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Archiv "Universitätskliniken/Fallpauschalen: Die Hochleistungsmedizin bleibt auf der Strecke" (24.09.2004)

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A2584 Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 3924. September 2004

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ie Ablösung des ausschließlich am Tagesaufenthalt des Kranken- haus-Patienten geknüpften Pfle- gesatzsystems war überfällig. Zu lange Verweildauern wurden dadurch begün- stigt. Entsprechend weist Deutschland zu viele Krankenhäuser und Pflegetage im internationalen Vergleich auf. Hinzu kommen Fehlbelegungen in der Kon- sequenz unerledigter Systemprobleme des deutschen Gesundheitswesens, weil hoch spezialisierte ambulante Behand- lungen nicht ohne stationäre Aufnah- men im Krankenhaus behandelt wer- den konnten und in der Grund- und Re- gelversorgung der Akutkrankenhäuser Pflegefälle versorgt wurden.

Fallpauschalen sind inzwischen inter- national verbreitete Preis- und Finan- zierungsformen für stationäre Kran- kenhausleistungen. So handelte die Bundesregierung 1999 folgerichtig. Mit dem Gesundheitsstrukturgesetz 2000 wurde die richtige Umstellung ver- ordnet. Politik und Selbstverwaltung (Krankenkassen und Deutsche Kran- kenhausgesellschaft e.V.) haben dann das Gesetz mit gravierenden Fehlern auf den Weg gebracht: Die Selbstver- waltung hat den weltweit einmaligen Ansatz präferiert, alle Krankenhaus- leistungen ausschließlich über Fallpau- schalen abzubilden und zu finanzieren.

Dies hat bis dato kein Land versucht.

Während andere Länder zehn Jahre für die Einführung veranschlagten und brauchten, wollte dies Deutschland in einem Drittel der Zeit schaffen. Alle Krankenhäuser sollten mit Basisfall- werten einheitlich behandelt werden;

Preisdifferenzierungen nach Kranken- hausstufen wurden ausgeschlossen. Für teilstationäre Leistungen, Ausbildungs- stätten und medizinische Zentren (On- kologie, Geriatrie und anderes) wurde

der Versuch unternommen, diese nach vierzigjähriger heterogener Entwick- lung über einheitliche Zu- und Ab- schläge in das Fallpauschalensystem zu pressen. Schließlich erwies sich die Selbstverwaltung als Auftragnehmer der Politik für die Einführung des neu- en Systems nahezu komplett überfor- dert: Sie hatte bis zur Arbeitsfähigkeit des mittlerweile gut akzeptierten DRG- Instituts (InEK, Siegburg) keinen quali- fizierten Apparat, war sich uneinig und hat das Tempo der Einführung ent- scheidend verlangsamt. Die Politik hat mit Ersatzvornahmen reagiert und muss inzwischen erkennen, dass dies nur in Hektik ausartet, Fehler provo- ziert und ab einem Übermaß an Kom- plexität der Probleme nicht mehr funk- tionieren kann.

Wegen dieser Organisationsmängel hat die Hochleistungsmedizin nur ge- ringe Chancen, die Berücksichtigung ihrer Besonderheiten durchzusetzen.

Wo liegen die Hauptschwierigkeiten der Universitätsmedizin mit diesem neuen Vergütungssystem?

Einheitliche Basisfallwerte:

Fehlkonstruktion

Das deutsche DRG-System basiert auf (bundes-)landeinheitlichen Basisfall- werten. Derzeit existiert keine bundes- weite Übersicht, zumal methodische Fragen noch nicht abschließend geklärt sind. Experten schätzen die Höhe des einheitlichen Basisfallwerts auf 2 500 Euro bis 2 800 Euro. Tatsächlich vari- ieren die krankenhausindividuellen Werte zwischen 1 300 und 4 350 Euro um einen Mittelwert von 2 850 Euro.

