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Archiv "Medizinische Versorgung von Migranten: „Wir müssen die Patienten dort abholen, wo sie stehen“" (22.01.2010)

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A 80 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 107

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Heft 3

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22. Januar 2010

MEDIZINISCHE VERSORGUNG VON MIGRANTEN

„Wir müssen die Patienten dort abholen, wo sie stehen“

Migranten müssen einen gleichberechtigten Zugang zum Gesundheitssystem haben und angemessen versorgt werden. Deshalb will die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe die interkulturellen Kompetenzen der Heilberufe fördern.

J

eder fünfte Einwohner Nord- rhein-Westfalens hat einen Migrationshintergrund. Viele der einst als „Gastarbeiter“ angeworbe- nen Migranten haben inzwischen das Rentenalter erreicht und müs- sen entsprechend häufiger medizi- nisch versorgt werden. Doch für viele Betroffene ist es schwierig, sich im deutschen Gesundheitssys- tem zurechtzufinden und ange- messen behandelt zu werden. „Hier ist vieles noch verbesserungswür- dig“, sagte Dr. med. Ulrich Thamer, 1. Vorsitzender der Kassenärztli- chen Vereinigung (KV) Westfalen- Lippe. „Weil wir als KV für die ge- samte ambulante Versorgung ver- antwortlich sind, richten wir unse- ren Blick auch auf die Versorgung von Migranten.“ Wichtig sei, dass sich das Verständnis zwischen den Kulturen verbessere, damit Thera- pien erfolgreich verlaufen könnten.

Denn eine mangelnde interkulturel- le Verständigung könne sich un- günstig auf das Arzt-Patienten-Ver- hältnis auswirken und auf beiden Seiten zu Verunsicherung führen.

Man kann nur das nutzen, was man kennt

Um solche interkulturellen Kompe- tenzen zu vermitteln, hat die KV zusammen mit dem nordrhein- westfälischen Gesundheitsministe- rium und der Deutsch-Türkischen Medizinergesellschaft Ende letzten Jahres bereits zum dritten Mal eine interkulturelle Fachtagung veran- staltet. „Integration hat in Nord- rhein-Westfalen einen hohen Stel- lenwert“, erklärte Heike Reinecke vom dortigen Gesundheitsministe- rium. Dazu gehöre die gleichbe- rechtigte Teilhabe am gesellschaft-

lichen Leben – auch im Gesund- heitsbereich. „Man kann aber nur das nutzen, was man kennt.“

Genau an dieser Stelle setzt das Projekt „Mit Migranten für Mi - granten“ an, das inzwischen bun- desweit an 48 Standorten umge- setzt wird, 15 von ihnen befinden sich allein in Nordrhein-Westfalen.

Dabei klären gut integrierte Mi- granten weniger gut integrierte über Gesundheitsthemen auf. Nach Angaben des nordrhein-westfäli- schen Projektleiters, Ahmed Kimil, finden die meisten Veranstaltungen zu den Themen Ernährung und Be- wegung, Kinder- und Mundgesund- heit statt, gefolgt von Brustkrebs und seelischer Gesundheit. „Wir wollen eine Brücke schlagen zwi- schen Migrantengruppen und dem deutschen Gesundheitswesen“, sag- te Kimil. In Gelsenkirchen, dem Veranstaltungsort der dritten inter- kulturellen Fachtagung, finanziert die Stadt die Honorare der Media- toren. „Deshalb sind die Veranstal- tungen für die Migranten kosten- frei“, betonte Angelika Rasseck als Vertreterin der Stadtverwaltung.

„Es wäre allerdings schön, wenn wir auch Arztpraxen als Veranstal- tungsorte gewinnen könnten“, ap- pellierte sie an die Teilnehmer.

Doch das Wissen über andere Religionen und Krankheitsvorstel- lungen sowie Geschlechterrollen darf nicht zu fragwürdigen Verall- gemeinerungen führen. „Nicht je- der türkische Patient ist tief reli- gös“, gab der Vorsitzende der Deutsch-Türkischen Medizinerge- sellschaft, Dr. med. Hamit Ince, zu bedenken. „Außerdem gibt es im Islam sehr viele verschiedene Richtungen.“ Um Therapieerfolge

zu sichern, plädierte Ince unter an- derem auch für muttersprachliche Angebote für Migranten, beispiels- weise bei der Schulung von Diabe- tikern, deren Anteil insbesondere in der türkischen Bevölkerung zu- nehme.

Es dürfen sich keine Ghettos bilden

„Wir müssen die Patienten dort ab- holen, wo sie stehen“, meinte Ince.

„Wir müssen aber auch darauf ach- ten, dass sich keine Ghettos bilden, weder bei den Ärzten noch bei den Patienten.“ Denn die Tendenz, dass sich Patienten mit Migrati- onshintergrund Ärzte suchen, die ebenfalls einen solchen Hinter- grund haben, bestätigten viele Teilnehmer aus eigener Erfahrung.

„Als türkischer Arzt haben sie au- tomatisch türkische Patienten. Das spricht sich herum“, sagte Ince.

„Wir achten aber darauf, dass wir bilinguales Personal haben und möglichst gemischte Patienten- gruppen.“ Eigene Versorgungs- strukturen für Migranten wären der falsche Weg.

Aber: „Auch wenn man Deutsch spricht, entstehen Missverständis- se“, meinte eine Teilnehmerin. „Pa- tient und Arzt sprechen nicht diesel- be Sprache. Hier hat die Selbsthilfe eine Mittlerfunktion.“ Auf diesem Gebiet, so KV-Chef Thamer, kom- me man aber zurzeit nur schleppend voran. Dagegen sind im Patienten- beirat der KV inzwischen auch Migranten vertreten, und man ver- sucht, über die eigenen Organisa- tionen der Migranten verstärkt über gesundheitsrelevante Themen auf-

zuklären. ■

Heike Korzilius

T H E M E N D E R Z E I T

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