• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Das Freiburger Arztrelief: Stolz Darauf, ein Arzt zu sein" (16.09.2005)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Das Freiburger Arztrelief: Stolz Darauf, ein Arzt zu sein" (16.09.2005)"

Copied!
1
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

V A R I A

A

A2490 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 102⏐⏐Heft 37⏐⏐16. September 2005

H

ippokrates von Kos (circa 460 bis 380 v.

Chr.) gilt als Vater der modernen Medizin. Als histo- rische Person hinter den ihm zugeschriebenen Schriften nur noch schemenhaft fassbar, wurde er zum idealen Reprä- sentanten des ärztlichen Be- rufsstandes. Vor diesem mit der Gefahr mythischer Ver- klärung behafteten Hinter- grund stellt sich die Frage nach der Lebens- und Arbeitsrea- lität antiker Ärzte umso nach- drücklicher.

Das diesbezügliche archäo- logische Material ist ver- gleichsweise spärlich und oft wenig aussagekräftig. Ent- sprechend ist es durchaus eine medizinhistorische Sensation, wenn ein bisher unbekanntes Denkmal dieser Art auftaucht.

Ein solches ist seit kurzem in der Archäologischen Samm- lung der Universität Freiburg (Inv. S 535) zu besichtigen.*

DASFREIBURGERRELIEF Der Fundort des Grabreliefs ist unbekannt. Das Relief (Höhe: 113 Zentimeter, Brei- te: 57 Zentimeter) war ehe- mals der rechte obere Teil ei- ner Grabstele, die von einem seitlich von Pilastern getra- genen Giebel bekrönt wird.

Es zeigt die nach links gewen- det sitzende Figur des Grab- inhabers in Chiton (also im dünnen Untergewand) und Himation (Mantel). Das bart- lose Gesicht ist stark be- stoßen. Reste der ehemals si- cher vorhandenen Bemalung und der Inschrift sind zumin- dest mit bloßem Auge nicht mehr erkennbar. Das Relief ist in den räumlich zurücklie- genden und dadurch ge- schützteren Partien gut erhal- ten. Auf dem Reliefgrund, vor der Figur des Grabinhabers, erkennt man ein aufgeklapp- tes Instrumentenkästchen, in dem sich eine (Zahn-)Zange, ein Skalpell (möglicherweise auch der zusammengeklappte Bogen eines Trepanations- gerätes) und ein Doppelspa-

tel ausmachen lassen, darüber zwei Buchrollen und vermut- lich ein Polyptychon (Falt- buch). Die Deutung als Arzt- relief ergibt sich zweifelsfrei aus dem Instrumentarium und macht den besonderen Rang des Stückes aus.

Aus der griechischen Anti- ke wurden bislang zehn Grab- und Votivdenkmäler bekannt, auf denen Ärzte dargestellt sind. Zumeist weist hier nur die Inschrift auf den Beruf des Dargestellten hin. Nur bei vier Denkmälern lässt sich der Arztberuf aus der Darstellung selber erschließen.

INHALTLICHE UND STILISTISCHE

WIDERSPRÜCHE

Der Typus der Giebelstele und die Darstellung der sit- zenden Figur finden ihre eng- sten Entsprechungen in der Gruppe der spätklassischen, um die Mitte des vierten Jahr- hunderts v. Chr. entstandenen Grabreliefs. Würdevolle, in ruhiger Gelassenheit sitzende Figuren repräsentieren das klassische Ideal eines gut situ- ierten Polisbürgers. Oftmals, als weiterer Hinweis auf den gehobenen Sozialstatus, steht den sitzenden Grabinhabern

ein Diener oder eine Dienerin gegenüber. Eine entsprechen- de Rekonstruktion der verlo- renen linken Hälfte des Frei- burger Reliefs liegt nahe. Im Rahmen spätklassischer Reli- efs sind berufsbezogene Attri- bute so gut wie nie zu finden und schon gar nicht im Sinne des hier attributiv der Figur zugeordneten Instrumenten- kästchens. Der Typus des Kästchens und die Instrumente selber sind – zumindest bis- lang – frühestens im Hellenis- mus, sicher jedoch erst seit der frühen römischen Kaiserzeit belegbar. Auch der bartlose, jugendliche Kopf mit schlich- ter Kurzhaarfrisur wäre im spätklassischen Kontext so nicht möglich.

Eine Erklärung finden die- se Widersprüche in einer in der Antike durchaus üblichen Praxis: Offenbar wurde das qualitativ hochwertige, auch von der Größe her imposante Denkmal in den Jahren um Christi Geburt, also in spät- hellenistischer Zeit und da- mit politisch unter römischer Herrschaft, zu einem Arzt- relief umgearbeitet. Dass chirurgische Instrumente und Buchrollen zusammen darge- stellt werden, ist auch ange- sichts der sorgfältigen Ausar- beitung der Objekte sicher beabsichtigt. Dezidiert bringt der Arzt – in einer vor dem Hellenismus kaum vorstell- baren Art und Weise – zum Ausdruck, dass er sich sowohl als handwerklich tätiger Chir- urg als auch im wissenschaft- lichen Schrifttum Kundiger versteht.

Grabdenkmäler der grie- chischen Antike repräsentie- ren den Verstorbenen in aller Regel als vermögenden, sei- nem Alter entsprechend at- traktiven und den Notwen- digkeiten des Gelderwerbs enthobenen Bürger. Vor eben diesem Hintergrund, der Be- rufsdarstellungen praktisch ausschließt, wird das Auftre- ten des Freiburger Arztes, als Bürger undals Vertreter sei- nes Berufes, zum eindrucks- vollen Zeugnis ärztlichen Selbstbewusstseins.

Priv.-Doz. Dr. phil.

Dr. med. Andreas Hillert

D

AS

F

REIBURGER

A

RZTRELIEF

S TOLZ D ARAUF ,

EIN A RZT ZU SEIN

Bildnis eines chirurgisch tätigen Arztes aus dem antiken Griechenland

Feuilleton

* Herrn Priv.-Doz. Dr. Martin Flashar bin ich für die Publikationsgenehmigung zu Dank verpflichtet.

Foto: Chr. Sandig, Leipzig

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Das internationale Open-Access- Journal International Journal of Implant Dentistry (IJID), das die Deutsche Gesellschaft für Im- plantologie (DGI) zusammen mit ihrer

Oft ist es so, dass zusätzlich zu der Recherche nach eigenverantwortlich geführten Geodaten auch noch ein Zugriff auf Geodatenbeschreibungen bestehen muss, die zwar nicht

Die beiden Fach- ärzte für Neurologie und Psychiatrie er- hielten Anfang 2001 ein Schreiben vom Prüfungsausschuss für Sprechstunden- bedarf der Ärzte und Krankenkassen

Daher spielt das von SOX-9 kodierte Eiweiß als Signalübermittler nicht nur für die korrekte Entwicklung der Geschlechtsorgane, sondern auch des Skeletts eine entscheidende Rolle.

Mit dieser Teilprivilegierung soll die Neuerrichtung abgängiger Bausubstanz erlaubt und die Verbesserung unzureichender Wohnverhältnisse durch die Errichtung eines

Eine Kürzung der Fahrzeugkosten kommt daher wohl nur in Betracht, wenn der Unternehmer ein unangemessen teures Fahrzeug mit entspre- chend hohen Betriebsausgaben (feste Kosten,

Unterhalt wegen Betreuung eines gemeinschaftlichen Kindes nach §

Zwar können wir über die Realität in ihrer Gesamtheit keine vollständigen Aussagen treffen, weil wir von der unbekannten Realität immer nur einen bestimmten