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Academic year: 2022

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Lösungen gemeinsam finden

Potentiale einer direkt(er)en Kommunikation zwischen PraktikerInnen der Sozialen Arbeit und politischen EntscheidungsträgerInnen

Masterarbeit

Zur Erlangung des akademischen Grades

Master of Arts in Political Management der Fachhochschule FH Campus Wien

Vorgelegt von:

Mag.(FH) Barbara Walenta

Personenkennzeichen:

1330019013

Erstbegutachter:

Mag. Dr. Roman Pfefferle

Zweitbegutachter:

Univ.-Prof. Mag. Dr. Andreas Schnider

Eingereicht am:

22.05.2017

(2)

Erklärung:

Ich erkläre, dass die vorliegende Diplomarbeit/Masterarbeit von mir selbst verfasst wurde und ich keine anderen als die angeführten Behelfe verwendet bzw. mich auch sonst keiner unerlaubten Hilfe bedient habe.

Ich versichere, dass ich diese Diplomarbeit/Masterarbeit bisher weder im In- noch im Ausland (einer Beurteilerin/einem Beurteiler zur Begutachtung) in irgendeiner Form als Prüfungsarbeit vorgelegt habe.

Weiters versichere ich, dass die von mir eingereichten Exemplare (ausgedruckt und elektronisch) identisch sind.

Datum: ... Unterschrift: ...

(3)

Danksagung

Vielen herzlichen Dank an alle Menschen, die mich bei der Erstellung vorliegender Masterarbeit unterstützt haben.

(4)

Prolog

„Wo aber das Gespräch sich in seinem Wesen erfüllt, zwischen Partnern, die sich einander in Wahrheit zugewandt haben, sich rückhaltlos äußern und vom Scheinen wollen frei sind, vollzieht sich eine denkwürdige, nirgendwo sonst sich einstellende gemeinschaftliche Fruchtbarkeit.“ (Martin Buber)

(5)

Kurzfassung

Vorliegende Arbeit fragt gemäß dem Titel, ob eine direkt(er)e Kommunikation zwischen PraktikerInnen Sozialer Arbeit und politischen EntscheidungsträgerInnen Potentiale in sich birgt – und wenn ja, welche?

Hierzu werden, nach der Erläuterung der theoretischen Grundbegriffe, die beiden Bereiche Soziale Arbeit und Sozialpolitik miteinander in Bezug gestellt und deren Zusammenhang, Gemeinsamkeiten und Unterschiede erörtert. In einem weiteren Schritt werden Soziale Organisationen beschrieben. Deren Einbettung in der sozialpolitischen Landschaft sowie die Rolle der Leitung in Bezug auf eine direkt(er)e Kommunikation werden thematisiert, um in weiterer Folge die Schwierigkeiten von PraktikerInnen Sozialer Arbeit in Bezug auf die Kommunikation ihrer Expertise darstellen zu können.

Unerwünschte Phänomene der Unternehmenskommunikation sowie Möglichkeiten, diesen entgegenzuwirken, werden erörtert.

Die theoretische Herleitung der Potentiale wird durch zwei Praxisbeispiele aus der Literatur untermauert. Es werden zwei Prinzipien von „High Reliable Organizations“ sowie ein Pilotprojekt zur Einbindung weltweit agierender VertriebsmitarbeiterInnen dargestellt.

Der sich daraus ergebende Nutzen wird auf den Gegenstand vorliegender Arbeit umgelegt.

Zum Abschluss der theoretischen Auseinandersetzung wird der Open-Government- Ansatz und die Entwicklung dazu in der Stadt Wien als politische Grundlage für die Umsetzung einer direkt(er)en Kommunikation der beiden Berufsgruppen beschrieben.

Für die empirische Studie wurden acht leitfadengestützte ExpertInneninterviews mit VertreterInnen aus den Bereichen Soziale Arbeit und Politik durchgeführt. Die erhobenen Daten wurden mittels zusammenfassender, qualitativer Inhaltsanalyse nach Mayring ausgewertet. Die Ergebnisse der Untersuchung zeigen, dass eine direkt(er)e Kommunikation zahlreiche Potentiale in sich birgt – sowohl für die beteiligten AkteurInnen, für die KlientInnen Sozialer Arbeit als auch für die Allgemeinheit. Durch einen direkt(er)en Austausch können Problemstellungen schneller erkannt und besser eingeschätzt sowie gemeinsam tragfähige Lösungen entwickelt werden. So können Maßnahmen gezielter gesetzt werden, wodurch auch der ökonomische Einsatz öffentlicher Mittel gefördert werden kann. Im Rahmen der Studie wurde auch festgestellt, wo anzusetzen wäre, um die Potentiale nutzbar machen zu können. Förderliche und hinderliche Faktoren sowie zahlreiche Ideen, die Kommunikation direkt(er) zu machen und den Informationsfluss zu verbessern, weisen den Weg.

(6)

Abstract

This central question of this thesis is, whether a (more) direct communication between practitioners of social work and political decision-makers offes potentials in itself – and if so, which ones?

For this purpose, after the explanation of the theoretical basic terms, the two areas of social work and social politics are placed in relation to one another and their connection, commonality and diversity are discussed.

In a further step, social organizations are described. Their embedding in the socio- political landscape, as well as the role of leadership are debated in regard to a more direct communication, in order to be able to present the difficulties of practitioners of social work related to the communication of their expertise. Undesirable phenomena of corporate communications as well as possibilities to counteract these are examined. The theoretical derivation of the potentials is underpinned by two practical examples from the literature. Two principles of "High Reliable Organizations" as well as a pilot project for the integration of worldwide operating sales staff are presented. The resulting benefits are related to the topic of the thesis at hand. At the end of the theoretical examination, the

“Open Government” - Approach and its development in the city of Vienna is described as a political basis for the implementation of a (more) direct communication between the two occupational groups.

For the empirical study, eight guideline-based expert interviews were conducted with representatives from the fields of social work and politics. The collected data were evaluated on the basis of summarizing, qualitative Content Analysis according to Mayring. The results of the study show that a (more) direct communication holds numerous potentials – for the both participants involved, for the clients of social work and for the general public. Through a more direct exchange, problems can be recognized and assessed not only better but quicker and sustainable solutions can be jointly developed.

In this way, measures can be taken in a more targeted manner, which can also promote the economical use of public funds. The study has also identified the first steps to take to utilize these potentials. Conducive and obstructive factors as well as numerous ideas to create a (more) direct communication and to improve the flow of information, show the way to proceed.

(7)

Schlüsselbegriffe

Soziale Arbeit und Politik Expertise Sozialer Arbeit

Politischer Auftrag Sozialer Arbeit Politisches Mandat Sozialer Arbeit Direkte Kommunikation

Kommunikation mit politischen EntscheidungsträgerInnen Kommunikationspotentiale

Zusammenarbeit/Kollaboration Interaktive Problemlösung Open Government

(8)

Inhaltsverzeichnis

D

ANKSAGUNG

...

III

P

ROLOG

...

IV

K

URZFASSUNG

...

V

A

BSTRACT

...

VI

S

CHLÜSSELBEGRIFFE

...

VII

I

NHALTSVERZEICHNIS

...

VIII

1. EINLEITUNG ... 1

1.1 Problemstellung ... 1

1.2 Zielsetzung und Nutzen ... 3

1.3 Aufbau der Arbeit ... 3

I THEORETISCHER TEIL ... 6

2. BEGRIFFSDEFINITIONEN ... 6

2.1 Soziale Arbeit ... 6

2.1.1 Zielgruppen Sozialer Arbeit ... 7

2.1.2 PraktikerInnen der Sozialen Arbeit ... 7

2.2 Politik ... 7

2.2.1 Sozialpolitik ... 8

2.2.2 Politische EntscheidungsträgerInnen ... 9

2.3 Direkte Kommunikation ... 9

3. SOZIALE ARBEIT UND POLITIK ... 12

3.1 Soziale Arbeit ... 12

3.1.1 Tätigkeitsfelder der Sozialen Arbeit ... 12

3.1.2 Funktionen Sozialer Arbeit in der Gesellschaft ... 13

3.1.3 Politisches Mandat der Sozialen Arbeit ... 14

3.1.4 Politisches Handeln als Teil der Sozialen Arbeit? ... 16

(9)

