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Archiv "Atomkrieg und Verantwortung der Naturwissenschaftler" (09.09.1983)

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen TAGUNGSBERICHT

Atomkrieg und Verantwortung der Naturwissenschaftler

Der Rat der amerikanischen physi- kalischen Gesellschaft verab- schiedete am 31. Januar 1983 ei- nen Appell zur Beendigung des nuklearen Wettrüstens, der Vor- stand der Deutschen physikali- schen Gesellschaft hat am 15.

März 1983 auf der Physikertagung in Regensburg eine Resolution be- schlossen, mit der der Bundestag und die Bundesregierung aufge- fordert wurden, alle Bemühungen zu unterstützen, bald zu Verein- barungen der Kernwaffenstaaten über eine durchgreifende nuklea- re Abrüstung zu kommen.

Am 2. und 3. Juli schließlich haben sich 3300 Naturwissenschaftler in Mainz zu einem Kongreß „Verant- wortung für den Frieden — Natur- wissenschaftler warnen vor neuer Atomrüstung" zusammenge- funden.

Professor Dr. Peter Starlinger (Di- rektor des genetischen Instituts der Universität Köln), Professor Dr. Hans-Peter Dürr (Direktor des Max Planck-Instituts für Physik in München) und Professor Dr. Hoi- mar v. Ditfurth (Psychiater und be- kannt durch seine Fernsehsen- dungen) war es seit Mai dieses Jahres gelungen, per Telefon- Rundspruch nach dem „Schnee- ballsystem" innerhalb weniger Wochen einen Großteil der natur- wissenschaftlichen Forscher der Bundesrepublik zu mobilisieren:

bis zum 24. Juni 1983 hatten sich 2007 Physiker, Chemiker, Biolo- gen, Mathematiker und einige Ärz- te von 40 westdeutschen Hoch- schulen einem Protestaufruf ange- schlossen, darunter acht Instituts- direktoren der Max-Planck-Gesell- schaft und auch deren Ehrenpräsi- dent, der Nobelpreisträger Profes- sor Dr. Adolf Butenandt. Sie fühl- ten sich als Wissenschaftler ver- pflichtet, über die Gefahren eines Atomkriegs aufzuklären. Dies wä- re eine Tradition, die mit den lei-

der vergeblichen Versuchen in den USA begann, den Einsatz der Atombombe in Hiroshima zu ver- hindern. Sie lebte kürzlich in den Erklärungen der Pugwash-Bewe- gung und der päpstlichen Akade- mie der Wissenschaften über die Gefahren des Kernwaffenkrieges wieder auf. Und es gab den Göttin- ger Appell der 18 Atomphysiker im Jahre 1957, als die atomare Be- waffnung der Bundeswehr zur Dis- kussion stand.

Auf dem Kongreß in Mainz forder- te der Mainzer Universitätspräsi- dent Professor Dr. Harde in seinen Grußworten auf, „zu wägen, aber auch zu wagen". Von Ditfurth be- tonte, daß „Naturwissenschaftler diszipliniert und emotionslos den- ken" und er erkannte durchaus, daß „unsere Arbeit vordergründig parallel zu den Interessen der So- wjetunion" verläuft, daß aber eine sofortige einseitige Abrüstung überhaupt nicht in Betracht käme.

Er verwies auf die „primitive, anar- chische Neandertaler-Mentalität", bei den Nachrüstungsbefürwor- tern, aber auch beim potentiellen Gegner im Osten. Starlinger for- derte die Teilnehmer auf, die Dis- kussion über einen Atomkrieg nicht allein den Politikern zu über- lassen: „Wenn wir alle unsere Be- mühungen koordinieren und nicht vorzeitig in ihnen nachlassen, dann kann und wird es uns gelin- gen, diese Gefahren abzuwen- den." Dürr erklärte, ein Kernwaf- fenkrieg sei das Ende der Mensch- heit. Es gäbe absolut nichts, was einen Atomkrieg rechtfertigen könnte. Er forderte neue Arten der Konfliktlösungen, da die Probleme der Friedenssicherung militärisch nicht mehr lösbar seien. Professor Dr. Hanns Olof Alfven von der Uni- versität Uppsala in Schweden (No- belpreis für Physik 1972) geißelte

„die Bedrohung der Menschen durch die Politiker" und forderte sie zum Umdenken auf.

Professor Dr. Linus Pauling von der Universität Standford in den USA, der 1954 den Nobelpreis für Chemie und 1963 den Friedens- Nobelpreis wegen seiner erfolgrei- chen Bemühungen um das Verbot von Atomtests über der Erde er- halten hatte, erklärte, eine atoma- re Nachrüstung mache die durch menschliches oder technisches Versagen herbeigeführte Katastro- phe wahrscheinlicher. Der näch- ste Krieg bedeute das Ende für die menschliche Existenz.

