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Archiv "Frühsommer-Meningoenzephalitis in den neuen Bundesländern" (19.05.1995)

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KURZBERICHT

Frühsommer-Meningoenzephalitis in den neuen Bundesländern

Jochen Süss

S

eit werden Mitte in den bekannten der sechziger Jahre Frühsommer-Meningoenze- phalitis(FSME)-Endemiege- bieten in Bayern und Baden-Würt- temberg jährlich zwischen 60 und 150 FSME-Erkrankungen registriert. Die Zahl der in Deutschland erworbenen Erkrankungen ist allerdings wesent- lich höher als die der registrierten.

In den achtziger Jahren wurden jährlich zwei- bis dreimal mehr FSME-Fälle in Bayern als in Baden- Württemberg beobachtet. Seit 1991 hat sich dieses Verhältnis umgekehrt (7). Das häufigere Auftreten von FSME-Erkrankungen in Baden-Würt- temberg ist wahrscheinlich darauf zurückzuführen, daß in diesem Bun- desland in den letzten Jahren weniger geimpft wurde als in Bayern.

Durch Eintragen von FSME-Fäl- len mit gesichertem Expositionsort in Karten konnte Roggendorf (1990) diese Naturherdgebiete recht gut kar- tieren, eine Aktualisierung dieser Karten e:r;folgte 1994 (7). Im Jahr 1994 ist die Zahl der Erkrankungen an FSME in Süddeutschland stark ange- stiegen (8). So konnten, obwohl die Erfassung der FSME-Fälle für 1994 noch nicht abgeschlossen ist, 197 au- tochthone Fälle in Baden-Württem- berg registriert werden und damit doppelt so viele wie im Jahr 1993.

Bayern meldete bisher 48 Fälle (1993:31). Anders stellt sich die Situa- tion in den fünf neuen Bundesländern dar. Wie in früheren Arbeiten bereits ausführlich publiziert (3 bis 6), exi- stierten hier seit Beginn der Untersu- chungen 1959 hochaktive Naturherd- gebiete, aus welchen Anfang der 60er Jahre Hunderte von Erkrankungen hervorgingen. So konnten für den Zeitraum von 1959 bis 1962 334 ende- mische und 1279 epidemische Fälle von FSME registriert werden. Kleine- re Epidemien wurden damals insbe- sondere durch den Genuß nicht pa- steurisierter Kuh- und Ziegenmilch

ausgelöst. Die Morbidität erreichte damals Werte bis zu 0,7 pro 100 000 Einwohner, die seit Mitte der siebzi- ger Jahre auf bis zu 0,02 pro 100 000 Einwohner absank. Bedingt durch diese hohe FSME-Inzidenz und durch intensive Naturherduntersuchungen an Zecken, Kleinsäugern und Wildtie- ren zum Virus- beziehungsweise Anti- körpernachweis war es möglich, für den Osten Deutschlands exakte Kar- ten der Verbreitung des FSME-Virus zu erstellen. Seit Anfang der 70er J ah- re sind diese Endemiegebiete, insbe- sondere in Mecklenburg-Vorpom- mern, Brandenburg, Thüringen und Sachsen, in einen Zustand endemi- scher Latenz konvertiert. Diese Fest- stellung läßt sich auf Grund der dra- stisch reduzierten Morbidität, vor al- lem aber durch kontinuierliche Na- turherduntersuchungen und Serosur- veillance-Studien über viele Jahre treffen. Obwohl seit 1975 kein Virus mehr aus Zecken und Mäusen isoliert werden konnte, zeigten doch lang- jährige Antikörperstudien an Mäu- sen, jagdbarem Wild und Menschen in diesen Endemiegebieten, daß das FSME-Virus noch persistiert und die- se Herdgebiete nicht erloschen sind.

Gegenwärtig werden jährlich nur noch ein bis vier autochthone Erkran- kungen in den fünf neuen Bundeslän- dern registriert.

Um die Frage nach der Persistenz oder dem Erlöschen der FSME- Herde genauer beantworten zu kön- nen, wurde zusätzlich zum Virusnach- weis in Zellkulturen die Polymerase Kettenreaktion (PCR) zum direkten Nachweis des FSME-Virusgenoms in Zecken aufgebaut (2). Die Spezifität der PCR-Produkte wurde mittels Southern-blot-Hybridisierung mit ei- ner FSME-spezifischen Sonde be- stätigt. 1992/93 sind insgesamt 18 760 Zecken in den Endemiegebieten in Brandenburg, Sachsen, Mecklen- burg-Vorpommern und Thüringen an insgesamt 24 großen Standorten ge- A-1438 (40) Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 20, 19. Mai 1995

sammelt und mit Hilfe dieser Metho- den untersucht worden.

In die Untersuchungen wurden sowohl Nymphen als auch adulte Tie- re einbezogen. Die gesammelten Zecken sind, getrennt nach Fangor- ten, zu 260 Homogenaten aus etwa je 100 Exemplaren verarbeitet worden.

Selbstverständlich konnten auch Un- tersuchungen an einzelnen Zecken ausgeführt werden.

