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Archiv "Tierexperimente im Rahmen der medizinischen Forschung: 1 Behauptung unrichtig" (20.03.1992)

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Tierexperimente im

Rahmen der medizinischen Forschung

Zu dem Beitrag von Prof. Dr. med. Dr. h. c.

Siegfried Weller und Prof. Dr. med. Günther Hierholzer in Heft 22/1991

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

1 Behauptung unrichtig In dem Beitrag wird von den Au- toren behauptet, daß eine nicht un- wesentliche Anzahl von Tierversu- chen lediglich Doppel- oder Wieder- holungsversuche darstellen und so- mit nicht gerechtfertigt seien. Diese Behauptung, die die Grundlage für die Forderung der Autoren nach der Einrichtung einer zentralen Erfas- sungsstelle für alle Tierversuche dar- stellt, hält einer objektiven Überprü- fung nicht stand und ist daher un- richtig. Meine Mitarbeiter und ich haben 1989 zu unserem Arbeitsge- biet (sympathisches Nervensystem) alle in den Jahren 1983 bis 1988 in der medizinischen Datenbank Med- line unter dem Stichwort „sympathe- tic nervous system" erfaßten Publi- kationen auf mögliche Doppel- oder Wiederholungsversuche hin unter- sucht. In dem genannten Zeitraum waren in dieser Datenbank 2246 Pu- blikationen unter diesem Stichwort gespeichert, in denen über tierexpe- rimentelle Untersuchungen berichtet wurde. Eine Analyse dieser 2246 Pu- blikationen zeigte, daß lediglich zwei dieser Publikationen (0,089 Prozent) Doppelversuche darstellten und nur eine Publikation (0,045 Prozent) ein Wiederholungsversuch war. Bei die- ser Analyse wurden Tierversuche, die von verschiedenen Arbeitsgrup- pen mit derselben Methodik zur glei- chen Zeit durchgeführt wurden, als Doppelversuche, Versuche dagegen, die zu einem späteren Zeitpunkt die

Ergebnisse einer früheren Publikati- on mit derselben Methodik wieder- holten, als Wiederholungsversuche eingestuft. Diese Dokumentation, die bei Interesse gerne angefordert werden kann, belegt somit anhand von konkreten Zahlen das allgemein bekannte Prinzip, daß jeder Wissen- schaftler in seiner Forschung aus ei- genem Interesse heraus Doppel- oder Wiederholungsversuche tun- lichst vermeidet, da hiermit kein Er- kenntnisgewinn und Fortschritt ver- bunden ist. Die Forderung nach Ein- richtung einer zentralen Erfassungs- stelle für alle Tierversuche ist somit unbegründet und stellt — einmal ab- gesehen von den dabei entstehenden Kosten — nur eine weitere, unnötige bürokratische Hürde bei der Durch- führung tierexperimenteller For- schung dar. Obwohl die Notwendig- keit und Bedeutung tierexperimen- teller Forschung von den Autoren nicht in Zweifel gezogen wird, läuft ihre Forderung aber letztendlich auf eine Einschränkung und Reduktion von Tierexperimenten und somit ei- ne Gefährdung des wissenschaftli- chen Fortschritts hinaus.

Priv.-Doz. Dr. med.

Klaus Dembowsky I. Physiologisches Institut der Universität Heidelberg Im Neuenheimer Feld 326 W-6900 Heidelberg 1

2 Länderkompetenzen und die ZEBET

In ihrem Beitrag schlagen die Kollegen Prof. Weller und Prof.

Hierholzer vor, daß zur Vermeidung der Wiederholung von Tierexperi- menten eine zentrale Erfassungsstel- le für tierexperimentelle Untersu- chungen eingerichtet werden solle.

Der Vorschlag ist einleuchtend und zielt darauf ab, den Tierschutzorga- nisationen zu demonstrieren, daß sich Wissenschaftler bemühen, un- nötige und nicht gerechtfertigte Pa- rallel- und Wiederholungsversuche zu verhindern.

