• Keine Ergebnisse gefunden

Die Morde in Paris: Schuld ist nicht der Islam…

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Die Morde in Paris: Schuld ist nicht der Islam…"

Copied!
2
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

Die Morde in Paris:

Schuld ist nicht der Islam…

Von Markus Loewe, Annabelle Houdret und Mark Furness, Deutsches Institut für

Entwicklungspolitik (DIE)

vom 21.01.2015

(2)

Die Morde in Paris: Schuld ist nicht der Islam…

Bonn, 20.01.2015. 17 Menschen wurden feige in Paris ermordet: Zehn Mitglieder und Besucher der Redaktion des Satire-Magazins Charlie Hebdo, drei Polizisten und vier Kunden eines koscheren Super- markts (letztere werden leider oft vergessen!). Das löst Trauer, Wut und Angst aus –aber auch die Ge- fahr, dass wir nicht mehr differenziert nachdenken:

Schuld ist nicht der Islam! Schuld ist noch nicht ein- mal der Islamismus. Die Täter von Paris wurden erst durch ihre krude Auslegung des Islams zu Mördern, manch andere radikale Ideologie hätte aber dasselbe bewirken können. Die entscheidende Frage ist doch:

Warum waren die Täter hierfür überhaupt empfäng- lich? Ja: In allen Teilen der Welt ziehen derzeit ganz besonders banale und radikale Interpretationen des Islams junge Männer – und zunehmend auch Frauen – in ihren Bann, ähnlich wie dies zu anderen Zeiten dem Faschismus oder Kommunismus gelang. Die Ursachen dafür liegen jedoch zu allererst in den je- weiligen Ländern: in Frankreich, in Deutschland, in Syrien, in Nigeria…

Ursächlich für den Zulauf zum Islamismus sind in Frankreich – ähnlich wie in Deutschland – Defizite bei der Integration von Migrantinnen und Migran- ten, die für sie zu Perspektiv- und Orientierungslo- sigkeit führen. Vordergründig sind Menschen mit Migrationshintergrund in Frankreich besser inte- griert als in Deutschland: Fast alle sprechen gut Fran- zösisch, sie haben bessere Chancen im Bildungssys- tem und sind in öffentlichen Ämtern sowie in den Medien präsent. Viele Schulabgänger haben jedoch geringe Aussichten auf einen gut bezahlten Job, wenn sie Ahmed heißen und aus bestimmten Voror- ten von Paris kommen. Das gilt auch für die Attentä- ter von Paris. Hinzu kommen häufige rassistische Anfeindungen. Auf der anderen Seite fehlt vielen Migranten Orientierung: In vielen Familien werden die Sprache und die traditionellen Werte der Her- kunftsländer kaum an die Kinder weiter gegeben.

Auch das Wertesystem des Gastlandes überzeugt sie nicht, wenn Anfeindungen und Diskriminierungen den Alltag bestimmen. So fühlen sie sich weder hier noch dort zuhause und sind verunsichert. In dieser Situation kommen die sogenannten Hassprediger wie gerufen: Sie bieten klare Strukturen, einfache Wahrheiten und eindeutige Anweisungen sowie Anerkennung in der „neuen Familie“ – insbesondere für die Märtyrer. Mitglieder müssen nicht mehr selbst nachdenken, ihnen werden die Entscheidun- gen abgenommen.

Wenn es also darum geht, wie künftig Anschläge verhindert werden können, so gilt für Deutschland ebenso wie für Frankreich: Nicht durch strengere

Gesetze sondern durch eine Verbesserung von Bil- dung und Aufklärung unter Bevölkerungsgruppen mit Migrationshintergrund, eine Erhöhung ihrer beruflichen Chancen und einen respekt- und ver- ständnisvolleren gegenseitigen Umgang. Wir dürfen uns nicht unsere demokratischen Werte – Presse- freiheit, gleiche Rechte für alle, Toleranz und ver- trauensvolles Zusammenleben – durch ein Paar Ext- remisten kaputt machen lassen. Schließlich hätten sie sonst gewonnen, das wollen sie doch bezwe- cken… Auch in der Praxis müssen die westlichen Gesellschaften zeigen, dass ihr Konzept der liberalen Demokratie besser ist als der Totalitarismus extre- mistischer Islamisten – und zwar für alle in der Ge- sellschaft – inklusive der Islamisten selbst. Ihnen sollte vermittelt werde, dass ein selbstbestimmtes Leben erfüllter ist als ein Leben in kritiklosem Gefolgsam gegenüber Massenpredigern und Ideolo- gien.

