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Archiv "Erkrankungen der Niere (5) – Nierenbiopsie Indikation und Aussagekraft" (02.05.1991)

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Eckehard Renner

DEUTSCHES

VIA grij 11 I [im

ARZTEBLATT

Erkrankungen der Niere (5)

Nierenbiopsie Indikation und Aussagekraft

D

ie histologische Unter- suchung von Biopsie- material hat die Mög- lichkeiten der Diagno- sestellung und der Therapie bei vielen Erkrankungen, insbesondere auf internistischem Fachgebiet, einen großen Schritt vorwärts gebracht. Bei der Niere wa- ren es Iversen und Brun 1951, die die entscheidenden Schritte für die Ent- wicklung der feingeweblichen Unter- suchungsverfahren im Frühstadium von Nierenerkrankungen erarbeite- ten. Von Anfang an und auch heute sind dabei Glomerulonephritiden (GN) Schwerpunkt der Untersu- chungsindikation. Andere Nierenpa- renchymerkrankungen haben hier geringere Bedeutung, da sie, obwohl über das gesamte Organ verteilt, fo- kal sehr unterschiedlich schwer aus- geprägt sind (zum Beispiel Pyelo- nephritis), oder da aus dem histolo- gischen Befund bislang keine über die klinischen Diagnosemöglichkei- ten hinausgehenden weiteren Diffe- renzierungsmöglichkeiten resultie- ren (zum Beispiel akute oder chroni- sche interstitielle Nephritits).

Bei der Glomerulonephritis da- gegen verdanken wir der feingeweb- lichen bioptischen Untersuchung praktisch unser gesamtes heutiges Wissen über die einzelnen Verlaufs- formen. In der Vor-Biopsie-Ära be- stand im wesentlichen nur die Mög- lichkeit der postmortalen Untersu- chung von Endstadien in Urämie nach chronisch langsamem Fort- Medizinische Klinik I (Leiter: Prof. Dr. med.

Eckehard Renner), Städtische Krankenan- stalten Köln-Merheim

Die Nierenbiopsie ist dem Stadi- um des Befundesammelns ent- wachsen. Die Indikationsstellung ist enger geworden: Unmittelbare Therapieentscheidungshilfe und die Prognose im individuellen Krankheitsfall sind das Untersu- chungsziel. Hauptindikation sind nephrotisches Syndrom und rasch fortschreitende Niereninsuffizienz.

Sichere Technik und Beachtung der Kontraindikationen vorausge- setzt, ist die Nierenbiopsie heute eine komplikationsarme, diagno- stisch unverzichtbare Methode.

schreiten zur Schrumpfniere oder nach dem Tod durch Komplikatio- nen bei akuter Glomerulonephritis.

Die Vielfalt der morphologi- schen Veränderungen an den einzel- nen Gewebsstrukturen der Glomeru-

li und begleitend auch der anderen Parenchymanteile führte anfangs zu einer Vielzahl variierender Namen- gebungen, je nachdem welche Ver- änderung der Untersucher für be- sonders bedeutsam hielt. Das hat

nicht gerade zum Verständnis beige- tragen. Heute hat man sich im allge- meinen auf Einteilung und Termino- logie geeinigt (Tabelle 1), wobei von einzelnen Untersuchern noch weite- re Sonderformen und Untergruppen abgegrenzt werden.

Nachdem in den ersten Jahr- zehnten der jetzt vierzig Jahre wäh- renden Biopsie-Ara eine große An- zahl von Punktionen aus diagnosti- schen Gründen und zur Feststellung der morphologischen Verlaufsform ausgeführt wurden, haben sich in den letzten Jahren zunehmend strengere Indikationen herausge- schält, die sich auf dem Boden der langen und umfangreichen Erfah- rungen im wesentlichen an mögli- chen therapeutischen Konsequenzen des histologischen Befundes im Ein- zelfall orientieren oder prognosti- sche Aussagen im konkreten Erkran- kungsfall zum Ziel haben.

