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Archiv "Tierexperimente im Rahmen der medizinischen Forschung: Parallelversuch und Wiederholung" (30.05.1991)

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Tierexperimente im Rahmen der

medizinischen Forschung

Parallelversuch und Wiederholung

Siegfried Weller

und Günther Hierholzer

eder ernsthafte und kriti- sche Wissenschaftler wird sich heute mit der aktuellen Fragestellung „der Notwen- digkeit von Tierexperimenten" aus- einandersetzen müssen. Vorab sei wiederholt und festgestellt, daß ohne Tierexperimente eine medizinische Forschung auch in Zukunft nicht möglich sein wird. Die Entscheidung zum Tierexperiment muß von der berechtigten Annahme ausgehen, daß zumindest Säugetiere auch „füh- lende Wesen" sind. Es spielt dabei keine Rolle, wie groß die entspre- chenden qualitativen und quantitati- ven Unterschiede zu Menschen sind, dessen geistige Entwicklungsstufe keineswegs ein absolutes Bezugskri- terium darstellen muß.

Bleibt die Frage offen, wann und unter welchen Bedingungen sind Tierexperimente notwendig, vertret- bar oder erlaubt?

Wenn man sich — auch nur in ei- nem wissenschaftlichen Teilbereich

— intensiv mit der Literatur (Publika- tionen, Mitteilungen und Berichte über Forschungsvorhaben, Habilita- tions- und Dissertationsarbeiten usw.) befaßt, dann wird man zwangs- läufig immer wieder die Feststellung machen müssen, daß wissenschaftli- che Probleme und Fragestellungen unter zum Teil völlig identischen Aspekten oder nur unwesentlich ab- weichenden Gesichtspunkten, mit gleich oder ähnlich konzipierten Tierversuchen an verschiedenen Orten parallel ablaufen oder mehr- fach wiederholt werden. Es müssen demzufolge immer wieder neue Tie- re geopfert werden. Diese Wieder- holung von Tierexperimenten unter

identischer Fragestellung oder das Parallellaufen gleicher Versuchsan- ordnungen stellt eine unerträgliche ethische Belastung für die klinische und Grundlagenforschung und einen Ansatz für kritische Änderungen in der Öffentlichkeit dar. Sie beein- trächtigen oder verhindern nicht zu- letzt dringend notwendige tierexpe- rimentelle Forschungsvorhaben un- ter medizinisch bedeutungsvollen und richtungsweisenden Fragestel- lungen und damit den Fortschritt der Medizin , In der Chirurgie sind Expe- rimente an Zell- und Gewebekultu- ren als Alternativmethoden zum Tierexperiment nur teilweise mög- lich, weil in die Fragestellung die Funktion beziehungsweise die Be- einflussung des Gesamtorganismus eingeht.

Die lokalen Kommissionen, wel- che gemäß § 8 des Tierschutzgeset- zes über die Bewilligung von Tierex- perimenten zu entscheiden haben, werden im Hinblick auf die Berück- sichtigung und Wertung dieser Fak- ten im Einzelfall unter Umständen überfordert. Was sollen sie tun?

In Anbetracht der Bedeutung dieser Problematik wird nachfolgen- der Vorschlag unterbreitet, der — wenn auch organisatorisch und fi- nanziell zunächst etwas aufwendig erscheinen mag — so doch im Hin- blick auf eine sinnvolle und gangbare Lösung ein konstruktiver Beitrag sein könnte:

Zentrale Erfassungsstelle gefordert

Welchem offiziellen Kontrollor- gan auch immer untergeordnet, sollte eine zentrale Erfassungsstelle für tier- experimentelle Untersuchungen ein- gerichtet werden (bundeseinheitlich,

Wissenschaftsrat, finanzielle Unter- stützung durch Stiftungen usw.)?

Durch einen möglichst einfa- chen computergerechten Melde- be- ziehungsweise Fragebogen könnte die jeweilige wissenschaftliche The- matik, die mit Hilfe von Tierexperi- menten bearbeitet wird, dokumen- tiert und zentral gespeichert werden.