3.2 Sozialpolitik ... 18

3.2.1 Das österreichische System der sozialen Sicherung ... 18

3.2.2 Soziale Sicherung in Wien ... 19

3.3 Aktueller Forschungsstand zum Verhältnis Sozialer Arbeit und Sozialpolitik ... 19

3.3.1 Zusammenhang ... 21

3.3.2 Gemeinsamkeiten ... 23

3.3.3 Unterschiede ... 24

4. SOZIALE ORGANISATIONEN ... 25

4.1 Sozialpolitische Einbettung und Finanzierung ... 25

4.2 Beispiele von Organisationsstrukturen/Kommunikationswegen 26 4.3 Arbeitsbedingungen sozialer Organisationen ... 29

5. HERAUSFORDERUNGEN SOZIALER ARBEIT IN BEZUG AUF EINE DIREKTE KOMMUNIKATION MIT POLITISCHEN ENTSCHEIDUNGSTRÄGERINNEN ... 31

5.1 Die Rolle des Managements für die Kommunikation mit politischen EntscheidungsträgerInnen ... 31

5.2 Schwierigkeiten von PraktikerInnen Sozialer Arbeit in Bezug auf die Kommunikation innerhalb von Organisationen ... 33

6. KOMMUNIKATION IN UNTERNEHMEN ... 37

6.1 Abwärtskommunikation ... 37

6.2 Aufwärtskommunikation ... 38

6.3 Faktoren einer gelingenden Unternehmenskommunikation ... 39

7. POTENTIALE UND MÖGLICHKEITEN DER EINBINDUNG VON MITARBEITERINNEN ... 41

7.1 Nutzen der Einbindung von MitarbeiterInnen am Beispiel von

High Reliable Organizations ... 41

(10)

7.1.1 Sensibilität für betriebliche Abläufe ... 42

7.1.2 Respekt vor fachlichem Wissen und Können ... 43

7.2 Pilotprojekt zur Einbindung von MitarbeiterInnen in Entscheidungsprozesse ... 45

8. OPEN GOVERNMENT GRUNDLAGE FÜR EINE DIREKT(ER)E KOMMUNIKATION? ... 49

II EMPIRISCHER TEIL ... 53

9. EMPIRISCHES VORGEHEN UND METHODIK ... 53

9.1 Forschungsfragen ... 53

9.2 Erhebungsmethode ... 53

9.2.1 Auswahl und Kurzbeschreibung der InterviewpartnerInnen ... 54

9.2.2 Durchführung der Interviews ... 54

9.3 Auswertung und Interpretation des Datenmaterials ... 55

10. DARSTELLUNG DER ERGEBNISSE ... 57

10.1 Status quo: Kommunikationswege zwischen Politik und Sozialer Arbeit ... 57

10.1.1 Kommunikation zwischen PraktikerInnen und politischen EntscheidungsträgerInnen ... 57

10.1.2 Kommunikation zwischen PraktikerInnen und Leitungspersonen ... 60

10.1.3 Kommunikation zwischen Leitungen sozialer Einrichtungen und politischen EntscheidungsträgerInnen ... 61

10.2 Bezüge zwischen Sozialer Arbeit und Politik ... 62

10.3 Auswirkungen eines Mangels an direkter Kommunikation ... 67

10.4 Schwierigkeiten und hinderliche Faktoren einer direkt(er)en Kommunikation ... 68

10.4.1 Probleme in der Struktur ... 68

10.4.2 Mangelnde Ressourcen ... 69

10.4.3 Hinderliche Haltungen und Positionen ... 70

10.5 Förderliche Faktoren für eine direkt(er)e Kommunikation ... 75

(11)

10.6 Nutzen und Vorteile einer direkt(er)en Kommunikation ... 78

10.6.1 Bessere Ergebnisse durch gemeinsame Planung ... 78

10.6.2 Weiterentwicklung von Ideen und Konzepten ... 79

10.6.3 Basis für gute Zusammenarbeit ... 79

10.6.4 Persönliche Vorteile für politische EntscheidungsträgerInnen ... 80

10.6.5 Nutzen für KlientInnen und Gesellschaft ... 80

10.7 Ideen und Lösungsmöglichkeiten ... 81

10.7.1 Einrichtung einer Online-Plattform ... 81

10.7.2 Besuche in sozialen Einrichtungen ... 81

10.7.3 Einbindung von PraktikerInnen in politische Gremien ... 82

10.7.4 Kommunikation rund um öffentliche Auftritte ... 82

10.7.5 Foren an Fachhochschulen ... 83

10.7.6 Arbeitsgruppen innerhalb sozialer Einrichtungen ... 83

10.7.7 Gemeinsame Bildungsvorhaben ... 83

10.7.8 Ideen über Grassroot-Initiativen entwickeln und fördern ... 83

10.7.9 Einsatz von PraktikerInnen als GutachterInnen ... 84

10.7.10 Bestehende Kommunikationsmöglichkeiten ausschöpfen ... 84

10.7.11 Kontaktpflege ... 84

10.7.12 Wechsel des Berufsfeldes ... 85

10.8 Relevantes Wissen und Informationen für die jeweils andere Berufsgruppe ... 85

10.8.1 Relevantes Wissen und Informationen politischer EntscheidungsträgerInnen 85 10.8.2 Relevantes Wissen und Informationen von PraktikerInnen Sozialer Arbeit 86

10.9 Praktikable Settings und Kommunikationswege für eine direkt(er)e Kommunikation ... 88

10.10 Open-Government-Ansatz ... 90

11. BEANTWORTUNG DER FORSCHUNGSFRAGEN ... 93

11.1 Welche Faktoren begünstigen, welche Faktoren behindern eine direkt(er)e Kommunikation? ... 93

11.1.1 Im Bereich der Haltungen und Zugänge ... 93

11.1.2 Im Bereich der Rahmenbedingungen ... 94

(12)

11.1.3 Im Bereich der Art der Kommunikation ... 96

11.1.4 Im Bereich der Auslegung der Aufgabe und des politischen Auftrags Sozialer Arbeit ... 96

11.1.5 Im Bereich des Zusammenhanges sowie der Gemeinsamkeiten und Unterschiede der beiden Berufsgruppen ... 97

11.2 Welche konkreten Ausbau- und Verbesserungsmöglichkeiten bestehen? ... 98

11.2.1 Ebene der Anliegen und Forderungen ... 98

11.2.2 Ebene der konkreten Ideen und Lösungsmöglichkeiten ... 100

2. Ideen und Empfehlungen für die verstärkte bzw. teils veränderte Nutzung bestehender Kommunikationswege ... 101

3. Ideen für konkrete Zusammenarbeit ... 102

11.2.3 Auf der Ebene der konkreten Umsetzung ... 103

11.3 Welche Potentiale birgt eine direkt(er)e Kommunikation zwischen PraktikerInnen Sozialer Arbeit und politischen EntscheidungsträgerInnen? ... 105

11.3.1 Relevantes Wissen und Informationen der jeweils anderen Berufsgruppe 105 11.3.2 Bessere Einschätzung von Problemstellungen für bessere Lösungen ... 107

11.3.3 Weiterentwicklung von Ideen, Konzepten und Projekten ... 107

11.3.4 Bessere Ergebnisse durch gemeinsame Planung im Vorfeld der Umsetzung 107 11.3.5 Potential, präventiv arbeiten zu können ... 108

11.3.6 Basis für gute Zusammenarbeit ... 108

11.3.7 Persönlicher Nutzen für politische EntscheidungsträgerInnen ... 108

11.3.8 Nutzen für PraktikerInnen Sozialer Arbeit ... 108

11.3.9 Nutzen für KlientInnen Sozialer Arbeit ... 108

11.3.10 Nutzen für die Gesellschaft ... 109

12. ZUSAMMENFÜHRUNG THEORIE UND EMPIRIE ... 110

12.1 Die Rolle der Leitungspersonen sozialer Organisationen ... 110

12.1.1 Außenkommunikation: Kommunikation mit politischen EntscheidungsträgerInnen ... 110 12.1.2 Interne Kommunikation: Kommunikationsmöglichkeit für PraktikerInnen . 111

(13)

12.2 Eine Online-Plattform zur direkt(er)en Kommunikation ... 112

12.3 Bessere Einschätzung und Lösung von Problemen ... 114

13. RESÜMEE ... 116

LITERATURVERZEICHNIS ... 119

ABBILDUNGSVERZEICHNIS ... 127

ANHANG ... 128

(14)

1. EINLEITUNG

Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit den Potentialen, die eine direkt(er)e Kommunikation zwischen PraktikerInnen Sozialer Arbeit und politischen EntscheidungsträgerInnen in sich birgt. Welchen Sinn kann es haben, wenn die beiden AkteurInnen direkt(er) kommunizieren? Was sind aktuell Schwierigkeiten dabei und wie könnte man den Informationsfluss zwischen beiden verbessern? Inwiefern kann eine direkt(er)e Kommunikation bei der Lösung sozialer Probleme hilfreich sein? Diesen Fragen und Themenstellungen widmet sich die vorliegende Arbeit. Im Fokus steht dabei die Kommunikation der beiden Berufsgruppen in Wien.