Indikationen

Die Artdiagnose „Glomerulä- re Erkrankung" bei pathologischen Nieren-, insbesondere Harnbefun- den ist heute durch eine konsequent eingesetzte präzise Urindiagnostik auch ohne histologischen Befund möglich (siehe dazu Beitrag Weber, Deutsches Ärzteblatt 87, 31/32, 1990). Die Biopsieindikation richtet sich daher nach klinischen Befunden bei diagnostizierter glomerulärer Er- krankungen, nach welchen vermutet werden

kann, daß das Biopsieergeb-

nis

eine unmittelbare Entschei- dungshilfe zur Therapie liefert oder von besonderer Bedeutung für den Dt. Ärztebl. 88, Heft 18, 2. Mai 1991 (57) A-1581

(2)

Tabelle 1: Glomerulonephritis-Verlaufsformen 1. endokapillär proliferative Glomerulonephritis

(akute, postinfektiöse, exsudativ-proliferative GN) 2. mesangioproliferative Glomerulonephritis

(einschließlich IgA-Nephritis

3. intra-extrakapillär proliferative Glomerulonephritis

(mesangioproliferative GN mit diffuser Halbmondbildung, klinisch rapid progressive GN)

4 membranproliferative Glomerulonephritis (Typ I-1II)

5. membranöse Glomerulonephritis (Stadium I-IV)

6. minimal proliferative Glomerulonephritis (minimal changes nephrosis)

7. fokal segmental sklerosierende Glomerulonephritis Kranken ist. Eine Zusammenstel-

lung solcher Befunde oder Befund- kombinationen und die danach zu treffenden Entscheidungen über die weitere Abklärung und Therapie fin- den sich in Tabelle 2. Abgesehen von Sonderindikationen, die sich aus Ge- sichtspunkten zu einem individuellen Krankheitsfall ergeben können, sind folgende Biopsieindikationen heute allgemein akzeptiert:

1. Das nephrotische Syndrom

Glomerulonephritiden mit gro- ßer Proteinurie, das heißt einer Ei- weißausscheidung von mehr als drei Gramm in 24 Stunden, haben eine schlechtere Prognose als Erkrankun- gen gleicher histologischer Verlaufs- form, aber mit geringerer Eiweißaus- scheidung. Ursächlich hierfür sind einmal Komplikationsmöglichkeiten durch Gerinnungsstörungen oder Folgen des Eiweißmangels, zum an- deren handelt es sich bei den Ver- laufsformen mit großer Proteinurie wohl aber auch um die schweren Er- krankungen. Rascheres Fortschrei- ten zum Terminalstadium oder Tod sind bei diesen Krankheitsfällen häufig dokumentiert.

Bei glomerulären Erkrankungen mit großer Proteinurie werden daher häufiger medikamentöse Therapie- versuche unternommen Bei Erwach- senen ist wegen der schlechteren Prognose im Vergleich zu Kindern ein Therapieversuch nur in Kenntnis des histologischen Befundes gerecht- fertigt. Das nephrotische Syndrom zählt daher zu den unbestrittenen Biopsieindikationen. Die Grenze zur

„großen Proteinurie" wird unter- schiedlich von drei bis fünf Gramm Eiweiß je 24 Stunden definiert. Im- mer aber ist die Biopsie indiziert, wenn die Eiweißverluste so umfang- reich sind, daß Blutveränderungen (Hypoproteinämie, Dysproteinämie, Hyperlipidämie) und Odeme auftre- ten. Überwiegend findet man in die- ser Situation eine der Glomerulo- nephritis-Formen, die in Tabelle 1 unter 4 bis 7 aufgelistet sind.

Gelegentlich verursacht auch die mesangioproliferative Glomeru- lonephritis einschließlich der IgA-

Nephritits ein nephrotisches Syn- drom, insbesondere bei Jugendli- chen. Die Festlegung des Schwere- grades bei membranöser GN (I bis IV) oder des Ausmaßes der sklero- sierenden Veränderungen bei der fo- kal sklerosierenden GN, schließlich auch der chronisch sklerosierenden Läsionen bei mesangioproliferativer GN läßt Schlüsse auf das Anspre- chen eventueller Therapiemaßnah- men zu sowie auch auf die Prognose der Erkrankung. Besonderheiten, wie ein nephrotisches Syndrom im Rahmen einer Amyloidose, als para- neoplastisches Syndrom bei verschie- denen Tumoren oder hämatologi- schen Erkrankungen, als renale Be- teiligung beim multiplen Myelom oder als seltene glomeruläre Manife- station einer Sarkoidose, müssen durch sorgfältige Voruntersuchung so weit wie möglich ausgeschlossen oder diagnostiziert werden.

