Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen
Ärztemangel im Bundesgrenzschutz
und hierauf hat auch die Bundesre- gierung kürzlich in ihrer Antwort auf eine Große Anfrage der CDU/
CSU zur Situation des Gesund- heitswesens hingewiesen — auch durch großzügige Besoldungsver- besserungen wird sich der Einkom- mensunterschied zwischen den freipraktizierenden Ärzten und den Ärzten im öffentlichen Dienst nicht annähernd ausgleichen lassen.
Der Autor unterstellt dem Dienst- herrn der Grenzschutzärzte, er be- diene sich des „Tricks" der Geneh- migung von Nebentätigkeit, um auf diese Weise das „spärliche Ge- halt" aufzubessern. Die Vermutung, ausgerechnet der für die Besol- dung der Beamten zuständige Bun- desminister des Innern wolle auf diese Weise das Besoldungspro- blem für eine bestimmte Beamten- gruppe lösen, erscheint grotesk.
Wie in den letzten Stellenaus- schreibungen im Februar und März 1975 in dieser Zeitschrift nachzule- sen, wird den Grenzschutzärzteh Nebentätigkeit gestattet, um es ih- nen zu ermöglichen, berufliche Vielseitigkeit zu erwerben und zu erhalten. Verständlicherweise liegt dem der Wunsch zugrunde, ein sol- cher Gewinn für den Arzt möge auch den zu betreuenden Beamten des Bundesgrenzschutzes zugute kommen.
Abstrus sind die Vorstellungen des Verfassers über die Stellung und das Selbstverständnis der BGS- Ärzte. „Wehrpsychologische" Über- legungen sind in diesem Zu- sammenhang ohne Bedeutung — der Grenzschutz ist als Polizei des Bundes ein Instrument der inneren Sicherheit und nicht der Landes- verteidigung. Zu ergründen, was der Autor mit dem Satz: „Die so- zialpsychologische Strukturierung der zwischenmenschlichen Bezie- hungen im Rahmen des formalen Organisationsplanes der BGS-Ver- bände fehlt" sagen will, fällt nicht ganz leicht. An einer Profilneurose und spezifischen Schwierigkeiten in den zwischenmenschlichen Be- ziehungen, etwa zu den Offizieren, leidet das Gros der Grenzschutz- ärzte ganz sicher nicht. Sollte dies
bei dem einen oder anderen doch der Fall sein, liegt die Ursache hierfür zweifellos mehr im persönli- chen Bereich als in der organisato- rischen Struktur des BGS. Die Un- abhängigkeit des BGS-Arztes und seine berufliche Anerkennung sind sicher nicht geringer als in ande- ren vergleichbaren Einrichtungen;
sie weiter zu entwickeln und zu verbessern war und ist das ständi- ge Bemühen der dafür Verantwort- lichen ...
Dr. med. U. Stahl
Oberstarzt im Bundesgrenzschutz Leiter des ärztlichen Dienstes und
Referent für das Sanitätswesen des Bundesgrenzschutzes im Bundesministerium des Innern 53 Bonn 7
Rheindorfer Straße 198
Schlußwort
„Die personelle Krise der ,Amtsme- dizin' wird durch den Leserbrief von Dr. med. U. Stahl bestätigt.
Seit mindestens acht Jahren ist sie für den BGS ein Problem. Die ,spe- zifischen Gründe für den Ärzte- mangel im Bundesgrenzschutz' habe ich deshalb kritisiert. Es gibt kaum intensive Bemühungen nach modernen Gesichtspunkten. Die Bestätigung ergibt sich selbst aus der Stellungnahme.
Leider stand bereits im Dezember 1974 fest, daß in fünf Jahren im BGS höchstens noch ein einziger Arzt tätig sein wird, wenn nicht jun- ge Ärzte oder Ärztinnen (?) einge- stellt werden. Damals waren fast alle Planstellen in den BGS-Stand- orten unbesetzt. Wenn nur die rela- tiv wenigen Ärzte z. T. über Geräte verfügen, so beweist das doch, daß diese Geräte eben sonst und meist fehlen ...
Wenn Dr. Stahl von einer ,Profilneu- rose' der Ärzte spricht und dies bei dem ,einen oder anderen' zugibt, so meint er doch hoffentlich nicht seine wenigen Kollegen im BGS.
Man könnte wirklich nur noch von dem ,einen oder anderen' Arzt
sprechen. Gemeint ist vermutlich die ,exogene Fremdneurose'. Dar- über habe ich geschrieben. Stahl beschreibt allerdings eine Kern- neurose, meint also den Charakter der Ärzte. Das bestreite ich. Ich nehme es meinem Kritiker nicht ab, wenn ihm der Zusammenhang zwischen Wehrpsychologie, Be- triebspsychologie und Kombattan- tenstatus des BGS „nicht ganz leicht" fällt.
Unwidersprochen bleiben also mei- ne Aussagen: Haben die Verant- wortlichen im Bundesinnenministe- rium den gravierenden Ärzteman- gel planmäßig betrieben, oder muß man sich fragen, ob sie ihrer Für- sorgepflicht gerecht wurden. Die Struktur des BGS ist „überholt".
Dr. med. Fritz Herrmann Arzt für Allgemeinmedizin 4431 Heek
Grimmeltstraße 44
ZITAT
Unausrottbarer Glaube
„Der Sozialisierung der Ein- kommen über Sozialbeiträ- ge wird nur mit einer be- grenzten Individualisierung des Risikos Krankheit zu be- gegnen sein. Nur so ist ein Gesundheitssystem mit freier Arztwahl für die Patienten und freier Berufsausübung der Ärzte zu bewahren. Aber es ist wohl zu befürchten, daß die Politiker das Heil im Dirigismus und am Ende auch in der Staatsmedizin suchen werden. Der Glaube, daß alles besser werde, wenn Ärzte und Patienten vom Staat dirigiert, verplant und bürokratisch kontrolliert werden, scheint nicht auszu- rotten zu sein."
Walter Kannengießer in:
Frankfurter Allgemeine Zei- tung.
DEUTSCHES ÄRZTEBLATT