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Archiv "Börsebius: Spiel mir das Lied vom Tod" (18.06.2010)

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Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 107

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Heft 24

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18. Juni 2010 A 1227 BÖRSEBIUS

Spiel mir das Lied vom Tod

D

as Geschäft mit dem Tod ha- ben schon seit geraumer Zeit etliche Banken auf ihren Angebots- zettel geschrieben, und ich selbst habe vor einigen Jahren an dieser Stelle gegen die Amoralität solcher Produkte gewettert. Genutzt hat es gleichwohl nichts, wie denn auch, zu attraktiv dünkten die zu schnei- denden Gebühren für die Anbieter und zu lohnend die sicheren Rendi- ten für die Anleger. So haben bis heute etwa eine Fünftelmillion Bundesbürger in gebrauchte Le- bensversicherungen investiert.

Blöd nur, wenn die in diesem Spiel eigentlich wirklich wichtigen Hauptakteure später aus dem Leben scheiden als die Assekuranzmathe- matik ihnen vorschreibt, sie also quasi Vertragsbruch begehen, culpa in contrahendo. Solcherart Rech- nung ohne den Wirt ist doch sage und schreibe der Deutschen Bank passiert, ausgerechnet einem Insti- tut, das auf weise Voraussicht und

strategische Planung ansonsten so viel Wert legt. Die Nummer eins des deutschen Bankgewerbes ver- kaufte bereits seit dem Jahr 2005 das Produkt „gebrauchte Lebens- versicherungen“ von US-Bürgern mit dem unverfänglichen, gleich- wohl lebendigen Namen „Kompass Life“ und einem Riesenrechenwerk im Hintergrund. Alles war genau prognostiziert, es wurden sogar ei- gens Ärzte engagiert, die das vor- aussichtliche Ausscheiden der ame- rikanischen Versicherten aus dem Leben errechneten – was für ein gruseliges Szenario für ein Geldan- lageprodukt.

Das Szenario hätte den Anlegern in zehn Jahren 147 Prozent ihres ein- gesetzten Kapitals eingebracht. Aber eben nur theoretisch. Die Wette auf den Tod ging ganz und gar nicht auf, offenbar hatten die Fondsmanager den medizinischen Fortschritt nicht so recht berücksichtigt, mit dem schlichten Ergebnis, dass die US-

Bürger zu oft später starben als vor- gesehen und erst viel später die be- gehrten Versicherungssummen an Kompass Life gezahlt wurden.

Der entgangene Gewinn ließ die Anleger auf die Barrikaden steigen, und die Deutsche Bank – wo Rauch, da auch viel Presse, fürchtete sie wohl – machte den Leuten ein Rück- kaufangebot. 80 Prozent des Ein- standspreises war die Bank bereit zu zahlen, und tatsächlich nahmen bis Ende des letzten Jahres neun von zehn Kompass-Life-Inhabern dieses Angebot an. Weitere 2 000 Investo- ren haben sich noch nicht entschie- den, obwohl die Deutsche Bank sich offenbar heute gründlich schämt, wenn’s denn stimmt, und alles unter- nimmt, die Angelegenheit einiger- maßen geräuschlos zu regeln.

Auch wenn das alles gutgegan- gen wäre, was – fast bin ich ge- neigt, Gottlob zu sagen – dann doch nicht funktioniert hat: Geschäfte mit dem Tod sind einfach garstig, grausam, grenzwertig. Solche Pro- dukte gehören verboten. Das Lied vom Tod als Anlegersong zu spie- len, ist schlicht menschenverach- tend. Wenigstens die Deutsche Bank hat das begriffen. ■

G E L D A N L A G E

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