Von den 260 Zeckenhomogena- ten aus 70 Fanggebieten konn- ten in sieben Pools aus Brandenburg (Münchehofe ), Thüringen (Elstertal bei Gera) und Mecklenburg-Vorpom- mern (Ahlbeck, Schmollensee, Ko- serow, Ahrenshoop, Müggenburg/

Darß) FSME-Virusgenome mittels PCR und Southern-blot-Hybridisie- rung nachgewiesen werden. In der Zellkultur gelang der Virusnachweis nur in einem Zeckenhomogenat aus Schmollensee in Mecklenburg-Vor- pommern.

Die Frage nach dem Erlöschen der Herdgebiete in den fünf neuen Bundesländern ist also mit Nein zu beantworten. Zu dieser Feststellung gehören auch die 1993 bekanntgewor- denen Erkrankungen, die sicher auf dem Qebiet der östlichen Bundeslän- der erworben worden sind (zum Bei- spiel Umgebung von Leipzig, Umge- bung von Gransee).

Wie sind diese Ergebnisse zu bewerten?

Es muß eingeschätzt werden, daß bei längeren Aufenthalten in den ge- nannten Gebieten das Risiko einer Infektion, wenn es auch sehr gering ist, nicht ausgeschlossen werden kann. Nach unseren umfangreichen Untersuchungen von 1992 bis 1994 trägt in den Endemiegebieten, ab- hängig vom individuellen Standort, in den neuen Bundesländern jede 250.

bis 2 000. Zecke das FSME-Virus. ~

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Naturherde in den östlichen Bundesländern, die von 1959 bis 1986 kartiert werden konnten (eingegangen sind folgende Daten: Expositionsorte klinischer Erkrankungen des Menschen, Serosurveillance-Studien in der Bevölkerung; Virusanzuchtergebnisse aus Zecken und Kleinsäugern, serologische Untersuchungen an Klein- säugern und Wildtieren).

Serologisch und klinisch bestätigte Erkrankungen des Menschen mit gesichertem Expositionsort von 1987 bis 1994 in den 5 östlichen Bundesländern.

Serologisch und klinisch bestätigte Erkrankungen des Menschen mit gesichertem Expositionsort in Bayern und Baden-Württemberg in den Jahren 1973 bis 1993 (nach Roggendorf, 1990, modifiziert).

Positive FSMEV-PCR in Zeckenhomogenaten, die 1992/93 gesammelt wurden.

MEDIZIN KURZBERICHT

Abbildung 1: Naturherdgebiete der FSME in Deutschland

Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 20, 19. Mai 1995 (41) A-1439

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MEDIZIN

Diese Zahlen werden allerdings noch relativiert, da mit der Möglichkeit des Auftretens apathogener Virusvarian- ten gerechnet werden muß und unse- re Ergebnisse überwiegend aus Ho- mogenaten von Zeckenkollektiven ge- wonnen wurden, die nur eine an- nähernde Quantifizierung erlauben.

Ergänzend zu unserer Studie in Ostdeutschland untersuchten wir 34 Homogenate aus 3553 Zecken von Sammelplätzen innerhalb der be- kannten und nach wie vor aktiven Na- turherdgebiete in Bayern und Baden- Württemberg sowie in Hessen und Rheinland-Pfalz. Dabei konnten in Bayern (Gatzereut) zwei FSME-Vi- russtämme aus Zeckenhomogenaten in Zellkulturen isoliert werden, bei gleichzeitig positiver PCR/Hybridi- sierung. Bisher wurde einer dieser Stämme auch in der Säuglingsmaus isoliert.

Ob sich die ausschließlich mit der PCR/Hybridisierung nachgewiesenen FSME-Virussequenzen von denen der isolierten Virusstämme unter- scheiden, ist Gegenstand derzeitiger Untersuchungen.

Aus den Zeckenhomogenaten, die aus allen deutschen Herdgebie- ten stammten, konnten mehrfach auch andere Arboviren in Zellkultu- ren angezüchtet werden, bisher neun Uukuvirusstämme und fünf Orbivirusstämme.

In Übereinstimmung mit den Ergebnissen unserer Naturherdun- tersuchungen in Ostdeutschland von 1983 bis 89 (5, 6) können wir nach Einführung der PCR zum Virus- nachweis in Zecken feststellen, daß die endemische Latenz des FSMEV in diesen Gebieten andau- ert, daß Virus in den Zecken vor- handen ist und dort ein, wenn auch sehr geringes, Risiko besteht, nach einem Zeckenstich an einer klinisch manifesten FSME zu erkranken.

Die in der Abbildung 1 vorgeleg- te Karte zeigt die Endemiegebiete in Ostdeutschland mit den von 1986 bis 1994 registrierten klinischen Fällen, die Sammelorte der in der PCR positi- ven Zeckenproben sowie die in den Jahren von 1973 bis 1990 registrierten klinischen FSME-Fälle in Bayern und Baden-Württemberg.

Die diesbezüglichen Daten bis 1993 sind bei (7) zu finden.

