Zur Fortbildung Aktuelle Medizin
KONGRESSNACHRICHTEN
Hypertonie
durch Enzymdefekt?
Im Tierexperiment gibt es den Zusammenhang zwischen Hyper- tonie und Enzymdefekt wirklich.
Inwieweit die Befunde auf die Verhältnisse bei der essentiellen Hypertonie des Menschen über- tragen werden können, sei vor- erst noch dahingestellt. Für die erbliche Komponente der essen- tiellen Hypertonie dürften die ex- perimentellen neuro-biochemi- schen Befunde wahrscheinlich gar nicht allzu weit hergeholt sein (Professor Dr. H. Grobecker, Pharmakologisches Institut der Universität Frankfurt/Main): Es gibt einen Rattenstamm mit einer genetisch bedingten Spontanhy- pertonie, die sich in den ersten 4 bis 14 Lebenswochen entwickelt und dann konstante RR-Werte von 200 mm Hg und mehr zeigt.
Bei diesen Tieren besteht in zwei eng umschriebenen Hypothala- muskernen ein Noradrenalin- mangel, der auf einen lokalen De- fekt im noradrenalinbildenden Enzym Dopamin-Beta-Hydroxy- lase (DBH) zurückgeht. Zerstö- rung dieser Hypothalamuskerne verursacht auch bei nicht spon- tan hypertensiven Kontrolltieren eine massive Hypertonie. Offen- bar handelt es sich dabei um eine lnhibition hypertonie-zügelnder Kerne mit gleichzeitigem Über- wiegen hypothalamischer Alpha- rezeptoren-Regionen. Lokale Applikation von Alphamethyldo- pa beziehungsweise Clonidin hebt den Effekt besagten Kern- ausfalls wieder auf. Das Verhal- ten der Neurotransmitter Adrena- lin und Dopamin ist noch nicht genau abgeklärt. — Zu Beginn dieser Hypertonie ist die Blut- druckregulation der Medulla oblongata nicht und die der Peri- pherie nur sekundär betroffen.
Erst später übernimmt die Peri- pherie die pathogenetische Füh- rung des Krankheitsbildes, und zwar in Gestalt des „Gefäßfak-
tors" (hochdruckbedingter Um- bau der arteriellen Strombahn- wände, Elektrolytverschiebung pp.) mit der auch beim Menschen nachweisbaren erhöhten Reagi- bilität der peripheren neuronalen und adrenergen sympathikoto- nen Aktivität (erhöhte Serum- spiegel an Noradrenalin und Adrenalin). Der allmähliche An- stieg der Noradrenalinspiegel al- lein, der mit dem Alter gefunden wird, hat damit offenbar nichts zu tun.
(Kolloquium in der Psychiatrischen Univer- sitätsklinik München, Februar 1977)
Atemfunktion bei
Lungenfibrose
Bei Atmungsinsuffizienz auf- grund konstriktiver chronischer Bronchitiden ist die Exspiration behindert. Prototyp: Asthma bronchiale. Bei Lungenfibrose dagegen wird zuerst die Gasdif- fusion erschwert bis unmöglich, dann die Dehnbarkeit der Lunge geringer. Die wichtigsten Befun- de für die orientierende Lungen- funktionsprüfung bei den führen- den klinischen Symptomen einer Lungenfibrose, nämlich Bela- stungsdyspnoe beziehungsweise therapieresistenter, starker Reiz- husten (Privatdozent Dr. U. H. Ce- gla, Medizinische Universitätskli- nik Freiburg): Lungenvolumen beziehungsweise Vitalkapazität sind vermindert; die Residualka- pazität ist relativ wenig vermin- dert, der Atemwiderstand im all- gemeinen normal. Am stärksten eingeschränkt ist die Diffusions- kapazität. — Diese Parameter der Atemfunktion rangieren bei der Beurteilung einer Lungenfibrose beziehungsweise eines Therapie- ergebnisses weit vor dem wenig ergiebigen Röntgenbild und vor den unspezifischen Laborbe- funden.
(Kolloquium des Vereins zur Förderung der Lungen- und Tuberkuloseheilkunde, Ja- nuar 1977, Gauting)
Selbsthilfegruppen für Alkoholiker
Alkoholismus ist keine temporä- re, sondern eine lebenslang be- stehende Krankheit, deren sym- ptomatische Dauertherapie in ei- nem einzigen Begriff zusammen- zufassen ist: absolute Abstinenz.
Das heißt nicht Alkoholverbot für alle Menschen, sondern das gilt ganz spezifisch für den Alkoholi- ker, der die Einsicht lebenslang beibehalten muß, niemals auch nur ein einziges Glas anzurühren.
Ob das Unvermögen des Alkoho- likers, nach dem ersten Glas (oder nach dem ersten Löffel ei- ner alkoholischen Arznei!) nicht wieder aufhören zu können, psy- chisch, körperlich oder bioche- misch begründet ist, sei dahinge- stellt. Dieses Unvermögen wird durch die medizinische Therapie (Entgiftung und Entwöhnung) al- lein nicht beseitigt (Professor Dr.
W. Feuerlein, Max-Planck-Insti- tut für Psychiatrie, München).
Nur ganz wenige der Betroffenen schaffen es, diese Alkoholkarenz den hunderterlei gesellschaftli- chen Verführungen zum Trotz jahrzehntelang durchzuhalten.
Sie können auch noch nach Jah- ren und Jahrzehnten der Absti- nenz nach einem einzigen Glas abrutschen! — Da sie in ihrer übli- chen Umgebung selten dafür Verständnis finden, sind sie in den bekannten Selbsthilfegrup- pen (Anonyme Alkoholiker, Gut- templer, Blaues Kreuz und ande- re) unter Gleichgesinnten besser aufgehoben. — Dauerkarenz ist keine ärztlich zu kontrollierende Angelegenheit; denn dazu gehört die persönliche Freundschaft mit Gleichbetroffenen, die sich auch auf das Lösen von Lebensproble- men erstreckt, die dem an sich nicht allzu ich-starken Alkoholi- ker allein nicht immer gelin- gen. WP
(Forum des Kollegiums der Medizinjourna- listen über chronischen Alkoholismus, No- vember 1976, Köln)
812 Heft 12 vom 24. März 1977