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Archiv "Entwurf der Richtlinie der Bundesärztekammer zur ärztlichen Sterbebegleitung und den Grenzen: zumutbarer Behandlung (Stand: 25. 4. 1997)" (16.05.1997)

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Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Entwurf der Richtlinie der Bundesärztekammer zur ärztlichen Sterbebegleitung und den Grenzen: zumutbarer Behandlung (Stand: 25. 4. 1997)" (16.05.1997)"

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Vorwort

Im April 1979 verabschiedete der Vorstand der Bundesärztekammer Richtlinien für die Sterbehilfemit einem dazugehörenden Kommentar. 14 Jahre später, im Juni 1993, wurde vom Vor- stand der Bundesärztekammer eine Richtlinie zur Sterbebegleitung verab- schiedet. Nun, nur vier Jahre nach dieser Verabschiedung, gibt es schon wieder einen neuen Entwurf zur ärztlichen Sterbebegleitung. Man ist geneigt zu fragen: Weshalb muß nach weniger als vier Jahren erneut intensiv über die Sterbebegleitrichtlinien nachgedacht werden?

Die rasche Entwicklung in Technik und Medizin berührt nicht nur Lebens- formen und Lebensverhältnisse, sondern auch Grundfesten des menschlichen Selbstverständnisses und ist damit ver- antwortlich für die Zunahme moralisch- ethischer Unsicherheiten. Die Manipu- lierbarkeit des Sterbeprozesses und der in gewissen Grenzen verschiebbare To- deszeitpunkt veranlassen unsere Bevöl- kerung einerseits zu Angst vor dem „Zu- viel“, andererseits zur Furcht vor einer zu frühen, möglicherweise sogar ökono- misch indizierten aktiven Lebensbeendi- gung. Zusätzlich erleben wir in einigen unserer Nachbarländer, aber auch in an- deren Erdteilen, daß sich Auffassungen hinsichtlich des ärztlichen Selbstver- ständnisses gewandelt haben. Bei Ände- rung des Umfeldes ist es sicher immer wieder sinnvoll, eine Standortbestim- mung und eventuell auch eine Neufor- mulierung in einem geänderten Kontext vorzunehmen, auch dann, wenn inhalt- lich kein wesentlicher Wechsel erkenn- bar ist. Die im Vorfeld der Neufassung zum Teil sehr emotional geführten Dis- kussionen verschiedener Bevölkerungs- gruppen haben uns verdeutlicht, wie sehr die Thematik unsere Gesellschaft bewegt.

Formulierungen, die allgemein verständlich sind, dabei aber auch über eine Allgemeingültigkeit verfügen sol- len, sind sehr schwierig, ganz besonders, wenn es sich um eine Konsensfindung in einer multikulturellen Gesellschaft

handelt. Die Richtlinien müssen zudem verträglich mit dem ärztlichen Selbst- verständnis sein, rechtlichen Ansprü- chen genügen und ethische Haltungen verdeutlichen. Vollkommen neue Ein- stellungen wurden teils erwartet, teils erwünscht, aber auch befürchtet. Der nun vorliegende Entwurf läßt jedoch keine wesentlichen neuen Gesichts- punkte erkennen. Lediglich Formulie- rung und Struktur sind geändert. Akti- ve Sterbehilfe bleibt tabu, die Garan- tenpflicht des Arztes wird nicht aufge- geben, und es wird eine klare Position zu dem Selbstbestimmungsrecht der Patienten formuliert. Besonders wurde betont, was zu den unverzichtbaren ärztlichen Aufgaben gehört.

Neu an diesem Entwurf ist, daß er nicht in aller Eiligkeit verabschiedet wird, sondern als Entwurf veröffentlicht und einer breiten Diskussion zur Verfü- gung gestellt wird. Da es sich bei dieser Thematik um einen so wichtigen und auch das menschliche Selbstverständnis so stark berührenden Bereich handelt, ist es wohl auch für das ärztliche Selbst- verständnis sinnvoll, nicht nur in- nerärztlich, sondern auch nach An- hörung einer breiten Öffentlichkeit zu befinden. Ich würde mir wünschen, daß viele Ärzte, aber auch Nichtärzte, kon- struktiv über mögliche Formulierungen nachdenken.

Prof. Dr. med. Eggert Beleites

Präambel

Aufgabe des Arztes ist es, unter Be- achtung des Selbstbestimmungsrechtes des Patienten Leben zu erhalten, Ge- sundheit zu schützen und wiederherzu- stellen sowie Leiden zu lindern und Ster- benden bis zum Tod beizustehen.

Die ärztliche Verpflichtung zur Le- benserhaltung besteht jedoch nicht unter allen Umständen. Es gibt Situationen, in denen sonst angemessene Diagnostik- und Therapieverfahren nicht mehr indi- ziert sind, sondern Behandlungsbegren- zung die gebotene ärztliche Maßnahme sein kann. Aktive Sterbehilfe ist unzuläs- sig und mit Strafe bedroht, auch dann,

wenn sie auf Verlangen des Patienten ge- schieht.

