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Archiv "Ärzte für die Dritte Welt: Sündiger Vater" (26.02.2010)

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A 322 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 107

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Heft 8

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26. Februar 2010

ÄRZTE FÜR DIE DRITTE WELT

Sündiger Vater

Die ärztliche Hilfsorganisation ist tief getroffen: Ihr Gründer und

Spiritus Rector wird des sexuellen Missbrauchs beschuldigt. Einen „Fall“

hat er eingestanden, der Verein forscht vorsorglich nach weiteren.

A

m 16. Februar hat ein Aufklä- rungsgremium des „Komitees Ärzte für die Dritte Welt“ die Arbeit aufgenommen. Es soll untersuchen, ob sich der Gründer der Hilfsorga- nisation auch bei seinem Dritte- Welt-Einsatz sexueller Übergriffe schuldig gemacht hat. Aus Deutsch- land haben sich bisher drei Opfer bei der Berliner Missbrauchsbeauf- tragten des Jesuitenordens, der Rechtsanwältin Ursula Raue, ge- meldet. Raue ist der Kinderschutz- organisation Innocence in Danger verbunden. Deren Geschäftsführe- rin wiederum, Julia von Weiler, gehört dem Aufklärungsgremium der „Ärzte für die Dritte Welt“ an.

Hinzu kommen Mechtild Maurer, die Geschäftsführerin von ECPAT Deutschland, gleichfalls einer Kin- derschutzvereinigung, und die Rechts- anwältin Claudia Burgsmüller. Das 3-Damen-Team will nicht nur Nachforschungen über Pater Bern- hard Ehlen SJ anstellen, denn um den handelt es sich, sondern auch Vorschläge zur Missbrauchspräven- tion vorlegen.

Die Fälle liegen lange zurück

Es macht inzwischen keinen Sinn mehr, Ehlens Namen zu anonymi- sieren, wie das noch mit anderen des sexuellen Missbrauchs verdäch- tigten Patres des Jesuitenordens notdürftig geschieht. Der Gründer und charismatische Spiritus Rector des „Komitees Ärzte für die Dritte Welt“ ist ein weithin bekannter Mann, er stand oft und nicht ungern im Licht der Öffentlichkeit. Ehlen wurde unverzüglich nach Bekannt- werden der Vorwürfe – der Jesuiten- orden veröffentlichte sie selbst am 2. Februar – von seinem Vorstands- amt entbunden und aus dem Verein entfernt. Ob Ehlen das von sich aus tat oder ob er vom schockierten

Vorstand hinausgeworfen wurde, ist nicht sicher auszumachen.

Die Vorfälle liegen lange zurück, fast 40 Jahre, als Ehlen in Hannover Jugendseelsorger war. Sie kamen auch nur deshalb jetzt hoch, weil die gegenwärtige Leitung des Cani- sius-Kollegs der Jesuiten in Berlin Missbrauchstatbestände aus den 70er und 80er Jahren offengelegt hat. Die Affäre zog seitdem Kreise weit über Berlin hinaus und trifft die Jugendarbeit der Jesuiten bis ins Mark. Denn was zurzeit hochge- spült wird, lässt auf einen gewohn- heitsmäßigen Missbrauch durch ei- nige Patres und das Hinwegsehen der Vorgesetzten schließen, zumin- dest in der kritischen Zeit.

Auch Ehlen wirkte 1970 und 1971 am Canisius-Kolleg. Beschul- digt wird er indes lediglich wegen der Fälle in Hannover, einen hat er eingestanden. Aufmerken lässt aber ein Satz in der Verlautbarung, die der deutsche Jesuitenobere („Pro- vinzial“), Pater Stefan Dartmann SJ, zu Ehlen veröffentlichte: „Die Vor- fälle aus den 70er Jahren in Hanno- ver, deren Opfer sich jetzt an die Be- auftragte gewendet haben, geben Anlass zu der Befürchtung, dass es auch an anderen Orten solche gege-

ben hat.“ Aus Berlin wurden zu Eh- len bislang keine Verfehlungen be- kannt. Und auch das „Komitee Ärz- te für die Dritte Welt“ habe derzeit keine Hinweise darauf, dass es im Rahmen seiner Arbeit für die Hilfs- organisation zu Übergriffen gekom- men sei, erklärt Generalsekretär Dr.

phil. Harald Kischlat und verweist auf die Unschuldsvermutung. Wann das Aufklärungsgremium der „Ärzte für die Dritte Welt“ mit Ergebnissen herauskomme, lasse sich nicht ab- schätzen. Vielleicht in einem halben Jahr. Derzeit nehme man Kontakt zu den Projektpartnern in Übersee auf.

Der tückische dritte Weg

Das „Komitee Ärzte für die Dritte Welt“, das Pater Ehlen 1983 grün- dete, vermittelt Ärzte, die im Ur- laub oder im Ruhestand einige Wo- chen in der medizinischen Entwick- lungshilfe arbeiten wollen. Ehren- amtlich. Bisher haben circa 2 450 Ärztinnen und Ärzte mitgemacht, teils mehrfach. Die Organisation und nicht zuletzt auch Ehlen wur- den dafür oft und hoch gelobt. So wurde Ehlen mit zwei Ehrendokto- raten gewürdigt. 2008 wurde ihm das Ehrenzeichen der deutschen Ärzteschaft verliehen. Da waren dem Jesuitenorden dessen Verfeh- lungen bereits seit drei Jahren be- kannt. Der Orden offenbarte sie nicht, hielt sie aber auch nicht gänz- lich geheim, sondern beschritt ei- nen dritten Weg, der sich heute als tückisch erweist. Der sieht nach Darstellung des Komitees so aus:

2005 hatte sich ein Opfer offenbart.

Ehlen wurde daraufhin von seinen Oberen verpflichtet, den Vorsitz von „Ärzte für die Dritte Welt“ auf- zugeben. Was er 2006 schließlich tat; er blieb aber, merkwürdig ge- nug, Vorstandsmitglied. Der Orden teilte dem Vorstand des Komitees mit, Ehlen werde den Vorsitz abge- ben, nannte aber die wahren Grün- de nicht. Diese wurden lediglich ei- nem Vorstandsmitglied, einer Ärz- tin, offenbart. Und die hielt dicht.

Die Ärztin sei 2008 aus dem Vor- stand ausgeschieden und habe vor kurzem den Verein verlassen, ver- lautbarte lakonisch das „Komitee Ärzte für die Dritte Welt“. ■

Norbert Jachertz Großes Medien -

interesse: Bei Ursula Raue, der vom Jesuitenorden benannten „Miss- brauchsbeauftrag- ten“, haben sich bisher 115 Opfer sexueller Übergriffe gemeldet. Die Rechtsanwältin leg- te am 18. Februar in Berlin einen Zwi- schenbericht vor.

Foto: dpa

P O L I T I K

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