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Archiv "Selektive Inhibitoren der Zyklooxygenase 2 - Evolution oder Revolution? Ungerechtfertigt hohe Dosierungen" (15.12.2000)

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M E D I Z I N

Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 97½½½½Heft 50½½½½15. Dezember 2000 AA3443

infarkt, oder Herztod aufgetreten sind. Wegen geringer Patientenzahlen ist mit diesen Daten die Diskussion zur Therapie höchstens angestoßen worden, eine abschließende Bewer- tung ist in weiter Ferne (1).

Beteiligung an weiteren Erkrankungen

Im Gegensatz zu veröffentlichten Stu- dien über C. pneumoniae und KHK ist die Literatur zur Beteiligung von C.

pneumoniae an Krankheiten wie mul- tiple Sklerose, Morbus Alzheimer, chronisches Müdigkeitssyndrom und reaktive Arthritis noch spärlich und kann wie folgt zusammengefasst wer- den:

❃ Arbeiten aus der Gruppe von Hudson berichten über einen Nach- weis von C. pneumoniae mittels PCR und Immunhistochemie aus Hirnbiop- sieproben von Patienten mit Morbus Alzheimer (3). Die immunzytochemi- schen Untersuchungen identifizierten C. pneumoniae in Perizyten, Mikro- glia und Astroglia. Der in der Chla- mydien-Diagnostik sehr erfahrenen Gruppe um Campbell gelang aller- dings der Nachweis bei vergleichbaren Patienten nicht (19).

❃ Stratton und Mitarbeiter konn- ten in 64 Prozent aller Liquorproben von Patienten mit multipler Sklero- se C. pneumoniae kulturell nachwei- sen. Die PCR war in 97 Prozent posi- tiv, Liquor-Antikörper-Titer lagen im Durchschnitt um drei Standardabwei- chungen über denen der Kontrolle (23). Eine Bestätigung dieser Ergeb- nisse steht noch aus. Unveröffentlicht ist eine vergleichbare Studie von Bo- man, die diese Ergebnisse nicht be- stätigen konnte.

❃ Erhöhte Antikörper-Titer gegen C. pneumoniae konnte die Gruppe von Chia et al. bei zehn Patienten mit dem chronischen Müdigkeitssyndrom zeigen (7). Eine Therapie mit Azi- thromycin führte zu einem Rückgang der Beschwerden und zu einer Absen- kung der Antikörper-Titer. Die Be- stätigung dieser Befunde anhand eines größeren Kollektivs steht noch aus.

❃ Serologische und klinische Hin- weise auf eine kausale Bedeutung von

C. pneumoniae bei reaktiver Arthritis fanden Braun und Mitarbeiter bei 5 von 70 Patienten und Hannu bei 4 von 35 Patienten (6, 12). Anekdotische Berichte bestätigen dies. Trotzdem zeigen die klinische Erfahrung und ei- gene unveröffentlichte Untersuchun- gen, dass bei C.-pneumoniae-Infektio- nen eher flüchtige Arthralgien, jedoch im Gegensatz zur C.-trachomatis-In- fektionen nur selten reaktive Arthriti- den zu beobachten sind.

Überlegungen zur Therapie extrapulmonaler Infektionen

Für die Behandlung extrapulmonaler Erkrankungen, die mit C. pneumoniae assoziiert sein sollen, gibt es bisher keine offiziell publizierten Empfeh- lungen. Es sind auch keine allgemein akzeptierten Vorstellungen über die Ziele der Behandlung (Beschwer- defreiheit? Abfall der Antikörper- Titer?) oder die Therapieschemata (Langzeittherapie? Wiederholte The- rapiezyklen? Therapiedauer? Dosis?) erarbeitet worden. Trotzdem stellt sich die Frage, ob es unter Berücksich- tigung des derzeitigen Erkenntnis- stands und der derzeitigen diagnosti- schen Möglichkeiten vertretbar ist, außerhalb von Studien Antibiotika zur Therapie einer angeblich chroni- schen C.-pneumoniae-Infektion zu verordnen. In die Beantwortung ge- hen Überlegungen zu dem Nutzen einerseits und den Kosten, Neben- wirkungen der Therapie und Risiken der mikrobiellen Resistenzentwicklung andererseits ein. Auf der Basis einer evidenzbasierten Medizin ist aus unse- rer Sicht eine Antibiotika-Therapie der oben besprochenen chronischen Er- krankungen derzeit nicht indiziert.

