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Archiv "Reform des Schwangerschaftskonfliktgesetzes: Mehr Beratung" (20.11.2009)

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A 2352 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 106

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Heft 47

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20. November 2009

REFORM DES SCHWANGERSCHAFTSKONFLIKTGESETZES

Mehr Beratung

Was ändert sich für die Frauen sowie die Frauenärztinnen und Frauenärzte beim Abbruch aus medizinischer Indikation? Eine Handreichung

A

m 1. Januar 2010 tritt ein neu- es Gesetz zur Änderung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes (SchKG) in Kraft, das den Bera- tungsbedürfnissen der Frauen im Schwangerschaftskonflikt bei feta- lem pathologischem Befund und/

oder medizinisch indizierter Abrup- tio mehr entspricht als die bisher geltende Regelung. Davon sind die Autoren einer Handreichung für Frauenärztinnen und Frauenärzte überzeugt*.

Zur Vorgeschichte: Der Bundes- tag hatte im Jahr 1995 eine Ände- rung im § 218 a Strafgesetzbuch zum Schwangerschaftskonflikt vor- genommen, wonach die embryopa- thische quasi in die medizinische Indikation aufging. Der Hinter- grund der damaligen Regelung war, dass eine Schädigung des Kindes allein keinen Rechtfertigungsgrund für einen Schwangerschaftsabbruch darstellen sollte. Auf diese Weise sollten eine Stigmatisierung und Benachteiligung von Menschen mit

Behinderung vermieden werden.

Das führte in der Praxis dazu, dass bei pathologischem Befund des Kindes im Rahmen der Pränataldia - gnostik mitunter von den Frauen ein Schwangerschaftsabbruch un- mittelbar gewünscht wurde. „An- ders als vor 1995 konnte jetzt auf- grund der bestehenden Gesetzes - lage ein Schwangerschaftsabbruch durchgeführt werden, ohne dass die Schwangere ausreichend Zeit zum Überdenken des pathologischen Befunds hatte und ohne dass ihr das breite Spektrum einer zusätzlichen medizinischen und psychosozialen Beratung offeriert werden musste“, schreiben Prof. Dr. med. Heribert Kentenich et al. Das habe zur Fol- ge, dass Frauen nach medizinischer Indikation ohne ausführliche Bera- tung eine Abtreibung durchführen ließen und sich viele Fragen für die Patientinnen erst nach dem Ab- bruch stellten.

Aufgrund mehrerer Initiativen durch die Deutsche Gesellschaft für

Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) und die Bundesärztekam- mer wurde schließlich das Gesetz geändert. Das neue SchKG sieht jetzt nach Auffassung der Autoren der Handreichung mehrere positive Aspekte vor:

– Die Schwangere erhält mehr Beratung im Zusammenhang mit der Diagnose einer Erkrankung des Kin- des, was sowohl medizinische als auch psychosoziale Aspekte betrifft.

– Sie muss vom Arzt darauf hin- gewiesen werden, dass sie ein Recht auf psychosoziale Beratung hat.

– Zwischen der Diagnose bezie- hungsweise Beratung und der Aus- stellung der Indikationsbescheini- gung müssen mindestens drei Tage liegen (Zeit des Bedenkens).

– Lediglich bei „gegenwärtiger erheblicher Gefahr für Leib und Le- ben der Schwangeren“ gelten diese Fristen nicht.

Ein neuer Paragraf im Schwan- gerschaftskonfliktgesetz (§ 2) re- gelt die Aufklärung und Beratung in

Die Schwangere muss vom Arzt darauf hingewiesen werden, dass sie ein Recht auf psycho soziale Beratung hat.

Foto: Fotolia

*Prof. Dr. med. Heribert Kentenich, DRK-Kliniken Berlin; Prof. Dr. med. Klaus Vetter, Vivantes-Klinikum Berlin; Prof. Dr. med.

Klaus Diedrich, Universi- tätsfrauenklinik Lübeck

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Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 106

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Heft 47

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20. November 2009 A 2353 besonderen Fällen. Bei Hinweisen

auf Schädigung der körperlichen oder geistigen Gesundheit des un- geborenen Kindes hat der die Dia - gnose mitteilende Arzt – unabhängig davon, ob ein Schwangerschaftsab- bruch infrage kommt oder nicht – nach Absatz 1 folgende Pflichten:

– Der Arzt hat allgemeinver- ständlich und ergebnisoffen zu me- dizinischen und psychosozialen Aspekten, die sich aus dem Befund ergeben, zu beraten. Die Beratung umfasst „die eingehende Erörte- rung der möglichen medizinischen, psychischen und sozialen Fragen und der Möglichkeiten der Unter- stützung bei physischen und psy- chischen Belastungen“.

– Ärztinnen und Ärzte, die mit der diagnostizierten Gesundheits- schädigung bei geborenen Kindern Erfahrung haben, müssen hinzuge- zogen werden.

– Die Schwangere muss darauf hingewiesen werden, dass sie einen Anspruch auf weitere Beratung hat.

– Im Einvernehmen mit der Pa- tientin sollte sie an psychosoziale Beratungsstellen nach § 3 und Selbsthilfegruppen oder Behinder- tenverbände vermittelt werden. Der Arzt ist verpflichtet, Informations- material der Bundeszentrale für ge- sundheitliche Aufklärung zum Le- ben mit Behinderungen auszuhän- digen (siehe Kasten).

