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Darüber spricht man nicht

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Academic year: 2022

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136 DIE PTA IN DER APOTHEKE | Mai 2020 | www.diepta.de

PRAXIS

S

tellen sie sich vor, Sie wären ein Mann und seit etwa 15 Jahren mit einer Dermatologin glücklich verheiratet. Stellen Sie sich weiterhin vor, Sie hätten extreme Schmerzen am Hin-

tern …“ – so beginnt das Kapitel mit dem Titel „Analabszess“.

Und, ach, als Leser leidet man mit dem armen Mann, der sich nicht traut, seiner Frau das zu zeigen, was er gar nicht sehen kann, aber ihn unsäglich quält.

Gerade noch rechtzeitig darf seine Gattin mal drüberschauen – und er landet sofort in der Notaufnahme, denn eine böse Fistel hat es beinahe geschafft, seinen inneren Schließmuskel zu zerfressen.

Über Cola-Flaschen und Staubsauger In Yael Adler gibt es die seltene Kombination einer Buchautorin, die nicht nur ihr Thema von der Pike auf beherrscht, sondern auch noch den rechten Ton trifft. Ihr ist absolut nichts fremd, denn sie hat schon überall gearbeitet:

„Die Chancen, die Ärzte in der Notaufnahme mit etwas völlig Neuem zu überraschen oder zu schockieren, sind relativ ge- ring.“ In diesem Kapitel behan- delt sie das Thema „Cola-Fla- schen, Staubsauger und andere Sexunfälle“ und ja, man lernt dazu, was die Fleischeslust und ihre phantasievollen Ausgestal- tungen betrifft. Gott sei Dank klärt sie darüber auf, was im Inneren eines Staubsauer-An- saugstutzens passiert („in etwa 11 Zentimeter Tiefe wirbeln metallene Rotationsblätter“), was dem gar nicht so unge- wöhnlichen Sexunfall den Na- men „Morbus Kobold“ be- scherte. Auf einer Veranstal - tung in Berlin, bei der sie ihr Buch vorstellte, verriet sie so- gar, dass über diese spezielle Verletzung bereits eine Doktor- arbeit geschrieben wurde. Das Staubsaugermodell wurde da- mals, so wie es war, eilig vom Markt genommen und erschien

BÜCHER, VON DENEN MAN SPRICHT

Dr. Yael Adler ist Meisterin darin, auf vergnügliche Art zu erklären, was anderen

peinlich ist. Ganz unverkrampft erzählt sie auch in ihrem neuen Buch „Darüber spricht man nicht“ über Tabuzonen des menschlichen Körpers.

Darüber spricht man nicht

© TeamDAF / iStock / Getty Images

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DIE PTA IN DER APOTHEKE | Mai 2020 | www.diepta.de

erst später wieder in modifi- zierter Form.

Dr. Adler ist Fachärztin für Haut- und Geschlechtskrank- heiten und als solche täglich mit den Tabuthemen ihrer Patien- ten konfrontiert. Ob Inkonti- nenz, Erektionsstörungen, oben genannte Unfälle oder Körper- geräusche – die Frau Doktor weiß, was Menschen beschäftigt und dass es für viele völlig un- möglich ist, es offen auszuspre- chen, obwohl es doch Hundert- tausende gemein haben. Oder wussten, Sie, dass einer Frau bei bestimmten Yogafiguren ein Vaginalfurz entfleuchen kann (peinlich)? Dass Menschen, die an Misophonie leiden, sich so stark vor dem hörbaren Schmat- zen und Kauen anderer ekeln, dass sie sich in aller Öffentlich- keit erbrechen müssen (noch peinlicher)? Dass „Käsefüße“

ihren Namen daher haben, dass ihre chemischen Geruchsver- bindungen sich auch in Limbur- ger, ranziger Butter und Erbro- chenem finden? Gottseidank belässt es die Autorin nicht bei diesen spektakulären Enthül- lungen, sondern gibt auch ganz praktischen, hemdsärmeligen und supernützlichen Rat. Denn am Ende jedes Kapitels findet sich eine Tabelle, in der Hilfs- maßnahmen übersichtlich un- tereinander stehen. Zum Thema Käsefuß lernt man, dass der Mann an sich stärker schwitzt und seinen Füßen ruhig einmal ein bisschen Freiheit gönnen darf, also eine ohne Socken.

Auch spezielle Schuheinlagen, eine Leitungswasseriontopho- rese (verordnungsfähig) oder ein Fußbad in Eichenrindesud helfen.

