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Archiv "Komitee „Ärzte für die Dritte Welt“: Ärztliche Hilfe für die Ärmsten" (15.06.1989)

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Ein nahezu unglaubliches Bild, doch es entstammt der alltäglichen Realität: Tausende von Menschen leben am großen Müllberg in Manila. Sie suchen sich aus den Abfällen ihren Le- bensunterhalt zusammen

TH MEN DER ZEIT

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Erst nach Ende meiner Berufs- tätigkeit als Internist und Kranken- hausarzt konnte ich den schon lange gehegten Gedanken, hilfsbedürfti- gen, mittellosen Menschen in Ent- wicklungsländern ärztliche Hilfe als Zeichen der Brüderlichkeit zu ge- ben, in die Tat umsetzen. Im Komi- tee „Deutsche Ärzte für die Dritte Welt" fand ich die hierzu erforder- lichen Strukturen: Es sind eingerich- tet Unterkünfte und Arbeitsplätze in einfacher, landesgemäßer Form, es bestehen Beziehungen zu regiona- len Trägerorganisationen weltlicher oder kirchlicher Art, es gibt ein- heimische Helfer von ärztlichen und zahnärztlichen Kollegen über Schwestern, Gesundheitsarbeiter und Fahrer, und schließlich ist auch für die Wartung von Unterkunft und Wäsche und die Ernährungsbe- treuung gesorgt.

In den Slums von Manila oder Kalkutta

Die Stützpunkte finden sich in der Slum-Region Tondo von Manila, auf der südlichsten Insel der Philip- pinen, Mindanao, in Howrah-Kal- kutta und in Cali/Kolumbien. Die einheimischen Helfer sichern die Überwindung der sprachlichen Bar- rieren und damit den Zugang zu den Patienten. Die Zahl der Patienten ist überall groß, einfache Diagnostik und die Behandlung erfassen die ge- samte Palette üblicher und tropi- scher Krankheiten. Für besondere Probleme stehen einheimische Fach- ärzte und Krankenhäuser zur Verfü- gung, deren Unkosten vom Komitee getragen werden.

Das Komitee sorgt auch für eine ausreichende Arzneimittelversor- gung innerhalb einer streng begrenz- ten Arzneimittelliste, wobei die Me- dikamente in den jeweiligen Län- dern bezogen werden oder der Nach- schub von deutschen Hilfswerken

wie Misereor kommt. Die soziale Schichtung der betreuten Patienten ist so, daß sie nicht die Mittel hätten, die Hilfe einheimischer Ärzte gegen Bezahlung in Anspruch zu nehmen.

Die Gewährung von Arzt- und Kran- kenhaushilfe ohne Bezahlung ist noch viel zu selten, scheint aber lang- sam zuzunehmen.

Ich war in den Projekten Manila und Kalkutta und kann sagen, daß dort die Betreuungsbedürftigkeit sehr hoch ist und daß ein grenzenlo- ses Vertrauen in die Güte und die Kunst der deutschen Ärzte besteht.

Wir sind an allen Punkten bemüht, Einrichtung und Diagnostik zu ver- bessern, und gerade in der chaoti- schen Stadt Kalkutta haben wir in den letzten Monaten auf diesem Weg einen wichtigen Schritt getan, der zur Einrichtung einer aufnahme- fähigen Ambulanz und zu verbesser- ten Diagnostik- und Therapiemög- lichkeiten in diesem Jahr führen wird.

Die Intensität der Erlebnisse, die Einordnung in ein sehr beschei- denes Leben, die Auseinanderset- zungen mit Schmutz, Staub, Gerü- chen und Klimaunverträglichkeiten stellen an Europäer hohe Anforde- rungen. Obwohl inzwischen mehr als 350 Ärzte in den Einsatzorten wa- ren, sind wir dennoch von schweren, insbesondere tropenspezifischen Er- krankungen verschont geblieben.

Wir wollen nicht belehren und ver- bessern, wir wollen also keine Ent- wicklungshilfe im ursprünglichen Sinne leisten, wir wollen nicht mis- sionieren und treten schon gar nicht als Neo-Kolonisatoren auf. Arztliche Zuwendung und Hilfeleistung sind intensive Gesten der Hochachtung und der Brüderlichkeit gegenüber diesen armen Menschen. Daraus ge- wannen bisher alle an der Aktion teilnehmenden Ärzte auch wesent- liche positive Erfahrungen, die sie nicht missen möchten.

Wir wurden mit Problemen im gesundheitlichen und sozialen Be- reich konfrontiert, die wir nicht kannten. Die psychologische Bela- stung, besonders in den Anfangsta- gen, war bei allen hoch. Nur wenige waren dieser Belastung nicht ge- wachsen und reisten vorzeitig ab.

