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Ueber die lautliche Steigerung bei Lehnwörtern im
Arabischen.
Von Karl Völlers.
S. Fraenkel hat vor kurzem ') seine Bedenken gegen die von
Roediger, Landauer und Nöldeke verfochtene Gleichung ^^"^ ~
lici' ausgesprochen und den arabischen Namen mit der aramäischen
Form Isö' auf rein lautlichem Wege auszugleichen gesucht. Er
weist bei dieser Gelegenheit von neuem auf die Erscheinung hin,
dass wir nicht selten in arabischen dem Aramäischen entlehnten
Wörtern ein y als Ersatz eines ursprünglichen N finden (vgl. seine
aram. Fremdwörter 108. 233 f.). Die Erklärung dieser Erscheinung
findet Fraenkel in einem Gehörfehler seitens der Araber (Wiener
Ztschr. IV 335 oben, 336/7). Ich hoffe durch die nachfolgenden
Bemerkungen wahrscheinlich zu machen , dass diese Erklärung an¬
gesichts der weiten Verbreitung des genaunten Lautwandels nicht
genügt, sondern dass sie in dem Verhältniss des semitischen
(arabischen) Lautorganismus zu dem aussersemitischen (ausser¬
arabischen) überhaupt zu suchen ist.
Ich erinnere hier zunächst an die meist von Fraenkel schon
angeführten Beispiele , wo das arabische ^ theils dem aramäischen
t5 , theils dem Spiritus lenis der nichtsemitischen Sprachen gegen¬
übersteht, nämlich (j-j-^c — |qdo;20J ; jjic = dxga; J_»aäc =
biaris = ifißokoe; -bjjÄc = idiwTtjg vgl. Ztschr. 1890, 377 Anm.;
^J^■^J^ = o:~\H; ^.jbLii_w.j: = pbpcN; ^JClvcLc = Ijof Wiener
Ztschr. III 247; Hassan Bar Bahlul lexieon ed. Duval I c. 192, 1;
^.„ulüxc^ = 'iyx^kvg Dozy s. v., dazu Fleischer, Kl. Schrifteu II,
2, 647.
1) Wiener Zeitschrift IV 334 f
Völlers, Ueber die lautl. Steigerung bei Lehnwörtern im Arabischen. 353
Fraenkel will bei j-i-c = äxga die Steigerung durch das
Bestreben erklären , den Kehllaut dem starken auf ihn folgenden
emphatischen Laute zu assimUiren vgl. seine mehrlaut. Bildungen
(1878) p. 12. Besonders lehrreich ist die Gleichung aram. bDPN =
1) JUCjLc oder 2) J^jLi_c, 3) JUCJ! vgl. Fraenkel, mehrlaut.
Bildungen p. 1. Während die dritte arabische Form lautgeschicht¬
lich mit dem aramäischen bDPN und dem hebräischen bsiN har¬
monirt, müssen wir in den andern Formen lokale Entlehnungen
erkennen, welche zugleich durch ihren Vokalismus die beiden Haupt¬
gruppen des Syrischen, die östliche und die westliche, abspiegeln ').
Ebensowenig können wir ^^xic von (i<)-iEa trennen (Fraenkel,
a. a. 0. 3 f.) und werden durch die arabische Form zur Annahme
eines aramäischen (N)nEj:N (vgl. assyr. issuru) gedrängt. Auch die
Zusammenstellung von iw^ys^c mit iinsiN scheint mir trotz der
Bedeutungsdifferenz nicht abgewiesen werden zu können. Schon
J. Levy (Targumim-Wörterb. (1881) p. 43) hat das jüdisch-ara¬
mäische Np:"'N mit ilÄic verglichen. Ich wage noch an das von
Stephanus Byzantinus für pbönicisch erklärte "Oyxa, den Beinamen der Athene in Theben, zu erinnern.
In der Frage, ob arab. ^j,^ oder pers. lacker das Ursprüng¬
liche sei, entscheiden die obigen Parallelen zu gunsten des Per¬
sischen ^). Das besonders in der jüngeren Sprache weit verbreitete
kann nur in dem perso-syrischen -^tcz sein Prototyp finden.
Dass das Aufkommen eines ^ im Inlaut nicht isolirt dasteht, be¬
weist das moderne ^.j^yCiw (Bistäni) = maccheroni. Zwei laut¬
liche Processe waren also wirksam bei der Bildung von ^.^^U,
erstens die Potenzirung des ä zu 'ä, zweitens die Angleichung an
die sehr beliebte Jj-=-li-Form , die bis in die jüngste Zeit hinein
>
analogiebildend wirkt. Die arabischen Wörter ij*yc und
^J|.J|JC■ haben mit dem Grundstamm des Verbums nichts zu
1) Vgl. die sinnverwandten Doppolformen .^y^Ji, und ,
und (3jiLvC und die schwerlich zufallige Erscheinung , dass von diesen Formen immer nur die zweite in der jüngeren Sprache fortlebt, so samrüh und 'an'öd.
