A 668 Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 107|
Heft 14|
9. April 2010FORSCHUNGSPROJEKT MED-ON@IX
Telemedizin im Rettungswesen
In Aachen wird ein System zur präklinischen Notfallversorgung erprobt, bei dem das Rettungsdienstpersonal vor Ort durch eine Telenotarztzentrale unterstützt wird.
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inerseits steigt in unserer al- ternden Gesellschaft die An- zahl von Notarzteinsätzen kontinu- ierlich an. Andererseits nimmt der Mangel an Notärzten so weit zu, dass in manchen Landkreisen die flächendeckende Versorgung be- reits gefährdet ist. In Anbetracht der Funktionalitäten, die zum Beispiel ein privat genutztes Smartphone bietet, muss zudem die derzeit über- wiegend im deutschen Rettungs- dienst verwendete Informations- und Telekommunikationsstruktur (Analogfunk) als rückständig be- ziehungsweise nicht mehr zeitge- mäß bezeichnet werden.Vor diesem Hintergrund entstand in Aachen ein interdisziplinäres Forschungskonsortium. Gefördert vom Bundesministerium für Wirt- schaft und Technologie im Förder- programm SimoBIT (www.simobit.
de) wird unter dem Titel „Med-on-
@ix“ ein innovatives telemedizini-
sches Unterstützungssystem für die präklinische Notfallversorgung ent- wickelt. Dieses ermöglicht dem ärztlichen oder nichtärztlichen Ret- tungsdienstpersonal vor Ort jeder- zeit den Kontakt zu einem erfahre- nen Notfallmediziner per Telekon- sultation. Zwei Rechtsgutachten, die zu Projektbeginn in Auftrag ge- geben wurden, bestätigen, dass der Einsatz von Telemedizin im Ret- tungsdienst grundsätzlich rechtmä- ßig ist. Nachdem erste positive Er- fahrungen im Rahmen von zwei Si- mulationsstudien gesammelt wer- den konnten, wird das Telemedizin- system derzeit in der Stadt Aachen für die Dauer eines Jahres auf ei- nem Notarztwagen circa 40 Stun- den/Woche erprobt und evaluiert.
Kernelement des Projekts „Med- on-@ix“ bildet die Telenotarztzen- trale, ein mit erfahrenen Notfallme- dizinern besetztes Kompetenzzen- trum. Der Telenotarzt erhält durch
speziell konzipierte mobil- und me- dizintechnische Lösungen sämtli- che Vitaldaten in Echtzeit, hochauf- lösende Bilder, etwa von Arztbrie- fen und Medikamentenlisten, sowie Videostreams vom Einsatzort be- ziehungsweise aus dem Rettungs- wagen. Außerdem stehen ihm eine Software zur leitliniengerechten Patientenbehandlung sowie der On- line-Zugriff zu anderen sinnvollen Unterstützungsmöglichkeiten (wie Rote Liste, Giftnotrufzentralen) zur Verfügung. Hierdurch kann der Te- lenotarzt die Rettungskräfte am Einsatzort optimal unterstützen.
Durch Implementierung des Sys- tems lassen sich die in der Praxis vielfach beklagten Schnittstellenpro- bleme zwischen präklinischer und stationärer Versorgung minimieren.
So werden dem später angefahrenen Krankenhaus bereits vorab umfas- sende und systematisierte patienten- bezogene Informationen durch den Telenotarzt elektronisch übermittelt.
Hierdurch lässt sich ein durchgängi- ger Informationsfluss entlang der Rettungskette zum Wohle des Not- fallpatienten gewährleisten. Gleich- zeitig unterstützen das elektronische Dokumentationssystem beziehungs- weise die darüber generierte Daten- menge und -qualität eine verbesserte Einsatzevaluierung und ein umfas- senderes Qualitätsmanagement.
Vor allem in Gebieten mit gerin- ger Notarztdichte vermag Med-on-
@ix zur Aufrechterhaltung einer funktionierenden flächendeckenden Versorgung beizutragen. Trotz der vielfältigen Potenziale hinsichtlich der Organisation einer effizienteren und effektiveren präklinischen Ver- sorgungsstruktur bleibt eine schnel- le Umsetzung in den Regelrettungs- dienst aufgrund gesundheitssystem- immanenter Hürden fraglich. Wahr- scheinlicher ist eine schrittweise re- gionale Einführung des telemedizi- nischen Unterstützungssystems. In- formationen: www.telenotarzt.de. ■ Eric Naß*, Christian Renno*
Dr. med. Daniel Rörtgen**
Dr. med. Max Skorning**
Anschrift für die Verfasser
Eric Naß, Forschungsinstitut für Ratio nalisierung an der RWTH Aachen,
Pontdriesch 14/16, 52062 Aachen, E-Mail: christian.renno@fir.rwth-aachen.de Eine gute Prakti -
kabilität und hohe Zuverlässigkeit stellen bei der kom- plexen Systement- wicklung eine große Herausforderung dar.
*Forschungsinstitut für Rationalisierung an der RWTH Aachen
**Universitätsklinikum der RWTH Aachen