1.1 Problemstellung

„Sozialarbeit ist Sozialpolitik in der Praxis“ – unter diesem Motto fand 2012 im Parlament eine Informations- und Diskussionsveranstaltung mit hochrangigen PolitikerInnen und VertreterInnen zahlreicher sozialer Einrichtungen aus ganz Österreich unter der Schirmherrschaft der damaligen Nationalratspräsidentin Barbara Prammer statt. Hier bestand kein Zweifel, dass es zwischen Sozialarbeit und Sozialpolitik einen starken Zusammenhang gibt und daher ein intensiver Austausch zwischen den VertreterInnen eine hohe Relevanz und Stellenwert hat.1

Doch wie sieht dieser Austausch in der Praxis und in Wien tatsächlich aus? Gibt es überhaupt die Settings und Möglichkeiten, dass jene Personen, die füreinander relevante Informationen haben, zusammenkommen und sich direkt austauschen können? Sind die Personen, die mit Betroffenen arbeiten und praktisch mit sozialen Problemstellungen konfrontiert sind, überhaupt mit denjenigen Personen in direktem Kontakt, die die Rahmenbedingungen für Maßnahmen, Hilfeleistungen und Ressourcen zur Lösung/Verbesserung der Problemstellungen beschließen, bestimmen oder gar gestalten?

In der Praxis sind VertreterInnen der Sozialen Arbeit oftmals in sehr hierarchisch aufgebauten Organisationen beschäftigt. Hier gibt es vorgegebene Kommunikationswege, die häufig über mehrere Hierarchieebenen laufen. In direktem Kontakt mit politischen EntscheidungsträgerInnen sind oftmals nur oberste

1 Vgl. Parlament der Republik Österreich, 2012, s.p.

(15)

Leitungsorgane, die nach außen auch wirtschaftliche Interessen und Organisationslogiken vertreten müssen. So ist eine Hypothese dieser Arbeit, dass oftmals Informationen auf diesen Kommunikationswegen verloren gehen bzw. relevante Informationen ihre Priorität durch verschiedene Logiken der jeweiligen Weitergebenden verlieren und es insgesamt lange Wege gibt, bis Informationen dort ankommen, wo darauf reagiert werden kann. Zum Beispiel zeigen sich bestimmte Veränderungen sozialer Phänomene oft sehr schnell in der unmittelbaren KlientInnenarbeit. Würden diese Phänomene oder Veränderungen unmittelbar kommuniziert werden, könnten in vielen Fällen, möglicherweise bereits präventiv, Maßnahmen gesetzt oder rechtzeitig über mögliche Lösungswege nachgedacht werden. So könnte man vermeiden, dass sich soziale Phänomene zuspitzen und dann ad hoc Entscheidungen und Lösungen verlangen, für die das jeweilige System nicht ausgestattet ist oder gar ein gröberer Schaden entsteht.

Ein Beispiel ist hier etwa die Thematik der von Armut und prekären Lebensverhältnissen im Heimatland betroffenen Notreisenden aus den neuen EU-Ländern, die nach Österreich und somit auch nach Wien kamen und im herkömmlichen System der Wohnungslosenhilfe keinen Platz fanden. Diese Gruppe ist in verschiedensten Feldern der Sozialen Arbeit schon frühzeitig aufgetaucht (bereits ab 2008)2, jedoch wurde man politisch erst dann aufmerksam und hat reagiert, als die obdachlosen Notreisenden (bis zu 100 Personen) im Zuge von „Uni brennt“ (StudentInnenproteste Winter 2009/2010) im besetzten Audimax bei den StudentInnen „Unterschlupf" gesucht haben3 und sich die prekäre Situation derartig zugespitzt hat, dass es letzten Endes zu einer Räumung kam.

Nun benötigte man von einem Tag auf den anderen zahlreiche Schlafplätze und zusätzliche Ressourcen, die bis dato in der Form nicht vorhanden waren und die man quasi im Rahmen von Sofortmaßnahmen aus dem Boden stampfen musste. Durch einfachere und praktikable Möglichkeiten einer direkte(re)n Kommunikation zwischen PraktikerInnen Sozialer Arbeit und politischen EntscheidungsträgerInnen hätte man hier vielleicht bereits im Vorfeld Maßnahmen treffen können, die eine Eskalation und Belastung für alle Beteiligten vermieden hätte.

In ähnlicher Weise gibt es zahlreiche Beispiele aus der Praxis der Sozialen Arbeit, wo eine direkt(er)e Kommunikation hilfreich und sinnvoll hätte sein können oder in Zukunft

2 Erfahrung aus der eigenen Berufspraxis

3 Vgl. Budin et al., 2013, S. 4.

(16)

sein kann. Aus aktuellem Anlass sei hier noch das Beispiel Terrorismus erwähnt:

JugendarbeiterInnen haben bereits Jahre zuvor, lange bevor das Thema öffentlich zu einem Thema gemacht wurde4, beobachtet, dass über diverse Kulturvereine zweifelhafte Inhalte und Botschaften an Jugendliche vermittelt wurden. Auch hier hätten gegebenenfalls frühzeitig politische Maßnahmen zur Prävention getroffen werden können. Aus diesen Beobachtungen ergibt sich die Frage nach Verbesserungsmöglichkeiten, die allen Beteiligten in ihrem Wirken zugutekommen können. Eine Möglichkeit könnte sein, die Kommunikation zwischen PraktikerInnen Sozialer Arbeit und politischen EntscheidungsträgerInnen direkt(er) zu gestalten.

1.2 Zielsetzung und Nutzen

In einer immer komplexeren und sich schneller verändernden Welt könnte eine direkt(er)e Kommunikation von PraktikerInnen Sozialer Arbeit und politischen EntscheidungsträgerInnen dazu dienen, vorhandenes Wissen, Informationen und Kompetenzen beider Berufsgruppen unmittelbar zusammenzuführen. Auf diese Weise könnten sich Potentiale für die Lösungsfindung zunehmend komplexer sozialer Probleme ergeben bzw. eventuell bereits vorhandene Potentiale nutzbar gemacht werden.

In der vorliegenden Arbeit werden Potentiale eines solchen direkt(er)en Austausches von PraktikerInnen und politischen EntscheidungsträgerInnen im Rahmen einer empirischen Untersuchung ausgelotet und Grundlagen für eine mögliche Umsetzung in der Praxis sowie Ansätze für eine weitere Forschung erarbeitet.

Ein zusätzlicher Wunsch ist es, mit dieser Arbeit zu einer weiterführenden Auseinandersetzung zum Thema anzuregen.

1.3 Aufbau der Arbeit

In Kapitel 2 werden zunächst Grundbegriffe definiert. Was wird in dieser Arbeit unter Sozialer Arbeit und PraktikerInnen Sozialer Arbeit verstanden? Was unter Politik/Sozialpolitik und politischen EntscheidungsträgerInnen und wie ist der Terminus direkte oder direkt(er)e Kommunikation zu verstehen?

4 Erfahrung aus der eigenen Berufspraxis

(17)

In Kapitel 3 werden die Aufgaben von Sozialpolitik und Sozialer Arbeit und die wichtigsten Argumentationslinien zu einem politischen Mandat selbiger beschrieben sowie die Bezugspunkte der beiden Berufs- und Wirkungsfelder als Grundlage für eine direkt(er)e Kommunikation. Im Zuge dessen wird der aktuelle Forschungsstand zum Verhältnis Sozialer Arbeit und Sozialpolitik sowie deren Zusammenhang, Gemeinsamkeiten und Unterschiede dargestellt.

Kapitel 4 hat soziale Organisationen als Arbeitsstätten von PraktikerInnen Sozialer Arbeit zum Thema. Hier werden deren Strukturen, Kommunikationswege, sozialpolitische Einbettung sowie die betriebswirtschaftlichen Anforderungen und deren Auswirkungen auf die Soziale Arbeit erläutert.

Diese Ausführungen bieten den Rahmen für die in Kapitel 5 dargestellten Herausforderungen Sozialer Arbeit in Bezug auf eine direkt(er)e Kommunikation mit politischen EntscheidungsträgerInnen. Hier wird zunächst auf die Spannungsfelder des Managements sozialer Organisationen, zwischen Fachlichkeit, Wirtschaftlichkeit und Verwaltungsinteressen abwägen zu müssen, eingegangen und schließlich die Rolle der Leitung bzw. des Managements in Bezug auf eine direkt(er)e Kommunikation dargestellt.