Jeder Wissenschaftler, der einen An- trag auf Tierexperimente an die ört- liche Kommission stellt, müßte ver- anlaßt werden, durch Rück- oder Abfrage bei der Zentralstelle nach- zuweisen, daß die geplante wissen- schaftliche Arbeit mit Tierexperi- menten bisher unter dieser Frage- stellung noch nicht bearbeitet wor- den ist. Außer der naturwissen- schaftlich gerechtfertigt erscheinen- den Fragestellung muß die Ver- suchsanordnung überprüfbar und nachvollziehbar sein, und es ist nicht zuletzt zu fordern, daß der für den Versuch verantwortliche Arzt das Tier betreffende eingehende, das heißt artgerechte Kenntnisse hat. Je- de Form der Vivisektion ist natürlich strikt abzulehnen.

Diese Vorprüfung wäre nicht zuletzt auch für den Wissenschaftler eine gewisse Orientierung und Rück- versicherung, daß sein Thema, das er zu bearbeiten gedenkt, nicht schon vorher in dieser Weise bearbeitet wurde. Die örtliche Kommission könnte sich jetzt im Einzelfall sehr viel leichter und sicherer mit der Notwendigkeit und Bedeutung des jeweiligen Forschungsprojektes un- ter Einschluß von Tierexperimenten auseinandersetzen und ihre Ent- scheidung fällen.

Die geplante zentrale Erfas- sungsstelle müßte sich, soweit das möglich und machbar ist, zunächst gleichsam retrospektiv ein möglichst großes Speicherreservoir erarbeiten.

Die zukünftige Dokumentation wird dann prospektiv weiterlaufen. Eine derart vorgeschlagene zentrale Er- fassungsstelle soll nicht im negativen Sinne mit einer Tierversuchsdaten- bank gleichgesetzt werden, die Wie- derholungsuntersuchungen grund- sätzlich ausschließt. Es gibt durchaus Fragestellungen, die die Begriffe Re- produzierbarkeit und Vergleichbar- keit der Befunderhebung beinhalten und somit den Wiederholungsver- A-1988 (54) Dt. Ärztebl. 88, Heft 22, 30. Mai 1991

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such erforderlich machen. Eine zen- trale Erfassungsstelle kann aber ge- eignet sein, besser zu koordinieren und eine unnötige Wiederholung verhindern zu helfen. Für den Be- reich der Chirurgie wird damit zum Beispiel die Notwendigkeit und Be- rechtigung zur Einrichtung von Lehrstühlen für „experimentelle Chirurgie" unterstrichen.

Um nicht in Zukunft den Fort- schritt der medizinschen Wissen- schaft, welcher zwangsläufig mit der Notwendigkeit von Tierexperimen- ten verbunden ist, durch weiterge- hende Restriktionen in Frage zu stel- len, ist es notwendig, den Tierschutz-

organisationen mit ihren Aufrufen und Anklagen zu demonstrieren und zu beweisen, daß man sich auch im Kreise der Wissenschaft ernsthaft und nachhaltig bemüht, unnötige und nicht gerechtfertigte Parallel- und Wiederholungsversuche zu ver- hindern. Die Weiterentwicklung der Medizin ist an das Gebot gebunden, die Verantwortung für eine notwen- dige Untersuchung wahrzunehmen und dabei die Grenze des ethischen Handelns nicht zu verkennen. Die vorgeschlagene Maßnahme könnte einen Beitrag dazu leisten und viel- leicht zu einem konstruktiven Schritt in die richtige Richtung werden.

Anschriften der Verfasser

Prof. Dr. med. Dr. h. c.

Siegfried Weller Ärztlicher Direktor der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik Tübingen Schnarrenbergstraße 94 W-7400 Tübingen

Prof. Dr. med. Günther Hierholzer Ärztlicher Direktor der

Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik Duisburg-Buchholz Großbaumer Allee 250

W-4100 Duisburg 28

Der Einfluß oraler Kontrazeptiva auf Fett- und Kohlehydratstoffwechsel

Im Vergleich zu anderen emp- fängnisverhütenden Methoden hat die Einnahme hormoneller Kontra- zeptiva neben hoher kontrazeptiver Sicherheit und günstigem Einfluß auf einige gynäkologische Erkran- kungen und Symptome zahlreiche unerwünschte Nebenwirkungen, un- ter anderem auch auf Fett- und Koh- lehydratstoffwechsel. Abhängig von dem verwendeten Präparat kann es zur Erhöhung von Triglyzerid- und LDL-Cholesterin- sowie zur Ernied- rigung der HDL-Cholesterinspiegel kommen Unerwünschte Effekte auf die Glukosetoleranz und die Insulin- spiegel sind ebenfalls bekannt.