Tipps und Tricks Von überaus praktischem Wert auch das Thema „Verhütung“. Adler er- läutert unter anderem, wie hor- monelle Verhütungsmethoden, die ja dem Körper eine Schwan-

gerschaft vorgaukeln, unseren Körpergeruch verändern. Denn das Sprichwort „Ich kann dich gut riechen“ kommt nicht von ungefähr: Unsere Nase findet nämlich in Wirklichkeit den Partner; Pheromone sorgen da- für, dass wir am Geruch er- kennen, ob ein Mann oder eine Frau genetisch zu uns passen.

Setzt also bei einem Paar mit Kinderwunsch, das sich mit Pille kennen gelernt hat, die Frau ihr Kontrazeptivum ab, verändert sich sowohl ihr ei- gener Geruch als auch die ge- schnupperte Wahrnehmung des Partners. Und dann ist plötzlich alles anders: Yael Adler erzählt von einer Frau, die ihren Mann plötzlich „nicht mehr riechen konnte“ und sich trennte.

Doch was tun, wenn ja die hor- monelle Verhütung nicht ge- rade optimal für den Körper ist?

Adler gibt auch hierzu Tipps:

Etwa den mit dem Kupferkett- chen, das am Dach der Gebär- mutter implantiert wird oder der kupferhaltige Intraauterin- ball (IUB), der erst seit Kurzem in Deutschland erhältlich ist.

Auch bei anderen Themen spart sie nicht mit Ratschlägen:

Herpes, das allzeit bereite und furchtbar unangenehme Virus, ist zwar irgendwie Schicksal (90 Prozent haben es, aber nur bei 20 Prozent bricht es aus), doch kann man zumindest versuchen, es kampfunfähig zu machen. Neben dem bekann- ten Aciclovir, gegen den das Virus bereits Resistenzen aus- bildet, kann man auch Mikro- nährstoffe zuführen, am besten nach einem Blutcheck. Adler benennt es präzise: „Erfah- rungsgemäß helfen ganz be- sonders Vitamin D3, Zink, Se- len und die Aminosäure Lysin (drei Gramm pro Tag). Lysin vertreibt die Konkurrenz-Ami- nosäure Arginin und entzieht damit den Viren ihr Futter.

(…..) Ein Geheimtipp, der

kaum beworben wird, ist frei verkäufliches Zinksul fatgel.“

Die Menopause ist gar keine Pause Und dann klärt die Autorin endlich einmal darüber auf, worüber Frauen sich schon seit vielen Jahrzehn- ten wundern: Warum klingt der Begriff Menopause eigentlich so, „als würden Frauen durch ein Klingelzeichen vom Meno- pausenhof zurück in die Klasse gerufen, wo es fröhlich wei- tergeht wie zuvor“? In Wirk- lichkeit ist „Pause“ jedoch dem griechischen pausis entlehnt, was schlicht und einfach Ende bedeutet – „und dieses Ende kündigt sich über einen mehr- jährigen Zeitpunkt an“. Im Zuge des Klimakteriums kommt es zur bekannten Scheidentro- ckenheit und möglicherweise Schmerzen beim Sex, auf der Habenseite stehen dann auch noch Lichen sclerosus, eine tro- ckene Hautentzündung in und an Penis und Vagina. Noch nie davon gehört? Darüber spricht man nicht … Noch nicht einmal mit der PTA.

Adler bringt Licht ins Dunkel der widerstreitenden Lager „zu- sätzliche Hormone oder nicht“.

Doch wenn die Beschwerden sehr schlimm sind? „Statistiken bescheinigen einer rechtzeitig begonnenen Hormonersatz- therapie (um die 50) eine gute Prophylaxe für Osteoporose“.

Auch die Naturapotheke hat so einiges zu bieten: Die Trauben- silberkerze zum Beispiel. Die dürfen nämlich auch Frauen nehmen, die Brust- oder Gebär- mutterschleimhautkrebs hatten.

Und auch Männer kennen die Andropause: Ihr Teststeron- spiegel sinkt, viel langsamer zwar als der Estrogenspiegel der Frau, aber ja, alles wird we- niger. Ja sicher, es gibt ein Gel dagegen, doch: „Wie wir ge- rade schon bei den weiblichen Wechseljahren gesehen geha- ben, nehmen wir den körper- lichen Wandel nicht als Lauf der Natur wahr, sondern neigen dazu, ihn zur behandlungswür- digen Erkrankung zu erklären“.

Das wäre doch mal ein Grund, darüber zu sprechen.  n

Alexandra Regner, PTA und Journalistin Dr. Yael Adler erklärt fast alles, was uns peinlich ist:

Darüber spricht man nicht.

Verlag Droemer HC, 368 Seiten, ISBN: 978-3-426-27751-5, 16,99 Euro

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