Da es primär die Aufgabe von Leitungspersonen ist, die Außenkommunikation zu übernehmen, müssen PraktikerInnen Sozialer Arbeit Informationen/Expertise, die sie an politische EntscheidungsträgerInnen weitergeben möchten, zunächst innerhalb der Organisationen über die Hierarchieebenen bis zur Organisationsleitung voranbringen. Die Schwierigkeiten, die sich für PraktikerInnen dabei in der Kommunikation innerhalb der Organisationen ergeben und Auswirkungen auf die Kommunikation mit politischen EntscheidungsträgerInnen haben, werden ebenfalls hier behandelt.

Schließlich werden Fallstricke und Erfolgsfaktoren für eine gelingende Unternehmenskommunikation als Basis für eine gelingende direkt(er)e Kommunikation gemäß dem Thema der Arbeit in Kapitel 6 erörtert.

In Kapitel 7 folgt eine theoretische Auseinandersetzung mit möglichen Potentialen einer direkt(er)en Kommunikation anhand zweier Praxisbeispiele, die eine direkte Einbindung von MitarbeiterInnen mit Expertise in Entscheidungsfindung und Entwicklung nahelegen.

Erstens werden zwei ausgewählte Prinzipien von „High Reliable Organizations“, erörtert,

(18)

denen es gelingt, unter extremen Bedingungen weit weniger Unfälle und Störungen aufzuweisen, als statistisch zu erwarten wären5 und zweitens folgt die Darstellung eines Pilotprojektes zur Einbindung weltweit tätiger VertriebsmitarbeiterInnen bei der Produktentwicklung. Diese Erkenntnisse werden auf die direkt(er)e Kommunikation mit PraktikerInnen Sozialer Arbeit umgelegt.

Das Bekenntnis der Wiener Stadtregierung, im Rahmen von Open Government sowohl BürgerInnen als auch Fachleute stärker in die Gestaltung der Stadt einzubeziehen, bietet eine politische Grundlage, die die Weiterentwicklung in Richtung einer direkt(er)en Kommunikation zwischen PraktikerInnen Sozialer Arbeit und politischen EntscheidungsträgerInnen begünstigen kann. Kapitel 8 rundet mit der Beschreibung dieses Ansatzes die theoretische Auseinandersetzung in dieser Arbeit ab.

Im nächsten Abschnitt der Arbeit beginnt die Darstellung der empirischen Untersuchung.

Da es sich beim Gegenstand um ein noch wenig beforschtes Themengebiet handelt, wurde hierfür ein explorativer Zugang mittels qualitativer Forschungsmethodik gewählt.

In Kapitel 9 wird das Forschungsinteresse anhand von drei Forschungsfragen beschrieben und es erfolgt die Darstellung des Forschungsdesigns mit Erhebungsmethode und InterviewpartnerInnen sowie der Methodik der Auswertung.

In Kapitel 10 werden die Ergebnisse der Studie in Form von einzelnen, induktiv aus dem Datenmaterial gebildeten Kategorien dargestellt.

Kapitel 11 widmet sich der Beantwortung der Forschungsfragen anhand der empirischen Ergebnisse.

In Kapitel 12 werden ausgewählte Aspekte der empirischen Ergebnisse mit Erkenntnissen der theoretischen Auseinandersetzung in Verbindung gebracht.

Kapitel 13 bildet den Abschluss vorliegender Arbeit mit einem Resümee der Autorin und einem Ausblick sowie Empfehlungen für die Umsetzung der Potentiale einer direkter(en) Kommunikation und weiterführenden Gedanken.

5 Vgl. Weik/Sutcliffe, 2010, S. 2.

(19)

I THEORETISCHER TEIL 2. BEGRIFFSDEFINITIONEN

In diesem Kapitel werden die wesentlichsten Begrifflichkeiten und Definitionen der vorliegenden Arbeit erläutert.

2.1 Soziale Arbeit

Die „Global Definition of the Social Work Profession“ wurde erst im Juli 2014 von der Generalversammlung der International Federation of Social Workers (IFSW) und der International Association of Schools of Social Work (IASSW) erneuert und wie folgt festgelegt:

„Social work is a practice-based profession and an academic discipline that promotes social change and development, social cohesion, and the empowerment and liberation of people. Principles of social justice, human rights, collective responsibility and respect for diversities are central to social work. Underpinned by theories of social work, social sciences, humanities and indigenous knowledge, social work engages people and structures to address life challenges and enhance wellbeing.”6

Soziale Arbeit als Profession und wissenschaftliche Disziplin setzt sich demnach für die Unterstützung von Menschen, deren Stärkung und deren Freiheit, aber auch für die Entwicklung passender sozialer Strukturen ein, um den Herausforderungen des Zusammenlebens zu begegnen und eine gute Lebensqualität zu fördern.

Im Glossar „Soziale Arbeit im öffentlichen Raum“, das im Auftrag der Stadt Wien von WissenschaftlerInnen des Kompetenzzentrums für Soziale Arbeit der FH Campus Wien erstellt wurde, wird Soziale Arbeit wie folgt beschrieben:

„Soziale Arbeit ist definiert als professionelles Handeln ― sowohl in einer sozialpädagogischen als auch sozialarbeiterischen Tradition ― in Form einer Bearbeitung sozialer Probleme, gesellschaftlicher Fragestellungen und Entwicklungstatsachen. Dabei geht es um die Erweiterung individueller und

6 Österreichischer Berufsverband der Sozialen Arbeit, 2014, s.p.

(20)

kollektiver Handlungsfähigkeiten, der Gewährung von Hilfen, wie auch um die Gestaltung von sozialem Wandel, der Thematisierung von Ungleichheitsentwicklungen sowie der Umgang mit gesellschaftlicher Heterogenität. Soziale Arbeit wird hierbei von Grundsätzen wie den Menschenrechten angeleitet“7

Zentrale Gedanken für die vorliegende Arbeit sind hierbei, dass sich die Soziale Arbeit von ihrem Selbstverständnis her nicht nur mit den individuellen sozialen Problemen Einzelner oder marginalisierter Gruppen auseinandersetzt, sondern auch mit deren gesellschaftlichen Ursachen und möglichen Lösungen. Soziale Arbeit sieht ihre Aufgabe immer auch darin, relevante Themen zur sozialen Entwicklung (z. B.

Ungleichheitsentwicklungen) aufzugreifen und an der Gestaltung eines sozialen Wandels zur Verbesserung der Lebensumstände im Gemeinwesen insgesamt mitzuwirken.

2.1.1 Zielgruppen Sozialer Arbeit

Von Sozialer Arbeit werden nach dem Berufsverband der Sozialen Arbeit „[…] vor allem Benachteiligte, Diskriminierte und Randgruppen in der Gesellschaft bzw. von dieser Situation Bedrohte“8 adressiert. Die meisten Angebote richten sich im Sinne einer Vermeidung von Stigmatisierung und zur Prävention an alle Gruppen der Gesellschaft.9 2.1.2 PraktikerInnen der Sozialen Arbeit

Laut Duden ist ein Praktiker/eine Praktikerin „jemand, der (auf einem bestimmten Gebiet) praktisch arbeitet“.10 Die Bezeichnung „PraktikerIn der Sozialen Arbeit“ wird in dieser Arbeit für Personen verwendet, die in ihrem Gebiet der Sozialarbeit praktisch tätig sind und dabei aktuell und direkt mit KlientInnen arbeiten – zum Beispiel SozialarbeiterInnen, die auf der Straße direkt mit obdachlosen Menschen arbeiten oder in einem Sozialzentrum direkt von Armut betroffene Menschen beraten.

2.2 Politik

Das Verständnis von Politik in dieser Arbeit lässt sich mit Thomas Meyer wie folgt definieren:

7 Krisch/Stojk et al., 2011, S. 3.

8 Österreichischer Berufsverband der Sozialen Arbeit , 2004, s.p.

