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Archiv "50 Jahre Bundesärztekammer: Ärztliche Selbstverwaltung - notwendiger denn je" (31.10.1997)

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u Beginn des Forums betonte der Präsident der Bundesärz- tekammer und des Deut- schen Ärztetages, Dr. med.

Dr. h. c. Karsten Vilmar, daß die Ärzteschaft nach dem Zusammen- bruch nahezu aller staatlicher Struk- turen nach 1945 als eine der ersten gesellschaftlichen Gruppen die Vor- aussetzung für eine tragfähige und funktionierende ärztliche Selbstver- waltung geleistet habe. Die Selbst- verwaltung und die Beziehungen zu den Vertragspartnern, vor allem den Krankenkassen, hätten dazu beige- tragen, daß ein ebenso gut funktio- nierendes System der gesundheitli- chen Sicherung und der gegliederten Krankenversicherung auf- und aus- gebaut werden konnte – Vorausset- zungen für ein international geach- tetes Gesundheitssicherungssystem, das längst die Fährnisse der Struk- turreform umschifft habe.

Die Ärzteschaft beteilige sich mit sachverständigen Vorschlägen in der Reformdebatte. Ideologisch bedingte Barrieren, überzogenes Besitzstandsdenken, Halbherzigkeit und Zukunftsangst seien keine Hal- tungen, um Zukunftsprobleme zu bewältigen. An die Adresse der Poli- tik richtete Vilmar den Appell, die Selbstverwaltung nicht als staatliche Auftragsverwaltung einzuspannen, schon gar nicht zur Regelung von unlösbaren Problemen zu mißbrau- chen (das Referat von Vilmar ist un- ter „Themen der Zeit“ in diesem

Heft dokumentiert). Der stellvertre- tende Vorsitzende der Kassenärztli- chen Bundesvereinigung, Dr. med.

Eckhard Weisner, sagte, die Bundes- ärztekammer sei ein Garant für den Fortbestand eines einheitlichen ärzt- lichen Berufsstandes. Sowohl die von den Ärztetagen beschlossene (Muster-)Berufsordnung als auch die (Muster-)Weiterbildungsord- nung berücksichtigten diese über- greifenden Postulate eines einheitli- chen Arztberufes. Bundesärztekam- mer und Kassenärztliche Bundes- vereinigung müßten alles daranset- zen, berufs- und kassenarztrechtli- che Konzepte zur Realisierung mo- derner Strukturen in Praxis und Kli- niken und zur vernünftigen Gliede- rung ebenso wie zur Verzahnung der Sektoren ambulant/stationär zu er- arbeiten; dem Gesetzgeber dürfe kein Vorwand zu Eingriffen in das Gesundheitswesen geliefert werden.

Partner der Politik

Aus Bonn und Köln wurde der Bundesärztekammer und der ärztli- chen Selbstverwaltung Lob und An- erkennung gezollt. Politik und Ärz- teschaft sowie ihre Organe und Kör- perschaften seien Partner der Poli- tik, keine Gegner, sagte die Parla- mentarische Staatssekretärin beim Bundesministerium für Gesundheit, Dr. med. Sabine Bergmann-Pohl (CDU). Durch die beiden GKV-

Neuordnungsgesetze sei den Selbst- verwaltungen noch mehr Verant- wortung zugewachsen, nach dem Motto: „Vorfahrt für die Selbstver- waltung!“ Die bei der Bundesärzte- kammer 1993 angesiedelte Arbeits- gemeinschaft zur Förderung der Qualitätssicherung in der Medizin sei jetzt durch das Gesetz bestätigt worden. Man erwarte praxisorien- tierte Lösungsansätze, die Entwick- lung von Leitlinien, die der Qua- litätssicherung der ärztlichen Lei- stungen dienen, Leitlinien, wissen- schaftlich fundiert, aber unter Berücksichtigung der dadurch aus- gelösten Folgen (vor allem der Ko- sten).

Renate Canisius (SPD), Bür- germeisterin der Stadt Köln, erin- nerte an die Tradition Kölns auf ge- sundheitspolitischem Gebiet. Von Köln sei der Impuls zur Gründung des „Niederrheinischen Vereins für öffentliche Gesundheitspflege“ aus- gegangen. 1905 habe mit der Wahl Peter Krautwigs zum ersten ärztli- chen Beigeordneten einer deut- schen Stadt die Geburtsstunde des ersten kommunalen Gesundheits- amtes in Deutschland geschlagen.

