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Archiv "Tierexperimente im Rahmen der medizinischen Forschung: 3 Was ist zu tun?" (20.03.1992)

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als auch die Mitglieder der für die Genehmigung zuständigen örtlichen Kommissionen oft mit der Bewer- tung der genannten Fragestellungen überfordert sind, da sie entweder nicht über ausreichende Informatio- nen verfügen oder im Abfragen von internationalen Datenbanken, die in englischer Sprache arbeiten, nicht hinreichend geschult sind. Falls die Kommission bezüglich der genann- ten Fragen Zweifel an einem Antrag hat, kann sie sich an die Zentralstelle ZEBET im Bundesgesundheitsamt wenden, in der erfahrene Wissen- schaftler aus verschiedenen Berei- chen der Biomedizin und speziell ge- schulte Dokumentationsassistentin- nen arbeiten. ZEBET ist über eine direkte Leitung mit dem Deutschen Institut für Medizinische Dokumen- tation und Information (DIMDI) verbunden und hat auf diese Weise direkten Zugang zu den wichtigsten biomedizinischen Datenbanken.

Die Praxis hat in den beiden ver- gangenen Jahren gezeigt, daß ZE- BET kurzfristig in der Lage ist, der- artige Anfragen der lokalen Geneh- migungsbehörden so zu beantwor- ten, daß die Kommissionen eindeuti- ge Entscheidungen fällen können. Es mag dabei überraschen, daß bei den Recherchen von ZEBET häufig Li- teraturhinweise aufgespürt wurden, die zeigten, daß bereits sehr ähnliche oder mit den geplanten identische Forschungsvorhaben durchgeführt worden waren. Da zur Begründung vieler Anträge auf Genehmigung von Tierexperimenten Ausdrucke von Literaturrecherchen aus den übli- chen Datenbanken beigefügt wer- den, ist das Auffinden zusätzlicher Literaturhinweise nur dadurch zu er- klären, daß die Mitarbeiter von ZEBET aufgrund der engen Koope- ration mit DIMDI besser im Abfra- gen von Datenbanken geschult sind, als „normale" Wissenschaftler.

Leider ist die personelle und fi- nanzielle Ausstattung von ZEBET so ausgelegt, daß ZEBET als Abtei- lung einer oberen Bundesbehörde in der geschilderten Weise nur auf- grund der Anfragen lokaler Geneh- migungsbehörden gutachterlich tätig wird, denn der Bundestag ging bei der Gründung von ZEBET davon aus, daß jedes Institut, in dem Tier-

versuche durchgeführt werden, Zu- gang zu den üblichen biomedizini- schen Datenbanken hat, und daß die Kostenfrage einen geringeren Stel- lenwert besitzt als der Tierschutz.

Die Autoren Weller und Hier- holzer schlagen im Gegensatz zu der Lösung, die in Deutschland durch die Institutionalisierung von ZEBET eingeschlagen wurde, vor, eine zen- trale Registrierung aller Tierversu- che einzuführen. Auch dieser Vor- schlag ist während und nach der No- vellierung des TSchG intensiv disku- tiert worden. Jedoch wurde aus rechtlichen und wissenschaftlichen Gründen des Schutzes vertraulicher Daten die Errichtung einer zentralen Erfassungsstelle für Tierversuche in Deutschland nicht weiter verfolgt.

Dr. med. Horst Spielmann Direktor und Professor Leiter ZEBET

im Bundesgesundheitsamt Postfach 33 00 13

W-1000 Berlin 33

3 Was ist zu tun?

In der öffentlichen Diskussion um Tierversuche fehlt häufig eine sachkundige Darstellung, die die Notwendigkeit tierexperimentellen Arbeitens unterstreicht, gleichzeitig aber auch ihre Begrenzungen und die Möglichkeiten zur Einschrän- kung nennt. Die Publikation von Weller und Hierholzer ist zwar ein gutgemeinter Ansatz, jedoch sind an den tierversuchskritischen Bemer- kungen sachliche Korrekturen anzu- bringen.

Da ist zunächst die Meinung der Autoren, daß Parallel- und Wieder- holungsversuche mit verwandter oder weitgehend identischer wissen- schaftlicher Fragestellung und Me- thodik zu häufig angestellt würden.

Eigene Erfahrungen und eine neue, umfangreiche Dissertation (Bender, 1990) lassen dagegen einen solchen Verdacht als kaum begründet er- scheinen.

Fachliche Argumente sprechen ebenfalls dafür, nicht jede methodi- sche Übereinstimmung in Tierversu- chen als unberechtigt anzuprangern.