KURZBERICHT / FÜR SIE REFERIERT

Die experimentellen Arbeiten sowie die Pro- bengewinnung in den Naturherden wurden durchgeführt von Dr. Christiane Ramelow, Doris Berndt, Patricia Beziat, B. Kriebel und Renate Roske, Zeckenproben aus Thüringen verdanken wir Prof. Dr. W. Dorn und Dr. U.

Jacobi (Jena), solche aus Mecklenburg-Vor- pommmern Dr. 0. Burmeister (Neustrelitz), Dr. L.-W. Schröder (Greifswald), Dr. S. Som- mer (Schwerin) und Dr. H. Steinbrink (Ro- stock). Herrn PD Dr. E. Schreier (Robert- Koch-Institut) danken wir für die Hilfe beim Aufbau der FSMEV-PCR.

Zitierweise dieses Beitrags:

Dt Ärztebl 1995; 92: A-1438-1442 [Heft 20]

Literatur

1. Roggendorf M: Frühsommer-Meningoen- cephalitis — wer soll geimpft werden? Thera- piewoche 1990; 40: 1173-1178

2. Ramelow Ch, Süss J, Bemdt D, Roggendorf M, Schreier E: Detection of tick-borne en- cephalitis virus RNA in ticks (Ixodes rici- nus) by the polymerase chain reaction. J vi- rol methods 1993; 43: 115-119

3. Sinnecker H: Zeckenencephalitis in Deutschland. Zbl Bakt, I. Abt, Orig 1960;

180: 12-18

4. Sinnecker H: Tick-bome encephalitis in the German Democratic Republic, pp. 19-23.

Antibiotische

Behandlung des Ulcus ventriculi

In zunehmendem Maße setzt sich bei der Behandlung des peptischen Geschwürs die Helicobacter-pylori- Therapie durch, nachdem gezeigt werden konnte, daß bei Patienten, die so behandelt wurden, daß sie auf Heli- cobacter negativ reagieren, praktisch überhaupt keine Ulkusrezidive mehr auftreten.

Die Autoren aus Hongkong be- richten über eine Vergleichsstudie von 100 Patienten mit Magenge- schwüren, die entweder mit Omepra- zol 20 Milligramm für vier Wochen oder mit einer einwöchigen antibioti- schen Therapie aus 120 Milligramm Wismutsubcitrat, 500 Milligramm Te- trazyklin und 400 Milligramm Metro- nidazol viermal täglich behandelt worden waren.

Die Eradikationsrate lag bei 91,1 Prozent unter der antibakteriellen

In: Tick-bome encephalitis and haemorrha- gic fever with renal syndrome in Europe.

Report on a WHO Meeting, Baden 1983.

WHO Euro Reports and Studies No. 104 1986; 104

5. Süss J, Sinnecker H, Sinnecker R, Berndt D, Zilske E, Dedek G, Apitzsch L Epidemio- logy and ecology of tick-bome encephalitis in the eastern part of Germany between 1960 and 1990 and studies on the dynamics of a natural focus of tick-bome encephalitis.

Zbl Bakt 1992; 277: 224-235

6. Süss J, Ramelow Ch, Bemdt D, Roggendorf M, Schreier E: Epidemiologie des FSME-Virus in den neuen Bundesländern.

In: J Süss (Hrsg.) Durch Zecken übertrag- bare Erkrankungen, Weiler Verlag 1994;

31-38

7. Roggendorf M, Lenz P: Änderungen der Epidemiologie der FSME in Süddeutsch- land. Ellipse 1994; 11: 33-40

8. Roggendorf M: unveröffentlicht

Anschrift des Verfassers:

Priv.-Doz. Dr. med. Jochen Süss Bundesinstitut für

gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin (BgVV) Diedersdorfer Weg 1

12277 Berlin

Behandlung und bei 12,5 Prozent un- ter der Omeprazol-Monotherapie.

Fünf Wochen nach Therapiebeginn waren 84,4 Prozent der Geschwüre nach Antibiose und 72,5 Prozent nach Omeprazol abgeheilt.

Unter der Omeprazol-Behand- lung wurden die Patienten signifikant rascher schmerzfrei.

Nach einem Jahr lag die Rezidiv- rate bei 4,5 Prozent in der antibakteri- ell behandelten Gruppe, bei 52,2 Pro- zent in der nur antisekfetorisch mit Omeprazol behandelten Gruppe.

Interessant ist dabei, daß offen- sichtlich eine einwöchige rein anti- bakteriell gestaltete Behandlung zu einer Ulkusheilung führte, ohne daß, wie bislang üblich, für vier bis sechs Wochen antisekretorisch therapiert wurde.

Sung J J Y, Chung S C S, Ling T K W, et al.: Antibacterial Treatment of Gastric Ulcers Associated with Helicobacter py- lori. N Engl J Med 1995; 333: 139-142 Departments of Medicine, Surgery, and Microbiology, Prince of Wales Hospital and Chinese University of Hongkong Shatin, Hongkong

A-1442 (44) Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 20,19. Mai 1995

Referenzen

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