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Archiv "Ärzte gegen Atomkrieg: Die Gefahr ist nicht gebannt" (17.05.2002)

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ie atomare Bedrohung sieht heute anders aus als vor 20 Jahren. Da- mals wurde die Ärzteorganisation IPPNW (International Physicians for the Prevention of Nuclear War), Teil der weltweiten Friedensbewegung, von dem Amerikaner Bernard Lown und dem (Sowjet-)Russen Evgenij Tscha- sow, zwei Kardiologen, ins Leben geru- fen, zusammen mit weiteren, zum Teil recht prominenten Medizinern. Da- mals wandte sich die IPPNW gegen das atomare Wettrüsten der beiden Supermächte USA und Sowjetuni- on. Heute ist als Supermacht nur mehr die USA übrig geblieben, die Gefahr nuklearer Auseinanderset- zungen ist aber keineswegs ge- bannt. Die IPPNW ist gar der Mei- nung, sie sei präsenter denn je.

1982 wurde auch die deutsche Sektion der Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges gegründet; Grün- dungsmitglieder waren unter ande- ren Horst-Eberhard Richter und Ulrich Gottstein. Die beiden waren nun auch beim 20-Jahres-Jubiläum am 9. Mai 2002 in Berlin dabei. Und mit ihnen viele Aktivisten der letzten 20 Jahre. Die IPPNW ist halt älter ge- worden und mit ihr auch ihre Mitglie- der. Gleichwohl krähte zwischendurch auch mal ein Baby im Konzerthaus auf dem Berliner Gendarmenmarkt.

Bundespräsident Johannes Rau war Festgast beim Festakt und hielt eine Rede, die selbst IPPNW-Mitglieder, de- nen die Staatsnähe ein vages Unbe- hagen bereitet, gefallen haben wird.

Rau rief zu einer modernen Sicher- heitspolitik auf, die müsse den Ursa- chen der Friedensstörungen nachgehen und Strategien der Vorbeugung ent- wickeln. Nur so lässt sich (laut Rau) die

bedrückende Alternative vermeiden:

Schuld auf sich laden durch Wegsehen oder Schuld auf sich laden durch Ein- satz von Gewalt, die Unschuldige trifft.

Rau stellte die rhetorische Frage, ob die IPPNW durch den Gang der Ge- schichte nicht überholt sei, und er be- antwortete sie gleich selbst, indem er auf aktuelle Konfliktfelder hinwies und auf Aufgaben „jenseits des Namens“, die die IPPNW sich selbst gestellt hat.

Rau spielte damit auf die Verdienste der Organisation bei der Aufklärung ärztlicher Vergangenheit in Deutsch- land an. Die IPPNW hatte bereits 1986 diesen Themenkreis aufgegriffen und hat ihn in zwei weithin beachteten Kon- gressen (1996 und 2001) weiter fortge- führt.

Dabei blieb es nicht allein bei der Analyse von Medizin und Gewalt in der Zeit des Nationalsozialismus. Die deutsche Vergangenheit lehre, so Horst-Eberhard Richter beim 20-Jah- res-Jubiläum, dass Teile der Ärzteschaft einer Militarisierung des Denkens er- liegen und Krieg gegen unwertes Le-

ben führen können. Wörtlich: „Das ge- schah in brutaler Form in der Unter- stützung einer rassistisch und als eu- genisch etikettierten Ausrottungsstra- tegie unter den Nazis. Aber die Mani- pulationsmöglichkeiten der modernen Molekulargenetik gebären auch neuer- dings da und dort Fantasien, diese Macht in unverantwortlicher Weise zu missbrauchen.“ Die Freiheit der For- scher sei zwar zu schützen, „aber wir haben auch einen Anspruch darauf, vor einem egomanischen Miss- brauch der Forschung geschützt zu werden“.

Die Mitgliederversammlung der IPPNW am 10. Mai spann solche Gedankengänge weiter und machte auf eine drohende Zunahme „von struktureller Gewalt im Gesund- heitswesen als Ergebnis neolibe- raler Deregulierung“ aufmerksam.

Die IPPNW sieht sich in ihrem Ein- satz gegen den „Terror der Ökono- mie“ nicht allein. Bei der Berliner Tagung war mehrfach von Verbin- dungen zu der neuen Bewegung

„attac“ die Rede.