Die folgenden Hinweise zur ärztli- chen Tätigkeit an der Grenze zwischen Leben und Tod können dem Arzt die ei- gene Verantwortung in der konkreten Situation nicht abnehmen, sie können ihm jedoch Hilfe sein. Bei der Entschei- dungsfindung soll der Arzt die Abstim- mung mit weiteren ärztlichen und pfle- genden Mitarbeitern suchen.

Bei Sterbenden, d. h. Kranken oder Verletzten mit irreversiblem Versagen einer oder mehrerer vitaler Funktionen, bei denen der Eintritt des Todes in kur- zer Zeit zu erwarten ist, soll der Arzt nach den im Abschnitt I. (Ärztliche Pflichten bei Sterbenden) dargelegten Grundsätzen verfahren.

Die Frage nach Behandlungsbegren- zung kann sich auch schon vor der End- phase menschlichen Lebens stellen.

Hierzu enthält der Abschnitt II. (Ver- zicht auf lebensverlängernde Maßnah- men bei unheilbar Kranken) Empfeh- lungen, die der Arzt beachten soll.

Zum Recht auf Selbstbestimmung in der Phase zwischen Leben und Tod ent- hält der Abschnitt III. Hinweise, die sich sowohl auf einwilligungsfähige als auch nicht einwilligungsfähige Patienten be- ziehen.

Der Abschnitt IV. bezieht sich auf die im Vorfeld des Todes verfaßten Me- inungsäußerungen der Patienten.

I. Ärztliche Pflichten bei Sterbenden

Ärzte sind verpflichtet, Sterbenden bis zu ihrem Tode zu helfen. Die Hilfe besteht in Behandlung, Beistand und Pflege. In der Sterbephase treten pflege- rische und schmerzlindernde Maßnah- men an die Stelle von Lebensverlänge- rung und Lebenserhaltung. Das Ziel hierbei ist, dem Sterbenden so zu helfen, daß er bis zu seinem Tode in Würde zu leben vermag. Er hat Anspruch auf menschenwürdige Unterbringung, best- mögliche Pflege und intensive menschli- che Zuwendung.

Die Unterrichtung des Sterbenden über seinen Zustand und die vorgesehe- nen Maßnahmen muß wahrheitsgemäß sein, sie soll sich aber an der Situation des Sterbenden orientieren und Ängste vermeiden. Der Arzt kann dem Patien- ten nahestehende Personen unterrich- ten, wenn der erklärte oder mutmaßliche Wille des Patienten dem nicht entgegen- steht.

Maßnahmen zur Verlängerung des Lebens dürfen unter Beachtung des er- klärten oder mutmaßlichen Willens des

A-1342 (38) Deutsches Ärzteblatt 94,Heft 20, 16. Mai 1997

T H E M E N D E R Z E I T DOKUMENTATION

Entwurf der Richtlinie der

Bundesärztekammer zur ärztlichen Sterbebegleitung und den Grenzen

zumutbarer Behandlung

(Stand: 25. 4. 1997)

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Patienten unterlassen oder abgebrochen werden, wenn diese nur den Todesein- tritt verzögern und das Grundleiden mit seinem irreversiblen Verlauf nicht mehr beeinflußt werden kann.

Bei Sterbenden kann die Linderung des Leidens so im Vordergrund stehen, daß eine unbeabsichtigte, aber mögli- cherweise unvermeidbare Lebensver- kürzung hingenommen werden darf. Ei- ne gezielte Lebensverkürzung durch Eingriffe, die den Tod herbeiführen oder beschleunigen sollen, ist unzulässig und mit Strafe bedroht. Auch die Mitwir- kung des Arztes bei der Selbsttötung wi- derspricht dem ärztlichen Berufsethos und kann strafbar sein.

II. Verzicht auf

unzumutbare Behandlung 1. Verhalten bei Patienten mit infau- ster Prognose und raschem Fort- schreiten des Krankheitsprozesses

Auch bei Patienten mit infauster Prognose und raschem Fortschreiten des Krankheitsprozesses, die sich noch nicht im Sterbeprozeß befinden, kann sich die Frage nach einem Verzicht auf Maßnahmen zur Lebensverlängerung stellen.

Eine solche Änderung des Behand- lungszieles wird unter Beachtung des Selbstbestimmungsrechtes des Patienten (vgl. III.) nur in Betracht kommen, wenn die Aufnahme einer lebensverlängern- den Maßnahme oder die Fortführung der Behandlung keine Hilfe für den Pati- enten darstellt, sondern ihn unvertret- bar belastet. Dies darf niemals eine Fra- ge wirtschaftlicher Überlegungen sein.

Auch in diesen Situationen gehört es un- verzichtbar zu den ärztlichen Aufgaben, für eine Basishilfe zu sorgen. Zur Basis- hilfe sind zu rechnen:

Zuwendung, Körperpflege, Schmerz- linderung, Freihalten der Atemwege, Flüssigkeitszufuhr und natürliche Er- nährung.