Arbeitsweise der ZEBET Zu dem Vorschlag ist zu bemer- ken, daß die Bundesregierung im Rahmen der Novellierung des Deut- schen Tierschutzgesetzes (TSchG) im Jahre 1986/87 bereits im Jahre 1989 ähnliche Anregungen durch die Schaffung der „Zentralstelle zur Er- fassung und Bewertung von Ersatz- und Ergänzungsmethoden zum Tier- versuch (ZEBET)" weitgehend in die Tat umgesetzt hat. Problematisch für den Vollzug des TSchG ist — wie bei vergleichbaren Gesetzen — die Tatsache, daß der Gesetzesvollzug nicht in den Kompetenzbereich des Bundes fällt, sondern aufgrund der föderalistischen Struktur unseres Landes in den der Länder. Aus die- ser Tatsache ergeben sich einige Pro- bleme für die Einschaltung der Zen- tralstelle ZEBET in das normale Ge- nehmigungsverfahren für Tierver- suchsvorhaben.

Jeder, der in Deutschland ein tierexperimentelles Forschungsvor- haben durchführen möchte, muß ei- nen Antrag bei der zuständigen Lan- desbehörde stellen und die Unerläß- lichkeit begründen. Dabei ist durch Literaturrecherche darzulegen, ob der Versuch bereits ähnlich durchge- führt wurde und ob der verfolgte Zweck nicht durch andere Methoden erreicht werden kann, wie zum Bei- spiel mit Hilfe von Zell- und Gewe- bekulturen (sogenannte „Alternativ- methoden"

beziehungsweise Ersatz- und

Ergänzungsmethoden).

Die Genehmigungspraxis hat ge- zeigt, daß sowohl die Antragsteller Dt. Ärztebl. 89, Heft 12, 20. März 1992 (71) A1-1029

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als auch die Mitglieder der für die Genehmigung zuständigen örtlichen Kommissionen oft mit der Bewer- tung der genannten Fragestellungen überfordert sind, da sie entweder nicht über ausreichende Informatio- nen verfügen oder im Abfragen von internationalen Datenbanken, die in englischer Sprache arbeiten, nicht hinreichend geschult sind. Falls die Kommission bezüglich der genann- ten Fragen Zweifel an einem Antrag hat, kann sie sich an die Zentralstelle ZEBET im Bundesgesundheitsamt wenden, in der erfahrene Wissen- schaftler aus verschiedenen Berei- chen der Biomedizin und speziell ge- schulte Dokumentationsassistentin- nen arbeiten. ZEBET ist über eine direkte Leitung mit dem Deutschen Institut für Medizinische Dokumen- tation und Information (DIMDI) verbunden und hat auf diese Weise direkten Zugang zu den wichtigsten biomedizinischen Datenbanken.

Die Praxis hat in den beiden ver- gangenen Jahren gezeigt, daß ZE- BET kurzfristig in der Lage ist, der- artige Anfragen der lokalen Geneh- migungsbehörden so zu beantwor- ten, daß die Kommissionen eindeuti- ge Entscheidungen fällen können. Es mag dabei überraschen, daß bei den Recherchen von ZEBET häufig Li- teraturhinweise aufgespürt wurden, die zeigten, daß bereits sehr ähnliche oder mit den geplanten identische Forschungsvorhaben durchgeführt worden waren. Da zur Begründung vieler Anträge auf Genehmigung von Tierexperimenten Ausdrucke von Literaturrecherchen aus den übli- chen Datenbanken beigefügt wer- den, ist das Auffinden zusätzlicher Literaturhinweise nur dadurch zu er- klären, daß die Mitarbeiter von ZEBET aufgrund der engen Koope- ration mit DIMDI besser im Abfra- gen von Datenbanken geschult sind, als „normale" Wissenschaftler.

Leider ist die personelle und fi- nanzielle Ausstattung von ZEBET so ausgelegt, daß ZEBET als Abtei- lung einer oberen Bundesbehörde in der geschilderten Weise nur auf- grund der Anfragen lokaler Geneh- migungsbehörden gutachterlich tätig wird, denn der Bundestag ging bei der Gründung von ZEBET davon aus, daß jedes Institut, in dem Tier-

versuche durchgeführt werden, Zu- gang zu den üblichen biomedizini- schen Datenbanken hat, und daß die Kostenfrage einen geringeren Stel- lenwert besitzt als der Tierschutz.