Den Hauptteil der Jubiläumstagung nahmen freilich Attacken gegen die derzeitige US-Regierung und deren militärische Pläne und Aktionen ge- gen die Achse des Bösen ein. Sowohl der Krieg in Afghanistan als auch Ab- sichten, gewisse Schurkenstaaten an- zugreifen, sind im Visier der IPPNW, zumindest der deutschen Sektion. Aus den USA wurde freilich berichtet, die dortige Sektion, immerhin Gründungs- bestandteil der weltweiten IPPNW, habe ihre Schwierigkeiten gehabt, nach dem 11. September die Kriegs- führung in Afghanistan zu verurteilen.

Inzwischen scheinen die US-Kollegen P O L I T I K

Deutsches ÄrzteblattJg. 99Heft 2017. Mai 2002 AA1335

Ärzte gegen Atomkrieg

Die Gefahr ist nicht gebannt

Die IPPNW, eine ärztliche Organisation in der Friedensbewegung, feierte 20-jähriges Jubiläum. Sie wendet sich unverändert gegen den Einsatz von nuklearen Waffen und spricht sich gegen

„strukturelle Gewalt“ im Gesundheitswesen aus.

Friedensnobelpreisträger (von links): Bernard Lown, Ev- genij Tschasow (für die IPPNW) und Willy Brandt („auch er einer, der den Nobelpreis im Streit bekommen hat“, so Bundespräsident Johannes Rau)

Foto: IPPNW

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den weiter gehenden Plänen ihrer Re- gierung kritischer zu begegnen.

Mit neuen Kernwaffen wollten die USA gegen feindliche Staaten oder islamistische Kämpfer vorgehen, be- fürchtet die IPPNW. Nach 20 Jahren ist die IPPNW somit wieder bei ihrem Ausgangspunkt angekommen, dem Kampf gegen Atombomben. Sie hatte in den letzten 20 Jahren dabei durchaus Erfolge aufzuweisen gehabt, zumindest hat sie erheblich dazu beigetragen, die Öffentlichkeit zu sensibilisieren. Aner- kennung fand das 1985 in der Verlei- hung des Friedensnobelpreises. Die Verleihung war damals, mitten im Kal- ten Krieg, heftig umstritten. Kritiker im Westen, darunter auch deutsche Regie- rungsstellen, warfen der Ärzteorganisa- tion vor, sich vom Osten instrumentali- sieren zu lassen.

Auf Unabhängigkeit bedacht

In der Tat liegt hier ein allergischer Punkt der IPPNW. Mitbegründer Tscha- sow gehörte der sowjetischen Nomen- klatura an, und in der Sowjetunion, aber auch in der DDR versuchten Staat und Partei Einfluss auf die IPPNW zu nehmen. So war der Orga- nisationsgrad der IPPNW in der DDR ungleich höher als in Westdeutschland.

Die IPPNW hat gleichwohl versucht, ihre Unabhängigkeit zu wahren, mit der Folge, dass es in der DDR zwei unterschiedliche Richtungen in der IPPNW gab, eine offizielle und eine kritische. Nach der Wende haben ost- deutsche Ärzte, die wussten, was Un- terdrückung heißt, auch dazu bei- getragen, der IPPNW einen Zusatz- namen zu geben: Ärzte in sozialer Ver- antwortung.

Mit den (offiziellen) Standesorgani- sationen in Deutschland gab es in den ersten Jahren Auseinandersetzungen, über die Behandlung der NS-Thematik oder nach Tschernobyl. Inzwischen ist auf beiden Seiten mehr Gelassenheit eingekehrt. Die IPPNW zählt nach ei- genen Angaben weltweit 200 000 Mit- glieder, in Deutschland knapp 9 000.

Vorsitzende ist Angelika Claußen;

weitere Informationen unter www.

ippnw.de. Norbert Jachertz

P O L I T I K

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A1336 Deutsches ÄrzteblattJg. 99Heft 2017. Mai 2002

Gesundheitsreform

Für flexiblere Verträge

Ersatzkassen positionieren sich vor der Wahl.