Obwohl der Einfluß all dieser unerwünschten Stoffwechselverän- derungen auf die Entwicklung arte- riosklerotischer Gefäßveränderun- gen noch nicht völlig geklärt ist, er- scheint es dennoch sinnvoll, diese Risikofaktoren zu minimieren. In ei- ner Studie sollte geklärt werden, ob eine Veränderung der Progesteron- dosis die negativen Auswirkungen oraler Kontrazeptiva auf den Lipid- und den Kohlehydratstoffwechsel vermindern kann.

Insgesamt nahmen über 1500 Frauen an der Studie teil. Dabei wurden neun unterschiedliche Prä- parate untersucht. Sieben der Präpa- rate enthielten verschiedene Proge-

steronderivate in unterschiedlichen Dosierungen bei einer konstanten Konzentration von 30 bis 40 !Az Ethinyloestradiol. Die beiden ande- ren Präparate waren reine Progeste- ron-Derivate.

Verglichen mit der Kontroll- gruppe fanden sich bei allen Patien- tinnen, die Kombinationspräparate verwendeten, zwar keine erhöhten Serum-Cholesterolspiegel, jedoch la- gen die Serum-Triglyzeridwerte je nach verwendetem Präparat 13 bis 75 Prozent über denen der Ver- gleichsgruppe. Die LDL-Choleste- rolspiegel wurden in der Gruppe, die ein Desogestrel-Kombinationspräpa- rat einnahm, um 14 Prozent redu- ziert, die Gruppe, die ein niedrig do- siertes Norethisteron-Präparat ver- wendete, wies um 12 Prozent redu- zierte LDL-Cholesterol-Spiegel auf.

Die HDL-Spiegel wurden durch Kombinationspräparate, die niedrig oder hoch dosiertes Norgestrel ent- hielten, um 5 Prozent beziehungs- weise 16 Prozent reduziert. Es kam dabei zu einer überproportional star- ken Verringerung der HDL 2-Sub- fraktion (29 Prozent und 43 Pro- zent). Im Gegensatz hierzu erhöhte das Desogestrelpräparat die HDL- Spiegel um 10 Prozent.

Abhängig von der Dosierung und dem verwendeten Progesteron-

FÜR SIE REFERIERT

derivat erhöhten die Kombinations- präparate im oralen Glukosetole- ranztest deutlich den Blutzucker-, die Insulin- und den C-Peptidspiegel um bis zu 60 Prozent. Progesteron- monoderivate hatten insgesamt nur geringe Effekte auf den Kohlehy- drat- und den Lipidstoffwechsel.

Die Autoren kommen zu dem Schluß, daß durch entsprechende kritische Auswahl des verwendeten Progesterontypes und einer optima- len Dosierung der Oestrogen- und Gestagenkomponenten oraler Kon- trazeptiva unerwünschte Effekte auf den Fett- und den Kohlehydratstoff- wechsel minimiert werden können.

Damit könnte das Risiko für kardio- vaskuläre Erkrankungen bei Frauen, die hormonelle Kontrazeptiva benut- zen, gesenkt werden. Progesteron- monoderivate und Kombinations- präparate, die Desogestrel oder ein niedrig dosiertes Norethisteron ent- hielten, schnitten in dieser Studie insgesamt am besten ab. Sla

Godland, I. L. et al: The Effects of Differ- ent Formulations of Oral Contraceptive Agents an Lipid and Carbohydrate Meta- bolism, N. Engl. J. Med. 323: 1375-1379 (1990)

Dr. I. L. Godland, Wynn Institute for Me- tabolic Research, 21 Wellington RD., St.

Johns Wood, London NW8 9SQ, England.

Dt. Ärztebl. 88, Heft 22, 30. Mai 1991 (57) A-1989

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