Zitierweise dieses Beitrags:

Dt Ärztebl 2000; 97: A 3440–3443 [Heft 50]

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literatur- verzeichnis, das über den Sonderdruck beim Verfasser und über das Internet (www.aerzteblatt.de) erhältlich ist.

Anschrift für die Verfasser:

Dr. med. Andreas Essig

Abteilung Medizinische Mikrobiologie und Hygiene der Universität Ulm Robert-Koch Straße 8, 89081 Ulm E-Mail: andreas.essig@medizin.uni-ulm.de

Ungerechtfertigt hohe Dosierungen

Dem Satz in der Zusammenfassung „Ei- ne euphorische Überverwendung ist da- her zu vermeiden“ – gemeint sind die selektiven COX-2-Inhibitoren Celecoxib und Rofecoxib – kann man nur zustim- men. Aus diesem Grund muss aber auf eine fehlerhafte Darstellung und Inter- pretation in Grafik 6 in der Arbeit ver- wiesen werden. Mit Bezug auf eine Pu- blikation von Simon et al. (4) wird die In- zidenz gastrointestinaler Ulzera nach der Gabe von Celecoxib (100, 200, 400 mg/d) und Naproxen (500 mg/d) im Vergleich zur Placebogabe dargestellt. Naproxen schneidet nach zwölf Wochen mit 26 Pro- zent sehr schlecht ab. Wenn man sich die Originalarbeit ansieht, dann haben die Patienten allerdings doppelt so hohe Ta- gesdosen erhalten, was von Brune et al.

übersehen wurde. Das betrifft nicht nur Celecoxib, sondern auch Naproxen. Eine Hochdosis von 1 000 mg Naproxen/d über zwölf Wochen ist allerdings kaum akzeptabel. Syntex/Roche empfiehlt für Proxen zur Erhaltungstherapie bei rheu- matischen Schmerzen nur 500 mg/d (Ro- te Liste 2000, Präparat 05 318)! Es fehlt auch der Hinweis darauf, dass die Inzi- denz aller unerwünschten Ereignisse in der Studie von Simon et al. nahezu iden- tisch war: Placebo, 55 Prozent; Celecoxib 200 mg/d, 68 Prozent; 400 mg/d, 63 Pro- zent; 800 mg/d, 62 Prozent; Naproxen 1 000 mg/d, 65 Prozent. In der Legende zur Grafik 6 steht: „Die längerfristige

zu dem Beitrag

Selektive Inhibitoren der Zyklooxygenase 2

Evolution oder Revolution?

von

Prof. Dr. med. Dr. h. c.

Kay Brune

Prof. Dr. med. Dr. h. c.

Joachim Kalden

Priv.-Doz. Dr. med. Josef Zacher Priv.-Doz. Dr. med.

Hanns Ulrich Zeilhofer in Heft 26/2000

DISKUSSION

(2)

