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Archiv "Gallensäuren: Von der toxischen Substanz zum effektiven Therapeutikum" (26.03.1999)

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A-764 (36) Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 12, 26. März 1999 oxische Gallensäuren sind für

die Leberschädigung bei der Cholestase hauptverantwort- lich. Ursodesoxycholsäure, eine ato- xische Gallensäure, vermag die schä- digende Wirkung toxischer Gal- lensäuren zu vermindern oder aufzu- heben. Dieser Wirkung ist es zu ver- danken, daß Ursodesoxycholsäure bei einer ganzen Reihe von cholestati- schen Lebererkrankungen therapeu- tisch eingesetzt werden kann.

Cholestase: Symptome, Ursachen

Die Cholestase ist charakterisiert durch eine verminderte biliäre Sekreti- on gallenpflichtiger Stoffe (Bilirubin, Gallensäuren, Phospholipide, Chole- sterin). Hierdurch kommt es zu einem Anstieg des Serumbilirubins und der Serumgallensäuren im Blut. Bei schwe- rer Cholestase steigen auch die Serum- phospholipide und das Serumcholeste- rin an. Klinische Symptome sind Ikte- rus und Juckreiz und bei schwerer Cho- lestase Xanthelasmen oder Xanthome.

Die Leberzelle besitzt in ihrer kanalikulären Membran Exportpum- pen, die die gallenpflichtigen Stoffe gegen einen Konzentrationsgradien- ten in die Galle sezernieren. Bei ei-

ner Schädigung der Leberzelle kann diese nicht ausreichend Energie in Form von ATP für die Exportpum- pen bereitstellen, und die biliäre Se- kretion wird gestört. Deshalb kann

jede Lebererkrankung letzt- endlich mit Cholestase ein- hergehen. Neben einer Schädigung der Leberzelle kann auch die Destruktion oder Obstruktion der klei- nen, mittleren und größeren Gallengänge eine Cholesta- se verursachen. Kongenital kann eine Cholestase aus- gelöst werden durch hepato- zelluläre Enzymdefekte so- wie den Mangel an kanali- kulären Exportpumpen.

Leberschädigung und Leberschutz durch Gallensäuren

Gallensäuren sind De- tergenzien, die bei Über- schreiten einer kritischen Konzentration Hepatozyten schädigen können. Bei cho- lestatischen Erkrankungen ist die bi- liäre Sekretion oder der biliäre Ab- transport der Gallensäuren gestört, und ihre Konzentration im Leberge- webe steigt an. Klassische durch Gal- lensäuren bedingte Schäden sind die von dem Pathologen Hans Popper erstmals beschriebene „Feathery De- generation“ (federige Degeneration

Gallensäuren

Von der toxischen Substanz zum effektiven Therapeutikum Adolf Stiehl

Bei der Cholestase führt die verminderte biliäre Sekretion von Gallensäuren zu deren Akkumulation in der Leber und zu Leberschäden. Diese durch Gallensäuren bedingten Leberschäden können durch eine atoxische Gallensäure, die Ursodesoxycholsäure, erfolgreich behandelt werden. Urso- desoxycholsäure verdrängt toxische Gallensäuren aus der enterohepatischen Zirkulation und von Rezeptoren an Zell- organellen, wo toxische Gallensäuren eine Hepatozyten- schädigung bewirken. Am besten belegt ist die Wirksamkeit

der Ursodesoxycholsäure bei der pri- mär biliären Zirrhose. Zahlreiche wei-

tere mit Cholestase einhergehende cholestatische Leberer- krankungen scheinen von der Behandlung mit Ursodesoxy- cholsäure zu profitieren, wobei zuletzt zusätzlich auch eine Wirkung bei Patienten nach Lebertransplantation nachge- wiesen wurde.