2. Rapidprogressive Niereninsuffizienz

Der klinisch rasch fortschreiten- den Niereninsuffizienz können un- terschiedliche Krankheiten zugrun- de liegen. Akutes Nierenversagen, akute interstitielle Nephritis oder akute Niereninsuffizienz bei Myelom sind in der Regel durch Anamnese und exakte Urinuntersuchungen von

glomerulären Erkrankungen zu un- terscheiden. Bei Verdacht auf Glo- merulonephritis mit rasch fortschrei- tender Niereninsuffizienz ist eine Bi- opsie immer so früh wie möglich in- diziert. Hierbei ergibt sich die wich- tigste Differentialdiagnose zwischen einer schwer verlaufenden akuten postinfektiösen (endokapillär-proli- ferativen GN, Nr. 1 in Tabelle 1) Glo- merulonephritis, die trotz oligoanu- rischen Verlaufes eine relativ gute Prognose hat, und der rapidprogres- siven Glomerulonephritis (intra/ex- trakapillär proliferative GN mit dif- fusen Halbmondbildungen, Nr. 3 in Tabelle 1).

Diese klinisch rapid progressive Glomerulonephritis führt unbehan- delt in über 90 Prozent innerhalb von Tagen bis Wochen zur terminalen Niereninsuffizienz und kann bei früh begonnener kombinierter immun- suppressiver oder zytostatischer Therapie eventuell in Kombination mit Plasmapherese in hohem Pro- zentsatz (zirka 70 Prozent) in zumin- dest mehrjährige Teilremission oh- ne Dialysebedürftigkeit übergehen.

Deshalb gilt es hier rasch zu han- deln. Selbst die grenzwertig begin- nende Niereninsuffizienz bei akuter Glomerulonephritis sollte so rasch wie möglich eine Biopsie veranlas- sen. Je früher die Therapie beginnt, desto mehr erhaltene Nephrone er- möglichen die spätere Teilremission. I>

A-1582 (58) Dt. Ärztebl. 88, Heft 18, 2. Mai 1991

(3)

CKr SKr RR C3

= erniedrigt

= erhöht

= normal/erhöht

= erniedrigt

CKr SKr RR NS

= normal oder ernied- rigt

= normal oder erhöht

= normal/erhöht

= positiv/negativ

Tabelle 2: Klinische Befunde als Grundlage zur Entscheidung zu Biopsie und Therapie bei glomerulären Nie- renerkrankungen (nach Renner, E., Glomeruläre Erkrankungen, in: Therapie Innerer Krankheiten. G. Riecker ed. Springer, Berlin 1988)

Klinik

1 Akute Erkrankung, zuverlässige Ana- mnese, vorausge- gangener Infekt 2

3 Klinische Sympto- me, z. B. Ödeme, Urinschäumen, Ab- geschlagenheit, Rückenschmerzen, Hypertonie, Beginn und Anamnese un- sicher

Befunde

CKr = normal RR = normoton ASL = erhöht/normal C3 = rasch normalisiert

CKr = normal RR = normal/erhöht Proteinurie > 3 g/24 h NS = positiv (Hypopro-

teinämie, Dyspro- teinämie, Ödeme)

wie 3.

Verlauf bzw. Stadium weni- ger aktiv

wie 3.

fortgeschritteneres Stadium

a) IgA-Nephritis b) membranoprolif. GN c) akute postinfektiöse (hä-

morrhagische) GN

Nach Ausschluß von Sy- stemerkrankungen Biopsie allenfalls relativ indiziert.

Bei geringer Aktivität meist therapierefraktär. Kontrol- len 1/4jährl. Bei Progredienz Biopsie und spezielle The- rapie

Nach Ausschluß von Sy- stemerkrankungen Biopsie allenfalls relativ indiz. Bei stabilem Verlauf: Kontrol- len

Bei rascher Progredienz: Bi- opsie, Therapieversuch Biopsie!

a + c symptomatische The- rapie

b spezielle Therapie 5

4

6 Makrohämaturie

7 Petechien, Haut- nekrosen, Gelenk- schmerzen, Hämop- toe, Skleritis

GN bei Systemerkrankung Biopsie!

Spezielle Therapie unab- hängig vom renalen Krank- heitsstadium

a) mesangioprolif. GN b) hereditäre Nephropathie c) Nephrosklerose (Diabe-

tes)

d) sehr selten b, c, d und f aus Spalte 3

Biopsie in der Regel nicht indiziert. Prozeß weitge- hend zur Ruhe gekommen.