9 Vgl. Ebenda.

10 Duden, 2016, s.p.

(21)

„Politik ist die Gesamtheit der Aktivitäten zur Vorbereitung und zur Herstellung gesamtgesellschaftlich verbindlicher und/oder am Gemeinwohl orientierter und der ganzen Gemeinschaft zu Gute kommender Entscheidungen.“11

2.2.1 Sozialpolitik

Bellermann versteht unter Sozialpolitik „sowohl institutionelle Regelungen wie auch Bestrebungen, Programme und Konzepte zur Ausgestaltung sozialer Leistungen und des Gesamtgefüges des Systems der sozialen Sicherung.“12 Christoph Badelt und August Österle zufolge zielt Sozialpolitik „[…] darauf ab, die wirtschaftliche und soziale Situation von benachteiligten Personengruppen zu verbessern bzw. den Eintritt einer systematischen Benachteiligung überhaupt zu verhindern.“13

Diese Beschreibung stimmt mit dem Verständnis der Sozialpolitik des Bundes überein. Im Bericht „Sozialschutz in Österreich 2014“ des österreichischen Bundesminisiterums für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz (kurz: Sozialministerium) heißt es dazu wie folgt:

„Sozialpolitik leistet einen wesentlichen Beitrag zur Vorbeugung und Vermeidung von Armut. Sie schafft die Voraussetzungen für den sozialen Zusammenhalt und trägt zur Bewältigung des sozialen, demografischen und ökonomischen Wandels bei.“14

Zusätzlich wird die Sozialpolitik hier als ein wichtiges Instrument für die Verbesserung von Lebenschancen, zur Linderung von Risiken und der Bewältigung von Krisensituationen gesehen und ihr somit eine hohe Bedeutung beigemessen.15 Sozialpolitik schafft demnach die Rahmenbedingungen, um die soziale Situation von benachteiligten Personengruppen zu verbessern bzw. deren Benachteiligung entgegenzuwirken.

11 Meyer, 2006, S. 41.

12 Bellermann, 2000, S. 690.

13 Badelt/Österle, 2001a, S. 1.

14 Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz, 2014, S. 8.

15 Vgl. Ebenda.

(22)

2.2.2 Politische EntscheidungsträgerInnen

Als politische EntscheidungsträgerInnen werden in dieser Arbeit Personen bezeichnet, die politische Entscheidungen mit Einfluss auf die Soziale Arbeit und deren PraktikerInnen sowie KlientInnen treffen. In Wien sind unterschiedliche politische Ressorts und somit unterschiedliche PoltikerInnen für soziale Leistungen zuständig16 (siehe auch Abschnitt 3.2.2.). Laut. Steger sind es aber nicht nur explizit die hochrangigsten PolitikerInnen, die eine wesentliche Rolle in Bezug auf politische Entscheidungen spielen, sondern auch Führungskräfte im Bereich der Verwaltung, da diese durch Beratung und Vorbereitung von Gesetzen und sonstigen Vorhaben einen wesentlichen Einfluss auf politische Entscheidungen nehmen.17

Im empirischen Teil vorliegender Arbeit wird genauer erschlossen, welche Personengruppen idealerweise die AnsprechpartnerInnen für PraktIkerInnen Sozialer Arbeit in Bezug auf eine direkt(er)e Kommunikation sein sollten.

2.3 Direkte Kommunikation

Wir alle kommunizieren täglich auf vielfältigste Weise, dennoch stellt eine Definition von Kommunikation auch bzw. gerade für die Wissenschaft eine gewisse Herausforderung dar.18 Es erfolgt dennoch der Versuch einer Eingrenzung für das Verständnis von Kommunikation in vorliegender Arbeit.

Nach der Definition von W. J. Patzelt kann Kommunikation als „[…] Austausch von Informationen und Sinndeutungen“ verstanden werden.19 Diese Definition erscheint zunächst passend. Zu beachten ist bei obiger Definition von Kommunikation, dass aus aktueller Sicht der Kommunikationswissenschaft Informationen und Sinndeutungen nicht übertragen, sondern von KommunikationspartnerInnen im Zuge eines kognitiven Prozesses konstruiert werden.20 Auch aus konstruktivistischer Sicht sind es Signale und Reize, die durch Kommunikation übermittelt werden. Informationen und Bedeutungen werden im „Kopf“21 der KommunikationspartnerInnen erzeugt. Dass es dennoch gelingen

16 Vgl. Stadt Wien, Magistratsabteilung 24, S. 20.

17 Vgl. Steger, 2013, S. 175.

18 Beck, 2017, S. 13–15.

19 Patzelt, 2003, S. 45.

20 Vgl. Beck, 2017, S. 32.

21 Beck, 2017, S. 54.

(23)

kann, sich innerhalb einer Gesellschaft zu verstehen, ist u. a. durch biologische, kulturelle und soziale Gemeinsamkeiten möglich.22

In vorliegender Arbeit wird demnach Kommunikation als Austausch von Informationen und Sinndeutungen zwischen PraktikerInnen Sozialer Arbeit und politischen EntscheidungsträgerInnen verstanden.

Zusätzlich geht es in vorliegender Arbeit um eine direkte bzw. direkt(er)e Kommunikation.

Mit „direkt“ ist laut Duden, „[…] unmittelbar, ohne Umweg, ohne Vermittlung bzw. ohne Mittelsperson […]“23 gemeint. In diesem Sinne ist ein möglichst unmittelbarer und direkter Austausch zwischen PraktikerInnen Sozialer Arbeit und politischen EntscheidungsträgerInnen zu verstehen.

Beide beschriebenen Aspekte von Kommunikation werden auch im Kommunikationsbegriff von Luhmann deutlich, in dessen Sinne die Kommunikation in dieser Arbeit als „Mitteilungshandeln“ verstanden werden kann: Es wird eine Handlung gesetzt, die zwei Entscheidungen bei jener Person, die diese Handlung ausführt, voraussetzt. Zunächst entscheidet Person A, etwas überhaupt als Information zu betrachten. Dann entscheidet sie sich, diese Information der Person B mitzuteilen – mit der Wahl der Art und Weise, wie dies geschehen soll (mündlich, schriftlich etc.). Ob und wie diese Mitteilung von Person A bei Person B ankommt, hängt wiederum vom Verstehen der Person B ab – dem Erkennen und Wahrnehmen der Information als solche und als Mitteilung an sie.24

In dieser Arbeit geht es zunächst darum, die Potentiale auszuloten, wenn solcherart

„Mitteilungshandlungen“ möglichst unmittelbar, also möglichst direkt, zwischen PraktikerInnen Sozialer Arbeit und politischen EntscheidungsträgerInnen erfolgen.

Folgende umfassende Kommunikationsdefinition scheint hierfür geeignet:

„Menschliche Kommunikation ist derjenige Zeichenprozess, der sich aus dem wechselseitig aufeinander bezogenen (interaktiven) und absichtsvollen

22 Vgl. Beck, 2017, S. 54.

23 Duden, 2017a, s.p.

24 Vgl. Krause, 2001, S. 153.

(24)

(doppelte Intention) kommunikativen Handeln von mindestens zwei Menschen (Kommunikanten) entwickeln kann.“25

Zur Kommunikation werden Medien als Kommunikationskanäle26 genutzt. Zum Beispiel bedienen wir uns des Mediums Sprache bei der Face-to-Face-Kommunikation oder technischer Medien zur Überwindung zeitlicher sowie räumlicher Distanzen, wie etwa Telekommunikations- oder Netzmedien.27

Für eine direkt(er)e Kommunikation im Verständnis dieser Arbeit können all diese Kommunikationskanäle bzw. Medien genutzt werden – die Direktheit der Kommunikation ergibt sich nicht über die Art des Mediums, sondern dadurch, dass möglichst wenige Personen zwischen den beiden AkteurInnen „geschaltet“ sind – also eine direkt(er)e Kommunikation möglich wird.

25 Beck, 2017, S. 33.

26 Vgl. Ebenda, S. 95.

27 Vgl. Ebenda, S. 87.

(25)

3. SOZIALE ARBEIT UND POLITIK

Im folgenden Kapitel werden die Aufgaben und Spezifika der beiden Berufsfelder Soziale Arbeit und Politik beschrieben und miteinander in Bezug gesetzt. Zum Verhältnis der beiden Bereiche wird der aktuelle Forschungsstand dargelegt und davon ausgehend auf Zusammenhänge, Gemeinsamkeiten und Unterschiede eingegangen.

3.1 Soziale Arbeit

Nachdem „Soziale Arbeit“ in Kapitel 2 definiert wurde, werden nun die Spezifika der Sozialen Arbeit, deren Tätigkeitsfelder, Aufgaben und Funktionen in der Gesellschaft erläutert, um anschließend eine Auseinandersetzung mit dem genuinen Politikbezug der Sozialen Arbeit zu ermöglichen.

