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Archiv "NS-Zeit: Man merkt die Absicht" (26.03.1993)

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Zweiten Weltkrieges bei der Wehrmacht als Arzt einge- setzt.

Auch ich wurde als Assi- stenzarzt an einem großen Krankenhaus neben meinen sämtlichen Kollegen zu Be- ginn des Jahres 1934 Arzt in der SS, weil man uns als Ärz- te zur Sanitäts-Ausbildung der örtlichen „Stürme"

brauchte. In meinem Fall kam es nicht dazu, weil ich mich bereits ab April 1934 in einer Mittelpunkt-Gemeinde in Hessen als Allgemeinprak- tiker niederließ. Immerhin wurde ich automatisch der örtlich zuständigen SS-Stan- darte überschrieben und etwa ab Mitte 1934 mit der Sani- tätsausbildung des SS-Stur- mes unserer Kreisstadt be- traut. Das hat mich keines- wegs daran gehindert, mehre- ren Judenfamilien als Haus- arzt zu dienen, deren Dank- barkeit aus schwerer Zeit ich noch heute genieße.

Dennoch: Aus heutiger Sicht schäme ich mich meiner Nazi-Vergangenheit.

Aber selbst der gewiß un- verdächtige Zeitzeuge Prof.

Kogon (sechs Jahre im KZ Buchenwald) hielt die indiffe- renzierte These von der deut- schen Kollektivschuld für ein Verhängnis. Er billigte Mil- lionen verführter Nazis das Recht auf politischen Irrtum zu. Selbst Kogon hielt es für schwierig, das richtige Maß zwischen Anpassung und Wi- derstand zu finden (zum ei- gentlichen Widerstand gehör- ten nur wenige tausend Leu- te, vor denen ich heute alle Hochachtung habe). „Zivil- courage" konnte Kogons Mei- nung nach „sehr schnell töd- lich sein". Im übrigen ist das KZ-Leben im Detail uns Frontsoldaten erst nach 1945 bekannt geworden. Immer wieder wird heute die Frage aufgeworfen, wie es dazu kommen konnte, daß die Be- völkerung die Greueltaten des 3. Reiches duldete.

Soviel steht fest: Die heu- tige Generation ist nicht in der Lage, sich vorzustellen, was eine Mischung aus Indok- trination und Angst vermag.

Auch Prof. Sewering war da-

mals in dieser Situation. So- weit mir bekannt, hat er über lange Jahre wertvolle Arbeit für unseren Ärztestand gelei- stet. So wie ich mich — aus heutiger Sicht — meiner Na- zivergangenheit schäme, schäme ich mich für die Kol- leginnen und Kollegen, die ohne Kenntnis der Verhält- nisse in der Nazizeit leichtfer- tig den Stab über einen ver- dienten Kollegen brechen.

Dr. med. W. Fliegen- schmidt, W-6332 Ehringhau- sen

Sicherer überlebt

. . . Dr. Sewering, den ich seit über 30 Jahren kenne, hatte schon immer als Multi- funktionär der bayerischen und deutschen Ärzte mehrfa- che Kritik zu ertragen, die ich nie als ganz unberechtigt empfand. Mit der Darstellung von Herrn Norbert Jachertz kann ich mich jetzt schon eher identifizieren als mit ei- ner kürzeren Stellungnahme in einer Vornummer.

Dr. Sewering hätte, ähn- lich wie mein Vater als Rechtsanwalt auch, durchaus Gelegenheit gehabt, sich der Hitlerbewegung nicht anzu- schließen oder sie gar zu för- dern, ohne persönlich allzu.

große Unbill erleiden zu müs- sen. Sicher ist es ihm leichter gelungen, den schrecklichen Krieg sicherer zu überleben und danach schneller auf die

„Füße zu kommen".

Dr. med. Hans Schroeder, Heinrich-Vogl-Straße 25, W-8017 Ebersberg

Man merkt die Absicht

Verbrechen gegen Men- schenrecht und Kriegsrecht hat es in allen Zeiten gege- ben. Während die Kriegsver- brechen der alliierten Sieger im 2. Weltkrieg — siehe die Terrorangriffe auf Dresden und andere deutsche Städte, die Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki und die Massenmorde im sowjeti- schen GULAG — nicht einmal gerichtlich untersucht werden durften, kamen Deutsche an

den Galgen, oftmals nach er- preßten oder meineidigen Aussagen. Zweifellos haben deutsche Ärzte im Dritten Reich Verbrechen begangen.