Urinrestbefunde. Keine spezielle Therapie. Kontrol- len. Bei Aktivierung (Prote- inurie, Cl(r) Biopsie 8 Klinisch symptom-

los, Urinbefunde zu- fällig entdeckt

CKr = normal SKr = normal RR = normal NS = negativ Komplemente = normal

9 Beginnende Nieren- insuffizienz-Sym- ptome, langer Ver- lauf bekannt

CKr = stark erniedrigt SKr = > 3 mg/dl RR = erhöht Nierengröße reduziert (sonographisch)

Chronisch sklerosierende GN mit interstitieller Fibrose

Keine Biopsie mehr. Spezi- elle Therapie wirkungslos.

Evtl. Systemerkrankung ausschließen

Symbole: CKr = Kreatininclearance; SKr = Serum atinin; NS = nephrotisches Syndrom; C3 = Komplement C3; GN = Glomerulonephritis Verdachtsdiagnose

Akute, postinfektiöse GN

a) Schwere postinfektiöse GN

b) rapid progressive GN

Therapie

Biopsie!

a) symptomatisch b) spezielle Therapie Symptomatisch, häufige Kontrollen

CKr = normal RR = normal/erhöht Proteinurie < 2 g/24 h NS = negativ Komplement = normal

CKr = erniedrigt SKr = > 2-3 mg/dl Proteinurie < 5 g/24 h NS = negativ

CKr = normal RR = normal/erhöht

a) minimal prolif. GN b) fokal skleros. GN c) membranöse GN d) membranoprolif. GN e) mesangioprolif. GN

(Jugendliche) f) Systemerkrankungen

Biopsie!

a—f spezielle Therapie nach Ausschluß von Amyloidose, Plasmozytom, Tumorer- krankung (mit symptoma- tischer Immunkomplex- nephritis)

A-1584 (60) Dt. Ärztebl. 88, Heft 18, 2. Mai 1991

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3. Phasen rascherer Progredienz

Die Progression bei der in der Regel langsam fortschreitenden Nie- reninsuffizienz im Verlauf chroni- scher Glomerulonephritiden wird wahrscheinlich weniger von noch ab- laufenden Immunreaktionen und da- durch induzierten entzündlichen Veränderungen bestimmt, als durch Einwirkung mechanischer Faktoren durch Änderung der intraglomerulä- ren Hämodynamik (Transmembran- druck, Filtrationsdruck, Hyperfiltra- tion). Deshalb ist von Therapiever- suchen in diesem Stadium nicht mehr viel zu erhoffen, und Biopsien bei chronischer Glomerulonephritis mit Kreatininwerten von mehr als 2,5 bis 3 mg/dl Kreatinin sind in der Re- gel nicht mehr indiziert.

Ist aber im Verlauf einer chroni- schen Glomerulonephritis eine Pha- se rascherer Progredienz der Nieren- insuffizienz, ablesbar an Kreatinin- anstiegen von 0,5 bis 1 mg/Monat, zu beobachten, dann besteht die Mög- lichkeit, daß immunologisch beding- te Entzündungsvorgänge erneut ak- tiv und für den augenblicklichen Verlauf bestimmend geworden sind.

In dieser Situation kann deshalb ein medikamentöser Therapieversuch und damit auch die — eventuell wie- derholte — histologische Abklärung sinnvoll werden.

4. Systemerkrankungen

Kollagenosen und Vaskulitiden sind in zunehmendem Maße durch Antikörperbestimmung im Serum diagnostizierbar. Abgesehen von we- nigen charakteristischen Verände- rungen (zum Beispiel Drahtschlin- genphänomen bei LED) trägt der hi- stologische Befund aus Nierenbiop- siematerial häufig auch nicht zur Differentialdiagnose bei und be- stimmt damit auch nicht Art und Dauer der Therapie. Glomeruläre und extraglomeruläre Gewebsverän- derungen können aber häufig Aussa- gen über die Prognose ermöglichen, so daß hier die Biopsie überwiegend aus prognostischen Gründen indi- ziert ist. Bei unklaren Fällen von Sy-

stemerkrankungen ist die Biopsie selbst bei fortgeschrittener Nierenin- suffizienz noch sinnvoll, da immuno- logische Mechanismen bei diesen Erkrankungen auch im späteren Sta- dium noch wirksam sind und medi- kamentöse Therapieversuche auch bei erhöhtem Serumkreatinin unter- nommen werden müssen.