Denn nur wenn im Rahmen einer

übergeordneten tierexperimentellen Fragestellung so wichtige Merkmale wie Tierart, -rasse, -geschlecht und -alter, die Vorbehandlung und ein- zelne experimentelle Schritte syste- matisch variiert werden, lassen sich die erhaltenen Befunde verallgemei- nern. Auch die Übertragbarkeit der experimentellen Resultate auf den Menschen hängt in einem erhebli- chen Maß von der Überprüfung und damit Wiederholung an sich iden- tischer Fragestellungen ab, zum Bei- spiel vom Ergebnis der Vergleiche zwischen unterschiedlichen Tierar- ten. Da die Verbesserung der Tier- gesundheit durch Optimierung der Tierzucht und -haltung sowie die Verfeinerung der experimentellen Methodik zu eindeutigeren Befun- den führen, ist es gelegentlich auch angezeigt, ältere, nicht genügend auslegbare Experimente zu wieder- holen.

Um Unschärfen in der Diskussi- on zu vermeiden, hat der Gesetzge- ber übrigens definiert, was heute un- ter Doppel- oder Wiederholungsver- suchen zu verstehen ist (AVV 1988).

Die Bundesregierung ist der Auffas- sung, daß durch sicheren Ausschluß dieser Versuchsarten lediglich eine Reduktion der Tierversuche um we- niger als ein Prozent erreicht wer- den kann (Tierschutzbericht 1989, Drucksache 11/3846, S. 38f).

Der gewaltige wissenschaftliche Dokumentationsaufwand, der be- trieben werden müßte, um die von Weller und Hierholzer angepranger- ten Versuchswiederholungen sicher auszuschließen, läßt sich am Beispiel von ZEBET, der Zentralstelle zur Erfassung und Bewertung von Er- satz- und Ergänzungsmethoden zum Tierversuch, darstellen. Diese 1989 am Bundesgesundheitsamt gegrün- dete Einrichtung hat sich zwar nur mit einem speziellen Sektor im Be- reich des Tierexperiments zu befas- sen, besteht aber bereits jetzt aus 16 bis 20 Spezialisten und muß weiter ausgebaut werden (Tierschutzbe- richt 1991, Drucksache 12/224, S.

640.

So ergibt sich zwingend, daß die weitere Vermehrung administrativer Maßnahmen schwerlich zu mehr Tierschutz in der Forschung und zu größerer Akzeptanz des Tierversu- A1-1030 (72) Dt. Ärztebl. 89, Heft 12, 20. März 1992

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ches in der Öffentlichkeit führen wird. Was ist also zu tun?

Die sachkundige Ausführung von Tierversuchen ist von der Erfah- rung, den Kenntnissen, dem Ge- schick wie dem Einfühlungsvermö- gen der Experimentatoren abhängig.

In der Ausbildung von Medizinern, Tierärzten und Zoologen werden solche Eigenschaften aber nicht mehr ausreichend vermittelt. Die konsequente Weiterbildung während der beruflichen Tätigkeit sollte stär- ker als bisher gefördert werden. Am Universitätsklinikum Essen werden zum Beispiel seit 1982 entsprechen- de Ausbildungsmöglichkeiten so- wohl für die technischen Mitarbeiter und Doktoranden als auch für junge Wissenschaftler, die Tierversuche durchführen werden, angeboten und erfreulich gut genutzt.

Die Durchführung von Tierver- suchen muß im Interesse der belaste- ten Versuchstiere und gleicherma- ßen der wissenschaftlichen Quali- tät der Forschungsergebnisse unter bestmöglichen Bedingungen erfol- gen. Gut ausgestattete Tierlaborato- rien mit erfahrenen Mitarbeitern in der Tierpflege, bei den Haltungsbe- dingungen, der tierärztlichen Dia- gnostik, der Narkose und Operati- onsnachsorge schaffen solche Vor- aussetzungen. Um dem Versuchstier unnötige Belastungen zu ersparen, sollten die Forscher auch sachkundi- gen Rat bei erfahrenen Kollegen, Versuchstierspezialisten und den Tierschutzbeauftragten suchen.

Das Antragsverfahren zur Ge- nehmigung eines Tierversuchs ist sorgfältig, in Form und Inhalt ange- messen, selbstkritisch und wissen- schaftlich stichhaltig durchzuführen (siehe Militzer, 1988). Den gesetz- lich vorgeschriebenen Ablauf und die daran Beteiligten lediglich als ad- ministrative Hemmnisse zu betrach- ten, kann der medizinischen For- schung langfristig nur schaden. —

Die Akzeptanz von Tierversu- chen in der Medizin durch die Öf- fentlichkeit wird davon abhängen, ob es den Forschern gelingt, ihre ethi- sche und wissenschaftliche Verant- wortung gegenüber Mensch und Tier glaubhaft zu machen. Die heute viel- fach erkennbare Zurückhaltung er- folgreicher Ärzte, nicht auf die tier-

experimentelle Basis ihrer Erfolge zu verweisen, ist der falsche Weg, Ver- ständnis für wissenschaftliche For- schung in der Medizin zu wecken.