Die deutschen Universitätskliniken va- riieren um einen eigenen Mittelwert

von circa 3 400 Euro. Ziel der Konver- genzphase ab 2005 ist es, alle Kranken- häuser auf diese landeseinheitlichen Basisfallwerte anzupassen.

Eine Sonderauswertung in Baden- Württemberg hat ergeben, dass bis zu einer Größenordnung von 30 000 Fäl- len/Jahr oder rund 800 Betten je Kran- kenhaus die Verteilung auf Gewinner und Verlierer ungefähr gleich ist, die Großkrankenhäuser ab 800 Betten mit höheren Fallzahlen aber ausnahmslos zu den Verlierern gehören (Mannheim 2004). Mit dieser Konstruktion gehen enorme finanzielle Umverteilungen in der Konvergenzphase einher. Eine Hochrechnung für Baden-Württem- berg zeigt, dass das Umverteilungsvolu- men mehr als 300 Millionen Euro be- trägt, zwei Drittel der Krankenhäuser gewinnen, ein Drittel verliert. Allein 200 Millionen Euro müssen von nur sie- ben Krankenhäusern abgegeben wer- den. Die deutschen Universitätsklini- ken müssten nach dieser Mechanik von derzeit 6,5 Milliarden Euro Erlösen un- gefähr eine Milliarde Euro an andere Krankenhäuser abgeben.

Diese Daten begründen erhebliche Zweifel an der Konstruktion der ein- heitlichen Basisfallwerte. Günter Neu- bauer et al. (2004) sehen fünf Schwach- punkte dieser Vorgehensweise: Eine Festlegung der Konvergenz nach 16 Bundesländern ist nicht begründbar.

Das DRG-System erklärt allenfalls 70 Prozent der Kostenunterschiede. Die Schwankungsbreite der Kosten inner- halb einzelner diagnosebezogener Fall- pauschalen beträgt ebenfalls bis zu 50 Prozent. Die Schwachpunkte provozie- ren ein unübersichtliches Zu- und Ab- schlagssystem. Inhaltlich insuffiziente Basisfallraten verzerren den erwünsch-

ten Wettbewerb.

Universitätskliniken/Fallpauschalen

Die Hochleistungsmedizin bleibt auf der Strecke

Das diagnosebasierte Fallpauschalensystem benachteiligt die Maximalversorger und Universitätskliniken.

Rüdiger Strehl

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Der Blick nach Australien zeigt, dass erstens nur 60 bis 70 Prozent der Kran- kenhausleistungen überhaupt nach DRG erfasst werden und innerhalb des DRG-Bereichs nach Krankenversor- gungsstufen differenzierte Basisfall- werte eingesetzt werden. Auch Öster- reich geht ähnlich vor.

Diese Basisfalldifferenzen sind insbe- sondere auf sechs bedeutsame Abbil- dungsmängel und -lücken des gegenwär- tigen G-DRG-Systems zurückzuführen.

Intensivtherapie: Die vorhandenen Fallpauschalen stellen vorrangig auf die Beatmungszeit ab. Dieses Vorgehen ist medizinisch fragwürdig, weil es falsche Anreize setzt und Alternativmethoden benachteiligt. Dann verkennt das Kon- zept, dass die Leistungsfähigkeit und der Aufwand in der Intensivtherapie vorrangig von strukturqualitativen Aus- stattungsmerkmalen (Facharztstandard rund um die Uhr an allen Wochenta- gen) und den Komplikationen der Fälle abhängen. Begründete Darlegungen der Intensivmediziner werden von den Krankenkassen als „Türschildmedizin“

abqualifiziert.

Langlieger: Fallpauschalen setzen Fälle mit einem Anfang und einem En- de voraus. Treten medizinische Kompli- kationen auf, müssen Patienten auch nach Überschreiten der oberen Grenz- verweildauer weiterbehandelt werden.