Schlüsselwörter: Ursodesoxycholsäure, Cholestase, Leber- erkrankungen

ZUSAMMENFASSUNG

Bile Acids: From a Toxic to a Therapeutic Compound In cholestasis biliary secretion of bile acids is diminished and their accumulation in the liver leads to liver damage. Bile acid induced hepatocyte damage can successfully be prevent- ed by an atoxic bile acid, ursodeoxycholic acid. Ursodeoxy- cholic acid displaces toxic bile acids from the enterohepatic circulation and competes with them for receptors of cell or-

ganelles where they can induce hepatocyte dam- age. The efficacy of ursodeoxycholic acid has best

been documented in the treatment of primary biliary cir- rhosis. Many further cholestatic diseases seem to benefit from a treatment with ursodeoxycholic acid. Recently, an effect in patients after liver transplantation has also been observed.

Key words: Ursodeoxycholic acid, cholestasis, liver disease

SUMMARY

T

Medizinische Klinik und Poliklinik (Direktor:

Prof. Dr. med. Wolfgang Stremmel), Ru- precht-Karls-Universität, Heidelberg

Konjugat-Exportpumpe (MRP) Gallensäuren-Exportpumpe (SPGP) Phospholipid-Exportpumpe (MDR 3)

„Multi-Drug“-Exportpumpe (MDR 1) Kanalikuläre ATP-abhängige Transportpumpen

in Hepatozyten

ATP-abhängige Exportpumpen in der kanalikulären Membran von Hepatozyten. Alle Erkrankungen, die mit einer gestörten Funktion oder einem Fehlen dieser Exportpumpen einhergehen, führen zur Cholestase. Konatale Defekte von kanalikulären Exportpumpen be- stehen beim Dubin-Johnson-Syndrom (MRP), Bylers-Syndrom mit normaler Gamma-Glutamyltranspeptidase (GGT), (SPGP) und By- lers-Syndrom mit hoher GGT (MDR 3). Weitere mögliche Ursachen der Cholestase, die aber seltener eine Rolle spielen oder weniger be- deutend sind, sind Enzymdefekte der Leberzelle, eine gestörte Auf- nahme in oder ein gestörter Transport durch die Hepatozyten.

Grafik

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im Leberläppchen) und die soge- nannte „cholate stasis“ (hydropische Schwellung periportaler Hepato- zyten). Diese Schäden sind durch Zy- tolyse bedingt und werden vorzugs- weise bei hohen Gallensäurenkon- zentrationen wie bei extrahepati- scher Cholestase beobachtet. Neuer- dings wurde erkannt, daß Gallensäu- ren nicht nur durch Zytolyse die He-

patozyten schädigen können, son- dern auch durch Apoptose, also durch programmierten Zelltod, der durch ein Schrumpfen der Zelle und Kernkondensation gekennzeichnet ist. Da die Zellschädigung durch Apoptose bereits bei gering erhöhten Gallensäurenkonzentrationen nach- weisbar ist, kann angenommen wer- den, daß bei den meisten Patienten mit mäßig ausgeprägter Cholestase die Hepatozytenschädigung durch Apoptose die größere Rolle spielt.

Ursodesoxycholsäure (UDCA) ist eine atoxische Gallensäure, die die durch toxische Gallensäuren bedingte Zytolyse und Apoptose vermindert oder verhindert. UDCA verdrängt to-

xische Gallensäuren aus der entero- hepatischen Zirkulation und verän- dert somit das Gleichgewicht zwi- schen toxischen und atoxischen Gallensäuren zugunsten der atoxi- schen Gallensäuren. Weiter verdrängt UDCA sehr wahrscheinlich toxische Gallensäuren von Rezeptoren, wo die- se Zellschäden induzieren. Zahlreiche experimentelle Untersuchungen legen

den Schluß nahe, daß UDCA bei allen jenen Lebererkrankungen wirksam ist, bei denen Gallensäuren ursächlich eine Rolle spielen. Dies sind vor allem die Erkankungen, bei denen die Cho- lestase im Vordergrund steht.