Eine Welle des Antiislamismus wäre das Schlimmste, was nun passieren könnte. Vor allem der Front Nati- onal in Frankreich und Pegida, NPD, AfD und andere in Deutschland würden davon profitieren. Dies könnte wiederum unkontrollierte Provokationen der Muslime zur Folge haben. Kurz: Wenn die Demokra- ten im Lande jetzt nicht aufpassen, dann besteht die Gefahr, dass sich Pegida und Islamisten gegenseitig hochschaukeln.

Für alle gilt: Feindbilder und Angst entstehen vor allem dadurch, dass wir zu wenig über die jeweils anderen wissen. Eine Hamburger Studie zeigte kürz- lich, dass Wissen über den Koran Vorurteile gegen- über dem Islam deutlich abbaut. Viele Deutsche haben über den türkischen Schneider und den arabi- schen Shawarma-Verkäufer hinaus wenig Kontakt mit Migranten aus islamischen Ländern. Dass eine Frau aus freier Entscheidung ein Kopftuch trägt, gebildet ist und zuhause durchaus „die Hosen an hat“, können sich viele nicht vorstellen. Umgekehrt ist es für manche traditionelle Muslime unvorstell- bar, dass fünfzehnjährige Mädchen nach durchtanz- ten und alkoholisierten Nächten keineswegs am Bahnhofsstrich landen, sondern Ärztin oder Anwäl- tin werden.

Auf internationaler Ebene muss darüber nachge- dacht werden, wie unter anderem dem Erfolg des Islamischen Staates in Syrien und dem Irak Einhalt geboten werden kann. Alleine dadurch, dass es dem Westen bis heute nicht gelungen ist, ihm ernsthaft Grenzen zu setzen, zog er große Zahlen von orientie- rungslosen Muslimen weltweit in seinen Bann. Be- reits der erste größere Misserfolg würde dazu beitra- gen, diesen Bann zu brechen.

© Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE), Die aktuelle Kolumne, 21.01.2015 www.die-gdi.de | www.facebook.com/DIE.Bonn | www.youtube.com/DIEnewsflash

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Teilweise als bloße Deklaration ohne Realisierungsperspektive abgetan, vermag das Weimarer Dreieck, geplant als eine vertiefte Zusammenarbeit zwischen Deutschland, Frankreich und

Und als wäre es nicht schon schräg genug, von einem gedankenlesenden toten Jungen heimgesucht zu wer- den, sitzen wir nur in diesem Zug, weil meine Eltern eine Reality- TV

Mouhanad Khorchide zeigt, wie der Islam aus sich selbst heraus zu einem Selbstverständnis kommen kann, das eine fundamentale Wende hin zu einer Theologie eines barmherzigen

Für jemanden, der unsere Gesellschaf- ten durcheinanderbringen will, ist das eine Schwäche, die man ausnutzen kann, nach dem Motto: Wenn die eine Wahrheit so gut ist wie die andere,

Zudem wird die erweiterte EU nicht mehr als Zweitakter laufen: gemeinsam werden Frankreich und Deutschland mit Außenbordmotoren vorankommen müssen, ganz abgesehen von der

Wer regionale Unterschiede nicht erklären kann, sollte sich hüten, zu spekulieren oder gar, wie es bei der TK mitschwingt, überflüssige Operationen zu

Juli 2016 – Zu den Aussagen der Techniker Krankenkasse (TK) erklärt Georg Baum, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Kranken- hausgesellschaft (DKG):.. „Blinddarmoperationen

Alle sechs Monate werden Patienten gezwungen, sich eine erneute Verordnung für die Fortsetzung einer onkologischen Behandlung beim Haus oder im niedergelassenen Facharzt