Anwendung von Celecoxib und Rofeco- xib führt zu keiner Steigerung der Inzi- denz von intestinalen (endoskopisch ge- sicherten) Erosionen im Vergleich zur Placebobehandlung.“ Mit „längerfristi- ger Anwendung“ sind hier mehr als zwölf Wochen gemeint. Für Celecoxib ist diese Aussage nicht möglich, da die Studie nur über zwölf Wochen lief (4). Aus der Ar- beit von Laine et al. (2) geht dagegen ein- deutig hervor, dass die kumulative Inzi- denz gastrointestinaler Ulzera (sowohl ✞ 3 mm als auch ✞5 mm) nach 24 Wochen Rofecoxib (25 mg/d, 50 mg/d) oder Ibu- profen (2 400 mg/d) deutlich höher ist als nach zwölf Wochen. Alles andere wäre auch merkwürdig. Ich halte das Vorge- hen beider Autoren, mit ungerechtfertigt hohen Dosen von Naproxen (4) oder Ibuprofen (2) über zwölf beziehungswei- se 24 Wochen gastrointestinale Schäden geradezu zu provozieren, nicht für beson- ders ethisch. In der letzten Zeit wurden übrigens auch schon schwerere Neben- wirkungen beschrieben, zum Beispiel Magenperforation nach Celecoxib (3), akute Pankreatitis nach Celecoxib (1).

Eine „Rheumatherapie ohne Reue“

ist vermutlich nicht zu haben.

Literatur

1. Baciewicz AM, Sokos DR, King TJ: Acute pancreatitis associated with celecoxib. Ann Intern Med 2000; 132:

680.

2. Laine L, Harper S, Simon T et al.: for the Rofecoxib Osteo- arthritis Endoscopy Study Group: A randomized trial comparing the effect of rofecoxib, a cyclooxygenase 2- specific inhibitor, with that of ibuprofen on the gastro- duodenal mucosa of patients with osteoarthritis. Ga- stroenterology 1999; 117: 776–783.

3. Reuben SS, Steinberg R: Gastric perforation associated with the use of celecoxib. Anesthesiology 1999; 91:

1548–1549.

4. Simon LS, Weaver AL, Graham DY et al.: Anti-inflamma- tory and upper gastrointestinal effects of celecoxib in rheumatoid arthritis: a randomized controlled trial. J Am Med Ass 1999; 282: 1921–1928.

Prof. Dr. med. Frank P. Meyer Institut für Klinische Pharmakologie Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg Leipziger Straße 44, 39120 Magdeburg

E-Mail: frank-peter.meyer@medizin.uni-magdeburg.de

Schlusswort

Herr Meyer kritisiert, dass eine geringe- re Inzidenz gastrointestinaler Ulzeratio- nen nach Cyclooxygenase-2-Hemmern (COX-2) bisher nur in einer dreimonati- gen Untersuchung bei der Anwendung

hochdosierter COX-2-Hemmer im Ver- gleich zu ebenfalls sehr hochdosierten unspezifischen COX-Hemmern aufge- treten ist. Insbesondere übt Herr Meyer Kritik am Studiendesign und an der aus seiner Sicht ethisch bedenklichen Do- sierung. In der Tat lagen bei Abfassung unseres Beitrags zahlreiche Daten noch nicht in zitierfähiger Form vor. Das ist heute anders.

Ohne Zweifel werden bei Arthrose in angelsächsischen Ländern höhere Do- sen von nichtsteroidalen Antirheumati- ka (NSAR) über längere Zeit eingenom- men. Inzwischen publizierte Ergebnisse weiterführender Untersuchungen be- treffen sowohl Celecoxib (Class-Studie [1]) als auch Rofecoxib (Vigor-Studie [2, 3]). In beiden Fällen wurden Patienten mit Arthrose bis zu einem Jahr mit rela- tiv hohen Dosen von Celecoxib (800 mg) und Rofecoxib (50 mg) pro Tag behan- delt. Die Vergleichsgruppe erhielt ent- sprechend hoch dosierte, klassische NSAR (Ibuprofen 2,4 g/d oder Diclo- fenac, 150 mg/d) beziehungsweise Na- proxen (1 g/d). Am Ende der Studien waren jeweils circa 8 000 Patienten be- handelt und beobachtet worden. Etwa 4 000 hatten den Cyclooxygenase-2- Hemmer erhalten. Diese von der ame- rikanischen Aufsichtsbehörde (FDA) geforderten Studien zeigen, dass signifi- kant weniger Patienten unter der Thera- pie mit COX-2-Hemmern an lebensbe- drohlichen, interventionspflichtigen, ga- strointestinalen Perforationen, Ulzera- tionen und/oder Blutungen erkrankten (PUBS) als in den (Standard-)NSAR- Gruppen (circa 50 Prozent). Beide Stu- dien waren als so genannte „Outcome Studies“ (Kohorten-Studien) angelegt, die dann beendet werden, wenn ein sig- nifikanter Unterschied hinsichtlich des Zielkriteriums zwischen den Gruppen besteht. Um eine entsprechende thera- peutische Überlegenheit in der Praxis (bei freier Dosiswahl) zu beurteilen, wären „Fallkontrollstudien“ nötig. Of- fensichtlich sind beide COX-2-Hemmer verträglicher für den Magen-Darm- Trakt.

