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Archiv "Schwangerschaftsabbruch: Bundesärztekammer setzt auf umfassende ärztliche Beratung" (28.03.1991)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Lt II 11121111111111111

Zu den dauerhaften Diskussionspunkten sowohl auf politischer Ebe- ne als auch in der Leserschaft des Deutschen Ärzteblattes zählt der Paragraph 218 Strafgesetzbuch (StGB). Ein Beispiel dafür ist die Normenkontrollklage, die die bayerische Staatsregierung im ver- gangenen Jahr beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe gegen die derzeitige Rechtspraxis des Schwangerschaftsabbruchs einge- legt hat (dazu auch Heft 3/91). Die Stellungnahme der Bundesärzte- kammer, um die das Gericht gebeten hatte, löste in der Zwischen- zeit einige empörte Leserbriefe aus. Wie zu erwarten, wurden darin häufig inhaltliche Bedenken geäußert. Darüber hinaus ist jedoch von mangelnder Gelegenheit zur Diskussion innerhalb der Landesärzte- kammern und von einer Einstufung als „geheime Verschlußsache"

die Rede. Geheim ist die Stellungnahme freilich nicht; sie wurde im- merhin per Rundschreiben bundesweit verbreitet. Nachfolgend für alle Leser die wesentlichen Aussagen der Bundesärztekammer ge- genüber dem Bundesverfassungsgericht.

Bundesärztekammer setzt auf umfassende ärztliche Beratung

Die Stellungnahme zur bayerischen Normenkontrollklage

Schwangerschaftsabbruch

E

benso wie die bayerische Staatsregierung geht auch die Bundesärztekammer davon aus, daß zur Zeit in den elf alten Bundesländern jährlich etwa 200 000 Schwangerschaftsabbrüche vorge- nommen werden. Achtzig Prozent dieser Schwangerschaftsabbrüche würden aufgrund einer psychosozia- len Notlagenindikation durchge- führt.

Selbstbestimmung versus Lebensschutz

Angesichts dieser Statistiken ha- be die bayerische Staatsregierung die Auffassung vertreten, daß die gelten- den Strafvorschriften die Schwange- ren in weitem Umfang privilegieren und so das Selbstbestimmungsrecht der Frau letztlich höher bewerten als den Schutz des ungeborenen Lebens.

Nach Ansicht der Bundesärzte- kammer ist die strafrechtliche Privi- legierung beizubehalten. Sie sei un- ter anderem deshalb in das Gesetz

zum Schwangerschaftsabbruch auf- genommen worden, um zu verhin- dern, daß Schwangerschaftsabbrü- che in medizinisch nicht vertretbarer Weise durchgeführt werden. Durch die weitgehende Privilegierung habe man verhindern wollen, daß Frauen nur unter erheblichen gesundheit- lichen Risiken einen Schwanger- schaftsabbruch vornehmen lassen und in der bestehenden Konfliktsi- tuation den Weg in die Illegalität su- chen. Von besonderer Bedeutung sei die Überlegung gewesen, daß nur ein legaler straffreier Abbruch über- haupt die Inanspruchnahme von Be- ratung ermögliche.

Eine weitere Schwäche des der- zeitigen Schwangerschaftsabbruch- rechtes besteht nach Auffassung der bayerischen Staatsregierung darin, daß die bisherige Beratungspraxis nicht in ausreichendem Maße der Lebenserhaltung dient. Im übrigen stelle die Vorschrift des § 218 b Abs.

2 Nr. 1 StGB nicht sicher, daß die Beratung durch einen Arzt vorge- nommen werde, der für die notwen-

dige Konfliktberatung und insbeson- dere für soziale und sozialrechtliche Fragen kompetent ist. Deshalb wird gefordert, die Beratung nur durch anerkannte Beratungsstellen mit speziellen Fachkräften vorzuneh- men.