Primär biliäre Zirrhose

Die Wirksamkeit einer Behand- lung mit UDCA ist am besten belegt bei der primär biliären Zirrhose (PBC) (Tabelle 1). Die PBC ist cha- rakterisiert durch eine progressive Destruktion der kleinen Gallengän- ge. Somit gehört die PBC zu den Er- krankungen, die durch frühes Auf-

treten einer Cholestase charakteri- siert sind. Im Frühstadium sind oft nur die alkalische Phosphatase (AP) und Gamma-Glutamyltranspeptida- se (GGT) erhöht, das Serumbilirubin steigt erst in fortgeschrittenen Stadi- en an. Die Diagnose wird durch den Nachweis antimitochondrialer Anti- körper (AMA) gesichert, die in 95 Prozent positiv sind. Typisch ist wei- ter die Erhöhung des IgM. Betroffen sind vorzugsweise Frauen mittleren Alters. Die PBC wird zu den Au- toimmunerkrankungen gerechnet, die genaue Ursache ist jedoch letzt- lich nicht geklärt. Die Erkrankung ist häufig mit anderen Immunerkran- kungen wie Thyreoiditis, Sicca-Syn- drom, Arthritis assoziiert. Die im- munsuppressive Behandlung ist nicht erfolgreich. In allen kontrollierten Studien führte UDCA zu einer schnellen Besserung der Leberwerte.

In der Mehrzahl der Studien besserte sich auch die Leberhistologie.

Auch die Metaanalyse der bisher publizierten Studien zeigt eine signifi- kante Besserung der Leberhistologie nach Behandlung mit UDCA.

In der franko-kanadischen Stu- die von Poupon führte UDCA zu ei- nem signifikant verbesserten Überle- ben ohne Transplantation. Die kana- dische Studie (Heathcote) und die US-Studie (Lindor) ergaben primär kein signifikant verbessertes Überle- ben im Vergleich zu Plazebo. Die ge- meinsame Auswertung der genann- ten drei Studien mit mehr als 549 Pa- tienten führte jetzt zu dem Ergebnis, daß UDCA das Überleben signifi- kant verbessert.

Von besonderer Wichtigkeit er- scheint die Beobachtung, daß eine zweijährige Behandlung mit Plazebo noch in der Folgezeit zu einer signifi- kant höheren Transplantationsrate führte, obwohl danach alle Patienten UDCA erhielten. Dies bedeutet, daß eine zu späte Diagnosestellung und verspätete Behandlung dazu führen, daß das Überleben ohne Transplan- tation signifikant vermindert ist.

Dies zeigt die Notwendigkeit, die Diagnose früh zu stellen, und dies gelingt nur, wenn bei allen unklaren Fällen von erhöhter AP und GGT das Serum auf AMA untersucht wird. Im Endstadium der PBC bleibt als einzig wirksame Behandlung die Tabelle 1

Ursodesoxycholsäure bei primär biliärer Zirrhose: kontrollierte Studien

Autor N AP, GGT, Bilirubin Histologie

Jahr SGPT, SGOT

Leuschner 20 gebessert ? n.s.1

1989 (4)

Oka 55 gebessert unverändert ?

1990 (9)

Poupon 146 gebessert gebessert gebessert

1991, 1994 (10, 11)

Lindor 178 gebessert gebessert unverändert2

1994, 1996 (5, 6)

Heathcote 222 gebessert gebessert gebessert

1994 (3)

Turner 46 gebessert gebessert n.s.

1994 (14)

Combes 149 gebessert gebessert3 gebessert3

1995 (2)

1 günstiger Effekt, nicht signifikant

2 Studie wurde aus ethischen Gründen vorzeitig beendet

3 nur bei Patienten mit Serumbilirubin unter 2 mg/dl

AP: alkalische Phosphatase; GGT: Gamma-Glutamyltranspeptidase;

SGPT: Serumglutamatpyruvat-Transaminase; SGOT: Serumglutamatoxalazetat-Transaminase

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Lebertransplantation, wobei nach der europäischen Statistik von 1996 nach fünf Jahren 76 Prozent der Transplantierten überlebten. Auch wenn diese Zahlen weiter verbessert werden, so ist es doch evident, daß eine effektive medizinische Behand- lung für diese Erkrankung notwen- dig ist.