Rechtlich ist hierfür ein aus der DRG hergeleiteter Tagessatz mit einem Ab- schlag vorgesehen. Tatsächlich ist es aber ein großer Unterschied, ob es sich bei Langliegern um Pflegefälle handelt, für die dieses Preismodell plausibel er- scheint, oder um komplizierte Schwerst- erkrankungen, bei denen der Auf- wand exponentiell wächst. Verschiede- ne Studien haben für Großkrankenhäu- ser einheitlich ergeben, dass fünf Pro- zent der Patienten als Langlieger-Fälle 25 Prozent der Gesamtkosten des Kran- kenhauses beanspruchen. Die derzei- tige Gesetzesregelung verfehlt diese Konstellation völlig.

Kurzlieger: Häufig erhalten Maxi- malkrankenhäuser Patienten, die ohne zufrieden stellendes Ergebnis nach Vordiagnostik und Therapieversuchen von Vertragsärzten oder anderen Krankenhäusern zugewiesen werden.

Mit hochrangigen Spezialisten, auf- wendiger Technik und Analytik wer-

den diese Fälle oftmals in kürzester Zeit geklärt und die Patienten wieder entlassen mit dem Ergebnis, dass wegen Nichterreichen der unteren Grenzverweildauer Abschläge in Kauf genommen werden müssen. Besonders verfehlt ist der Anreiz, den Patienten länger stationär zu versorgen, um die Pauschale abrechnen zu können. Für die untere Grenzverweildauer gibt es weder medizinisch noch ökonomisch eine einleuchtende Begründung. Sie sollte ersatzlos entfallen.

Transplantationen:Das G-DRG-Sy- stem operiert mit einer neuen Falldefi- nition. Transplantationspauschalen be- ginnen erst mit dem Tag der Transplan- tation. Damit werden nicht die Kompli- kationen vor oder nach der Transplan- tation erfasst. Sie werden zumeist nicht durch spezifische, aufwandsentspre- chende andere DRGs abgebildet. Dies gilt insbesondere für schwerste Infek- tionen oder Abstoßungsreaktionen.

Zudem sind spezielle Verfahren wie Splittlebertransplantationen mit einem besonders hohen Aufwand oder Trans- plantationen von halbidentischen Spen- dern (Eltern) mit aufwendiger In-vitro- Aufbereitung nicht berücksichtigt.

Außerdem sind die erforderlichen me- dizinischen Prozeduren oftmals sehr heterogen und streuen um das 10- bis 50fache.

Teure Alternativen: Die Medizin kennt bei gleichen Diagnosen oftmals verschiedene diagnostische und thera- peutische Verfahren, die sich deutlich bei den Kosten unterscheiden. Damit hat ein an Diagnosen orientiertes Fall- pauschalensystem seine Probleme. Die- se Unterschiede treten insbesondere in der Hochleistungsmedizin auf und hier vor allem in der modernen Onkologie.

Am Beispiel Brustkrebs kann dies ver- deutlicht werden. Bildgebung im Spek- trum von Ultraschall bis Magnetreso- nanz-Tomographie variiert mit dem Kostenfaktor 20, Biopsien je nach Ver- fahren mit dem Faktor 60, Chemothera- pien mit dem Faktor 150, Antimykotika mit dem Faktor 12 und Antiemetika mit dem Faktor 70. Österreich hat deshalb die diagnoseorientierten um leistungs- orientierte Fallpauschalen ergänzt. Im deutschen Einheitspreissystem ist die Folge absehbar: Sämtliche teureren Diagnose- und Therapieverfahren wer-

den aus dem Leistungsangebot mittel- fristig verschwinden. Systemimmanent könnten Zusatzentgelte additiv zu den DRGs diese Probleme lösen, jedoch wollen die Krankenkassen solche In- strumente nur als extreme Ausnahme.

Auch sind solche Sonderpreise nicht ohne Tücken, wenn nicht über strikte Indikationsvorschriften und Budgetie- rungsregelungen verhindert wird, dass hier die Ausgaben mit jeder Innovation und den für diese kennzeichnenden Höchstpreisen ins Schrankenlose an- steigen.