Die Beratung vor einem Schwangerschaftsabbruch muß nach Auffassung der Bundesärztekammer selbstverständlich den Aspekt der Lebenserhaltung des ungeborenen Kindes beinhalten. Dieser könne je- doch nicht alleiniger Inhalt der ein- zelnen Beratung sein (siehe Ent- schließung des 91. Deutschen Ärzte- tages zum Schwangerenberatungsge- setz).

ri

Beratung auch in sozialen Fragen

Neben einer umfassenden medi- zinischen Beratung müsse das Ge- spräch auch eine Beratung in sozia- len Fragen umfassen. Für die in der Schwangerschaftskonfliktberatung tätigen Arzte werden nach Ansicht der Bundesärztekammer Fortbil- dungsmaßnahmen gerade im Hin- blick auf diesen Gesichtspunkt ange- boten und in hohem Maße in An- spruch genommen Von einer feh- lenden Kompetenz der Ärzte in die- sem Bereich könne daher nicht ge- sprochen werden.

Das Beratungsangebot für Frau- en in Schwangerschaftskonfliktsi- tuationen sollte jedoch unabhängig von der oben genannten Problematik verbessert werden. Der Entwurf ei- nes Gesetzes zur Verbesserung der Beratung von Schwangeren, in dem ein Beratungsangebot für die Frauen auch nach der Geburt ihrer Kinder vorgesehen war, sei ein richtiger An- satz gewesen.

Im Normenkontrollantrag wird im weiteren eine Inkompatibilitätsre- gelung zwischen dem beratenden und dem indikationsstellenden Arzt ge- fordert, da ein die Indikation stellen- der Arzt nicht mit dem Ziel der Le- benserhaltung beraten könne. Gegen eine solche Forderung hat sich, so die Kammer, ebenfalls der 91. Deutsche Ärztetag ausgesprochen. Eine solche Trennung sei für Arzte wie für betrof- fene Frauen unzumutbar. 1>

Dt. Ärztebl. 88, Heft 13, 28. März 1991 (17) A-1041

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Zu einem verfassungsrechtlich unzureichenden Lebensschutz des Ungeborenen führt nach Ansicht der bayerischen Staatsregierung auch die Regelung des § 219 a StGB, wonach die Erteilung einer unrichtigen Be- scheinigung durch den Arzt über das Vorliegen einer Indikation nur straf- bar ist, wenn sie wider besseren Wis- sens erfolgt. Als besonders kritisch wird dabei angemerkt, daß der Arzt praktisch straflos bleibe, der bei der Ausstellung der Bescheinigung allein den Angaben der Frau vertraue, oh- ne eine Nachprüfung der Richtigkeit vorzunehmen.

Befragung Dritter wird abgelehnt

Nach Auffassung der Bundes- ärztekammer kann es demgegenüber weder der betroffenen Frau noch dem Arzt zugemutet werden, die An- gaben der Schwangeren über eine bestehende soziale Notlage, etwa aufgrund von Befragungen Dritter, nachzuprüfen. „Eine solche Vorge- hensweise würde in nicht vertretba- rem Maße die Vertrauensbeziehung zwischen Arzt und Patient gefähr- den. Darüber hinaus würde das Auf- geben dieser gesetzlichen Regelung dazu führen, daß möglicherweise das Angebot der Beratungen in nicht ausreichendem Maße in Anspruch genommen wird", heißt es.

Um zukünftig die hohe Zahl der Schwangerschaftsabbrüche zu sen- ken, wird im Normenkontrollantrag vorgeschlagen, das Verfahren zur Feststellung der Indikation nach

§ 219 wesentlichen Änderungen zu unterwerfen. Unter anderem wird gefordert, die Indikation zukünftig schriftlich zu begründen. Die Fest- stellung solle für den abbrechenden Arzt und informationsbefugte Dritte nachvollziehbar und nachprüfbar sein.

Dies wird von der Bundesärzte- kammer nicht akzeptiert. Die bishe- rige gesetzliche Regelung habe sich als ausreichend erwiesen. Bei Beach- tung der Grundsätze der ärztlichen Dokumentation bedürfe es keiner gesetzlichen Änderung. Dem Recht der Schwangeren auf Achtung, ins- besondere ihres informationellen

Selbstbestimmungsrechts im Rah- men der gesetzlichen Vorschriften, müsse auch bei der Frage des Schwangerschaftsabbruches in ange- messener Weise Rechnung getragen werden.

