DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
Endoskopie des Verdauungstraktes FÜR SIE GELESEN
noms steht die Nicht-Diagnose des Tumors durch Scheu des Pa- tienten oder durch Unterlassung der Rektoskopie seitens des Arz- tes gegenüber. Die fatale Pause zwischen Erstmanifestation ein- deutiger Symptome und Diagnose des Rektum-Karzinoms beträgt noch immer mindestens sechs Monate. Das zunehmende Interes- se an proktologischen Erkrankun- gen vor allem unter den niederge- lassenen Kollegen läßt die Erwar- tung zu, daß in Zukunft das Rek- tum-Karzinom früher zur Behand- lung kommt.
Grenzen der Endoskopie
Die revolutionären Erfolge der endoskopischen Diagnostik und Therapie am gesamten Gastrointe 2 stinaltrakt werden seit vielen Jah- ren gepriesen. Es wird dabei nicht selten übersehen, daß sehr emp- findliche Untersuchungsmetho- den vom Untersucher Geschick- lichkeit, profunde Kenntnisse und Verantwortung verlangen. Die Dia- gnostik kolorektaler Erkrankun- gen geschieht heute nach sorgfäl- tiger Anamnese und klassisch- physikalischen Untersuchungen vielerorts primär endoskopisch.
Es hat sich gezeigt, daß die gelun- gene Endoskopie mit Gewebeent- nahme dem radiologischen Befun- de deutlich überlegen ist — ver- gleichbare Qualität und vergleich- bare Verfügbarkeit der Untersu- chungsmethoden vorausgesetzt.
Nachteilig für eine allgemein prak- tizierte, primäre endoskopische Kolon-Diagnostik ist die noch lük- kenhafte endoskopische Doku- mentation zum Befundvergleich, zur Befundbesprechung und zur
Fort- und Weiterbildung. Das Pas- sagehindernis an Stenosen, an schmerzhaft fixierten Flexuren und elongierten Segmenten mö- gen zur Zeit noch die Durchführ- barkeit der Endoskopie einschrän- ken. Video-Technik, Stenose-En- doskope und längere Instrumente könnten diese Nachteile jedoch aufheben. Die Weiterentwicklung koloskopischer Techniken und Hilfsmittel ist keineswegs abge- schlossen.
Die Belastung des Patienten durch Koloskopie ist im Vergleich zur Doppelkontrast-Röntgenuntersu- chung ähnlich, gelegentlich hö- her. Der Patient ist daher über mögliche Schmerzen und auch über alternative Untersuchungs- verfahren vor der Koloskopie auf- zuklären. Geeignete Prämedika- tionsmaßnahmen helfen über die Unannehmlichkeiten der Untersu- chung hinweg.
Ein entscheidender Mangel aller endoskopischer Untersuchungs- verfahren ist der zur Zeit noch fehlende Qualifikationsnachweis und der deshalb oft ungeprüfte und unsichere Untersucher. Die Verfügbarkeit des Instrumentari- ums, nicht aber Erfahrung in der Untersuchungstechnik und diffe- rentialdiagnostischen Abwägung der Befunde entscheidet heute lei- der häufig über den Einsatz der Methode. Dieser Umstand läßt zu Recht den Vorwurf der Autodidak- tik sowie der unkritischen Anwen- dung und Auswertung aufkom- men. Dementsprechend werden neuerdings die Ergebnisse der En- doskopie unsicherer und Fehler- quoten höher.
Stets ist bei neuem Fortschritt die neue Aussage der Aussagekraft konventioneller, bislang geübter Methoden gegenüberzustellen.
Die Röntgenuntersuchung des Ko- lons im Doppelkontrastverfahren beurteilt nicht nur das Kolon, son- dern auch Weichteilschatten, Ver- drängungen und Verlagerungen sowie die Strukturen des abgebil- deten Skelettes. Im einzelnen Fall könnte der Nebenbefund rich- tungweisende Mitteilungen ent- halten. Diese Möglichkeiten sind der Endoskopie, die nur die Muko- sa sieht, naturgemäß entzogen, man wird sie allerdings auch nicht von ihr erwarten.
Professor Dr. med.
Bernd Christoph Manegold Abteilung für Endoskopie Klinikum der Stadt Mannheim Theodor-Kutzer-Ufer
6800 Mannheim 1
ASS und der Magen
Acetylsalizylsäure (ASS) erzeugt oft akute Magenschleimhautschä- den, die endoskopisch sichtbar sind oder indirekt (zum Beispiel durch Messung des erhöhten Blut- verlustes im Magen-Darm-Trakt) einschätzbar sind.
Das Auftreten der meisten uner- wünschten Wirkungen steht offen- sichtlich in Zusammenhang mit der verabreichten Dosis. Diese do- sisabhängige Wirkung, nachweis- bar sowohl in Endoskopie-Unter- suchungen als auch in Studien über Mikroblutungen, nach akuter oder kurzfristiger ASS-Gabe wird ebenfalls mit dem Risiko der Ent- wicklung chronischer Magen- geschwüre in Zusammenhang ge- bracht.
Das Vorkommen der Gewöhnung des Magens an die Noxe oder die Verminderung der Schädigung bei fortgesetzter Behandlung schrän- ken die Interpretation der Ergeb- nisse aus Untersuchungen über akute Verabreichung jedoch ein.
Darüber hinaus sind Nachweise von dosisabhängigen Schädigun- gen vielfach ignoriert worden, wenn Listen über Komplikationen und Nebenwirkungen zusammen- gestellt wurden.
Das Fehlen von Symptomen korre- liert nicht mit akuten oder chroni- schen Schleimhautschäden und scheint keinen Aussagewert zu ha- ben. Endoskopische Untersu- chungen, die Umfang und Grad akuter Schleimhautschädigungen mit verschiedenen steroidfreien, entzündungshemmenden Präpa- raten in Verbindung bringen, ha- ben wenig oder keinen Wert be- züglich der Vorhersage über Häu- figkeit und Schwere chronischer Magengeschwüre oder Magen- Darm-Blutungen. Dpe
Graham, D. Y.; Smith, J. L.: Aspirin and the Stomach, Annals of Infernal Medicine 194 (1986) 390-398.
Dr. David Y. Graham, Veterans Administration Medical Center, # 111 D, 2002 Holcombe Bou- levard; Houston, U.S.A.
1854 (56) Heft 25/26 vom 20. Juni 1986 83. Jahrgang Ausgabe A