Literatur

1. AVV: Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Durchführung des Tierschutzgesetzes vom 1.7.1988. Bundesanz. 40 (1988) 3-14 2. Bender, A. M.: Möglichkeiten und Grenzen

der Nutzung von „Datenbanken für Tierver- suche" zur Koordination der wissenschaftli- chen Forschung mit Tieren und zur Informa- tion der Genehmigungsbehörden sowie der Tierversuche durchführenden Institute (Er- füllung der Auflagen nach dem Tierschutzge- setz zur Vermeidung unnötiger Doppel- und Wiederholungsversuche). Veterinärmed.

Diss., FU Berlin (1990)

3. Militzer, K.: Die Beurteilung von Tierversu- chen beim Genehmigungsverfahren aus der Sicht des Antragstellers. Tierärztl. Umschau 43 (1988) 156-163

Priv.-Doz. Dr. med. vet.

Klaus Militzer Leiter des

Zentralen Tierlaboratoriums,

4 zentrale Erfassung hinfällig

Der Beitrag der Kollegen Weller und Hierholzer geht von der grund- sätzlichen Notwendigkeit von Tier- versuchen in der medizinischen For- schung aus. Diese Notwendigkeit muß immer wieder betont werden, und hierüber besteht unter allen wis- senschaftlich orientierten Ärzten breiter Konsens. Dies ist eine wichti- ge gemeinsame Basis.

Was die Kollegen Weller und Hierholzer zur Frage der Parallel- und Wiederholungsversuche schrei- ben, kann allerdings nicht unwider- sprochen bleiben. Daß Tierexperi- mente unter identischen Fragestel- lungen wiederholt wurden oder in gleichen Versuchsanordnungen par- allel laufen, ist eine Behauptung der Autoren, die sie mit nichts belegen können. Daß diese Behauptung ge- rade nicht stimmt, ist hingegen durch objektivierbare und nachvollziehba- re Analysen nachgewiesen worden.

Hierzu haben zahlreiche meiner Kol- legen, mich selbst eingeschlossen, in langwieriger Kleinarbeit die medizi- nischen Datenbanken herangezogen, wobei ein breites Spektrum medizi- nischer Themen aus den letzten zehn Jahren (insgesamt über 13 000 Publi-

Prof. Prof. h. c. Dr. med.

Manfred Blank Institut für Anatomie,

Prof. Dr. med. Joachim Bruch Institut für Hygiene und Arbeitsmedizin,

Prof. Dr. med. Ulrich Schaefer Direktor der Abteilung für Knochenmarkstransplantation, Prof. Dr. med.

Klaus-Peter Schmit-Neuerburg, Direktor der Abteilung

für Unfallchirurgie und protokollarischer Leiter der Experimentellen Chirurgie, Dr. med. Friedrich Steinberg, Institut für Medizinische Strahlenbiologie

Gemeinsame Anschrift:

Universitätsklinikum Essen Hufelandstraße 55,

W-4300 Essen 1

kationen) analysiert wurde. Es konn- te nachgewiesen werden, daß es so gut wie keine Wiederholungs- (0,11 Prozent) und Parallelversuche (0,05 Prozent) gibt. Publizierte Ergebnisse über zweifach zum Patent angemel- dete Substanzen (bei insgesamt über 32 000 Patentanmeldungen) kom- men sogar zu noch geringeren Zah- len (Blunck und Mitarbeiter, Natur- wissenschaften 76, 96-98, 1989).

Hiermit wird die von den Auto- ren geforderte zentrale Erfassungs- stelle hinfällig. Jeder in der biomedi- zinischen Forschung tätige Wissen- schaftler weiß, daß eine solche zen- trale Institution, welche zum auf- wendigen gegenwärtigen Genehmi- gungsverfahren noch hinzukäme, mit Sicherheit dazu führen würde, daß die biomedizinische Forschung end- gültig lahmgelegt würde, auch wenn dies sicher nicht die Intention der Autoren ist. Die biomedizinische Wissenschaft ist heute zu vielfältig und differenziert, um von einigen, auf eine Datenbank zurückgreifen- den Administratoren einer zentralen Erfassungsstelle kompetent über- blickt werden zu können. Alle in der

biomedizinischen Forschung tätigen

Wissenschaftler können nur hoffen, daß die unbelegten Behauptungen der Herren Kollegen Weller und Dt. Ärztebl. 89, Heft 12, 20. März 1992 (75) A1-1031

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