Die UDCA-Behandlung muß dauerhaft durchgeführt werden, wo- bei 15 mg/kg täglich verabreicht wer- den sollten. Bei starkem Juckreiz kann Cholestyramin gegeben wer- den, wobei unbedingt darauf geach- tet werden sollte, daß es zeitlich zwei bis drei Stunden versetzt zur UDCA gegeben wird, da UDCA durch den Anionen-Austauscher gebunden und damit unwirksam wird. Wir bevorzu- gen es, wenn es irgend möglich ist, auf Cholestyramin zu verzichten.

Wegen der bei PBC deutlich erhöh- ten Gefahr der Osteoporose sollten Patienten zusätzlich mit Ca2+, Vita- min D und Biphosphonaten und postmenopausal mit Hormonpräpa- raten behandelt werden.

Durch die Behandlung mit Pred- nison oder Azathioprin zusätzlich zur UDCA sollen die Behandlungser- gebnisse noch verbessert werden können. Die Fallzahlen sind bislang gering, und der endgültige Stellen- wert der zusätzlichen Behandlung mit immunsuppressiven Substanzen ist nicht definitiv gesichert. Eine Ausnahme bilden Patienten mit ei- nem sogenannten Überlappungssyn- drom von PBC mit der Autoimmun- hepatitis. Hierbei handelt es sich um Patienten mit dem histologischen Bild der PBC, eventuell mit Über- gang zur Autoimmunhepatitis, posi- tiven oder eventuell negativen AMA und positiven ANA (antinukleären Antikörper). Bei diesen Patienten sollte kombiniert mit UDCA und Prednison (10 mg/d) und/oder Aza- thioprin (50 bis 100 mg/d) behandelt werden.

Primär sklerosierende Cholangitis

Die primär sklerosierende Cho- langitis (PSC) gehört zu den klassi- schen cholestatischen Erkrankungen.

Wie die PBC ist auch die PSC durch ei-

ne fortschreitende Destruktion und Obliteration der kleinen Gallengänge charakterisiert, wobei zusätzlich ein Verschluß der großen Gallengänge entstehen kann. Im Frühstadium sind oft nur die AP und GGT erhöht, und das Serumbilirubin steigt erst in fortge- schrittenen Stadien an. Die Diagnose wird durch die ERCP (endoskopisch retrograde Cholangio-Pankreatiko-

graphie) gesichert, die ein perlschnur- artiges Aussehen der intra- und/oder extrahepatischen Gallengänge zeigt.

Bevorzugt betroffen sind junge Män- ner mit entzündlichen Darmerkran- kungen. Etwa 5 bis 10 Prozent der Pati- enten mit Colitis haben eine PSC, und 90 Prozent der Patienten mit PSC ha- ben eine Colitis ulcerosa. Es wird eine autoimmune Genese diskutiert, die Ursache der Erkrankung ist aber letzt- lich unklar. Die immunsuppressive Be- handlung ist nicht erfolgreich. In allen kontrollierten Studien (Tabelle 2)führ- te UDCA zu einer schnellen Besse- rung der Leberwerte. In drei von vier Studien besserte sich nach UDCA auch die Leberhistologie. Durch UDCA kann die Entwicklung domi- nanter Stenosen großer Gallengänge nicht verhindert werden. Diese erfor- dern die endoskopische Behandlung durch Aufdehnung und eventuell kurzfristig auch den Einsatz von Pla- stikstents.

UDCA sollte in einer Dosis von 15 mg/kg verabreicht werden. Gerin- gere Dosen waren weniger wirksam.

Das Überleben ohne Transplantation war in einer Studie, in der die endo- skopische Aufdehnung großer Gal- lengänge keine Rolle spielte, nicht verbessert. Im Gegensatz hierzu konnte in einer weiteren Studie, in der Stenosen großer Gallengänge prinzipiell endoskopisch behandelt wurden, eine signifikante Verbesse- rung des Überlebens ohne Transplan-

tation gesichert werden. Im Endstadi- um bleibt nur die Transplantation, wobei nach der europäischen Stati- stik von 1996 nach fünf Jahren 72 Pro- zent der Transplantierten überlebten.