Darüber hinaus wird in der Nor- menkontrollklage gefordert, zur Verbesserung der vorhandenen Da- ten den Arzt zu verpflichten, den Abbruch unter Angabe seines Na- mens zu melden. Die Einführung ei- ner Meldepflicht unter Nennung des Arztnamens kann aus Sicht der Bun- desärztekammer aber nicht zu einer verbesserten Datenbasis führen.

„Insbesondere kann eine solche na- mentliche Meldepflicht die Gründe, die zum Schwangerschaftsabbruch führen, nicht transparenter ma- chen," urteilt die Kammer.

Die bayerische Staatsregierung rege weiterhin an, daß der den Schwangerschaftsabbruch vorneh- mende Arzt zukünftig selbständig und selbstverantwortlich zu prüfen hat, ob die Voraussetzungen einer Indikation vorliegen. Dem hält die Bundesärztekammer entgegen, daß bereits nach bestehendem Recht der abbrechende Arzt verpflichtet sei, sich über das Vorliegen der Indikati- on zu vergewissern. Er sei keinesfalls an das Ergebnis des indikationsstel- lenden Arztes gebunden. Diese ge- setzliche Konzeption habe sich be- währt.

Beratung vor der Indikationsstellung

Zustimmung findet in der Stel- lungnahme das Bestreben, die Bera- tung zukünftig dem Indikationsfest- stellungsverfahren voranzustellen.

Eine solche Regelung wird als sinn- voll erachtet.

Einer Verlängerung der bis- herigen dreitägigen Bedenkzeit zwi- schen Beratung/Indikationsstellung und Durchführung des Schwanger- schaftsabbruches wird dagegen nicht zugestimmt. Begründung: „Die Ver- längerung der Bedenkzeit würde letztlich dazu führen, daß Schwan- gerschaftsabbrüche zu einem späte- ren Zeitpunkt vorgenommen werden müßten, als dies heute der Fall ist.

Soweit Schwangerschaftsabbrüche

aber überhaupt vorgenommen wer- den, sollte dies zu einem möglichst frühen Zeitpunkt geschehen."

Entgegen der Auffassung der bayerischen Staatsregierung vertritt die Bundesärztekammer zudem die Auffassung, daß auch zukünftig Schwangerschaftsabbrüche aus der schweren Notlagenindikation Lei- stungen der gesetzlichen Kranken- kassen bleiben sollten.

Mit Entschiedenheit müsse in diesem Zusammenhang die These zurückgewiesen werden, daß Ärzte in besonderem Maße von der Ein- beziehung des Schwangerschaftsab- bruches in die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkassen wirt- schaftlich profitieren. Die Honorare für ambulante Schwangerschaftsab- brüche seien bereits so bemessen, daß ein wirtschaftliches Interesse praktisch ausgeschlossen sei. Hinzu komme, daß ein ambulanter Schwan- gerschaftsabbruch in großen Teilen der Bundesrepublik rechtlich nicht zulässig ist mit der Folge, daß die Schwangerschaftsabbrüche stationär erfolgen, also ein wirtschaftliches In- teresse des Arztes ohnehin ausschei- det.

Nicht geteilt wird auch die Auf- fassung, durch die Einbeziehung der Leistungen des Schwangerschafts- abbruches in die gesetzliche Kran- kenversicherung entstehe sowohl bei Betroffenen als auch Ärzten der Ein- druck, es handele sich beim Schwan- gerschaftsabbruch um den gleichen sozialen Vorgang wie etwa den Gang zum Arzt zwecks Heilung einer Krankheit oder gar um eine rechtlich relevante Alternative zur Empfäng- nisverhütung.

Sowohl nach dem ärztlichen Be- rufsrecht als auch nach den sonsti- gen Hilfe-Richtlinien des Bundes- ausschusses der Ärzte und Kranken- kassen habe der Arzt darauf hinzu- wirken, daß die Schwangerschaft ausgetragen werde, soweit nicht schwerwiegende gesundheitliche Gründe entgegenstehen.

Die Bundesärztekammer kann daher die Auffassung nicht teilen, daß die derzeitige Kostenübernahme einen Verlust an rechtsethischem Bewußtsein innerhalb der Bevölke- rung und unter den Ärzten doku- mentiert. DÄ A-1042 (18) Dt. Ärztebl. 88, Heft 13, 28. März 1991

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