Und Köln zähle zu den Kommunen, die sich heute am Modellprojekt

„Ortsnahe Koordinierung der ge- sundheitlichen und sozialen Versor- gung“ beteiligt hätten. Frau Canisi- us, früher in der Arbeitsgemein- schaft der „Gesundheitsarbeiter“ in- nerhalb der SPD aktiv, zeigte sich da- A-2867

P O L I T I K LEITARTIKEL

Deutsches Ärzteblatt 94,Heft 44, 31. Oktober 1997 (15)

50 Jahre Bundesärztekammer

Ärztliche Selbstverwaltung – notwendiger denn je

Mit einer eindrucksvollen Vortragsveranstaltung beging die Bundesärztekammer am 17. Oktober in dem in neuem Glanz erstandenen Gürzenich in Köln ihr Jubiläum. Fast auf den Tag genau vor 50 Jahren, am 18. und 19. Oktober 1947, konstituierte sich in Bad Nauheim die „Arbeits- ge- meinschaft der Westdeutschen Ärztekammern“, ein Zu-

sammenschluß der Ärztekammern in den westlichen Be-

satzungszonen. Seit 1955 führt diese Arbeitsgemeinschaft

die Bezeichnung „Bundesärztekammer“. In Köln ging es

aus Anlaß des Jubiläums um Standortbestimmung und Zu-

kunftschancen der ärztlichen Selbstverwaltung. Fazit: Die

ärztliche Selbstverwaltung hat sich bewährt.

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von überzeugt, daß positive Erfahrun- gen mit den Modellprojekten auch künftig von Gesetzes wegen in regio- nale Gesundheitskonferenzen einge- bracht werden können, die der Refe- renten-Entwurf zur Neuorganisation des öffentlichen Gesundheitswesens in Nordrhein-Westfalen bereits vor- sieht.

Dr. med. Walter Brandstädter, Vizepräsident der Bundesärztekam- mer und ein Repräsentant der „neuen Länder“, analysierte die „Entwick- lung der Ärzteschaft in der ehemali- gen DDR nach der Wende“, indem er auch deren Rolle und Konflikte im

„real existierenden Sozialismus“ her- ausstellte. Sein Fazit: „Einen einheit- lichen DDR-Arzt hat es nicht gege- ben.“ Der Umgestaltungsprozeß mit dem Aufbau der Ärztekammern ist nur durch eine verschworene Grün- dergeneration möglich gewesen. Die Ärzte und Selbstverwaltungen in den neuen Ländern würden nach der Auf- bauphase ihre Kraft dafür einsetzen, notwendige Reformen durchzu- führen und zu vollenden (das Referat von Brandstädter wird in einem der nächsten Hefte dokumentiert).

Subsidiaritätsprinzip

Am Beispiel der Weiterbildungs- ordnung umriß Prof. Dr. med. Jörg- Dietrich Hoppe, gleichfalls Vizepräsi- dent der Bundesärztekammer, Gestal- tungsmöglichkeiten und Kompeten- zen der verfaßten Ärzteschaft bei der Ausformung der ärztlichen Selbstver- waltung (ein Abriß der Historie der Weiterbildungsordnung aus der Feder von Hoppe erschien in DÄ 39/1997).

Die ärztliche Selbstverwaltung aus „übergeordneter, juristischer Per- spektive“ beurteilend, brachte Prof.

Dr. jur. Jochen Taupitz, Ordinarius für Bürgerliches Recht, Zivilprozeß- recht, Internationales Privatrecht und Rechtsvergleichung an der Univer- sität Mannheim, die oftmals kontro- vers diskutierten Probleme und Sach- fragen auf den Punkt. Die Selbstver- waltung in der Übergangszone zwi- schen staatlich-bürokratischer und gesellschaftlich-privater Aufgabener- füllung hängt in ihrer Einschätzung als freiheitlicher Organisationsnukle- us nicht zuletzt davon ab, ob der Be-

trachter von seinem Verständnis her die Selbstverwaltung mehr als Instru- ment zur Eindämmung von Verstaat- lichungstendenzen oder aber mehr als Instrument zur Einschätzung privat- autonomer Räume ansieht.

Das Dilemma: Die Rechtsord- nung vertritt zur berufsständischen Selbstverwaltung keine klare Positi- on. Die positivistische Bewertung der berufsständischen Selbstverwaltung unterstelle eine Stärkung der Demo- kratie von unten, eine vertikale Ge- waltenteilung, Aktivierung gesell- schaftlicher Kräfte und Grundrechts- verwirklichung durch Teilhabe an der Entscheidungsfindung. Andererseits sei die Selbstverwaltung nur eine der denkbaren Ausprägungen von Demokratie. Einer ungehinderten Durchsetzung des demokratischen Mehrheitswillens des Gesamtvolkes sei diese sogar abträglich und von da- her keineswegs mit einem demokrati- schen Staatswesen untrennbar ver- bunden. Mehrheitlich werde der Selbstverwaltung das Subsidiaritäts- prinzip als Ordnungs- und Gliede- rungselement in der Gesellschaft zu- gemessen.