5. Transplantatbiopsie

Eine gesicherte, in diesem Zu- sammenhang aber nicht weiter zu besprechende Biopsieindikation er- gibt sich nach Nierentransplantation, wenn Art und Schweregrad einer Abstoßungsreaktion zu klären sind oder die Abstoßungsreaktion von Transplantatglomerulopathie oder wieder aufgetretener glomerulärer Grundkrankheit im Transplantat ab- gegrenzt werden muß.

Die Beurteilung einzelner ex- traglomerulärer Gewebsanteile kann zusätzliche Informationen liefern. So läßt sich die mehr oder weniger aus- geprägte interstitielle Fibrosierung und Tubulusatrophie als wichtiger Hinweis auf eine ungünstige Progno- se bewerten. Rundzellinfiltrate als Hinweis auf eine zellgebundene Im- munreaktion stützen die Entschei- dung zum Versuch einer Steroidbe- handlung. Größere Gefäße mit skle- rotischen Veränderungen oder vas- kulitischen Läsionen sind selten im Biopsiematerial enthalten, zumal man durch die Wahl des Punktions- ortes ja auch versucht, die Verlet- zung größerer Gefäße zu vermeiden.

Technik

Die Punktionstechnik wurde im Laufe der Jahre modifiziert, hat sich aber nicht grundlegend geändert.

Die zunächst bevorzugte Vim-Silver- man-Spaltnadel wurde zugunsten der weniger traumatisierenden Punktionsnadeln verlassen. Weit verbreitet ist die TruCut-Nadel der Firma Travenol. Uns hat sich am be- sten bewährt die Menghini-Technik mit der 1,2-mm-Nadel und einge- schliffenem Mandrin. Die Feinna- delbiopsie hat ihre Indikation, wenn es auf die Beurteilung einzelner Zel-

len oder Zellverbände ankommt Für die histologische Untersuchung mit Lichtmikroskopie und Immunhisto- logie aus einem Zylinder ist sie nicht geeignet. Die Niere wird mit Sono- graphie im Parallel-Scan lokalisiert und der Punktionsort in tiefer Inspi- ration dorsal markiert. Der Patient liegt in Bauchlage auf einer Rolle, die das Abdomen von ventral her komprimiert. Inspiration ist erfor- derlich, weil bei manchen Patienten der untere Nierenpol bei Inspiration nach seitwärts abweicht. Punktiert wird bevorzugt der untere Pol der linken Niere. Die Ultraschallunter- suchung in Punktionslage läßt die Lokalisation der Milz sicher zu und schließt deren Verletzung aus. An- dererseits beinhaltet die immer wie- der zu beobachtende Lage der Gal- lenblase ventral des rechten unteren Nierenpols ein nicht zu vermeiden- des Verletzungsrisiko. Deshalb wird die rechte Niere nur im Ausnahme- fall perkutan biopsiert.

Nach Lokalanästhesie wird mit sehr dünner Suchnadel die Entfer- nung zwischen Haut und Nierenober- fläche festgestellt und danach eine entsprechend lange Menghini-Nadel gewählt. Bei vorsichtiger Führung der Suchnadel zwischen Zeigefinger und Daumen läßt sich die Lokalisati- on der Nierenoberfläche an dem un- terschiedlichen Widerstand zwischen umgebender Fettkapsel und Nieren- gewebe gut feststellen. Die Verwen- dung eines Ultraschallpunktionskop- fes wurde wegen Unhandlichkeit auf- gegeben. Die Punktion aus dem frei- en Handgelenk mit der Menghini- Technik führt nach unserer Erfah- rung sicherer zum Ziel.

Nach sorgfältiger Lokalisation und Messung liegen Fehlpunktionen im Bereich von fünf Prozent. Meist sind anatomische Gegebenheiten da- für ursächlich, wenn zum Beispiel bei sehr asthenischem Habitus die Niere zu weit nach apikal verlagert ist und selbst mit maximaler Inspira- tion nicht weit genug unterhalb der 12. Rippe verlagert werden kann. Bei ausgeprägter Adipositas kann die Niere manchmal selbst mit der läng- sten Nadel nicht erreicht werden.