Anläßlich des Kongresses trafen sich mehr als 5000 Menschen auf dem Domplatz zu Mainz zu einem öffentlichen Internationalen Fo- rum und lauschten gespannt der Schilderung von Wissenschaftlern über die Wirkung einer Atombom- be von 150 Kilotonnen, etwa mit der Sprengkraft einer SS-20 oder einer Pershing-Il-Rakete. Der Phy- siker Professor Dr. Horst Wegener von der Universität Erlangen- Nürnberg: Die Bombe hat 3 Killer, den Atomblitz, die Hitzewelle und die Druckwelle. Im Umkreis von 1000 Metern wird in Sekunden- bruchteilen alles Leben ausge- löscht. Bis in die Entfernung von 3 km werden alle Gebäude eingeeb- net. Mainz wird zur letzten Ruhe- stelle für 150 000 Menschen, die nicht mehr zu begraben sind. Der Strahlenbiologe Professor Dr. Hu- bert Kneser von der Universität Köln schilderte den Strahlentod der noch Überlebenden: Radioak- tiver Staub, der nicht zu hören, nicht zu sehen, nicht zu riechen, nicht zu fühlen ist, falle vom Him- mel. Zuerst spüre der Mensch Er- brechen, Durchfall, Müdigkeit;

dann folgten blutige Ausscheidun- gen, Blutungen und Eiterungen unter der Haut. Nach Wochen ster- ben die ausgemergelten Men- schen im Delirium.

Der Münchener Internist Professor Dr. Herbert Begemann: „In einem Atomkrieg gibt es keine ärztliche Hilfe." Das Mißverhältnis zwischen Helfern und Verletzten erlaubt kei- ne medizinische Versorgung mehr. Selbst in Friedenszeiten würde die Zahl von 100 000 Ver- Ausgabe A DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 80. Jahrgang Heft 36 vom 9. September 1983 91

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Radu: Transfusion IV, Acryl, 1978

Transfusionen in der Kunst

Günther Ott Spektrum der Woche

Aufsätze • Notizen Atomrüstungs-Gegner

letzten die Möglichkeiten des be- stehenden Versorgungssystems sprengen. Der Göttinger Arzt Dr.

Wolfgang Send schilderte die Möglichkeiten des Zivil- und Kata- strophenschutzes. Im Verteidi- gungsfalle stünden 220 Hilfskran- kenhäuser mit nur 86 000 Betten zur Verfügung. In 100 Lazaretten des Hilfsdienstes würden Arznei- mittel für 240 000 Verletzte bereit- gehalten. Eine Studie über einen atomaren Präventivschlag in der Bundesrepublik gehe aber von 7 bis 23 Millionen Opfern aus.

Zum Abschluß des Kongresses wurde der „Mainzer Appell" veröf- fentlicht, in dem es u. a. heißt:

„Ein künftiger Atomkrieg, der Eu- ropa und besonders unser Land träfe, wäre mit früheren Kriegen nicht mehr zu vergleichen. Was verteidigt werden sollte, würde un- widerruflich zerstört. Vor allem Zi- vilisten hätten so gut wie keine Chancen, den Krieg und die Nach- kriegszeit zu überleben." Die Na- turwissenschaftler forderten „eine nüchterne, nicht durch Polemik und wechselseitige Schuldzuwei- sung überfrachtete Analyse dieser Gefahren, sowie eine konzeptio- nelle Weiterentwicklung der ge- genwärtig praktizierten Sicher- heitspolitik". Weder dürfe das Wettrüsten fortgesetzt werden, noch die Sicherstellung einer an- gemessenen Verteidigungsbereit- schaft preisgegeben werden. „Ein Weg, diese beiden Forderungen miteinander zu verbinden, führt über eine Umrüstung". Und selbstkritisch heißt es in dem Ap- pell: „Naturwissenschaftler tragen eine besondere Verantwortung, weil einige Experten ihr Wissen zur Herstellung von Massenver- nichtungsmitteln mißbrauchen lie- ßen und andere dazu geschwie- gen haben. Wir haben die Pflicht, über die Grenzen des Mißbrauchs von Naturkräften nachzudenken und ihm mit Entschiedenheit ent- gegenzutreten."

Anschrift des Verfassers:

Dr. med. Hermann Kater Höhenweg 16

3250 Hameln 5

FEUILLETON

Der Münchener Maler Radu Anton Maier, der seine Bilder — wie Vin- cent van Gogh oder Anton Raeder- scheidt — nur mit seinem Vorna- men signiert und so in die bundes- deutsche Kunstgeschichte ein- ging, ist ein Landschafter von be- sonderer Art. Bevor er 1967 seine Heimat Rumänien verließ — er wur- de 1934 im siebenbürgischen Klausenburg geboren —, betätigte er sich zunächst während und nach seinem Kunststudium in sei- ner Vaterstadt und in Bukarest als Po rt rät i st.

In jener stalinistischen Ära gehör- te das Porträt zu der Kategorie, in der das „Tabu des wirksamen So-

zialistischen Realismus" am we- nigsten verletzt wurde; seine Mo- delle waren Dichter und Philoso- phen, Künstler und Schauspieler.

Einmal im freien Westen seßhaft geworden, gelangte er von den üblichen Bildnissen zu Gesichten, die das Makabre im Menschen in eindruckvoller Weise typisierten.

Auch mit seinen Landschaften überschritt Radu die Grenzen der

„vor der Natur gemalten" Pan- oramen.

Raffinierte Techniken

Seiner Hellas-Serie (1974-1979) haftet die Vergänglichkeit der griechischen Welten an, Traum 92 Heft 36 vom 9. September 1983 80. Jahrgang DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Ausgabe A

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