Katastrophenvorsorge
dert ja auch die Ärzteschaft gar nicht, sie fordert eine Fortbildung in Katastrophenmedizin. Daran sieht man die Verdrehung dieser Initiati- ve, wohl weil eine gute Intention mit politischen Intentionen vermengt wird.
taz: Aber die Katastrophenschutzschule
des Bundes in Ahrweiler betreibt schon seit längerem eine sogenannte "verteidi- gungsfallbezogene Medizin" und die
schließt ausdrücklich Ausbildung für ato-
mare Auseinandersetzungen ein.
Dr. Vilmar: Das ist ja auch richtig.
Das eine schließt doch das andere nicht aus. Die bisherigen Schutzvor- kehrungen sind völlig unzureichend und müssen ausgebaut werden. Ge- gen atomare Volltreffer und Flä- chenbombardements kann man zwar nichts machen, aber man muß doch nicht immer vom größtmögli- chen Unfall ausgehen, sondern prü- fen, wie man sich eben gegen ande- re, kleinere Katastrophen wirksam schützen kann.
taz: Wie ist denn Ihre Meinung zu der Einschätzung des Hamburger Kongres- ses, daß die einzig wirksame Hilfe die atomare Abrüstung ist?
Dr. Vilmar: Das wäre natürlich das beste, bloß das erfordert, daß beide Seiten abrüsten. Kein vernünftiger Arzt in der Ärztekammer ist dafür, daß die Weit aufgerüstet wird. We- der konventionell, noch atomar, nur setzt das voraus, daß in allen Macht- blöcken diese Einsicht einkehrt und danach gehandelt wird.
taz: Wieso kommt keine eindeutige Stel-
lungnahme seitens der Ärztekammer zur Notwendigkeit der Abrüstung, wie es aus Kirchenkreisen erfolgt? Das hat doch seine politische Wirkung. Ihre britischen Kollegen haben dies doch auch vorge- nommen.
Dr. Vilmar: Weil das primär ein po- litisches Problem ist, um das sich der Bundestag kümmern muß und nicht in erster Linie die Ärzte.
Die Ärzte müssen darauf hinweisen, daß bei einem Atomkrieg ärztliche Hilfe nicht mehr möglich ist. Das ha- ben wir schon mehrfach herausge- stellt. Bei einem Flächenbombarde- ment der Bundesrepublik oder eines anderen Landes ist ärztliche Hilfe nicht nur nicht mehr möglich, son- dern es benötigt auch niemand
mehr Hilfe.
D
Wie hoch sind denn die Arzt·
Einkommen?
Alle Jahre wieder, möchte man fast im Gleichklang mit einem Liedbeginn formulieren, taucht ei- ne Frage in den Abgeordnetenrei- hen auf: "Verfügt die Bundesre- gierung über Erkenntnisse dar- über, wie hoch die Einkommen der niedergelassenen Ärzte, der Zahnärzte, der Krankenhausärzte und Apotheker sind?"
Zu dieser weder originellen noch neuen Frage fühlte sich der SPD- Abgeordnete und hauptberufliche Gewerkschaftssekretär Hans- Eberhard Urbaniak, stellvertreten- der Bundesvorsi.tzender der Ar- beitsgemeinschaft für Arbeitneh- merfragen in der SPD (AfA), Dort- mund, befleißigt. So liebend gern der parlamentarische Staatssekre- tär des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung, Her- mann Buschfort (SPD), sicherlich mit aktuellen amtlichen Zahlen in der Fragestunde am 16. Septem- ber aufgewartet hätte, allein man- gels fundierter neuerar Erkennt- nisse mußte er fürs erste passen.
Das Ministerium, zuweilen auf hieb- und stichfestes amtliches Material bedacht, mußte eingeste- hen, das Statistische Bundesamt ha:be zum letzten Mal1975 im Rah- men der amtlichen Kostenstruk- turerhebungen bei Freiberuflern auch die Einkommen der nieder- gelassenen Ärzte und Zahnärzte sowie deren Praxiskosten detail- liert unter die Lupe genommen.
Erst Ende 1981 ist die nächste Sta- tistik fällig, die erfahrungsgemäß frühestens eineinhalb Jahre nach dem Erhebungszeitraum dann in die Annalen des Wiesbadener Bundesamtes aufgenommen wer- den dürfte.
Der clevere Staatssekretär war dennoch um eine Antwort nicht verlegen: Flugs hob er das Zen- tralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in der Bundesrepublik
Die Information:
Bericht und Meinung DER KOMMENTAR
(ZI), die gemeinnützige wissen- schaftliche Stiftung der KBV und der Kassenärztlichen Vereinigun-
gen, auf das amtliche Podest und
konstatierte: Das Kölner Institut habe aufgrund einer Repräsen- tativuntersuchung der Gesell- schaft für Betriebswirtschaftliche Beratung (GEBERA) für 1979 ein Brutto-Jahreseinkommen (vor Steuern) für niedergelassene Ärz- te in Höhe von angeblich durch- schnittlich 176 114 DM ermittelt.
Der Vergleichswert der zahnärztli- chen Einkommen habe 1979 exakt bei 220 536 DM gelegen.
Der Abgeordnete Urbaniak war's zufrieden, der Aha-Effekt (um nicht zu sagen: Neid-Effekt) war erzielt. Nur, die so überzeugend klingenden Zahlen sind leider falsch. Staatssekretär Hermann Buschfort hatte erneut falsch über die Höhe der durchschnittlichen Einkommen informiert. Über den Daumen gepeilt, schob er dem Durchschnitts-Arzt-Einkommen vor Steuern rund 20 000 DM hinzu.
(Zur Information: Das Zentralinsti- tut ermittelte ein durchschnittli- ches Arzt-Einkommen vor Steuern im Jahr 1979 von exakt 158 925 DM.)
..,.. Der böse Beigeschmack beim regierungsamtlichen Umgang mit Statistiken und Zahlen durch Re- gierungssprecher bleibt: Zufall oder System?
Wohl eher System. Die Kollegin Buschforts, die parlamentarische Staatssekretärin im Bundesmini- sterium für Arbeit und Sozialord- nung, Anke Fuchs, wiederholte wenig später die falsche Zahlen- behauptung mit der zusätzlichen Häme, "während beamtete Ärzte nicht einmal ein Drittel dessen ver- dienen".
Wenn es wahr wäre, könnte die richtige Folgerung nur lauten: Der Staat muß seine beamteten Ärzte, Pension hin, Pension her, wäh- rend ihrer aktiven Dienstzeit bas- serstellen als bisher! An Neidkom- plexe zu appellieren ist allerdings
billiger. . . B/HC
DEUTSCHES ARZTEBLATT Heft 45 vom 5. November 1981 2113