Selten gelingt es trotz normaler Lo- kalisation der Niere nicht, einen aus- reichenden Zylinder zu gewinnen. >

Dt. Ärztebl. 88, Heft 18, 2. Mai 1991 (63) A-1585

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Wichtig ist, daß die Spitze der Men- ghini-Nadel vor der eigentlichen Punktion sich außerhalb der Niere noch in der Fettkapsel befindet, da sonst oft nur Nierenmark gewonnen wird. Sicherheitshalber sollte der Pa- tient nach der Punktion bis zum nächsten Morgen strenge Bettruhe in Rückenlage einhalten.

Eine operative Freilegungsbiopsie wird nur im Falle ungünstiger anato- mischer Verhältnisse, nach erfolgter einmaliger oder mehrfacher Fehl- punktion und sicherheitshalber auch bei Einnierigkeit empfohlen. Eine Niereninsuffizienz auch im fortge- schrittenen Stadium (etwa bei rapid progressiver Glomerulanephritis) oder eine ausreichend eingestellte Hypertonie sehen wir nicht mehr als Kontraindikation gegen eine perku- tane Nierenbiopsie an. Die Kompli- kationsrate ist dabei nicht größer als allgemein bekannt.

Untersuchungs- verfahren

Eine Nierenbiopsie ist am aussa- gefähigsten, wenn Lichtmikroskopie, Immunhistologie und Elektronenmi- kroskopie am gleichen Material ein- gesetzt werden. Wenn irgend mög- lich, ist daher die Durchführung aller drei Untersuchungsverfahren grund- sätzlich anzustreben. Hier ergeben sich praktische Schwierigkeiten, da die Teilung des Zylinders bei Längs- teilung das Risiko von Gewebsquet- schungen und bei Querteilung das Risiko mit sich bringt, daß nur der eine Anteil aus Rindengewebe mit Glomeruli besteht. Bewährt hat sich die Entnahme eines kleinen glome- rulihaltigen Zylinderanteils unter dem Sichtmikroskop für die Elektro- nenmikroskopie. Zur Sicherstellung der beiden anderen Verfahren wer- den folgende Wege beschritten:

~ Einsendung des fixierten Zy- linders und Durchführung der Im- munhistologie sekundär aus dem Pa- raffinschnitt, oder Durchführung der Immunhistologie aus dem Gefrier- schnitt und sekundäre Fixierung des Zylinders nach Auftauen.

Uns hat sich die zweite Möglich- keit am besten bewährt, wobei das Verfahren aufwendig erscheint, zur

Routine geworden aber reibungslos läuft und durch optimale Ergebnisse, insbesondere der Immunhistologie, den Aufwand lohnt. Der Punktions- zylinder wird dabei von überflüssiger Kochsalzlösung befreit, auf ein vor- gefrorenes Lebergewebeblöckchen gebracht und eingeschweißt in ein Plastikfolienbriefchen in flüssigem Stickstoff sofort tiefgefroren und dann in gefrorenem Zustand zur immunhistologischen Untersuchung eingesandt. Nach Anfertigung von Gefrierschnitten in der gesamten Zy- linderlänge erfolgen das Auftauen, Fixieren und die weitere lichtmikro- skopische Untersuchung.

Komplikationen

Bei richtiger, strenger Indikati- onsstellung, bei Beachtung der Kon- traindikationen (Nierenrindenne- krose, hämorrhagische Diathese, Nierenmißbildung, anatomische Be- sonderheiten, zum Beispiel Kyphos- koliose) und richtiger Vorbereitung (Hämoglobin, Thrombozyten, PTT, Quick), sind ernste Komplikationen sehr selten.

Eine Nephrektomie wegen un- stillbarer Blutung wurde bei etwa 2500 Biopsien in 30 Jahren einmal erforderlich. Dabei handelte es sich um eine nicht erkannte komplette Nierenrindennekrose bei Anurie und Verdacht auf rapid progressive Glomerulonephritis. Die Notwendig- keit einer chirurgischen (perirena- les Hämatom durch Kapselgefäße) oder urologischen (Blasentampona- de oder Ureterenverlegung durch Koagula) Intervention liegt bei etwa 0,5 Prozent. Im gesamten Beobach- tungszeitraum kam es -vor Einfüh- rung der Sonographie bei noch be- vorzugt rechtsseitiger Punktion - zweimal zur Verletzung der Gallen- blase, die jedesmal sofortige Laparo- tomie und Cholezystektomie erfor- derte. Obwohl die Entstehung von AV-Fisteln unmittelbar nach Punk- tionen beschrieben wurde, sind kli- nisch feststellbare beziehungsweise symptomatische Fisteln nicht beob- achtet worden. Einmal war Pankre- asgewebe, einmal Kolonschleimhaut im Biopsat nachweisbar und bei rechtsseitiger Punktion mehrfach A-1586 (64) Dt. Ärztebl. 88, Heft 18, 2. Mai 1991

Lebergewebe. Diese Organverlet- zungen blieben alle symptomlos. Bei jetzt bevorzugt linksseitiger Punktion sind Organverletzungen nicht mehr beobachtet worden.