Im Absatz 2 des Gesetzes wurden die Pflichten des die Indikation schriftlich feststellenden Arztes für medizinisch indizierte Schwanger- schaftsabbrüche neu geregelt. Sie gelten unabhängig davon, ob ein Hin- weis auf eine kindliche Gesundheits- störung vorliegt oder nicht. Zu diesen Pflichten gehören unter anderem die Beratung zu medizinischen und psy- chischen Aspekten eines Schwanger- schaftsabbruchs sowie der Hinweis auf den Anspruch zu weiterer und vertiefender Beratung durch psycho- soziale Beratungsstellen.

Zwingend erforderlich ist das Einvernehmen mit der Patientin, sodass es die Patientin durchaus ablehnen kann, beispielsweise Kontakt zu Beratungsstellen oder Selbsthilfeverbänden aufzunehmen.

Die Handreichung geht auch auf die

„3-Tages-Mindestbedenkzeit“ ein:

– Wenn eine Gesundheitsschädi- gung des Kindes nach Diagnose und eine medizinische Indikation zum Schwangerschaftsabbruch vor- liegen, müssen mindestens drei Ta- ge zwischen der Diagnose und der Ausstellung der Indikationsbe- scheinigung vergehen. Die Bera- tung kann aber auch mehr als drei Tage in Anspruch nehmen.

– Wenn eine Gesundheitsschädi- gung des Kindes vorliegt und kein Schwangerschaftsabbruch vorge- nommen wird, muss die Schwange- re die Beratung nach § 2 a Absatz 1 SchKG nicht bestätigen.

– Wenn beim Kind keine Ge- sundheitsschädigung vorliegt und aufgrund rein mütterlicher Gefähr- dung ein medizinisch indizierter Schwangerschaftsabbruch vorgese- hen ist, muss die Beratung mindes- tens drei Tage vor der Ausstellung der Indikationsbescheinigung erfol- gen. Eine weitere Wartezeit bis zum Abbruch ist nicht mehr erfor- derlich.

Absatz 3 regelt die schriftliche Bestätigung der Schwangeren. Die Patientin muss nach Auffassung von Kentenich et al. bei der Aus- stellung der Indikationsbescheini- gung durch den Arzt schriftlich be- stätigen, dass sie sich ärztlich bera- ten ließ und dass sie beispielsweise

an Selbsthilfegruppen vermittelt wurde. Sie kann aber auch auf die psychosoziale Beratung verzichten, was sie ebenfalls schriftlich bestäti- gen müsste. „Mit anderen Worten:

Für die Frau besteht kein Bera- tungszwang.“ Die Bestätigung oder Ablehnung der Beratung bei, also zeitgleich mit der Ausstellung der Bescheinigung bedeutet, dass diese frühestens nach Ablauf der drei Ta- ge Bedenkzeit von der Schwange- ren abgegeben werden kann.

Ordnungswidrig handelt nach dem neuen Schwangerschaftskon- fliktgesetz, wer

„– keine Beratung der Schwan- geren vornimmt,

– entgegen dem Gesetzestext ei- ne schriftliche Feststellung aus- stellt,

– entgegen den Vorgaben des Gesetzes einen Schwangerschafts- abbruch vornimmt,

– seiner Auskunftspflicht an das Statistische Bundesamt nicht nach- kommt“ .

Die Autoren bedauern es, dass keine Veränderung der Statistik vorgenommen wurde. „Ein wesent- licher Nachteil zum jetzigen Zeit- punkt ist, dass die Statistik ungenau ist und dass sie insbesondere einige Lücken enthält, wie zum Beispiel die Erfassung des Fetozids bei Mehrlingsschwangerschaften oder des Fetozids aus anderen Gründen.“

Außerdem hielten die DGGG und die Bundesärztekammer den Kata- log der Ordnungswidrigkeiten nicht für sinnvoll, da das Berufsrecht ent- sprechende Verstöße bereits sank- tioniere. Begrüßt wird dagegen, dass Bedenken der Frauenärzte und Frauenärztinnen in dem veränder- ten Gesetzeswerk zum Schwanger- schaftsabbruch aufgenommen wor- den sind: „Viele Gedankengänge wurden direkt in die Gesetzestexte und Begründungen übernommen, sodass wir insgesamt hoffen, dass dank der strukturierten Neuregelun- gen die Bedürfnisse der Frauen in schwerer Konfliktlage insbesonde- re vom Beratungsaspekt her gesi- chert erfüllt werden.“ ■ Gisela Klinkhammer

@

Der Text der Handreichung im Internet: www.aerzteblatt.de/092352 Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA)

wird ab dem 1. Januar 2010 Informationsmaterial bereit- stellen. Dies enthält:

– Aufklärungsbroschüren zum Leben mit einem geistig oder körperlich behinderten Kind

– Informationen zum Leben von Menschen mit einer geis- tigen oder körperlichen Behinderung

– Hinweis auf den Rechtsanspruch auf Beratung durch psychosoziale Beratungsstellen nach § 2 Schwanger- schaftkonfliktgesetz

– Kontaktadressen von Selbsthilfegruppen, psychosozialen Beratungsstellen sowie Behindertenverbänden und Ver- bänden von Eltern behinderter Kinder.

Das Aufklärungsmaterial der BZgA wird frauenärztli- chen Praxen, Pränataldiagnostikern, Humangenetikern, weiteren Ärzten, Hebammen und psychosozialen Bera- tungsstellen zur Verfügung gestellt. Der Arzt muss es im Rahmen seiner Beratung aushändigen, wenn eine Ge- sundheitsschädigung des Kindes diagnostiziert wird.

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