A1878 Deutsches ÄrzteblattJg. 105Heft 3712. September 2008
P O L I T I K
K
aum ist die Reform des Ein- heitlichen Bewertungsmaß- stabs (EBM) in trockenen Tüchern, flammt die Empörung über deren Folgen auf. Denn die regionale Ver- teilung der Zuwächse fällt in den einzelnen Kassenärztlichen Vereini- gungen (KVen) sehr unterschiedlich aus (siehe Grafik). Schlusslicht bil- det mit einer Steigerungsrate von 1,5 Prozent Baden-Württemberg.Doch während sich deren Vorsitzen- der, Dr. med. Achim Hoffmann- Goldmayer, mit dieser „schwarzen Null“ zufriedengibt und es als Er- folg verbucht, dass zumindest Ho- norarabflüsse aus dem Bundesland
vermieden werden konnten, kommt heftige Kritik aus Nordrhein und Schleswig-Holstein.
„Die nordrheinischen Ärztinnen und Ärzte fühlen sich von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung verraten und verkauft“, heißt es in einer Resolution der Vertreterver- sammlung vom 3. September. Das Ärzteparlament hält den Zuwachs der Gesamtvergütung von 3,6 Pro- zent (109,6 Millionen Euro) für
„völlig unzureichend und unange- messen“. Die Region sei mit 9,6 Mil- lionen Einwohnern und 17 000 Ärz-
ten der drittgrößte KV-Berzirk in Deutschland und erhalte zusammen mit Baden-Württemberg die schlech- teste Steigerungsrate. Bayern dage- gen könne eine Steigerungsrate von 6,8 Prozent verzeichnen.
Ähnlich harsch kritisiert die KV Schleswig-Holstein das Verhand- lungsergebnis aus dem Erweiterten Bewertungsausschuss. „Der in Ber- lin getroffene Beschluss ist für Ärz- te, Psychotherapeuten und Patien- ten in Schleswig-Holstein eine Ka- tastrophe. Wir werden das Ergebnis nicht akzeptieren“, kündigte die kommissarische Vorstandsvorsitzen- de, Dr. med. Ingeborg Kreuz, an.
Zwar solle das Honorar im kom- menden Jahr um 35 Millionen Euro (plus 3,9 Prozent) steigen, damit liege die Region aber deutlich unter dem Durchschnitt. Zielscheibe der Kritik ist auch hier Bayern. Es sei völlig unverständlich, so Kreuz, warum ein so reiches Land jetzt auch noch von enormen Zuwäch- sen profitiere. Einig sind sich aller- dings auch die „Verlierer-KVen“, dass die überdurchschnittlichen Stei- gerungsraten in den fünf neuen Bundesländern gerechtfertigt sind.
Die beklagten Verwerfungen kom-
men vor allem dadurch zustande, dass beispielsweise in der KV Nord- rhein bislang ein hoher Punktwert, aber rigide Mengenbegrenzungen galten, während das in Bayern nicht in dem Maß der Fall war. In Nord- rhein liegt der vom Erweiterten Be- wertungsausschuss festgelegte Punkt- wert von 3,5 Cent um 0,3 Cent unter dem geltenden bei gleichzeitig nied- rigerem Punktzahlvolumen. Diesen Umstand hatte auch Nordrhein-west- falens Gesundheitsminister Karl- Josef Laumann (CDU) am vergange- nen Wochenende in Köln kritisiert.
Er empörte sich bei einer Veranstal- tung des Marburger Bundes über das mangelnde Verhandlungsgeschick der Ärzteseite. Er frage sich, wie der ärztliche Verhandlungsführer und KBV-Vorstandsvorsitzende, Dr.
med. Andreas Köhler, den Leuten noch in die Augen schauen könne.
Der so Gescholtene gibt zu be- denken, dass man einen Zuwachs von 2,7 Milliarden Euro unter Bud- getbedingungen niemals hätte rea- lisieren können. „Es gibt Gewin- ner- und Verlierer-KVen“, räumte Köhler im Gespräch mit dem Deut- schen Ärzteblatt ein. Aber man müs- se auch sehen, dass alle mehr Geld für die ärztlichen Honorare erhiel- ten. „Man darf auch nicht vergessen, dass wir in einem Konfliktgremium saßen. Da kann man nicht alle For- derungen erfüllen.“
Die KV Nordrhein fordert jetzt erst einmal, den im Sozialgesetz- buch V vorgesehenen Spielraum für die Verhandlung regionaler Orien- tierungswerte zuzulassen. Der Er- weiterte Bewertungsausschuss hatte sich gegen eine regionale Anpas- sung des Orientierungswerts ent- schieden, weil das Datenmaterial keine ausreichend großen Unter-
schiede ergibt. I
Heike Korzilius GRAFIK
Veränderung des Gesamthonorars in den KVen gegenüber 2007 (in Prozent) 20
15
10
5
0
1,5 3,6 3,9 5,7 6,8 7,3 7,7 8,8 9,5 10,7 11,3 13,8 14,2 16,9 17,2 17,5 21,6
Baden-Württemberg Nordrhein Schleswig-Holstein Rheinland-Pfalz Bayerns Hamburg Bremen Westfalen-Lippe Hessen Berlin Saarland Brandenburg Niedersachsen Sachsen Sachsen-Anhalt Mecklenburg-Vorpommern Thüringen
Quelle: KBV
HONORARREFORM