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ie Ersatzkassen haben in einem programmatischen Aufriss „Forde- rungen der Ersatzkassenverbände zur Strukturreform“ das tradierte, ge- gliederte System der gesundheitlichen Sicherung verteidigt und einen radikalen Systemwechsel abgelehnt. Die Prinzipien der Solidarität, der Leistungsgewährung in Form von Sachleistungen, der Selbst- verwaltung und Pluralität müssten auch künftig die tragenden Prinzipien des Ge- sundheitswesens und der Reform des Rechtes der Gesetzlichen Krankenversi- cherung (GKV) bleiben. Dies betonte Margret Mönig-Raane, die Vorsitzende

des Verbandes der Angestellten-Kran- kenkassen, bei der Präsentation des Pro- gramms am 8. Mai in Berlin.

Die Ersatzkassenverbände (Verband der Angestellten- und Arbeiterersatzkas- sen) lehnen die Aufteilung des Pflichtlei- stungskatalogs in Grund- und Wahlleistun- gen ab. Eine Teilprivatisierung von Krank- heitsrisiken komme für die Ersatzkassen nicht infrage. Ein Splitting-System würde zur Entsolidarisierung der Krankenversi- cherung und einer Verschlechterung der Fi- nanzierungsgrundlagen führen. Die Kran- kenkassen sollten sich offensiv einem ver- schärften Leistungs- und Service-Wettbe- werb stellen, gezielte Risikoselektion und ein Wettbewerb um günstige Risiken durch entsprechende Rahmenbedingungen un- terbunden werden. Die Verbesserung der Qualität, der Wirtschaftlichkeit und Effizi- enz in der gesundheitlichen Versorgung soll

Richtschnur bei der künftigen Strukturre- form sein. Die Ersatzkassen mutmaßen un- gleiche Start- und Wettbewerbsbedingun- gen auf dem Krankenkassenmarkt. Insbe- sondere wehren sie sich gegen die einseiti- gen Gründungsrechte und Öffnungsoptio- nen zugunsten der Betriebs- und Innungs- krankenkassen. Diese Wettbewerbsverzer- rungen seien zu unterbinden.

Die Ersatzkassenverbände plädieren für eine Verbesserung der Integrations- versorgung – bei Abschaffung der sekto- ralen Budgets und der Aufhebung der doppelten Infrastrukturen und vor allem der Facharztschiene. Die kostentreiben- den Überkapazitäten müssten ebenso be- seitigt werden wie Fehl- und Unterver- sorgungen in einzelnen Bereichen (insbe- sondere bei der Versorgung chronisch Er- krankter). Wie bisher schon plädieren die Ersatzkassen für eine Flexibilisierung der Verträge zwischen Kostenträgern und Leistungserbringern. Im ambulanten Vertragsbereich müsse das Kollektivver- tragssystem „wettbewerblich geöffnet“

werden. Der Sicherstellungsauftrag sollte neu definiert und die Krankenkassen mit einbezogen werden. Daraus folgern die Ersatzkassen, dass kassenartenspezifi- sche Verträge und Honorarabmachungen geschlossen werden können. Auf der Ba- sis eines GKV-einheitlichen Leistungs- rahmens fordern die Ersatzkassen Auto- nomiezonen für eigene ersatzkassenspe- zifische Vergütungsstrukturen.

Die Ersatzkassen plädieren für eine Öffnung der Arzneimittelvertriebswege und eine Zulassung des Versandhandels.

Es sei ein europa- und kartellrechtlich abgesichertes Festbetragskonzept erfor- derlich. Die gemeinsame Selbstverwal- tung von Ärzten, Krankenhäusern und Krankenkassen müsste neue Untersu- chungs- und Behandlungsmethoden prü- fen und entscheiden, ob diese in den Lei- stungsrahmen der GKV aufgenommen werden. Die Ersatzkassen befürworten eine Arzneimittel-Positivliste auf gesetz- licher Grundlage. Die GKV müsse von krankenversicherungsfremden Leistun- gen entlastet werden. Die Ersatzkassen wollen eine Aufhebung der Versiche- rungspflichtgrenze in der GKV; die Bei- tragsbemessungsgrenze sollte jedoch un- verändert bleiben. Andere Einkom- mensarten neben Lohn und Gehalt sol- len nicht in die Beitragsbemessung ein- bezogen werden. Dr. rer. pol. Harald Clade Margret Mönig-

Raane: „Die zentrale Zukunftsaufgabe wird es sein, Qualitäts- defizite zu beseitigen und dadurch Wirtschaft- lichkeitsreserven zu er- schließen.“

Foto: VdAK

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