Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 108|
Heft 21|
27. Mai 2011 A 1189 BÖRSEBIUSVon faulen Säcken umzingelt?
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olla. Wer auf Parteiveran- staltungen großflächigen Bei- fall erheischt, muss wohl die Sprache des Boulevards sprechen.Nichts anderes muss Angela Mer- kel geritten haben, als sie auf ei- nem CDU-Sommerfest in Meschede im Sauerland den Südeuropäern einiges erklärte. Sie gingen zu früh in Rente, und sie hätten eh zu viel Urlaub.
Die Bundeskanzlerin im Origi- nalton: „Wir können nicht eine Währung haben, und der eine kriegt ganz viel Urlaub und der andere ganz wenig.“ Implizit heißt das
doch wohl, wir sind von faulen Säcken umzingelt und die sollen sich mal hübsch für den Euro an- strengen, wenn sie denn schon un- ser gutes Geld haben wollen. Gut, den Vergleich mit den faulen Säcken hatte sich schon jemand an- deres lange vorher (in Gestalt des Exkanzlers Gerhard Schröder) ans Revers geheftet, als er unsere Leh- rerschaft anprangerte, genauer ge- sagt, deren Leistungsmoral. Aber es ist natürlich klar, dass dem just hochgehobenen Merkel’schen Fin- ger ein Sturm der Entrüstung entge- genschlug.
Dummheit pur also, oder war das alles vielleicht sogar Kalkül der kühlsten Sorte? Persönlich glaube ich eher an eine zielgerichtete Ak - tion mit dem Ziel, Emotionen zu schüren. Denn fast taggleich zur merkwürdigen Mescheder Merkel- rede wurde ruchbar, dass es um Griechenland schlimmer steht als befürchtet und vermutlich so wie
bisher nicht weitergemacht werden kann, Milliardenaufschüttungen eh nicht mehr weiterhelfen, sondern wohl in Bälde zum härteren Mittel der Umschuldung Griechenlands gegriffen werden muss. Volkes Stimme muss dann nur noch ge - nügend einjustiert werden, also kam das mit den nicht so arbeit - samen Südeuropäern als Stilmittel gerade recht.
Natürlich ist es volkswirtschaft- lich kritisch, wenn im Euroraum unterschiedliche Urlaubszeiten und Renteneintrittsalter gelten. Viel- leicht mag es auch schädlich sein und das, was Angela Merkel gesagt hat, in Ruhe betrachtet, sogar rich- tig. Aber diese Erkenntnis ist nicht neu, wirklich nicht. Sie spielte je- denfalls beim Eintritt der südeuro- päischen Länder in die Europä ische Union keine Rolle.
Heute aber kann das Einfordern geringerer Urlaube und späterer Renteneintritte bei unseren Nach- barn nur als billige Ausrede für ei- genes Fehlverhalten in der Wäh- rungspolitik gedeutet werden. Dort ist jahrelang die falsche Politik be- trieben worden und wird es mög - licherweise immer noch. ■ Börsebius-Telefonberatung „rund ums Geld“
Wie an jedem 1. Samstag des Monats, können Sie auch am 4. Juni 2011 in der Zeit von 9 bis 13 Uhr Börsebius (Diplom-Ökonom Reinhold Rombach) anrufen (0221 985480-20). Die kostenlose Telefonberatung ist ein spezieller Service des Deutschen Ärzteblattes für seine Leser.