Es ist zu erwarten, daß diese Zahlen weiter verbessert werden. Trotzdem erscheint eine effektive medizinische Behandlung sinnvoll und notwendig.

Ein großes Problem besteht in der Entwicklung von Gallengangs- karzinomen. Die Zahlenangaben über deren Häufigkeit sind sehr un- terschiedlich. In einer großen skandi- navischen Studie konnte zuletzt ge- zeigt werden, daß insgesamt acht Prozent der Patienten mit einem Gal- lengangskarzinom rechnen müssen, wobei bei den Patienten, die verster- ben oder zur Transplantation kom- men, in 30 Prozent ein Gallengangs- karzinom vorliegt. Wichtig ist weiter- hin, daß die Patienten mit Colitis ul- cerosa ein dreifach höheres Risiko haben, ein Dickdarmkarzinom zu entwickeln, als Patienten mit Colitis ohne PSC. Deshalb ist bei diesen Pa- tienten eine regelmäßige Untersu- A-768 (40) Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 12, 26. März 1999

Tabelle 2

Ursodesoxycholsäure bei primär sklerosierender Cholangitis: Kontrollierte Studien

Autor N AP, GGT, Bilirubin Histologie

Jahr ALT, AST

Stiehl 20 gebessert n.s. gebessert1

1989, 1994 (12, 13)

Beuers 14 gebessert gebessert gebessert

1992 (1)

Lindor 105 gebessert gebessert –

1997 (7)

Mitchell 24 gebessert gebessert gebessert

1997 (8)

1 günstiger Effekt im Vergleich zur Histologie vor Behandlung AP: alkalische Phosphatase; GGT: Gamma-Glutamyltranspeptidase;

ALT: Alaninaminotransferase; AST: Aspantataminotransferase

(4)

chung des Dickdarms erforderlich, und die Indikation zur Kolektomie sollte rechtzeitig gestellt werden.

Schwangeren-Cholestase

Die Schwangeren-Cholestase tritt im letzten Trimester der Schwan- gerschaft auf und wird vor allem in Skandinavien und in Chile beobach- tet. Typisch sind Juckreiz und Ikterus mit erhöhter AP und GGT. Die Ursa- che ist letztlich unklar, wobei Störun- gen im Progesteronmetabolismus nachgewiesen wurden. In einer pla- zebokontrollierten Studie führte die Behandlung mit UDCA zu einer schnellen Besserung von Juckreiz und Ikterus und einer Verminderung der Frühgeburten. Zusätzlich besser- ten sich unter UDCA die Leberwer- te. Ein Absetzen der UDCA führt zum Rückfall, weshalb die Behand- lung bis zur Entbindung empfohlen wird.

Hepatitis

Bei Patienten mit chronischer Hepatitis B oder C konnte durch UDCA eine Besserung der Leber- werte, nicht aber der Histologie er- reicht werden. Derzeit konzentriert sich das Interesse darauf, durch Kom- binationsbehandlung mit UDCA und Interferon alpha eine bessere An- sprechrate oder verlängerte rückfall- freie Zeit zu erreichen. Mehrere Stu- dien sprechen für einen solchen Ein- fluß der UDCA, andere sehen aber keine gesicherte Wirkung. Deshalb sollte UDCA bei dieser Indikation nur in klinischen Studien eingesetzt werden. Auch bei der Alkoholhepa- titis und der Fettleber wurden günsti- ge Effekte der UDCA beschrieben, wobei auch hier eine Bestätigung noch aussteht.

UDCA bei Kindern mit Cholestase

Bei Kindern mit biliärer Atre- sie und Kasai-Operation bewirkt UDCA eine Besserung von Juckreiz und Leberwerten. Ähnliche Ergeb- nisse wurden auch beim Alagille-

Syndrom (Verminderung der Gal- lengänge in Portalfeldern und multi- ple kongenitale Anomalien) und By- lers-Syndrom (progressive familiäre Cholestase mit Verminderung der Gallengänge in den Portalfeldern) berichtet, wobei in 80 Prozent eine Besserung des Juckreizes eintrat.