2) Vgl. Fraenliel, aram. Fremdwörter 239. Ibn Dureid (bei Gawäliki, AI-Muarrab ed. Sachau p. 105) behält hier Recht.
1 7
354 VoUem, Ueber die lautl. Steigerung bei Lelinwörtern im Arabischen.
thun, sondern finden nur in der Form IV desselben ihren Wider¬
hall ; es liegt am nächsten, jene mit dem aramäischen onN (= hebr.
0"it«) zu kombiniren, während das lautgeschichtliche Korrelat zu
£
diesen (ji^I ist, das nur noch in der Kunstsprache des kanonischen Rechts fortlebt.
Ich muss fürchten, zunächst heftigem Widerspruche zu be¬
gegnen, wenn ich auch die Gleichung ot^Xc alt = antiquus hier
vertheidige. Aber ich kann nicht umhin, in der Wurzel OiÄc prr
zwei Bestandtheile zu unterscheiden, erstens den ursemitischen mit
der Bedeutung „edel , hehr" (ursprünglich wohl „abgesondert"), zweitens das zunächst formell, später auch etymologisch assimilirte
antiquus. Man mustere nur unbefangen die alttestamentlichen und
arabischen Verbindungen , um zu dem Schlüsse zu gelangen , dass
die Bedeutung „alt" von uns, bezw. von den arabischen Exegeten
in Stellen hineingedeutet wird , wo die genannte gemeinsemitische
Bedeutung ein tieferes Verständniss erschliesst. Natürlich müssen
die aramäischen Mundarten bei der genannten Kontamination als
Vermittler gedacht werden.
Die bisher gegebenen Beispiele gehören alle der älteren Sprache
an, aber in dem jüngeren Arabisch ist dieser Steigerungstrieb nicht
minder bemerkbar. Das Wort izba, welches ira osmanischen Türkisch
(Redhouse s. v. hut), im kaukasischen Türkisch (Bodenstedt, 1001
Tag, 2. Aufl. 1854, III, 155), im Russischen („Bauernhütte",
vgl. A. Boltz, russ. Lehrgang, 5. Aufi. II (1884), 157) und im
Polnischen („die grosse Mittel-Stube des Bauernhauses") auftritt,
muss durch kaukasische Sklaven oder später durch osmanische
Soldaten nach Aegypten getragen sein, wo es ä.j.c 'ezhä lautet und
die primitiven, meist aus Rohr bestehenden Behausungen der länd¬
lichen Arbeiter bedeutet. Die Bewohner solcher Hütten heissen
jetzt ioljc 'azzäba, ein Name, der schon im 15. Jahrhundert n. Chr.
aufzutreten scheint ').
In demselben Verhältniss steht das arabische iLj—c (vulgär
'arabija) zum türkischen araba (vgl. Fleischer, Kl. Sehr. II, 2, 630 f.),
das arabische ^,/i3j_c Lager zum türkischen ordu, das arab.
Heizer zum türkischen ^.s\.cij"t . Schon Landberg 2) hat
Koch mit dem türkischen kombinirt. Das von Fleischer
1) >7nliresber. d. k. k. öffentl. Lehranstalt f. orient. Sprachen 1883, Wien 188 J, S. 33.
2) Proverbes et dictons I, 82.
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Völlers, Veber die lautl. Steigerung bei Lelinwörtern im Arabischen. 355
{a. a. 0. II, 2, 638) hervorgehobene Moment der volksetymologischeu
Angleichung (an 'eSä, Abendessen) gieht keine ausreichende Er-
tlärung, denn die Araber kennen so gut Vi^ie wir ein Mittag- und
ein Abendessen. Das persische anbär ist arabisch zu ^^..Lc 'anbar
geworden und bedeutet hier den Schiffsraum, den Lagerraum , den
Büchersaal einer Bibliothek u. s. w., vgl. Pleischer a. a. 0. 646.
o ,
Das Wort (ji,_a_c ist der klassischen Sprache (Gauhari und
ZamahSari) unbekannt; das älteste mir bekannte Beispiel giebt
Makrizi (Jak=> II, 223, 35 = Sacy's chrestom.^ II, 60), der es
einem wenig älteren Staatsmanne in den Mund legt. Es bedeutet
.Hausrath' und verächtlich .Plunder", so besonders im ^UjI 'aß
' 1. > ^ .
naß; wenn jenes die ursprüngliche Bedeutung darstellen muss, so
könnte man es aus dem türkischen ew-aSjasi erklären , was die
Araber kraft einer Art von Dissimilation zur triliteralen Wurzel
gestaltet haben. Ob das von den meisten Lexikographen angeführte,
)
angeblich schon von Ibn Dureid bezeugte jLiiUc „Gesindel" hiermit
zusammenhängt, scheint mir zweifelhaft zu sein; für die fremde
Herkunft von ^JiJit. spricht auch das Zeugniss des Hafägl ').