Die hier zitierten Class- und Vigor- Studien haben allerdings zu weiteren interessanten Befunden geführt. So erlit- ten weniger Patienten in der Naproxen- als in der Rofecoxib-Gruppe einen In- farkt. Dieser (Neben-)Befund ist überra-

schend, der Unterschied signifikant. Al- lerdings war in dieser Studie eine Kome- dikation mit niedrig dosierter Acetylsa- licylsäure (ASS) ausgeschlossen. In der Class-Studie war die Komedikation mit ASS nicht untersagt. Es zeigte sich kein Unterschied in der Inzidenz kardiovas- kulärer Ereignisse zwischen den Celeco- xib und NSAR-Gruppen. Allerdings war Celecoxib plus ASS auch nicht messbar gastrointestinal verträglicher als NSAR.

Diese Befunde bedürfen der Über- prüfung mit adäquatem Studiendesign.

Trotzdem werden sie schon jetzt inten- siv diskutiert, werfen sie doch eine grundsätzliche Frage zu einem mögli- chen Nachteil von selektiven COX-2- Hemmern auf: Durch die selektive Hem- mung der COX-2 in Endothelzellen des arteriellen Systems kann es zu einer Verminderung der antiaggregatorischen Prostazyklinproduktion kommen, wäh- rend die proaggregatorische Thrombo- xan-Synthese in Blutplättchen-COX-1 nicht beeinträchtigt wird.

Für die Anwendung in der Praxis erge- ben sich aus diesen Befunden zwei wichti- ge Hinweise: Beim älteren Menschen mit Arthrose und der Gefahr gastrointestina- ler Blutungen zeigen Cyclooxygenase-2- Hemmer hinsichtlich des gastrointestina- len Risikos eindeutige Vorteile.

Niedrigdosierte Acetylsalicylsäure sollte bei Risikopatienten bei der An- wendung von Cyclooxygenase-2-Hem- mern zusätzlich gegeben werden, leider geht dabei allerdings der gastrointestina- le Vorteil des selektiven Hemmers weit- gehend verloren.

Für die Forschung ergibt sich die Not- wendigkeit, diese Nebenbefunde zu veri- fizieren und gegebenenfalls die Patho- mechanismen aufzudecken.

Literatur

1. Silverstein FE et al.: Gastrointestinal toxicity with cele- coxib vs nonsteroidal antiinflammatory drugs for osteo- arthritis and rheumatoid arthritis; The Class Study: A ran- domized controlled trial. JAMA 2000; 284 (10):

1247–1255.

2. NN: Both COX-2 inhibitors twice as safe as NSAIs, but how different are they? SCRIP 2000; 2544/45: 25 und SCRIP 2000, 2554.

3. NN: Studie belegt die Sicherheit von Rofecoxib. Der Kas- senarzt 2000; 33/34: 48.

Prof. Dr. med. Dr. h. c. Kay Brune Institut für Experimentelle und Klinische Pharmakologie und Toxikologie Universität Erlangen-Nürnberg Fahrstraße 17, 91054 Erlangen M E D I Z I N

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A3444 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 97½½½½Heft 50½½½½15. Dezember 2000

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