3.1.1 Tätigkeitsfelder der Sozialen Arbeit

PraktikerInnen Sozialer Arbeit sind in verschiedenen Einrichtungen aktiv. Einen Überblick darüber gibt beispielsweise der Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge:

„SozialarbeiterInnen und SozialpädagogInnen arbeiten in Fach-, Ehe-, Familien-, Lebens- und Altenberatungsstellen, in Gesundheits-, Jugend- und Sozialämtern, in der Jugendgerichtshilfe und im Strafvollzug, in Anstalten, Wohnheimen, Erholungsheimen und Kliniken, in der Suchthilfe, mit Obdachlosen und Straßenkindern, in betreuten Wohngemeinschaften, Tagesgruppen oder stationären Einrichtungen, in Jugendzentren und

-verbänden, in Straßensozialarbeiterteams, in

Berufsqualifikationsprogrammen, in der Schulsozialarbeit, in Horten und Kindergärten, auf Abenteuerspielplätzen […].“28

Die Auflistung veranschaulicht die vielfältigen Tätigkeitsfelder von PraktikerInnen der Sozialen Arbeit 29– ohne Anspruch auf Vollständigkeit, da sich auch die Soziale Arbeit ständig wandelt und weiterentwickelt.

28 Rauschenbach/Züchner, 2007, S. 834.

29 Siehe hierzu das Berufsbild des Österreichischen Berufsverbands der Sozialen Arbeit: Österreichischer Berufsverband der Sozialen Arbeit, 2004.

(26)

3.1.2 Funktionen Sozialer Arbeit in der Gesellschaft

Nach Bommes und Scherr kann die Funktion Sozialer Arbeit als „Inklusionsvermittlung, Exklusionsvermeidung bzw. Exklusionsverwaltung“ beschrieben werden.30

Den Aspekt der Inklusion greift auch Rieger auf, indem er Soziale Arbeit als Hilfe zur Re- Inklusion in unterschiedliche gesellschaftliche Funktionssysteme formuliert:31

„Sie erzieht, berät, unterstützt, betreut, interveniert und vertritt Personen, um ihre Inklusionschancen zu erhöhen oder Exklusion erträglicher zu machen Sie tut dies, indem sie die Zugangsmöglichkeiten zu Ressourcen, die in anderen gesellschaftlichen Subsystemen (Wirtschafts-, Bildungs-, Gesundheitssystem, Familie usw.) vergeben werden, verbessert.“32

Soziale Arbeit kann sowohl als direkte als auch als indirekte Form der personenbezogenen Dienstleistung33 betrachtet werden. Sie kümmert sich um Personen mit Hilfsbedarf, versucht aber auch, die sozialen Bedingungen des Lebens zu verändern.

So basiert Soziale Arbeit auf einem Fall- und zugleich auf einem Feldbezug. Sie kann als Bestandteil einer entwickelnden und ausdifferenzierenden Sozialpolitik angesehen werden.34

In der Sozialen Arbeit spricht man von einem „doppelten Mandat“, weil sie sich stetig zwischen zweierlei Ansprüchen und Aufträgen bewegt: Einerseits hat sie Hilfe für die AdressatInnen zu leisten, andererseits muss sie dem Kontrollauftrag gesellschaftlicher Instanzen gerecht werden.35 In Betrachtung ihrer selbst als Profession kann sich die Soziale Arbeit selbst ein drittes Mandat und einen eigenen Auftrag geben. Hierdurch erklärt sich der Begriff des Trippelmandats. Im Rahmen dieses Referenzsystems hat Soziale Arbeit die Legitimationsbasis, über Annahme und Ablehnung von Aufträgen zu entscheiden.36

30 Bommes/Scherr, 2000, S. 107.

31 Vgl. Rieger, 2007, S. 89.

32 Rieger, 2007, S. 89f.

33 Die Bezeichnung von Sozialer Arbeit als Dienstleistung wird in der Fachdiskussion kritisch gesehen, da sie mit der Einführung einer Marktlogik in der Sozialen Arbeit verbunden wird. Fachlichkeit könnte demnach zugunsten von Kosten-Nutzen-Kalkülen an Bedeutung verlieren. Vgl. Müller, 2001, S. 150.

34 Vgl. Rauschenbach/Züchner, 2007, S. 836.

35 Vgl. Böhnisch/Loesch, 1973, nach Staub-Bernasconi, 2008, S. 23.

36 Vgl. Staub-Bernasconi, 2007, S. 13.

(27)

3.1.3 Politisches Mandat der Sozialen Arbeit

Beschäftigt man sich mit dem Zusammenhang von Sozialer Arbeit und Politik, kommt man nicht an der Diskussion zum politischen Mandat im Sinne eines politischen Auftrags oder einer Verantwortung der Sozialen Arbeit vorbei. 2001 hat sich Merten in dem Werk

„Hat Soziale Arbeit ein politisches Mandat? Positionen zu einem strittigen Thema“37 über die Zugänge verschiedener AutorInnen der Thematik angenähert. Im Jahr 2000 wurde dazu eine Fachkonferenz in Potsdam geführt, sodass die „Luft brannte“38, wie es Merten formuliert. Seither war für ihn klar, dass das Thema „politisches Mandat“ das grundlegende Selbstverständnis der Sozialen Arbeit berührt und damit die „professionelle Identität der in ihr Tätigen“.39 Was hat es nun mit dem politischen Mandat auf sich und welche Rolle spielt es in der Verbindung zwischen Sozialer Arbeit und Politik?

Die von Merten in seinem Werk gesammelten Positionen sind durchaus kontroversiell.40 Sie reichen von Ansichten, dass Soziale Arbeit jedenfalls ein politisches Mandat habe41, bis hin zu Standpunkten, die es beinahe für dreist halten, ein solches Mandat anzunehmen, da die Frage gestellt wird, wer der Sozialen Arbeit ein solches erteilt habe.42

In den Ausführungen, auch in jenen, in denen ein politisches Mandat der Sozialen Arbeit gänzlich abgesprochen wird, spricht man jedoch meist von einer politischen Verantwortung der Sozialen Arbeit, die aber ebenfalls sehr unterschiedlich ausgelegt wird.43

Einigkeit besteht über den unmittelbaren Zusammenhang von Sozialer Arbeit und Politik.

Politische Maßnahmen hätten Auswirkungen auf die Situationen der AdressatInnen, die vorhandenen Ressourcen und somit auf die Arbeits- und Hilfsmöglichkeiten, mit denen SozialarbeiterInnen ihre Tätigkeiten ausführen.44

37 Merten et al., 2001a..

38 Vgl. Merten 2001b, S. 9.

39 Vgl. Ebenda.

40 Vgl. Merten et al., 2001a. .

41 Vgl. Vgl. Kusche und Krüger, 2001, S. 15–27.

42 Z. B. Vgl. Merten, 2001c, S. 159–178.

43 Vgl. Merten et al., 2001a, S. 89–159.

44 Vgl. Merten et al., 2001a.

(28)

In Österreich plädierte Tanja Wehsely45 in einem Artikel mit dem Titel „Wir haben kein Recht, uns nicht einzumischen!“ klar für ein politisches Mandat der Sozialen Arbeit.46 Einzelfallarbeit alleine würde niemandem helfen, sondern gesellschaftliche Rahmenbedingungen müssten gestaltet und beeinflusst werden, so Wehsely.47 Sozialarbeit müsse Rechte fordern, handeln und verhandeln und dies am besten gemeinsam mit ihren KlientInnen. Denn im Hinblick auf gewisse Personenkreise sei es unerlässlich, sowohl auf der institutionellen als auch auf der sozialpolitischen Ebene zu arbeiten.48

Auch Christian Stark spricht sich für ein politisches Mandat der Sozialen Arbeit aus und argumentiert dies u. a. mit der Erklärung der ethischen Prinzipien der „International Federation of Social Workers“ (IFSW)49:

„Sozialarbeiter/innen haben die Pflicht, ihre Arbeitgeber, Gesetzgeber, Politiker und die Allgemeinheit darauf aufmerksam zu machen, wo Mittel unzulänglich sind oder wo die Verteilung von Mitteln durch Verordnungen und Praxis unterdrückerisch, ungerecht oder schädlich ist.“50

Stark beschreibt die Pflicht, auf Defizite aufmerksam zu machen, als einen mehrerer Kernaufträge professionellen, sozialarbeiterischen Handelns. Demnach müsse Soziale Arbeit versuchen, gesellschaftspolitische Verhältnisse, die die Problemlagen der KlientInnen mitbedingen, zu beeinflussen und Sozialpolitik mitzugestalten.51

Der Begriff politisches Mandat für eine politische Verantwortung der Sozialen Arbeit bzw.