2. Verhalten bei sogenannten chro- nisch-vegetativen Zuständen (apalli- sches Syndrom, Wachkoma), schwersten kongenitalen Fehlbildungen oder peri- natalen Läsionen

Patienten mit chronisch-vegetativen Zuständen (apallisches Syndrom – sog.

Wachkoma) sind Lebende. Ein Behand- lungsabbruch lebenserhaltender Maß- nahmen ist deshalb nur dann zulässig, wenn dies dem erklärten oder mutmaßli- chen Willen des Patienten entspricht.

Bei Neugeborenen mit schwersten kongenitalen Fehlbildungen, die nur dank des fortdauernden Einsatzes au- ßergewöhnlicher technischer Hilfsmittel am Leben gehalten werden können, darf nach Rücksprache mit den Eltern von der erstmaligen oder anhaltenden An- wendung solcher Hilfsmittel abgesehen werden.

III. Das Recht des Patienten auf Selbstbestimmung

1. Bei einwilligungsfähigen Patien- ten hat der Arzt den Willen des ange- messen aufgeklärten Patienten zu re- spektieren, selbst wenn sich dieser Wille nicht mit den aus ärztlicher Sicht für geboten angesehenen Diagnose- und Therapiemaßnahmen deckt. Das gilt auch für die Beendigung schon eingelei- teter lebenserhaltender technischer Maßnahmen. Der Arzt soll Kranken, die eine notwendige Behandlung ablehnen, helfen, die Entscheidung zu überdenken.

2. Bei bewußtlosen oder sonst ein- willigungsunfähigen Patienten sind die Behandlungsmaßnahmen durchzufüh- ren, die dem mutmaßlichen Willen des Patienten in der konkreten Situation entsprechen. Der mutmaßliche Wille des Patienten ist aus den Gesamtumständen zu ermitteln. Eine besondere Bedeutung kommt hierbei einer früheren Erklärung des Patienten zu. Sie ist zu berücksichti- gen, sofern ihre Aktualität für die kon- krete Situation anzunehmen ist.

Bei der Ermittlung des mutmaßli- chen Willens sind sowohl religiöse Über- zeugungen und allgemeine Lebensein-

stellungen als auch die Gründe, die die Lebenserwartung und die Risiken blei- bender Behinderungen sowie Schmer- zen betreffen, zu berücksichtigen. Hat der Patient eine Person seines Vertrau- ens speziell benannt, ist diese zur Ermitt- lung des mutmaßlichen Patientenwillens heranzuziehen. Ist der mutmaßliche Wil- le nicht erkennbar, so sollte der Arzt die Bestellung eines Betreuers beim Vor- mundschaftsgericht anregen.

Der Arzt sollte wissen, daß die Ein- willigung des Betreuers in eine das Le- ben gefährdende Behandlung der Zu- stimmung durch das Vormundschaftsge- richt bedarf (§ 1904 BGB) und daß nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts- hofes davon auszugehen ist, daß dieses auch für die Fälle der Behandlungsbe- grenzung gilt.

IV. Patientenverfügungen mit Selbstbestimmung im Vorfeld des Todes

Es ist zu begrüßen, daß mit zuneh- mender Autonomie der Patienten immer öfter im Vorfeld verfaßte Betreuungsver- fügungen, Patiententestamente, (Alters-) Vorsorge-Vollmachten o. ä. vorgelegt werden. Sie sind als eine wesentliche Hilfe für das Handeln des Arztes und als wichtiges Element des Selbstbe- stimmungsrechtes verantwortungsvoll bei der Ermittlung des mutmaßlichen Willens zu beachten. Allerdings sollte der Arzt daran denken, daß solche Willensäuße- rungen in der Regel in gesunden Tagen auf Grund anderer Einsicht verfaßt wur- den und daß Hoffnung oftmals in ausweg- los erscheinenden Lagen wächst. N

A-1344 (40) Deutsches Ärzteblatt 94,Heft 20, 16. Mai 1997

T H E M E N D E R Z E I T DOKUMENTATION

Gesundheitsförderung (Kursfortbildung)

Freitag, 12. September, bis Sonntag, 14. September 1997 im Rahmen des

4. Fortbildungsseminars der Bundesärztekammer in Würzburg

– Fachhochschule Würzburg-Schweinfurt-Aschaffenburg –

Praxis der Herzschrittmachertherapie

Samstag, 13. September, bis Sonntag, 14. September 1997 im Rahmen des

4. Fortbildungsseminars der Bundesärztekammer in Würzburg

– Fachhochschule Würzburg-Schweinfurt-Aschaffenburg – Auskunft:

Bundesärztekammer, Dezernat Fortbildung Postfach 41 02 20, 50862 Köln Tel 02 21/40 04-4 15, -416, -4 17

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