Spezialfächer, seltene Erkrankungen:

Gerade Universitätskliniken halten vie- le Spezialfächer vor, die sich mit überre- gionalem und oftmals internationalem Einzugsgebiet auf die Behandlung be- sonders komplexer und aufwendiger Fälle konzentrieren. Hier werden mei- stens multidisziplinäre Anstrengungen in Diagnostik und Therapie unternom- men. In der Regel werden die für DRG- Definitionen und Kalkulationen erfor- derlichen Mindestzahlen nicht erreicht, und so tauchen diese Disziplinen in DRG-Zusammenhängen auf, die ihre Leistungs- und Kostenbesonderheiten nicht annähernd abbilden. Insbesonde- re die Pädiatrie ist von diesen Abbil- dungsproblemen betroffen. Da die Selbstverwaltung den unrealistischen 100-Prozent-Erfassungsansatz verfolgt, verstellt sie sich die im Ausland prak- tizierte einfache Vorgehensweise, bei der diese Spezialleistungen über Extra- fonds finanziert werden. Dies würde das DRG-System vereinfachen und kaum finanzielle Risiken mit sich brin- gen, weil diese Spezialfächer zumeist endliche Zahlen von Patientenkollek- tiven versorgen.

Datenprobleme

Ein DRG-System benötigt erstklassige Daten. Das beginnt mit einer Klassifi- kation, in der die Ärzte ihr Leistungs- spektrum wieder finden. Nur dann wer- den sie es akzeptieren und vernünftig anwenden. Hier wirken sich die für die Hochleistungsmedizin aufgezeigten Abbildungslücken negativ aus.

Außerdem müssen die Kostenermitt- lungen stimmen. Hierfür fehlen derzeit noch die wichtigsten Voraussetzungen.

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Kostenzurechnungen auf Fälle waren in der Vergangenheit nicht erforderlich, also gab es in deutschen Krankenhäu- sern keine Vorkehrungen. Nur wenige gut geführte Krankenhäuser hatten funktionierende Kostenstellenrechnun- gen mit Zurechnungen der angeforder- ten medizinischen Leistungen auf die Betten führenden Abteilungen. Kalku- lationen je Patient waren unüblich, sind methodisch für 800 Fallpauschalen kompliziert und dürften über Kosten- trägerrechnungen erst in mehreren Jah- ren mit erheblichen Anstrengungen und Kosten möglich werden. Zurzeit liegen den deutschen Fallpauschalen Kalkulationen zugrunde, die noch nicht einmal zehn Prozent der Kosten direkt den Fallpauschalen zuordnen. Der Rest läuft über grobe bis brachiale Verrech- nungsschlüssel. Hieraus resultiert ein

„Kompressionseffekt“, das heißt, kom- plizierte Leistungen werden unterbe- wertet, und einfachere Leistungen wer- den tendenziell überbewertet, weil die Umlageschlüssel nicht an den tatsächli- chen Kosten, vielmehr an Hilfsparame- tern ansetzen und so oftmals alte „Pfle- gesatzstrukturen“ indirekt in das neue System zurückgeführt werden.

Schließlich erfordern diese Daten ei- ne seriöse und sensible Statistik. Das dritte Element einer Datenkonzeption für das DRG-System ist in Deutschland unterentwickelt. Bisher war man zufrie- den, überhaupt Kalkulationsdaten zu erhalten, gleich viel woher und mit wel- cher Qualität. Die Selbstverwaltung hat zwar die extrem fehlerhaften Daten eli- miniert, statistische Anforderungen an

die Auswahl der Kostendaten wurden aber nicht gestellt. Dies hat auch der Gesetzgeber in seinem neuesten „Re- paraturgesetz“ („2. Fallpauschalenän- derungsgesetz“) erkannt: Die Kalkula- tion soll nunmehr nicht nur auf Basis einer „Stichprobe“, sondern auf der Grundlage „einer sachgerechten Aus- wahl“ vorgenommen werden. Ein tref- fenderes Eingeständnis der statisch me- thodischen Schwäche der derzeitigen Datenerhebung kann man kaum erwar- ten. Es ist für ein sachgerechtes Fallpau- schalensystem unverzichtbar, dass die kalkulierenden Krankenhäuser nach statistisch relevanten Gesichtspunkten ausgewählt und die Verteilung der Ko- sten innerhalb der DRGs nach allen sta- tistischen Möglichkeiten ausgeleuchtet werden.

