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A2820 Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 4324. Oktober 2003
S T A T U S
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as Burn-out-Syndrom galt lange Zeit als typi- sches Leiden von Mana- gern. Mittlerweile sind aber immer öfter auch Ärzte be- troffen, wie Alfred Lange vom Dienstleistungscentrum medi- cen in Chemnitz berichtet (www.medicen.de). Ein Grund dafür sei, dass sie unter dem besonderen Druck stünden, es möglichst allen Recht machen zu wollen. Viele Ärzte erken- nen zwar die Vorzeichen, wol- len das Ausgebranntsein je- doch nicht wahrhaben.Langes Erfahrung ist, dass vor allem junge Ärzte gefähr- det sind: engagierte Men- schen, die enthusiastisch und voller Erwartungen an eine neue Aufgabe gehen. Man
„brennt“ für eine Sache, eröff- net eine Praxis und ist vom Ge- danken beseelt, kranken Men- schen auf einfühlsame Weise helfen zu können. Der Praxis- alltag, die bittere Erfahrung, manchmal an die Grenzen der medizinischen Leistungsfähig- keit zu stoßen, Zeitdruck, ver- zweifelte Patienten, das Auf und Ab in der Gesundheitspo- litik und ökonomische Zwän- ge führen zunächst zu einer Steigerung des persönlichen Einsatzes – und dann zur Fru- stration. Es folgen Rückzug, Abkapselung, Vernachlässi- gung von Familie, Hobbys und
Privatleben und schließlich Hoffnungslosigkeit, Apathie und Depression. Ein Gefühl der inneren Leere macht sich breit. Der Enthusiasmus ist verflogen, das Engagement sinkt. Darüber spricht nie- mand gerne. „Der Betroffene nimmt seinen Zustand meist zuletzt wahr“, berichtet Otto Fuksik von 11Concept in Jena (www.11concept.de).
Dem Burn-out-Syndrom kann vorgebeugt werden: Kör- perbedürfnisse beachten, re- gelmäßige Pausen, effektives Zeitmanagement, urlauben, Aufgaben delegieren, „nein“
sagen lernen, Hang zum Per-
fektionismus vermeiden, Ent- spannungstechniken und Atem- übungen sind wichtige Ein- zelmaßnahmen. „Das Aller- wichtigste aber sind Gesprä- che“, meint Michael Letter von Medical Management in Willich (www.5medical-manage ment.de), der versucht, zu den vom Burn-out bedrohten Ärz- ten in Einzel-Coachings ein Vertrauensverhältnis aufzu- bauen. Es genüge nicht, an der Stellschraube „Beruf“ zu dre- hen, betont er. Vielmehr sei es notwendig, die einzelnen Le- bensbereiche zu harmonisie- ren, um Kraft zu schöpfen. Der Arzt müsse lernen, sich zu öff- nen, über seine Probleme zu sprechen und bereit sein, sich als ganzheitliche Person in den Prozess einzubringen.
Ärzte spielen in ihrem Le- ben verschiedene Rollen: mor- gens als Elternteil, das dafür sorgt, dass die Kinder rechtzei- tig in der Schule sind. Dann ab in die Praxis oder Klinik. Ter- mine, Mitarbeiterbesprechun- gen, Hektik, Stress, Freude und Ärger. Abends Freunde tref- fen, Kino, das Fitnessstudio aufsuchen. Da aber nur ein be- schränktes Zeitbudget für die- se Vorhaben zur Verfügung steht, kommt es zu einem Hin- und Hergerissensein zwischen den beruflichen Zielen,Anfor- derungen und Aufgabenerfül- lung sowie dem Spaß und Fa- miliensinn.
Mit der Frage, wie sich der Energie-Akku jeden Tag neu aufladen lässt, beschäftigt sich
das Life-Leadership®, also die Kunst, das Leben eigenverant- wortlich zu gestalten. Dort werden vier Lebensbereiche unterschieden: die Gesundheit (Fitness, Ernährung, Erho- lung), das Privatleben (Frei- zeit, Hobbys, Freunde, Fami- lie); der Beruf (Arbeit, Karrie- re) und die Sinnhaftigkeit (Selbstverwirklichung, Zu- kunftsfragen, Philosophie).
Das Ziel ist die Ausbalan- cierung der Persönlichkeit, bei der ein unabhängiger und neu- traler Dritter Unterstützung gibt. Der Arzt versucht, be- wusst vom Beruflichen ins Pri- vate, von der Sachlichkeit zur Emotionalität zu wechseln – und trotzdem in seiner Mitte er selbst zu bleiben. Da ist Zielmanagement gefragt: Der erste Schritt gegen den Burn- out besteht in der Klärung der Frage,welche Ziele für den Arzt oberste Priorität genießen.
Wer sich konkrete Ziele setzt, wird feststellen, dass sich sein Leben wie automatisch an diesen Zielen orientiert. Dar- aus ergibt sich die Frage: Was muss ich tun, um die Ziele zu erreichen? Dabei fokussiert sich der Arzt auf die wesentli- chen Aufgaben – nämlich die, die der Zielerreichung dienen.
Diese Maßnahmen unterstüt- zen das übergeordnete Vorha- ben, wieder Vertrauen zu sich selbst zu gewinnen. Kein leich- tes Unterfangen – aber der richtige Weg, um das Feuer der Begeisterung aufs Neue zu entfachen. Dr. Michael Madel
Die Bürgerversicherung ist eine Krankenversicherung für alle Bürger. Mit ihrer Einführung wären alle Erwerbstäti- gen versicherungspflichtig – also auch Beamte, Selbst- ständige und Freiberufler. Zudem vergrößert sich die Fi- nanzbasis: Die Höhe des Ein-
kommens bemisst sich nicht mehr nur am Arbeitseinkom-
men, sondern an allen Einkommensarten. Dazu gehören auch Mieteinnahmen, Aktiengewinne oder Zinseinnah- men aus Kapitalvermögen.
Bisher gilt zur Berechnung des Krankenkassenbeitrags die Einkommensgrenze von 3 450 Euro. Darüber liegen- des Einkommen ist beitragsfrei. Beim Bürgerversicherungs- modell würde diese Beitragsbemessungsgrenze vermut- lich höher liegen, im Gespräch sind 5 100 Euro. Die Folge:
Auf mehr Einkommen werden Beiträge bezahlt, die Ein-
nahmen der Krankenkassen steigen. Zudem gibt es weni- ger starke Schwankungen auf der Einnahmenseite der Krankenkassen, weil Mieteinkünfte und Zinsen weniger konjunkturabhängig sind als Arbeitseinkommen. Experten rechnen damit, dass die Bür- gerversicherung die Beitrags- sätze der Krankenkassen um rund zwei Prozent senken könnte. Für die Bezieher höhe- rer Einkommen wäre die bisherige Möglichkeit eines Wechsels in die private Krankenversicherung nicht mehr gegeben. In ihrer Reinform bedeutet die Bürgerversiche- rung das Ende des bisherigen Parallelsystems von privater und Gesetzlicher Krankenversicherung, weil die derzeit geltende Einkommensgrenze (3 825 Euro), ab der sich der einzelne Versicherte freiwillig privat versichern kann,
wegfiele. JF
L E X I K O N
Burn-out-Syndrom
Junge Ärzte gefährdet
Bürgerversicherung
Foto:caro (M)