Allerdings sei das Subsidiaritäts- prinzip gerade keinvom Grundgesetz durchgängig verfochtenes Organisati- ons- und Funktionsprinzip, das ver- bindliche rechtsnormative Direktiven liefern könnte und dessen Verwirkli- chung kontrolliert und gegebenen- falls vor den Gerichten erzwungen werden könnte. Subsidiarität sei viel- mehr ein Postulat politischer Klugheit und von Pragmatismus, das sich allen- falls ermessensleitend an die Legisla- tive und Exekutive richtet.

Taupitz sprach eine Entwicklung an, die in der jüngsten Strukturreform durchschimmert: Die Politik beruft sich immer dann gerne auf das Subsi- diaritätsprinzip, wenn sie nur subsi- diär mit unangenehmen Dingen in Verbindung gebracht werden möchte, räumt aber sehr gerne dort der Selbst- verwaltung die Vorfahrt ein, wo es um die Fahrt auf unsicherem Gelände und mit ungenauer Zielrichtung geht, „so daß man die Eigenverantwortung der unmittelbar Betroffenen gerade dann betont, wenn man selbst die Verant- wortung von sich schieben möchte“.

Die Frage, ob sich die Selbstver- waltung bewährt habe, sie in der Zu-

kunft noch gebraucht werde und neue Herausforderungen auf sie zukom- men, beantwortete Prof. Taupitz sibyl- linisch: Es komme darauf an, was der Berufsstand selbst aus seiner Selbst- verwaltung macht. „Selbstverwaltung ist nämlich kein Selbstläufer, keine Selbstverständlichkeit, sondern Er- gebnis von und Medium für Verant- wortung.“ Eine wesentliche Funktion – und dies zeitlos – sei es, daß die Ge- sellschaft dem Berufsstand Autono- mie in der Berufsausübung und Schutz vor unqualifiziertem Wettbe- werb gegen das unglaubwürdige Ver- sprechen effektiver Selbstregulierung und Selbstkontrolle gewähre. Indivi- duell und kollektiv durch seine Ver- bände sichere der Berufsstand den Klienten und der Gesellschaft im Ge- genzug Fachkompetenz und Inte- grität zu. Ausbildung und sorgfältige Auswahl der Mitglieder gehörten ebenso dazu wie formelle und infor- melle Beziehungen zwischen den Kol- legen, die Bindung an bestimmte, vom Berufsstand selbst entwickelte berufsethische Standards und Ahn- dung von Verstößen gegen diese Nor- men durch Ehrengerichtsverfahren.

Die Delegation von ursprünglich staatlichen Verantwortungsbereichen und Kompetenzen an einen Berufs- stand beruhe denn auch auf der Er- kenntnis, daß diese Art der Steuerung die effektivste darstelle.

Kein Selbstläufer

Bei Vorgängen, die die Selbstver- waltung sehr schnell in Mißkredit brin- gen können, komme es nicht darauf an, ob Mängel tatsächlich in großem Ausmaß vorhanden sind oder ob die Vorwürfe in jedem Punkt stimmen.

Aufgabe der Selbstkontrolle sei es vielmehr, das Fehlverhalten auch ein- zelner „schwarzer Schafe“ zu verhin- dern. Aufgabe der Selbstverwaltung sei es auch, sich vorausschauend den sich ändernden Erwartungen der Ge- sellschaft zu stellen und Lösungkon- zepte zu entwickeln. Allerdings müsse sich die Selbstverwaltung davor hüten, opportunistische Lösungen anzubie- ten. Vielmehr müsse sie darum ringen, einen konstruktiven Beitrag zur Fort- entwicklung des Gesundheitswesens zu leisten. Dr. Harald Clade/DÄ A-2868

P O L I T I K LEITARTIKEL

(16) Deutsches Ärzteblatt 94,Heft 44, 31. Oktober 1997

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A-2869 Deutsches Ärzteblatt 94,Heft 44, 31. Oktober 1997 (17)

P O L I T I K LEITARTIKEL

Bilder oben von links: BÄK-Präsident Dr.

Karsten Vilmar mit der Kölner Bürgermei- sterin Renate Canisius; KBV-Vizevorsit- zender Dr. Eckhard Weisner, BÄK-Vize- präsident Prof. Dr. Jörg-Dietrich Hoppe und Staatssekretärin Dr. Sabine Berg- mann-Pohl. Bilder Mitte von links: Prof.

Dr. jur. Jochen Taupitz, Universität Mann- heim; BÄK-Hauptgeschäftsführer Prof.

Dr. Christoph Fuchs und BÄK-Vizepräsi- dent Prof. Dr. Walter Brandstädter. Unten ganz rechts: der frühere langjährige Hauptgeschäftsführer Prof. Dr. Josef Stockhausen. Links unten: Im Gürzenich war auch eine von Thomas Gerst gestal- tete Ausstellung „50 Jahre Bundesärzte- kammer“ zu sehen. Fotos: Bernhard Eifrig

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