Ungelöste Systemfragen

Das Problem teilstationärer Leistungen steht seit 2000 auf der Agenda der Poli- tik und Selbstverwaltung. Inzwischen herrscht an dieser Schnittstelle zwi- schen stationärem und ambulantem Sektor Anarchie. Das GKV-Moderni- sierungsgesetz (GMG) hat mit den teil- stationären Leistungen nach § 39 SGB V, dem ambulanten Operieren, der In- tegrierten Versorgung und der ambu- lanten Öffnung des Krankenhauses für hoch spezialisierte und seltene Leistun- gen nach § 116 b SGB V einen Katalog forciert, der im Hinblick auf Zulässig- keit, Preisform, Budgetierung und Qua- litätsanforderungen weitgehend inho-

mogen ist. Hinzu kommt die hiermit zu- sammenhängende Kurzliegerproble- matik innerhalb des DRG-Systems. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft e.V.

hätte am liebsten für jede DRG eine ei- gene teilstationäre Lösung („Spalten- modell“). Die Krankenkassen wollten allenfalls ausnahmsweise teilstationär zulässige Leistungen („Zeilenmodell“).

Hier stößt das DRG-System mit der er- forderlichen Grenzdefinition gegen- über dem vertragsärztlichen Bereich an ein gravierendes ungelöstes Problem.

Es ist zu befürchten, dass die Fehlbele- gungsprüfungen eine Quelle von Strei- tereien heraufbeschwören, weil Politik und Selbstverwaltung ihrer Aufgabe einer ordnungspolitischen Sortierung nicht nachkommen.

Gerade Hochleistungskrankenhäu- ser der Maximalversorgung umfassen neben den originären stationären Lei- stungen vielfältige Kompetenzzentren (Onkologie, Geriatrie, Schlaganfall und anderes), die bisher über die Kranken- hausbudgets finanziert wurden. Hierfür sollten Zu- beziehungsweise Abschläge kalkuliert werden. Inzwischen hat die Selbstverwaltung zur Kenntnis nehmen müssen, dass in den Bundesländern ex- trem voneinander abweichende Struk- turen in den letzten Jahren entwickelt und aufgebaut wurden. Diese haben vor allem deutlich verschiedene Kosten- strukturen zur Folge. Der Einheitsan- spruch der Krankenkassen scheitert an dieser Aufgabe. Andererseits: Warum sollen Länder mit erfolgreichen Investi- tionen von ihren leistungsfähigen Zen- tren Abstriche machen? Statt hier den Weg über Sonderfonds außerhalb des Systems zu beschreiten, streiten sich Po- litik und Selbstverwaltung über die un- lösbare Aufgabe, diese Heterogenitäten in homogene Zu- und Abschläge zu in- tegrieren. Leistungsfähigkeit und Qua- lität spielen dabei keine dominierende Rolle.

Auch haben DRG-Systeme ihre ei- genen Schwierigkeiten mit Innovatio- nen. Sind diese einmal erkannt und identifiziert, müssen zunächst Defini- tionen in die Klassifikation eingeordnet und dann Daten erhoben werden. Drei- bis fünfjährige Innovationszeiträume werden aus dem Ausland vermittelt. Zu viel Zeit für Universitätskliniken, um zwischenzeitlich finanziell bestehen zu P O L I T I K

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Grafik

Die Konvergenzphase

Gesetzentwurf 2. Fallpauschalenänderungsgesetz

2005 2006 2007 2008

Landeseinheitlicher BFW

*Basis der Erhöhung/Absenkung sind die Budget-Parameter des Vorjahres.