Von besonderem Interesse sind neue Untersuchungen bei Kindern

mit Bylers-Syndrom, bei denen Stö- rungen in kanalikulären Exportpum- pen nachgewiesen werden konnten.

Es gibt drei verschiedene Transpor- terdefekte (PFIC-1, -2, -3), wobei die Exkretionsstörung bei PFIC-2 und PFIC-3 genauer geklärt werden konnte. Bei den Kindern mit hoher GGT (PFIC-3) fehlt der Phospholi- pid-Transporter (MDR 3) in der ka- Tabelle 3

Intrahepatische Cholestase

Ursache Behandlung

mit Gallensäuren Hepatitis, Zirrhose

Viren, UDCA?

Leptospiren, Bakterien (Cholangio-Hepatitis), –

Autoimmun, –

Zustand nach Lebertransplantation, UDCA

Toxisch-allergisch (Alkohol, Medikamente, usw.), – Metabolisch (Fe++, Cu++, Sexualhormone, usw.), –

Total parenterale Ernährung UDCA

Progressive Destruktion oder Hypoplasie der Gallengänge

Primär biliäre Zirrhose (PBC), UDCA

Primär sklerosierende Cholangitis (PSC), UDCA

„Vanishing Bile Duct“-Syndrom, UDCA?

Idiopathische Duktopenie des Erwachsenen, UDCA?

Biliäre Atresie, UDCA

Bylers Disease (familiäre progressive Cholestase, PFIC-1-3), UDCA

Alagille-Syndrom UDCA

Vaskulär

Ischämie, –

Budd-Chiari-Syndrom –

Funktionelle (idiopathische) Cholestase

Schwangeren-Cholestase, UDCA

Intermittierende Cholestase (Summerskill-Tygstrup) UDCA?

Sekretionsstörung durch Mangel an Exportpumpen

CFTR: Cholestase bei zystischer Fribrose, UDCA

MRP (MOAT): Dubin-Johnson-Syndrom, –

MDR 3: „Bylers-Syndrom“ mit hoher GGT (PFIC-3), UDCA SPGP: „Bylers-Syndrom“ mit normaler GGT (PFIC-2), UDCA?

P-Typ AT Pase: „Bylers-Syndrom“ mit normaler GGT (PFIC-1) UDCA?

Gallensäuren-Synthesestörung durch Enzymdefekte

Zellweger-Syndrom, –

Cerebrotendinöse Xanthomatose (CTX), CDCA

Mangel an Enzymen der Gallensäurensynthese, CA, CDCA (3βHydroxysteroid-Dehydrogenase/Isomerase,

∆4–3 Oxosteroid 5β-Reduktase, Oxysterol-7α- Hydroxylase, Trihydroxycholestansäure-CoA-Oxidase, Gallensäuren-CoA-Ligase)

UDCA: Ursodesoxycholsäure; CDCA: Chenodesoxycholsäure; CA: Cholsäure;

CFTR: Cystic fibrosis transmembrane regulator; MRP: Multi-drug-resistance-associated- protein; GGT: Gamma-Glutamyltranspeptidase; MOAT: Multi-organic-anion-transporter;

MDR: Multi-drug-resistance-protein ; SPGP: Sister P-glycoprotein; PFIC: progressive familiäre intrahepatische Cholestase

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nalikulären Membran des Hepato- zyten. Für biliär ausgeschiedene Gal- lensäuren besteht deshalb ein Man- gel an Phospholipiden zur Bildung gemischter Micellen, und folglich schädigen die Gallensäuren die He- patozyten. Es handelt sich um eine gallensäureninduzierte Leberschädi- gung, die durch UDCA gut behan- delt werden kann. Beim Bylers-Syn- drom mit normaler GGT (PFIC-2) besteht ein Defekt des SPGP (Ex- portpumpe für Gallensäuren). Die- se Erkrankung kann ebenfalls mit UDCA behandelt werden, wobei die Erfolge scheinbar nicht ganz so gut sind wie beim Bylers-Syndrom mit hoher GGT.