Das Ziel für die bevorstehenden Jah-

Komitee „Ärzte für die Dritte Welt"

Ärztliche Hilfe für die Ärmsten

Dt. Ärztebl. 86, Heft 24, 15. Juni 1989 (23) A-1823

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re ist die Vertiefung der Kooperati- on mit Einheimischen, denen wir Freund, Lehrer und möglichst auch Vorbild sein möchten.

Das Komitee „Ärzte für die Dritte Welt" hat mit seinen umfas- senden Bemühungen, zu denen ein sich immer mehr vergrößernder Ap- parat auch an technischen Geräten wie Kraftfahrzeugen hinzukommt, natürlich auch einen wachsenden Fi- nanzbedarf und braucht deshalb Spenden. Unser zweites Anliegen aber ist es, Ärzte zu bewegen, Kon- takt mit uns zu suchen, um sich bei Überlegungen beraten zu lassen, die ihnen auch eine Verwendung im Drittlandeinsatz realisierbar erschei- nen lassen. Zu genauen Informatio- nen, Diskussionen und allen er- wünschten Auskünften stehen ne- ben dem Verfasser ständig die Mit- arbeiter des Komitees „Ärzte für die Dritte Welt", Elsheimer Str. 9, 6000 Frankfurt 1, Tel.: 0 69/

71 91 14 56 gerne zur Verfügung.

Spendenzahlung (gegen Steuerquit- tung): Postgiro Frankfurt, Konto- Nr.: 555 555-607 (BLZ 500 100 00).

Anschrift des Verfassers:

Dr. med. Lothar Watrinet Im Grund 15

5210 Troisdorf

Lateinamerika

Südamerika übt auf viele eine ungeheure Faszination aus, ist ein Traumreiseziel: Farbenfrohe Indio- märkte in den Andendörfern, die wiederentdeckte Inka-Stadt Machu Picchu, die grandiosen Wasserfälle von Iguazü, die einmalige Tierwelt der Galapagosinseln.

Kolumbien, das viertgrößte Land Lateinamerikas, steht meist nicht auf dem Programm. Und das Stichwort „Cali" findet sich in der Regel allenfalls unter den Warnhin- weisen. Die Millionenstadt Cali, im Süden Kolumbiens gelegen, ist eine der Hochburgen von Gewalt und Kriminalität. Ein jahrelanger Bür- gerkrieg hat die Kolumbianer an das Klima der Gewalt gewöhnt. Die häu- figste Todesursache bei Männern zwischen 15 und 40 Jahren ist Mord und Totschlag.

„Bala o machete?" („Kugel oder Buschmesser?") fragt Padre Alfredo, ein Nürnberger Jesuit, wenn er wie- der einmal zur Beerdigung eines jün-

geren Mannes gerufen wird. Seit 7 Jahren lebt und wirkt er in den Ar- menvierteln mit den klingenden Na- men El Retiro (der Ruhesitz), El Vergel (der Obstgarten) und Aguas- blancas (Weiße Wasser). In den letz- ten 3 Jahren hat er Unterstützung bekommen durch die „Ärzte für die Dritte Welt".

Zwei kleine Ambulanzen für das Nötigste

Eine medizinische Basisversor- gung haben wir uns vorgenommen für die Menschen, die es sich finan- ziell nicht leisten können, zum Arzt zu gehen, geschweige denn die Fülle von Medikamenten zu bezahlen, die ihnen rezeptiert worden sind. Auch in Kolumbien ist nur der ein guter Arzt, der mindestens 4 oder 5 ver- schiedene Medikamente auf ein Re- zept schreibt, wovon in der Apothe- ke dann wegen weitgehender Zah- lungsunfähigkeit nur die billigsten Medikamente gekauft werden kön- nen. Zwei kleine Ambulanzen haben wir errichtet — eine größere in Retiro mit täglicher Sprechstunde und eine kleinere in Vergel, wo zweimal pro Woche die dringendsten Probleme geregelt werden können. Das Spek- trum der Krankheiten ist groß, unse- re diagnostischen Möglichkeiten aber sind sehr begrenzt; entschei- dend ist die Erfahrung, der diagno- stische Blick. Die exakte Anamnese entschlüselt so manche bis dahin verborgene Zusammenhänge. Gute Spanischkenntnisse sind dabei unab- dingbare Voraussetzung für ein ef- fektives Arbeiten.

Es überwiegen die sogenannten Krankheiten der Armut: Epidemien an Durchfallserkrankungen, was bei den porösen Wasserleitungen und der schlechten Wasserqualität nicht verwunderlich ist Immer wieder In- fekte der oberen Luftwege, wobei der latente Proteinmangel zu einer Am Rande des riesigen Müllbergs von Manila (dazu auch das Titelbild dieses Heftes) liegt

der schlichte medizinische Stützpunkt, in dem die „Ärzte für die Dritte Welt" mit ihren Helfe-

rinnen und Helfern arbeiten Fotos des Autors

Tropfen auf den heißen Stein?

A-1824 (24) Dt. Ärztebi. 86, Heft 24, 15. Juni 1989

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