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Archiv "Ärztliche Sterbebegleitung: Bundesärztekammer will Richtlinie nachbessern" (30.01.1998)

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er Tod sei zwar für alle Men- schen gleich, doch das Ster- ben sei so unterschiedlich wie die Menschen selbst, sagte der Präsident der Bundesärztekammer, Dr. med. Karsten Vilmar, in Königs- winter. Angesichts der „Apparate- medizin“ hätten viele Menschen Angst vor einer Lebensverlänge- rung um jeden Preis, andere be- fürchteten eine zunehmende Bereit- schaft zur Euthanasie.

Und gerade weil es sich um ei- nen „das menschliche Selbstver- ständnis so stark berührenden Be- reich handelt“, wollte die Bundes- ärztekammer den „Entwurf der Richtlinie der Bundesärztekammer zur ärztlichen Sterbebegleitung und den Grenzen zumutbarer Behand- lung“ nicht in Eile und nicht unter Ausschluß der Öffentlichkeit disku- tieren (wie das DÄ bereits mehrfach berichtete). Anregungen, aber auch Kritik wurden Mitte Januar in Kö- nigswinter von Theologen, Ärzten, Juristen, Politikern und Vertretern von Verbänden eingebracht.

Notwendig geworden war die Neufassung der Richtlinie unter anderem, nachdem der Bundesge- richtshof im Jahr 1994 die Verurtei- lung eines Arztes und des Sohnes ei- ner Wachkoma-Patientin aufgeho- ben hatten. Beide hatten sich ent- schlossen, der 74jährigen die Nah- rung zu entziehen. Die Richter wa- ren davon ausgegangen, daß dies dem mutmaßlichen Willen der Frau entsprochen hätte.

Nach dem jetzt vorliegenden Entwurf soll bei Patienten mit apal- lischem Syndrom der Behandlungs- abbruch lebenserhaltender Maß- nahmen dann zulässig sein, wenn dies dem erklärten oder mutmaßli- chen Willen der Patienten ent-

spricht. Walter Ullmer vom Bundes- verband Schädel-Hirnpatienten in Not, Amberg, bezeichnete diese Formulierung als „gefährlichen Schritt“. Er sagte: „Es muß Grund- konsens sein, daß kein Mensch den mutmaßlichen Willen hat, zu ver- hungern oder an einem trivialen – nicht behandelten – Infekt zu ster- ben.“ Er beanstandet in diesem Zu- sammenhang an der Richtlinie zu- dem, daß sie lediglich die „natürli- che Ernährung“ der Basispflege zurechne. Seiner Auffassung nach könne es nicht richtig sein, die Ernährung über Magensonde for- maljuristisch als ärztliche Behand- lung zu definieren: „Das Grundrecht aller Menschen auf angemessene Versorgung mit Nahrung darf nicht aufgegeben werden.“

Absage an aktive Euthanasie

Ullmer befürchtet, daß solche Formulierungen auch vor einem

„ökonomischen Hintergrund“ ent- standen sein könnten. Dagegen ver- sicherte der Vorsitzende des Aus- schusses für medizinisch-juristische Grundsatzfragen der Bundesärzte- kammer, Prof. Dr. med. Eggert Be- leites: „Die Richtlinie hat niemals wirtschaftliche Ziele verfolgt.“

Nach Auffassung von Prof. Dr.

Johannes Reiter, Mainz, zählt neben dem Behandlungsabbruch bei Apal-

likern die Nichtaufnahme der Be- handlung bei schwerstgeschädigten Neugeborenen zu den ethisch pro- blematischsten Fällen der Richtli- nie. Hier gebe es keinerlei Ansätze für deren mutmaßlichen Willen, be- tonte der Theologe.

In einem Punkt war man sich allerdings einig. „Die deutsche Ärz- teschaft lehnt aktive Sterbehilfe in jedweder Form ab“, so Beleites.

Prof. Dr. jur. Hans-Ludwig Schrei- ber, Göttingen, schlägt außerdem vor, auf die Begriffe „passive und indirekte Euthanasie“ zu verzich- ten. Vielmehr sollte von einer Be- grenzung der Behandlung in Zu- sammenhang mit der Palliativmedi- zin die Rede sein. Auch die Passa- gen, in denen es um den „mutmaßli- chen Willen“ bei Neugeborenen geht, bedürften der Überarbeitung.

Weitere mögliche Nachbesserun- gen stellte Beleites vor. Ein Ab- bruch lebenserhaltender Maßnah- men bei Apallikern solle grundsätz- lich nicht zulässig sein, es sei denn

„der mutmaßliche Wille des Patien- ten steht gegen eine Weiterbehand- lung“. Zur ebenfalls umstrittenen Frage der Verbindlichkeit von Pati- entenverfügungen schlug der Vize- präsident der Bundesärztekammer, Prof. Dr. med. Jörg-Dietrich Hop- pe, vor: „Je zeitnäher und situati- onsgebundener eine Patientenver- fügung ist, desto verbindlicher könnte sie sein.“

Es war der Bundesärztekammer offensichtlich gelungen, einen Groß- teil der Bedenken auszuräumen. Der Gütersloher Psychiater Dr. med. Dr.

phil. Klaus Dörner jedenfalls stellte am Ende des Symposiums fest: „Daß ein Text in so kurzer Zeit so viel wei- tergedacht wird, hätte ich nicht ge- dacht.“ Gisela Klinkhammer A-185

P O L I T I K LEITARTIKEL

Deutsches Ärzteblatt 95,Heft 5, 30. Januar 1998 (13)

Ärztliche Sterbebegleitung

Bundesärztekammer will Richtlinie nachbessern

D In Königswinter

diskutierten Ärzte, Politiker, Theologen und Patienten- vertreter über die Richtlinie

zur Sterbebegleitung.

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