für Aufgaben der Sozialen Arbeit, wie eben von Stark beschrieben, ist vielleicht insofern nicht treffend gewählt, da er zu Missverständnissen führt, da ein solches Mandat nicht durch eine Wahl legitimiert und nicht im juristischen Sinne von den MandantInnen erteilt52 ist. Die Soziale Arbeit ist zwar in einigen Gesetzen mit einem klaren Auftrag

45 Tanja Wehsely ist Sozialarbeiterin und mittlerweile SPÖ-Abgeordnete zum Wiener Landtag sowie Wiener Gemeinderätin.

46 Vgl. Wehsely, 2006, S. 18.

47 Vgl. Ebenda.

48 Vgl. Ebenda.

49 Vgl. Stark, 2006, S. 22.

50 International Federation of Social Workers, 2005, S. 4.

51 Vgl. Stark, 2006, S. 22.

52 Vgl. Müller, 2001, S. 145.

(29)

festgeschrieben, sich um die Belange bestimmter Bevölkerungsgruppen zu kümmern – als Beispiel sei das Wiener Kinder- und Jugendhilfegesetz53 erwähnt –, jedoch ist hier der Auftrag klar definiert und nicht durch einen Auftrag zum politischen Handeln ergänzt. Für den Beruf des Sozialarbeiters/der Sozialarbeiterin gibt es bislang kein Gesetz54, das den Aufgabenbereich näher beschreibt und somit auf den politischen Bereich des Handelns oder Nichthandelns Bezug nimmt. Der politische Anspruch der Sozialen Arbeit ergibt sich jedoch aus der Beschäftigung mit den ihr zugrunde liegenden Theorien, die nachstehend erörtert werden.

3.1.4 Politisches Handeln als Teil der Sozialen Arbeit?

Für Günter Rieger ergibt sich ein politischer Anspruch Sozialer Arbeit wie folgt:

„Ob systemisch (Staub Bernasconi 2007), ökosozial (Wendt 2010) oder lebensweltorientiert (Thiersch 2012, Werwein 2008), aus den gängigen Theorien der Sozialen Arbeit lässt sich problemlos ihr politischer Anspruch ableiten.“55

Den genannten TheoretikerInnen folgend, kann es als Teil der Sozialen Arbeit betrachtet werden, politisch zu wirken.

Nach Staub-Bernasconi ist es Aufgabe der Sozialen Arbeit, ihr Wissen über soziale Probleme für EntscheidungsträgerInnen zugänglich zu machen und sich in „(sozial-) politische“ Entscheidungsprozesse zur Problemlösung einzumischen.56 Eine Soziale Arbeit, die gesellschaftliche Thematiken vernachlässigt, bezeichnet sie als „halbierte Disziplin und Profession“57. Thiersch geht einen Schritt weiter. Ihm zufolge hat die Soziale Arbeit sogar die Verpflichtung „[…] zur Einmischung in Politikbereiche, die die Strukturen von Lebenswelten prägen.“58

53 Vgl. Stadt Wien, Landesgesetzblatt für Wien, 2013, Wiener Kinder und Jugendhilfegesetz, § 6.

54 Der Berufsverband der Sozialen Arbeit setzt sich seit Jahren für eine gesetzliche Regelung ein. Am 25.6.2015 wurde dem damaligen Stadtrat der SPÖ, C. Oxonitsch, und der Sozialsprecherin der Grünen, B.

Hebein, ein neuer Gesetzesentwurf übergeben. Siehe Österreichischer Berufsverband der Sozialen Arbeit, Berufsgesetzentwurf, 2015.

55 Rieger, 2013, S. 56.

56 Vgl. Staub- Bernasconi, 2002, S. 254.

57 Vgl. Ebenda, S. 253.

58 Thiersch, 2000, S. 253.

(30)

Orientiert man sich an Wendt, ließe sich in Bezug auf strukturelle Problemstellungen, wie sie z. B. in der Gemeinwesenarbeit vorkommen, „[...] nur politisch, und sei es mikropolitisch, etwas bewegen.“59 Im Zuge dieser Ausführungen kann man zum Ergebnis kommen, dass im Bereich der Politik anzusetzen ist, um letztlich den KlientInnen der Sozialen Arbeit Unterstützung zu leisten.

Nun wird manchmal die Frage gestellt, ob es denn nicht vermessen sei, wenn Soziale Arbeit für ihre KlientInnen spreche und ob diese nicht für sich selbst sprechen sollten/könnten? Das ist jedoch nicht so einfach möglich: KlientInnen der Sozialen Arbeit sind oftmals durch ihre Exklusion besonders „verletztlich“ und auf politische Entscheidungen sowie auf sozialpolitisch bereitgestellte Ressourcen angewiesen.60 Das Paradoxon ist aber, dass gerade Menschen, die von Ausschluss bedroht oder betroffen sind, oft die notwendigen Ressourcen fehlen, um ihre Interessen zu artikulieren bzw.

durchzusetzen. Rieger gibt hierzu an, dass Exklusion die Politikfähigkeit der Betroffenen zerstöre, ihre Interessen nicht organisationsfähig seien und es oft an Motivation und Ressourcen fehle.61 Die Interessen der KlientInnen würden im politischen System kaum Berücksichtigung finden und ihre Problemstellungen unzureichend kommuniziert.62 Bevor deren Interessen überhaupt nicht vertreten werden, ist es nicht vermessen, sondern notwendig, dass sich Soziale Arbeit für die Vertretung der Interessen ihrer Klientinnen einsetzt.

So kann auch „das Politikmachen“ als eine der vielfältigen Formen der durch Soziale Arbeit angebotenen Hilfe betrachtet werden. Sofern Soziale Arbeit die Inklusion der BürgerInnen sicherstellen soll, müsse sie sich auch, so schlussfolgert Rieger, um die Integration ihrer KlientInnen in das politische System kümmern.63 Dies würde auf der einen Seite bedeuten, politische Entscheidungen so zu beeinflussen, dass die soziale Infrastruktur verbessert würde, aber dass es auch Teil der Inklusions- und Integrationsleistung Sozialer Arbeit ist, ihren KlientInnen Beteiligung an der Politik zu ermöglichen und hierzu Beteiligungsprozesse zu ergänzen und zu institutionalisieren.64

59 Wendt, 1990, S. 145.

60 Vgl. Rieger, 2013, S. 58.

61 Vgl. Ebenda.

62 Vgl. Ebenda.

63 Vgl. Ebenda.

64 Vgl. Ebenda.

(31)

Eine „advokatorische Interessenvertretung“65 durch die Soziale Arbeit wäre dort angebracht, wo dies nicht oder nicht im ausreichenden Maße geschehe.66

Demnach müssen PraktikerInnen Sozialer Arbeit ihre KlientInnen stützen, für sich selbst einstehen zu können, und dort, wo dies nicht möglich ist, für sie einstehen. Nun stellt sich allerdings die Frage, wo und wie PraktikerInnen die Möglichkeit haben, dieser Aufgabe nachzukommen und die Anliegen der KlientInnen zu kommunizieren? Vielleicht im Rahmen einer direkt(er)en Kommunikation?

3.2 Sozialpolitik

Da sich vorliegende Arbeit vornehmlich mit der Wiener Soziallandschaft beschäftigt, wird in der Folge die Einbettung von Sozialpolitik bzw. von sozialpolitischen Agenden in Wien skizziert. In Österreich sind die Kompetenzen für Soziales auf Bund und Länder verteilt, weshalb zur Vollständigkeit auch die Aufteilung zwischen Bund und Land kurz beschrieben wird.

3.2.1 Das österreichische System der sozialen Sicherung

Im österreichischen System der sozialen Sicherung sind die Aufgaben- bzw.

Themenbereiche in zentrale und dezentrale Zuständigkeiten und Kompetenzen aufgeteilt.67 Das bedeutet, dass für bestimmte Aufgabenfelder der Bund und für bestimmte Aufgabenfelder die Länder, Gemeinden und Städte zuständig sind.

Im Bund und somit auf der zentralstaatlichen Ebene sind die Kompetenzen im Bereich der sozialversicherungsrechtlichen und universellen Leistungen68 angesiedelt.69 Ein Großteil der sozialen Dienste – die bedarfsorientierte Mindestsicherung, die Kinderbetreuungseinrichtungen, das Wohnungswesen und ein Teil des Gesundheitswesens – liegen in regionaler Kompetenz und fallen somit in die Zuständigkeit der Länder, Gemeinden und Städte.70

65 Rieger, 2013, S. 58.

66 Vgl. Ebenda.

67 Vgl. Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz, 2014, S. 8.

68 Bei Leistungen, die unabhängig vom derzeitigen oder früheren Einkommens- und Erwerbsstatus gewährt werden, spricht man von universellen Leistungsansprüchen. Vgl. Ebenda, S. 9.