Konvergenzphase nach FPG:

2005: 33,3%*

2006: 50,0%*

2007: 100,0%*

Ab 1. 1. 2008 landeseinheitliche DRG-Preise

Quelle:Ro/Ro Juli 2004

+15%*

–30%*

+30%*

–50%*

+50%*

–100%*

+100%*

–15%*

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können. Das DRG-System kennt fünf Lösungswege, deren praktische Rele- vanz erst noch ausprobiert werden muss. Eine eigene neue DRG, ein neues Zusatzentgelt, ein Innovationsentgelt gemäß § 6 Absatz 2 Krankenhaus- entgeltgesetz, medizinische Wahllei- stungsvergütungen, systemergänzende Lösungen. Für keine dieser Alternati- ven gibt es Erfahrung. Ab 2005 drohen ungeklärte Verhandlungskonstellatio- nen, die die Gefahr heraufbeschwören, dass teure Innovationen schlagartig aus dem Angebot verschwinden und so die stationäre Medizin in Deutschland auf ein Standardmaß reduzieren.

Hinzu kommen weitere ungelöste Systemfragen für die Hochleistungsme- dizin. 30 Prozent der Krankenhäuser haben tarifliche Zusatzkosten durch die Zugehörigkeit zum öffentlichen Dienst. Nur die Universitätskliniken weisen Extrabelastungen durch die Zu- satzversorgung von Bund und Ländern auf. Dies macht zusammen allein 200 Euro der Basisfalldifferenz zum Durch- schnitt aller Krankenhäuser aus. In den USA wird dies ebenso als Zuschlag zu den DRGs anerkannt wie erhöhte Ko- sten für die ärztliche Weiterbildung, durch die die Universitätskliniken in besonderem Maß belastet werden.

Überforderte Selbstverwaltung

Warum hat die Selbstverwaltung von Krankenkassen und Deutscher Kran- kenhausgesellschaft als Auftragnehmer der Politik bei der DRG-Einführung bis heute nicht derartige Konstruktionsfeh- ler korrigiert, Abbildungsmängel und -lücken behoben sowie ungeklärte Sy- stemschnittstellen einer Lösung zuge- führt? Im Gegenteil muss realistisch bi- lanziert werden, dass die Selbstverwal- tung enorme Zeit verbraucht für Nicht- einigungen und die Politik dann unter Zeitdruck Ersatzvornahmen durch- zieht, die zu wenig durchdacht werden können, weil hierfür die Zeit fehlt. Da- mit verkommt die Hilfsidee des „ler- nenden Systems“ zur weitgehend er- gebnislosen Floskel. Es lernen nur das DRG-Institut der Selbstverwaltung und die Krankenhäuser, aber nicht die Steuermänner der Selbstverwaltung.

Letztere haben niemals seit 2000 die konzeptionelle Managementfunktion bei der DRG-Einführung in dem gebo- tenen Ausmaß ausfüllen können. Sie reagieren nur teils bemüht, teils hilflos, meistens uneinig auf Probleme, die ihr die Praktiker nach und nach auftischen.

Weil eine systematische Steuerung der DRG-Einführung durch die Selbst- verwaltung fehlt, kommt dieser kom- plexe Prozess nur schleppend voran.Al- le Start- und Konvergenzzeitpläne aus der Vergangenheit sind inzwischen Ma- kulatur. Schon vor In-Kraft-Treten des Systems löst ein „Reparaturgesetz“ das nächste ab. Derzeit ist ein 2. Fallpau- schalenänderungsgesetz im Verfahren, das die Konvergenzphase bis zur end- gültigen Umstellung ab 2005 von drei auf vier Jahre verlängern soll und die Anpassungsschritte am Beginn ab- schwächt.