Weniger schwerwiegende Kom- plikationen sind häufiger. Makrohä- maturien werden in der Größenord- nung von drei bis fünf Prozent be- obachtet, weniger häufig als nach Li- teraturmitteilungen und eigenen Er- fahrungen mit traumatisierenderen Punktionsnadeln. Die sehr sorgfälti- ge Lokalisation des Punktionsortes im unteren Nierenpol hat Einfluß auf die Häufigkeit von Makrohäma- turien. In der Regel verlaufen Ma- krohämaturien symptomlos, sistieren meist innerhalb von 24 Stunden, können gelegentlich aber zwei bis drei Tage andauern. Erhöhte Flüs- sigkeitszufuhr und körperliche Scho- nung, etwas verlängerte Bettruhe als bei unkomplizierten Punktionen werden vorsichtshalber empfohlen.

Bei regelmäßiger sonographischer Kontrolle 24 Stunden nach der Punktion lassen sich Kapselhämato- me in bis zu 10 Prozent nachweisen.

Auch sie verlaufen in der Regel sym- ptomlos, verursachen aber gelegent- lich für einige Tage leichte dumpfe Schmerzen in der Nierenregion.

Sehr selten sind Interventionen oder Transfusionen nötig.

Perspektiven

Nach dem Eindruck des Klini- kers scheinen die Möglichkeiten der histologischen Differenzierung und Klassifizierung weitgehend ausge- schöpft, wenngleich immer wieder Befunde erhoben werden, die sich keiner der bekannten Verlaufsfor- men zuordnen lassen. Unbefriedi- gend ist, daß die Prognose im Einzel- fall selbst bei Einsatz aller histologi- scher Verfahren und auch bei Einbe- zug des Schweregrades glomerulärer Läsionen sowie auch morphologi- scher Veränderungen an anderen Gewebsanteilen zwar deutlich siche- rer als früher, aber noch nicht zuver- lässig genug zu stellen ist. Vor allem bleibt das Phänomen ungeklärt, daß in Einzelfällen Therapieversuche ein vom statistischen Verhalten bestimmter Verlaufsformen abwei-

(6)

chendes positives oder negatives Er- gebnis haben können. Das überläßt den Kliniker der Situation, insbeson- dere bei schwer verlaufenden Krank- heitsfällen immer wieder relativ ein- greifende Therapieversuche zu ma- chen, ohne sich dabei an zuverlässige und widerspruchsfreie Leitlinien hal- ten zu können. So wie derart anek- dotische Einzelerfahrungen kaum übertragbar sind, so sind ganz offen- sichtlich auch die Ergebnisse pro- spektiver kontrollierter Studien nicht für jeden Einzelfall gültig. Ursache hierfür ist unter anderem die Tatsa- che, daß die histologisch definierten Glomerulonephritis-Verlaufsformen auch noch keine einheitliche Erkran- kung darstellen. So kann das gleiche Antigen je nach gerade möglicher Immunantwort unterschiedliche morphologische Erscheinungsbilder

bewirken, und andererseits kann die gleiche morphologische Verände- rung durch unterschiedliche ätiologi- sche Faktoren hervorgerufen wer- den.

Weiterführen könnten immuno- logische und morphologische Ver- fahren zum Nachweis des die Er- krankung auslösenden Antigens, dessen Beseitigung in Frühstadien wirksamer als Antiphlogistika oder Immunsuppressiva die Folgen des Entzündungsvorganges beeinflussen könnte. Beispiele hierfür liefern die wenigen Glomerulonephritiserkran- kungen mit bekannter Ätiologie, zum Beispiel Glomerulonephritis im Rahmen von Infektionserkrankun- gen (Malaria), von chronischen In- fekten (membranproliferate GN bei Shuntinfektion) oder als Folge der Einwirkung von chemischen Sub-

stanzen (Medikamente). Die Beseiti- gung des Antigens bewirkt hier in der Regel eine komplette Remission.