69 Vgl. Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz, 2014, S. 8.

70 Vgl. Ebenda, S. 8.

(32)

3.2.2 Soziale Sicherung in Wien

Wie ist nun das System der sozialen Sicherung in Wien organisiert? Die sozialpolitischen Aufgaben der Stadt Wien werden von verschiedenen Ressorts wahrgenommen und somit werden auch die sozialpolitischen Leistungen von verschiedenen Geschäftsgruppen erbracht.71 Es handelt sich dabei um die Geschäftsgruppen Gesundheit und Soziales, Bildung, Jugend, Information und Sport, Wohnen, Wohnbau und Stadterneuerung und – wie im Wiener Sozialbericht der Stadt Wien noch beschrieben – ist auch ein Teil der Aktivitäten der Geschäftsgruppe Integration, Frauenfragen, Konsumentenschutz und Personal dem Sozialbereich zuzuordnen.72

3.3 Aktueller Forschungsstand zum Verhältnis Sozialer Arbeit und Sozialpolitik

Nach Böhnisch und Schröer haben Soziale Arbeit und Sozialpolitik ein gemeinsames Ziel, nämlich „[…] die Verbesserung sozial riskanter Lebensverhältnisse und ungleicher Lebenschancen.“73 Dieses gemeinsame Ziel legt bereits nahe, auch gemeinsam am Erreichen des Ziels zu arbeiten, etwa durch regen Austausch bzw. durch direkte Kommunikation. Die Zusammenarbeit und Kommunikation zwischen Sozialpolitik und Sozialer Arbeit rücken später noch in den Fokus dieser Arbeit. Zunächst werden die grundlegenden Verhältnisse zwischen den beiden Bereichen dargestellt.

Wie in der Literatur immer wieder betont wird – beispielsweise bei Benz und Rieger et al.

– und die Recherche zu vorliegender Arbeit bestätigen kann, ist die Beziehung von Sozialer Arbeit und (Sozial-)Politik bzw. sind ihre Wechselwirkungen wenig erforscht.74 Auch gibt es im deutschsprachigen Raum kaum Literatur, die den aktuellen Forschungs- und Diskussionsstand entsprechend abbildet.75

In ihrem Grundlagenwerk „Politik Sozialer Arbeit“ aus dem Jahr 2013 beschreiben Benjamin Benz, Günter Rieger, Werner Schönig und Monika Schukalla den Zusammenhang zwischen Sozialer Arbeit und Politik als einen „engen und komplexen“.76

71 Vgl. Stadt Wien, Magistratsabteilung 24, S. 20.

72 Vgl. Ebenda.

73 Böhnisch/Schröer, 2012, S. 98.

74 Vgl. Schönig, 2013, S. 33.

75 Vgl. Benz et al., 2013, S. 8.

76 Ebenda.

(33)

Sie postulieren einen grundlegenden Zusammenhang, nämlich dass die Rahmenbedingungen für die Soziale Arbeit politisch konstituiert seien und die Soziale Arbeit von der Politik abhänge.77 Gleichzeitig sprechen sie davon, dass auch Soziale Arbeit Politik beeinflusse, indem sie politische Entscheidungen umsetze, Interessen vertrete, in Gremien vertreten sei, PolitikerInnen berate und zur politischen Bildung beitrage.78

Liest man diese Abfolge, so könnte man annehmen, dass Soziale Arbeit eine starke Stimme in Bezug auf politische Entscheidungen hat. Dass es hier durchaus Verbesserungspotential und „Luft nach oben“ gibt, zeigt sich an anderer Stelle im Werk, wo von „der relativ schwachen gesellschaftlichen Position der Sozialen Arbeit“ die Rede ist und versucht wird, mögliche Ursachen zu definieren.79 Als eine mögliche Ursache wird beispielsweise der ganzheitliche Anspruch der Sozialen Arbeit erwähnt, der dem gegenwärtigen Trend zur „funktionalen Differenzierung“ und Spezialisierung auf einzelne Funktionsbereiche zuwiderläuft.80

Die AutorInnen postulieren, dass in Deutschland und ähnlich organisierten Sozialstaaten (Anm.: demnach auch in Österreich) die Verbindung zwischen beruflicher Sozialer Arbeit und staatlicher Sozialpolitik besonders eng zu sein scheint und die Sozialpolitik hier besonders dominant sei.81 An dieser Stelle sei noch einmal betont, wie auch Werner Schönig zu bedenken gibt, dass – so gesichert auch eine enge Verbindung von Sozialer Arbeit und Sozialpolitik sei – die Literatur zu den Interdependenzen „überraschend sprachlos“ bleibt.82 Schönig bezieht sich in einer seiner Ausführungen auf Benz im Jahre 2010, der damals bereits feststellte, „[…] dass sich die wissenschaftlichen Diskurse von Sozialpolitik und Sozialer Arbeit bislang wenig aufeinander beziehen“83. Sicher scheint nach Kaufmann nur die Ambivalenz im Verhältnis von Sozialer Arbeit und sozialer Politik84, die von Schönig als „[…] Mehrdeutigkeit und Vielfältigkeit“ interpretiert wird, „[…]

die sich einer einfachen Ordnung widersetzt“.85 Weiters kritisiert Schönig die mangelnde

77 Vgl. Benz et al., 2013, S. 8.

78 Vgl. Ebenda.

79 Vgl. Schönig, 2013, S. 49.

80 Vgl. Ebenda, S. 49.

81 Vgl. Schönig, 2013, S. 33.

82 Vgl. Ebenda.

83 Vgl. Benz, 2010, S. 317.

84 Vgl. Kaufmann, 1973, S. 87.

85 Vgl. Schönig, 2013, S. 34.

(34)

Betrachtung der Wechselwirkung zwischen den beiden Bereichen, die – wie er mit Rieger 2002 begründet – „den Kern ihres Verhältnisses“ ausmacht.86

Nachstehend werden vorhandene Forschungsergebnisse und Erkenntnisse dargestellt, die speziell für diese Arbeit zusammengetragen wurden, um Zusammenhänge, Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Sozialer Arbeit und Sozialpolitik zu erläutern. Dies soll in weiterer Folge ermöglichen, die Notwendigkeiten einer direkt(er)en Kommunikation und deren Potentiale eingehender zu betrachten und zu analysieren.

3.3.1 Zusammenhang

Schönig87 beschreibt Sozialpolitik als generalisierend und im Wesentlichen materiell orientiert. Im Zusammenhang dazu baue die Soziale Arbeit ihre fallbezogene Intervention auf den materiellen Unterstützungsleistungen der Sozialpolitik auf. Sie eröffne Zugänge zu diesen materiellen Leistungen und berate im Zusammenhang mit der Sozialverwaltung. Die Soziale Arbeit sei darüber hinaus „[…] auch immateriell orientiert, indem sie die psychischen, milieubezogenen, sozialräumlichen, zwischenmenschlichen und ähnliche Aspekte des Einzelfalls benennt und zu beheben versucht“.88 Nach Kaufmann kann die Soziale Arbeit als eine „[…] Teilfunktion der praktischen Sozialpolitik“89 betrachtet werden.

Die Soziale Arbeit handelt nach Schönig primär im Kontext von Einzelfällen von einzelnen Menschen und Gruppen.90 Die Perspektive auf den Einzelfall werde jedoch oftmals methodisch ausgeweitet, denn die Problemlage kann auch eine spezielle Gruppe, ein spezielles Milieu oder einen Stadtteil betreffen, für die jeweils Lösungen benötigt werden.91 Die Einzelfälle, mit denen sich Soziale Arbeit beschäftigt, sind für die Politik wiederum insofern relevant, als diese abstrahiert werden.92 Es werden Personengruppen typisiert und für diese Gruppen überindividuelle gesetzliche Bestimmungen formuliert.93 Die Sozialpolitik nimmt hierdurch eine generalisierende Gestaltung der

86 Vgl. Rieger 2002, nach Schönig, 2013, S. 36.

87 Vgl. Schönig, 2013, S. 36.

88 Schönig, 2013, S. 36.

89 Kaufmann, 1973, S. 89.

90 Vgl. Schönig, 2013, S. 38.

91 Vgl. Ebenda.

92 Vgl. Ebenda, S. 37.

93 Vgl. Ebenda.

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