Das im modernisirten Aegypten begreiflicherweise sehr beliebte
alla franca wird im Munde des Arabers oft zu 'ala-franka. Mag
hier wie auch sonst mitunter ein volksetymologischer Trieb mit im
Spiel sein , so zeigen doch zahlreiche andere Beispiele , dass dies
nur als sekundär angesehen werden darf.
Wie schon aus einigen oben angeführten Formen (z. B. ^äc,
_b».jA.c , iwJ^j^c, ^^^jto_c) erhellt, beschränkt sich dieser Trieb der
lautlichen Steigerung bei Entlehnungen nicht auf den Uebergang
des Hamza zu sondern nichtarabisches t wird zu _b, d zu tj^:^
k zu ö. s zu ^JJ potenzirt, vgl. Fleischer a. a. 0. II, 2, 638;
Guidi, della sede primitiva 16 Jitv>.- = ^Aas>), Praenkel, aram.
Fremdwörter 235, ferner pers. i>.'S neben arab. ;>J3, pers. ^-^JS
neben arab. ^X^.h u. s. w. Wenn dieser Trieb nicht mit der
l5 j
Konsequenz eines mechanischen Lautwandels sich geltend macht, so
bedenke man, auf wie verschiedenen Wegen Entlehnungen statt-
1) Im JwJuiJl tUxi (12Ü2) p. 158.
356 Völlers, Ueber die lautl. Steigerung bei Lehnwörtern im Arabischen.
finden können. Im allgememen dürfen wir die besprochene Er¬
scheinung eher bei den durch untere Volksschichten vermittelten
Entlehnungen erwarten, als bei litterarischen Uebertragimgen. Ich
habe bereits angedeutet , wo ich die Erklärung dieses wichtigen
Triebes zu finden glaube. Vergleicht man den arabischen (semi¬
tischen) Lautbestand mit dem der umgebenden, meist indogerma¬
nischen Sprachen, so springt sofort ins Auge, dass eine Reihe von
Lauten , die in diesen nur einfach auftreten , in den semitischen
Sprachen (soweit diese nicht auf lautmechanischem Wege , meist
infolge der engeren Berührung mit fremden Völkem abgeschliffen
sind) doppelt sich vorfinden , einfach und (in unserm Sinne) ge¬
steigert : so steht y neben N , _ neben a ^ ijj neben ^5, (jo neben o
(j«, (JO neben o, neben Js neben o. Wo dem Semiten
(Araber) das fremdklingende Wort aufstiess, mochte gerade das
mühsame Bestreben, das ungewohnte Lautgebilde getreu nach¬
zuahmen , den Anlass geben , die genannten Laute zu potenziren
oder besser zu semitisiren (arabisiren).
357
Der Giftmann.
Von Karl Völlers.
Die Bemerkungen Snouck's über den Simmäwi (Mekka II, 270
Anm. 1) veranlassten mich, meine über dieselbe sagenhafte Person
gesammelten Notizen einer erneuten Prüfung zu unterwerfen. Ausser
der Mittheilung Goldziher's (Ztschr. XXXIII, 610) und der Er¬
wähnung in den Contes Spitta's (VII, 6. 7) stand mir eine längere
Aufzeichnung zu Gebote, die ich mir im Prühjahr 1888 in Kairo
bei einem ebenso traurigen wie unerwarteten Anlasse aus dem
Munde imgebildeter Aegypter sammeln konnte.
In der Nacht vom 22. auf den 23. März 1888 starb in
Stambul der Brader S. H. des regierenden Vice-Königs , der auch
in Deutschland wohlbekannte Prinz Hasan Pascha, an der Wasser¬
sucht. Bald darauf verbreitete sich in Kairo unter dem niedern
Volke das Gerücht, dass der „Herrscher von Konstantinopel" den
Tod des Prinzen verschuldet und nun auch seinen Helfershelfer, den
Simmäwi, nach Kairo gesandt habe, um aus den Körpern der von
ihm getödteten und gekochten Kinder durch Destillation neues Gift
für seine frevelhaften Zwecke zu gewinnen. Das Gerücht hielt
sich am festesten in dem überwiegend von ärmlichen Leuten be¬
wohnten südwestlichen Viertel der Stadt, das volksthümlich nach
dem Heiligen „es-Sultän el-Hanafi" ') benannt wird. Die von mir
damals gesammelten Angaben stimmen in den folgenden Punkten
überein : 1) Der Simmäwi arbeitet auf Befelil- des Herrschers von
Konstantinopel. 2) Er treibt sich unerkennbar und, wenn verfolgt,
unsichtbar in den Strassen umher, späht nach Kindern und jungen,
unerfahrenen Burschen, auch nach Sklavinnen, tödtet sie, kocht sie
1) Ueber sein Leben (^äxiJ! j.**>.J!) vgl. Ztsclir. 1889, 114; Orient.
Bibliogr. 1889, no. 2204. Seine Moschee trägt auf dem im Handbuch Bädeker's enthaltenen Plan von Kairo die Nummer 65 mit der mir unklaren Legende Sidi el-Isma'ili.
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