Wenn es einmal möglich sein wird, die histologische Aussage bei der Nierenbiopsie um die Angabe des auslösenden Antigens zu ergän- zen, wird die Therapiemöglichkeit durch das Biopsieergebnis wiederum einen wesentlichen Schritt vorange- kommen sein.

Anschrift des Verfassers:

Prof. Dr. med. Eckehard Renner Chefarzt der

Medizinischen Klinik I Städtisches Krankenhaus Köln-Merheim

Ostmerheimer Straße 200 W-5000 Köln 91

Zigarettenrauchen fördert

Rezidivneigung des Morbus Crohn

Schon seit längerem ist bekannt, daß Zigarettenkonsum als Risikofak- tor für die Entwicklung eines Mor- bus Crohn gilt. Die Autoren aus Cal- gary, Kanada, analysierten die Daten einer historischen Cohorte von 174 Patienten mit Morbus Crohn, die mehrfach operiert worden waren, hinsichtlich des Einflusses von Ziga- rettenrauchen auf die Rezidivnei- gung. Die Studie umfaßt einen Zeit- raum von 10,8 Jahren. Die Rezidiv- rate lag nach fünf Jahren bei 28 Pro- zent, nach zehn Jahren bei 56 Pro- zent. Dabei fanden sich signifikante Unterschiede für Raucher (36 Pro- zent und 70 Prozent) im Vergleich zu Nichtrauchern (20 Prozent und 41 Prozent), jeweils den Zeitpunkt nach fünf und zehn Jahren umfassend.

Der Unterschied zwischen Rauchern und Nichtrauchern war bei Frauen besonders deutlich ausgeprägt. Eine Dosis-Wirkungsbeziehung ließ sich nur bei Frauen, nicht jedoch bei Männern nachweisen. Offensichtlich disponiert Zigarettenrauchen nicht nur zum Morbus Crohn, sondern hat auch einen Einfluß auf die Aktivität der Erkrankung nach einem einmal

erforderlich gewordenen chirurgi- schen Eingriff.

Sutherland, L. R., S. Ramcharan, H. Biy- ant, G. Fick: Effect of Cigarette Smoking an Recurrence of Crohn's Disease. Gastro- enterology 98: 1123-1128, 1990.

Division of Gastroenterology, Intestinal Disease Research Unit, and Department of Community Health Sciences, University of Calgary, Calgary, Alberta, Canada.

Laxativa

bei geriatrischen Patienten

Die chronische Obstipation stellt gerade bei älteren Patienten ein häufiges medizinisches Problem dar, die Stuhlregulierung dient zum einen der Prävention einer Kopro- stase, zum anderen der Verhinde- rung einer Stuhlinkontinenz.

Die Autoren führten bei 19 Pa- tienten mit einem Durchschnittsalter von 82 Jahren eine Studie durch, wo- bei die tägliche Verabreichung von drei Quellmitteln (Semen psyllii, Weizenkleie mit Karayagummi und Leinsamenschrot) mit Lactulose (20

FUR SIE REFERIERT

ml) beziehungsweise Paraffinöl mit Phenolphthalein (Agarol) verglichen wurde. Die Resultate der Studie zei- gen, daß die tägliche Verabreichung eines Laxativums effizienter ist als die periodische Verabreichung und daß die tägliche Verabreichung eines Quellmittels bei gleicher Effizienz sich als kostengünstiger (35 Prozent) erweist als die alleinige Lactulose- therapie. Die Zweimalgabe von zehn Gramm Weizenkleie mit Karaya- gummi, sieben Gramm Semen psyllii oder zehn Gramm Leinsamenschrot reicht aus, um regelmäßigen Stuhl- gang zu induzieren. Bis sich das neue Laxantienschema jedoch eingespielt hatte, war eine enorme Motivations- arbeit von seiten des Arztes gegen- über dem Pflegepersonal und den Patienten erforderlich, da sich der Erfolg bei Quellmitteln nicht wie bei den Kontaktlaxativa augenblicklich einstellt, sondern erst im Laufe von einigen Tagen.

Meier, P., W. 0. Seiler, H. B. Stähelin:

Quellmittel als Laxativa bei geriatrischen Patienten. Schweiz Med Wschr 120:

314-317, 1990.

Medizinisch-geriatrische Klinik, Kantons- spital Basel.

Dt. Ärztebl. 88, Heft 18, 2. Mai 1991 (67) A-1587

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