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Archiv "Die Überschätzung der Psychoanalyse: Überall sind Grenzen" (14.12.1978)

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen

Psychoanalyse

überall sind Grenzen

. Die Gefahr, die durch einen Or- ganmediziner hervorgerufen wird, der seine Grenzen nicht kennt, der also glaubt, für alle seelischen Stö- rungen zuständig zu sein und die seelischen Zusammenhänge einer psychosomatischen oder funktio- nellen Erkrankung nicht erfaßt, dürf- te nicht geringer sein als die durch einen Psychotherapeuten, der sich in seiner Diagnose irrt und eine adä- quate Behandlung einer Organstö- rung verhindert. Langjährige nutzlo- se organisch ausgerichtete Behand- lungen oder gar Operationen bei funktionellen Syndromen können ei- ne seelisch bedingte Krankheit chronifizieren lassen, daß schließ- lich eine psychotherapeutische Be- handlung nicht mehr möglich ist und in manchen Fällen eine vorzeiti- ge Invalidität eintritt.

Grenzen hat die Psychoanalyse in reichlichem Maße, aber auch die Or- ganmedizin. Wichtig erscheint mir, daß zur Zeit eine Psychologisierung der Medizin, die bisher nur allzu kurz kam, weiter fortschreitet, damit der Arzt künftig besser sowohl die körperliche wie auch die seelische Seite einer Störung erfassen kann.

Darüber hinaus ist bei manchen psy- chosomatischen Erkrankungen die enge Zusammenarbeit von Organ- mediziner und Psychotherapeuten notwendig, die aber nur möglich ist, wenn beide Seiten füreinander offen sind.

Die Psychoanalyse ist längst dar- über hinausgewachsen, sich nur auf Einzelbeobachtungen beschränken zu müssen. Zum Beispiel arbeiten im Institut für psychogene Erkrankun- gen der AOK Berlin unter Leitung von Dr. med. A. Dührssen 16 ange- stellte und 25 freiberufliche psycho- analytisch ausgebildete Therapeu- ten. „Diese Arbeitsgruppe führt im Durchschnitt jährlich 1200 bis 1300 Untersuchungen durch und versorgt diese erstmalig gesehenen Patien- ten" (G. Rudolf, Göttingen 1977). Die irrige Vorstellung, daß schwere Neu- rosen spontan heilen,

konnte u.

a.

von Dührssen widerlegt und die Wirksamkeit der Psychoanalyse,

wenn sie von ausgebildeten Psycho- therapeuten durchgeführt wurde, in umfangreichen Untersuchungen ob- jektiviert werden (A. Dührssen, Ana- lytische Psychotherapie in Theorie, Praxis' und Ergebnissen, Vanden- hoeck & Ruprecht, Göttingen).

Dr. med. Jürgen Wischnewski Arzt für Psychiatrie, Psychotherapie Driescher Straße 4

5120 Herzogenrath

Die Überschätzung

. . . Wenn Herr Puder zu der Er- kenntnis kommt, der Psychoanalyse seien naturwissenschaftliche Denk- kategorien fremd, reicht diese Fest- stellung eigentlich aus, dem Verfas- ser nachzuweisen, daß er von den Denkabläufen im geisteswissen- schaftlichen Bereich, in dem sich wesentliche Argumentationshilfen für die Probleme geistig-seelischer Probleme befinden, nicht ausrei- chend orientiert ist. Wenn er dazu sein zögerndes Zugeständnis der Existenz des Psychischen durch den Hinweis auf den Pawlowschen Re- flexversuch unterstreicht und so sei- nen Kenntnismangel psychischer Vorgänge dokumentiert, kann man für diesen Artikel nur deshalb dank- bar sein, weil zu erkennen ist, daß Virchows körperlich-materialisti- sches Medizinverständnis auch in unseren Breiten noch tradiert wird . . . Am unerträglichsten ist der Hinweis, die Psychoanalyse habe nur zur Zeit der Wiener Dekadenz entstehen können (!), zu einer Zeit also, wo Semmelweis kurz zuvor sei- ne segensreiche Entdeckung mach- te! Auf alle weiteren Punkte dieses unsachlichen Diskurses einzuge- hen, würde eine Leserzuschrift überfordern, jedoch soll nicht unter- schlagen werden, daß der vorletzte kleine Abschnitt, in dem vor der Überschätzung der Psychotherapie gewarnt wird, sicher allgemeinen Beifall findet! Gleiches gilt ja zum Beispiel auch für die Anwendung von Penicillin, erst recht aber für den vorliegenden Artikel.

Dr. med. Ernst Peres Kinderarzt

Rheinau 16, 5400 Koblenz

BRIEFE AN DIE REDAKTION

JULIUS HACKETHAL

Zu einer öffentlichen Diskussion:

Selbstbesinnung tut not

... Bei aller wissenschaftlichen Haltlosigkeit von Hackethals Äuße- rungen sollten wir jedoch nicht in den gleichen radikalen Tenor verfal- len, wie J. H. ihn angestimmt hat, sondern uns einmal überlegen, wie er denn zu seiner Haltung gekom- men ist. Über die psychologischen Hintergründe werden sich wohl schon viele Leute Gedanken ge- macht haben. Eines steht jedoch fest: Das Elend der Krebspatienten ist in fast jeder Krankenanstalt ein ernsthaftes Problem geworden, das immer mehr an Bedeutung gewinnt.

Und jetzt klopfen wir uns mal an die eigene Brust: was tun wir eigentlich dagegen? Ist es verantwortlich, Pa- tienten mit z. B. fortgeschrittenem inoperablen Magenkarzinom statio- när zu behalten, solange sie noch weitgehend beschwerdefrei sind, und darüber hinaus die verschie- densten zytostatischen Therapien zu erproben, die in diesem Fall ja doch nicht erfolgversprechend sein kön- nen? Es gibt beliebig viele Beispiele, wo die Medizin zum Selbstzweck zu werden scheint. Und dies ist ein Punkt, in dem ich Herrn Hackethal recht geben muß: Die psychische Betreuung des Krebspatienten darf in den meisten Fällen als katastro- phal bezeichnet werden. Druckserei, Vertrösterei sowie überhaupt das ganze unnatürliche Verhältnis zur Tumorkrankheit sollten uns allen zu denken geben. Wir können es uns nicht nur leisten, sondern es ist so- gar unsere Pflicht, auf einige Thesen der Hackethalangriffe einzugehen, um darüber vernünftig und ohne aufgestauten Aggressionen zu dis- kutieren. Es ist für die gesamte Ärz- teschaft sicherlich schädlich, auf to- tale Verteidigung zu schalten und damit sich selbst den Blick auf die eigenen Fehler zu versperren. Will sich die Ärzteschaft nicht unglaub- würdig machen, ist eine Änderung ihrer Haltung angezeigt.

Wolfram Gruner Robert-Haug-Weg 8 7000 Stuttgart 1 >

3066

Heft 50 vom 14. Dezember 1978 DEUTSCHES ARZTEBLATT

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