Man sollte aber gleichzeitig die Verbrechen der „anderen Seite" nennen, heute und da- mals. Das hat nichts mit

„Aufrechnung" zu tun, son- dern nur mit geschichtlicher Wahrhaftigkeit. Die einseiti- ge Schuldzuweisung an die Deutschen hat zum Verlust der deutschen Identität ge- führt, von Vaterlandsbewußt- sein und Pflichterfüllung gar nicht zu reden.. .

Professor Dr. Fridolf Kud- lien schrieb als Mitautor in der ersten Auflage dieses Bu- ches unter anderem: „So manches ist auch jetzt noch nicht genügend erforscht, teilweise noch gar nicht in Angriff genommen, ja gar nicht einmal als Thema er- kannt. Einzig über die krimi- nelle Seite der Sache ist bis- her viel geschrieben und gere- det worden." Nach meinem Eindruck wurde in der Neu- auflage kein Versuch ge- macht, auf den Alltag der Ärzte im Dritten Reich ein- zugehen.

Es wird immer wieder be- tont, in welch hohem Umfang

Serie fortsetzen

Mittlerweile müßte sicher- lich jede Kollegin und jeder Kollege dieses Buch gelesen haben.

Es war sicherlich lange an der Zeit, dieses Thema „Me- dizin ohne Menschlichkeit"

aufzuarbeiten. Allerdings un- terscheidet sich diese Art der Medizin doch erheblich von der Fronttätigkeit der Trup- penärzte der ehemaligen Deutschen Wehrmacht und ihrem Überlebenskampf zu- sammen mit vielen Kamera- den in der Kriegsgefangen- schaft. Somit kann man die Medizin im Dritten Reich nicht immer mit dem Trup- pensanitätsdienst auf eine Stufe stellen, und so mancher Autor der jüngeren Generati- on neigt schneller zu Pau- schalurteilen und Verallge-

Ärzte im Dritten Reich der NSDAP und anderen Partei- organisationen angehört ha- ben. Haben sich die Autoren dieses Buches selbst einmal kritisch gefragt, wie sie sich Partei und Staat gegenüber ab 1933 verhalten hätten?

Waren alle Deutschen, die Hitler und seine Partei ab 1933 freiwillig gewählt haben, entweder halbkriminell oder halbidiotisch? Ich bin diesen Problemen dadurch aus dem Wege gegangen, daß ich akti- ver Soldat wurde. Darum kann ich heute über diese Zeit offen sprechen, ohne daß man mich einen Nazi nennen kann.

. . .Wenn die Redaktion und die Autoren mehrere hundert Leserbriefe bekom- men haben, dann muß man den Abdruck von nur 72 als eine stark verkürzte Auswahl bezeichnen . . . Die Namen der Leserbriefschreiber wer- den nicht genannt. Man merkt die Absicht und — ist nicht etwa verstimmt — wird aber darin bestätigt, daß dies offensichtlich aus „volkspäd- agogischen Gründen" gesche- hen ist.

Dr. med. Hermann Kater, Höhenweg 16, W-3250 Ha- meln

meinerungen. Der Redaktion des Deutschen Ärzteblattes ist es daher sehr hoch anzu- rechnen, daß auch Kollegen zu Wort kommen, die im Sin- ne der Humanitas gearbeitet haben, wobei keine Unter- schiede in der Versorgung zwischen Freund und Feind gemacht wurden.

Nicht vergessen werden sollten vor allem die Kolle- gen, die nach Entlassung aus dem Kriegsdienst oder der Gefangenschaft positiv am Wiederaufbau des Gesund- heitswesens in den damaligen vier Besatzungszonen betei- ligt waren.

Es wäre zu begrüßen, wenn das Deutsche Ärzte- blatt diese Artikelserie weiter fortsetzt.

Dr. Manfred Kunze, Ham- burger Straße 27, W-2120 Lü- neburg

A1 -836 (8) Dt. Ärztebl. 90, Heft 12, 26. März 1993

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