Bei Kindern mit zystischer Fibro- se besteht eine Störung des CFTR (cy- stic fibrosis transmembrane regula- tor), der für die biliäre Sekretion von C1-erforderlich ist. Die Folge ist eine Eindickung der Galle mit Obstrukti- on durch Gallethromben und nachfol- gender Leberschädigung. Bei Kin- dern mit zystischer Fibrose und chole- statischer Lebererkrankung führt UDCA zu einer verbesserten biliären Sekretion gallenpflichtiger Moleküle und einer Verbesserung der Leber- werte. Außerdem nahm das Körper- gewicht der Kinder zu. Die erforderli- che Dosierung der UDCA bei diesen Kindern ist mit 15 bis 20 mg/kg höher als bei Erwachsenen. Ob das Überle- ben dieser Kinder verlängert werden kann, ist unklar, da länger dauernde kontrollierte Studien nicht vorliegen und nach dem derzeitigen Stand kaum vertretbar sind.

Nach länger dauernder total parenteraler Ernährung von Kindern wird häufig eine Cholestase beobach- tet, die durch UDCA verhindert wer- den kann. Das Absetzen der UDCA führte zur erneuten Cholestase. Glei- che Ergebnise wurden in tierexperie- mentellen Studien erzielt.

Bei Neugeborenen werden neu- erdings konatale Formen der Chole- stase erkannt, die durch ein Fehlen von Enzymen der Gallensäuren-Syn- these bedingt sind. Die Anhäufung von Vorstufen der Gallensäuren führt zu vielfältigen systemischen Schäden und der Mangel an Gallensäuren zur Cholestase. Bei diesen Kindern feh- len in der Galle die Gallensäuren, und die Behandlung erfolgt mit

primären Gallensäuren wie beispiels- weise Cholsäure (Tabelle 3). Hier- durch wird erreicht, daß die Bildung von teilweise toxischen Intermediär- produkten der Gallensäurensynthese abnimmt und gleichzeitig die biliäre Sekretion verbessert wird.

Organtransplantation

Nach Lebertransplantation wird unter UDCA eine Besserung der Le- berwerte beobachtet. Die primäre Abstoßungsrate wurde mit UDCA (600 mg/d) in den ersten zwei Mona- ten nach Transplantation nicht beein- flußt. In einer neueren plazebokon- trollierten Studie verminderte UDCA in einer Dosis von 1 000 mg/d jedoch die Zahl der Abstoßungsrezidive in den ersten zwei Jahren nach Trans- plantation signifikant und verbesserte auch die Überlebensrate der Patien- ten. Insofern ist nach heutigem Kenntnisstand eine UDCA-Behand- lung von Patienten nach Lebertrans- plantation sinnvoll, wobei eine ausrei- chende Dosis notwendig ist.

Fazit

UDCA ist wahrscheinlich prinzi- piell bei durch Gallensäuren indu- zierten hepatozellulären Schäden wirksam. Dies bedeutet, daß UDCA vor allem bei cholestatischen Erkran- kungen wirksam ist (Tabelle 3). Da es sich um eine symptomatische Be- handlung handelt, ist eine Dauerbe- handlung erforderlich. Die erforder- liche Dosis wurde in den letzten Jah- ren leicht nach oben korrigiert (15 mg/kg/d), wobei bei Kindern mit zy- stischer Fibrose die erforderliche Dosis noch höher liegt (15 bis 20 mg/kg/d). Geringere Dosen waren in mehreren Studien weniger wirksam.

Grund hierfür ist die Tatsache, daß bei der Cholestase die UDCA ver- mindert absorbiert wird. Nebenwir- kungen sind nicht bekannt, so daß ei- ne frühzeitige und dauerhafte Be- handlung empfohlen werden kann.

Zitierweise dieses Beitrags:

Dt Ärztebl 1999; 96: A-764–770 [Heft 12]

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Anschrift des Verfassers Prof. Dr. med. Adolf Stiehl Medizinische Universitätsklinik Heidelberg

Bergheimer Straße 58 69115 Heidelberg A-770 (42) Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 12, 26. März 1999

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