Burn-out-Syndrom
Auch Ärzte sind davon betroffen
as Burn-out-Syndrom ist nicht nur bei Pflege- kräften, sondern auch bei niedergelassenen Ärz- ten weit verbreitet, wenngleich genaue Zahlen nicht bekannt sind. Diese Überzeugung hat der Allge- meinarzt Dr. Michael Köhle bei einer Fortbildungsveran- staltung des Bayerischen Hausärzteverbandes München geäußert. Erhebungen bei Hausärzten in Tirol haben nach Köhles Angaben gezeigt, daß die emotionale Er- schöpfung in dieser Berufsgruppe teilweise weit fortge- schritten ist. Erschöpfung und Enttäuschung, das Gefühl, überfordert zu sein, stehen nach Köhles Aussage am Be- ginn des Burn-out-Syndroms. Gewissermaßen zum Selbstschutz folgt eine Distanzierung vom Patienten bis hin zur Verhärtung. Das Vollbild des Burn-out-Syndroms endet im Verlust des Vertrauens in die eigene persönliche Leistungsfähigkeit. Depressionen, körperliche Erkran- kungen oder auch mancher nicht erklärbare Unfall kön- nen die Folge sein.
ir müssen jeden Tag den tüchtigen Arzt spie- len, und keiner fragt uns, wie es uns geht“, sei eine typische Formulierung für ein Burn-out- Syndrom. Besonders anfällig seien Ärzte, die voller Idea- lismus und mit großem Enthusiasmus ihre Praxis aufge- baut haben und dann in der täglichen Arbeit als Einzel- kämpfer emotionale Enttäuschungen erleben, die sie mit zusätzlichem Engagement kompensieren, sagte Köhle.
Dabei werden eigene Bedürfnisse zunehmend vernach- lässigt, Konflikte verdrängt und Probleme verleugnet.
Verdrossenheit, Zynismus gegenüber Kollegen und Pati- enten, Schuldgefühle und schließlich Reduzierung der Arbeit seien die Folge. Müdigkeit schon beim Gedanken an die Arbeit, aber auch Schlaflosigkeit und diffuse kör- perliche Beschwerden seien ernste Warnhinweise.
rhebungen bei Hausärzten in Tirol ergaben, daß etwa die Hälfte der befragten Mediziner bereits wenige Jahre nach Gründung ihrer Praxis den Beruf nicht mehr als interessant und herausfordernd er- lebt. Der subjektive Wunsch nach Freiheit, Selbständig- keit und persönlicher Entwicklung als der wichtigste Grund für die Entscheidung, Hausarzt zu werden, erfülle sich vielfach nicht und schlage in Enttäuschung um, be- richtete Köhle. Hinzu kämen emotionale Belastungen, die sich aus den Ansprüchen der Patienten ergeben.
Mehr als drei Viertel der Tiroler Hausärzte ärgern sich ei- ner entsprechenden Erhebung zufolge „mitunter sehr“
über ihre Patienten, weil sie das Gefühl haben, als jeder- zeit verfügbarer Diener benutzt zu werden. Zum tägli- chen Ärger gehöre auch, wegen nicht dringlicher Leistun- gen außerhalb der Sprechstunden in Anspruch genom-
men zu werden. Jürgen Stoschek
A-2056
S P E K T R U M AKUT
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(4) Deutsches Ärzteblatt 93,Heft 33, 16. August 1996