Um die geschilderten Probleme kümmert sich die Selbstverwaltung nachhaltig nicht, und sie unterschätzt mit der Politik den Zeitbedarf:Wenn im Herbst 2004 die unstimmige DRG- Konzeption für die Intensivmedizin korrigiert würde, müssten 2005 hierfür neue Daten erhoben werden, die in 2006 ausgewertet werden könnten. Vor 2007 kämen diese überfälligen Korrek- turen gar nicht zum Tragen. Wer von diesen Zeitachsen kein Bewusstsein hat und die Anpassungen ohne Rücksicht hierauf ausgestaltet, riskiert nur eins:

Ab 2005 werden über Leistungsvermei- dungen und -einschränkungen gerade in der Hochleistungsmedizin flexible Anpassungen an ein falsch eingeführ- tes DRG-System vorgenommen. Die dann folgende politische Aufarbeitung wird möglicherweise das DRG-System selbst infrage stellen. Wenn die Selbst- verwaltung derart scheitert und fehl- steuert, ist eigentlich nur eine Schluss- folgerung angezeigt: Die Politik muss das System mit Entscheidungskraft, Kompetenz und einem anderen Lern- tempo selbst in die Hand nehmen.

Zitierweise dieses Beitrags:

Dtsch Arztebl 2004; 101: A 2584–2590 [Heft 39]

Anschrift des Verfassers:

Dipl.-Kfm. Dipl.-Pol. Rüdiger Strehl Kaufmännischer Vorstand

Universitätsklinikum Tübingen Geissweg 3

72076 Tübingen

AiP-Umwandlung

Der Appell hat gefruchtet

Die meisten Krankenhäuser haben ihren Ärzten im Praktikum inzwischen Anschlussverträge als Assistenzärzte angeboten.

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ass der Gesetzgeber die Finanzie- rung der Mehrkosten im Zusam- menhang mit der Umwandlung vorhandener Arzt-im-Praktikum(AiP)- Stellen in eine gleich große Anzahl Assi- stenzarzt-Stellen bereits im zum 1. Januar 2004 in Kraft getretenen GKV-Moderni- sierungsgesetz geregelt hatte, wussten bis Mitte des Jahres nur wenige Klinikarbeit- geber. Am 19. Juli gingen dann jedoch die Klinikärztegewerkschaft Marburger Bund (MB), die Spitzenverbände der Krankenkassen und die Deutsche Kran- kenhausgesellschaft mit ihrer Gemeinsa- men Erklärung für eine „konfliktfreie“

Umwandlung von AiP- in Assistenzarzt- stellen an die Öffentlichkeit. Die Partner stellten klar, dass sich die Krankenhäuser die Mehrkosten von den Krankenkassen erstatten lassen können. Bis zu 300 Mil- lionen Euro jährlich stelle die Bundesre- gierung für diesen Zweck bereit. Diese Summe reiche aus, war man sich einig.

Denn die Vergütungsdifferenz zwischen AiP und Assistenzarzt betrage etwa 29 000 Euro pro Jahr, und jährlich seien etwa 10 000 AiP-Ausbildungsverhältnis- se registriert worden.

Inzwischen ist absehbar, dass bundes- weit bis zu 90 Prozent der AiPler in den Krankenhäusern zum 1. Oktober als voll approbierte Ärzte weiterbeschäftigt wer- den. Diese Zahl nannte Rudolf Henke, 2. Vorsitzender des MB-Bundesverban- des, im Gespräch mit dem Deutschen Ärzteblatt. In 70 bis 80 Prozent der Kran- kenhäuser seien die Verhältnisse bereits geklärt – das heißt, die Mehrkosten für die AiP-Umwandlung sind ins Jahresbud- get 2004 eingeflossen.Vielerorts seien die Verhandlungen auf einem guten Weg.

Unsicherheit herrsche aber vor allem noch in jenen Krankenhäusern, die noch über kein vereinbartes Budget für das

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