Die Autoren Weller und Hier- holzer schlagen im Gegensatz zu der Lösung, die in Deutschland durch die Institutionalisierung von ZEBET eingeschlagen wurde, vor, eine zen- trale Registrierung aller Tierversu- che einzuführen. Auch dieser Vor- schlag ist während und nach der No- vellierung des TSchG intensiv disku- tiert worden. Jedoch wurde aus rechtlichen und wissenschaftlichen Gründen des Schutzes vertraulicher Daten die Errichtung einer zentralen Erfassungsstelle für Tierversuche in Deutschland nicht weiter verfolgt.

Dr. med. Horst Spielmann Direktor und Professor Leiter ZEBET

im Bundesgesundheitsamt Postfach 33 00 13

W-1000 Berlin 33

3 Was ist zu tun?

In der öffentlichen Diskussion um Tierversuche fehlt häufig eine sachkundige Darstellung, die die Notwendigkeit tierexperimentellen Arbeitens unterstreicht, gleichzeitig aber auch ihre Begrenzungen und die Möglichkeiten zur Einschrän- kung nennt. Die Publikation von Weller und Hierholzer ist zwar ein gutgemeinter Ansatz, jedoch sind an den tierversuchskritischen Bemer- kungen sachliche Korrekturen anzu- bringen.

Da ist zunächst die Meinung der Autoren, daß Parallel- und Wieder- holungsversuche mit verwandter oder weitgehend identischer wissen- schaftlicher Fragestellung und Me- thodik zu häufig angestellt würden.

Eigene Erfahrungen und eine neue, umfangreiche Dissertation (Bender, 1990) lassen dagegen einen solchen Verdacht als kaum begründet er- scheinen.

Fachliche Argumente sprechen ebenfalls dafür, nicht jede methodi- sche Übereinstimmung in Tierversu- chen als unberechtigt anzuprangern.

Denn nur wenn im Rahmen einer

übergeordneten tierexperimentellen Fragestellung so wichtige Merkmale wie Tierart, -rasse, -geschlecht und -alter, die Vorbehandlung und ein- zelne experimentelle Schritte syste- matisch variiert werden, lassen sich die erhaltenen Befunde verallgemei- nern. Auch die Übertragbarkeit der experimentellen Resultate auf den Menschen hängt in einem erhebli- chen Maß von der Überprüfung und damit Wiederholung an sich iden- tischer Fragestellungen ab, zum Bei- spiel vom Ergebnis der Vergleiche zwischen unterschiedlichen Tierar- ten. Da die Verbesserung der Tier- gesundheit durch Optimierung der Tierzucht und -haltung sowie die Verfeinerung der experimentellen Methodik zu eindeutigeren Befun- den führen, ist es gelegentlich auch angezeigt, ältere, nicht genügend auslegbare Experimente zu wieder- holen.

Um Unschärfen in der Diskussi- on zu vermeiden, hat der Gesetzge- ber übrigens definiert, was heute un- ter Doppel- oder Wiederholungsver- suchen zu verstehen ist (AVV 1988).

Die Bundesregierung ist der Auffas- sung, daß durch sicheren Ausschluß dieser Versuchsarten lediglich eine Reduktion der Tierversuche um we- niger als ein Prozent erreicht wer- den kann (Tierschutzbericht 1989, Drucksache 11/3846, S. 38f).

Der gewaltige wissenschaftliche Dokumentationsaufwand, der be- trieben werden müßte, um die von Weller und Hierholzer angepranger- ten Versuchswiederholungen sicher auszuschließen, läßt sich am Beispiel von ZEBET, der Zentralstelle zur Erfassung und Bewertung von Er- satz- und Ergänzungsmethoden zum Tierversuch, darstellen. Diese 1989 am Bundesgesundheitsamt gegrün- dete Einrichtung hat sich zwar nur mit einem speziellen Sektor im Be- reich des Tierexperiments zu befas- sen, besteht aber bereits jetzt aus 16 bis 20 Spezialisten und muß weiter ausgebaut werden (Tierschutzbe- richt 1991, Drucksache 12/224, S.

640.

So ergibt sich zwingend, daß die weitere Vermehrung administrativer Maßnahmen schwerlich zu mehr Tierschutz in der Forschung und zu größerer Akzeptanz des Tierversu- A1-1030 (72) Dt. Ärztebl. 89, Heft 12, 20. März 1992

Referenzen

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