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ie Pilze schießen sie derzeit aus dem Bo- den: Fonds-Shops, Fonds-Boutiquen und Invest- ment-Center werden in nahe- zu jeder größeren Stadt ge- gründet. Rund 100 Anbieter werben heute zwischen Flensburg und Berchtes- gaden, manche können be- reits auf einen Kundenstamm von mehr als 2 000 Anlegern verweisen. Was steckt hinter der Idee?Leichtgläubiges Publikum
Ob Autos, Socken oder auch Investment-Anteile – al- les läßt sich mit geschickter Werbung verkaufen. Und ge- rade Deutschland bietet hier- zu nahezu ideale Vorausset- zungen: Ein kaufkräftiges und oftmals leichtgläubiges Publikum und nicht zuletzt ein überaus liberales Gewer- berecht machten es nahezu jedermann möglich, in den Handel einzusteigen. Denn selbst wenn große Vermö- genswerte zur Disposition stehen, etwa Immobilien oder Versicherungen, genü- gen geringste Voraussetzun- gen wie etwa ein Gewerbe- schein oder ein Maklerschein nach Paragraph 34c der Ge- werbeordnung. Neben die- sem – so Kritiker – „erweiter- ten Führungszeugnis“ wer- den jedoch keine weiteren Qualifikationsnachweise ver- langt.
Dies bekommen gerade Geldanleger immer wieder zu spüren: Mit wagemutigen Versprechungen werden sie von unerfahrenen Anbietern in überhöhte Bausparverträ- ge und überteuerte Versiche- rungspolicen „gedrückt“, für das Versprechen von Steuer- vorteilen nehmen sie die größten Risiken auf sich.
Nicht viel anders – so hat es derzeit den Anschein – ist es bei manchen der neuen Fonds-Shops: Junge, uner- fahrene Existenzgründer oh- ne branchenspezifische Aus- bildung besorgen sich die Prospekte möglichst vieler
Fondsgesellschaften und ge- hen damit auf Kundenfang.
Die Beratung ist nicht selten entsprechend: Anleger wer- den mit hohen, aber dauer- haft nicht erzielbaren Rendi- ten der Vergangenheit „gekö- dert“, an eine ausgewogene Risikomischung wird ebenso- wenig gedacht wie an mögli- che steuerliche Konsequen- zen einer Fondsanlage.
Nicht umsonst setzt sich die Angebotspalette einiger Boutiquen praktisch aus- schließlich aus Auslandsfonds zusammen, deren Vertriebe kaum Augenmerk auf die Qualität ihrer Geschäftspart- ner legen und die zudem be- sonders hohe Vermittlungsge- bühren zahlen – die sie sich letztendlich über den Ausga- beaufschlag wieder vom An- leger hereinholen. Hingegen verweigern viele deutsche Fondsgesellschaften die Zu- sammenarbeit mit derartigen Vermittlern aus Prinzip.
Dies bedeutet anderer- seits nicht, daß alle Fonds- Boutiquen gleichermaßen schlecht beraten. Im Gegen- teil: Insbesondere die
„Großen“ der Branche bemühen sich redlich, dem Anleger ein optimales Porte-
feuille zusammenzustellen.
Hierbei kommt ihnen zugute, daß sie unabhängig vom In- teresse einzelner Kapitalan- lagegesellschaften beraten und so aus der gesamten Pa- lette der verfügbaren Fonds schöpfen können – wobei oft- mals auch Selektionen hin- sichtlich der erwarteten Ren- diten getroffen werden. Wie bei jeder Geldanlage ent-
scheidet also letztendlich vor- rangig die Seriosität des An- bieters über den Erfolg der Investition – selbst wenn da- mit noch keineswegs eine Ge- währ für den Erfolg des Fonds selbst gegeben ist.
Um hier mehr Klarheit zu schaffen, gibt es mittler- weile bereits Verbände:
Die „Arbeitsgemeinschaft Deutscher Investmentfonds- Shops“ (A.D.I.) und der
„Bundesverband Deutscher Investmentberater“ (BDVI) wollen sich um größere Serio- sität in der Branche küm- mern. So verlangt etwa die A.D.I. von ihren Mitgliedern unter anderem den Verzicht auf den gleichzeitigen Ver- trieb von Versicherungen und Bausparverträgen, eine kosten- freie Beratung per Computer, ein Mindestalter von 25 Jah-
ren und eine fachspezifische Berufsausbildung sowie ein Büro, das ausschließlich ge- werblichen Zwecken dient.
Andererseits sehen auch die renommierten Kapitalan- lagegesellschaften dem mun- teren Treiben längst nicht mehr tatenlos zu: Während vor wenigen Jahren die mei- sten Investmentgesellschaf- ten nur wenige Fonds anbie- ten konnten und damit ein Ausweichen zur Konkurrenz nahezu provozierten, haben heute alle namhaften Anbie- ter ihre Angebotspalette spürbar erweitert. Mit mehr als 100 Fonds, die etwa von der Sparkassen-Fondsgesell- schaft Deka verwaltet wer- den, lassen sich jedoch prak- tisch alle Anlegerwünsche abdecken – und seien sie noch so „exotisch“.
Zur Hausbank...
Ein Wechsel zur Konkur- renz oder gar einer – mögli- cherweise weitgehend unbe- kannten – ausländischen In- vestmentgesellschaft ist mit- hin gar nicht mehr zwingend nötig, bietet doch die Haus- bank durchaus vergleichbare Produkte. Und damit sind zwei Pluspunkte verbunden:
Einmal kennt der Anleger
„seinen“ Berater, und er kann auf das entsprechende Fach- wissen vertrauen. Zum ande- ren bleibt das Geld meist bei der Hausbank oder der haus- eigenen Investmentgesell- schaft, so daß beispielsweise ein Kreditbedarf unkompli- zierter gelöst werden kann.
Dennoch werden Fonds- Boutiquen in den kommen- den Jahren sicherlich weiter- hin erfolgreich arbeiten. Je- der Anleger sollte aber in je- dem Fall vor einem entspre- chenden Geschäftsabschluß prüfen, ob der Anbieter le- diglich auf eine „schnelle Pro- vision“ abzielt oder tatsäch- lich mit entsprechenden Er- fahrungen solide berät. Auch sollte das Angebot der Haus- bank geprüft werden, das längst nicht mehr so „einsei- tig“ ist, wie in manchen Medi- en dargestellt. Peter Jobst A-2874 (60) Deutsches Ärzteblatt 93,Heft 44, 1. November 1996
V A R I A WIRTSCHAFT
Fonds-Shops
Beratung bleibt oft auf der Strecke
Zeichnung: Klaus Espermüller/CCC