährdete.

„Durch dieses System therapie- ren wir die Umwelt mit", erklärt Christel Kretschmar. „Bevor wir ei- nen speziellen Behandlungsplan er- arbeiten, gehen wir in die Familien und prüfen: Wie war die Lebensent- wicklung? Gab es schon früher Kon- flikte? Wie ist die Stellung innerhalb der Familie?" Während der Thera-

pie werden diese Faktoren dann be- rücksichtigt, die Angehörigen — so- weit vorhanden — in die Rehabilita- tionsmaßnahme mit eingebunden.

Die wichtigsten tagesklinischen Behandlungsbereiche sind medizini- sche Diagnostik, Erläuterung der Krankheiten und Umgang mit Medi- kamenten, kognitive Verhaltensthe- rapie, Gedächtnis- und Entspan- nungstraining sowie Gymnastik und Bewegungsspiele. Nicht weniger be- deutsam sind die sozialen Hilfen:

Strukturierung von Tages- und Wo- chenabläufen, praktische Ubungen, Kommunikations- und Realitätsori- entierungstraining sowie die Arbeit mit den Angehörigen.

Die 55- bis 90jährigen Patienten bleiben im Durchschnitt rund 60 Ta- ge in der Tagesklinik, in der neben der Leiterin ein Stationsarzt, ein Oberarzt, zwei psychiatrische Pflege- kräfte, eine Sozialarbeiterin, ein Be- schäftigungstherapeut, ein Kranken- gymnast, ein Musiktherapeut und ei- ne Psychologin mitarbeiten. Der Pflegesatz pro Tag beträgt 223 Mark und ist damit im Vergleich zur voll- stationären Behandlung (derzeit 299 Mark) deutlich geringer. Das wiegt um so mehr, als die Verweildauer im vollstationären Bereich merklich hö- her liegt.

Kranldteiten sehr lange hinauszögern

In Zukunft möchte Christel Kretschmar die Zahl der Pflegeplät- ze auf 25 erhöhen. Das dazu notwen- dige Personal wurde ihr bereits in Aussicht gestellt. Von den Hausärz- ten wünscht sie sich, daß diese „Pa- tienten noch früher überweisen". Ei- ne rechtzeitig begonnene Therapie zögere irreparable Alterskrankhei- ten oftmals „sehr lange hinaus". Vie- len alten Menschen könne so die — immens teure — „Sackgasse Heim"

erspart werden. ch Dt. Ärztebl. 89, Heft 46, 13. November 1992 (29) Ai-3861

Referenzen

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