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Archiv "Chlamydia pneumoniae: Ein Erreger chronischer, extrapulmonaler Infektionen?" (15.12.2000)

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(1)

C

hlamydia pneumoniae ist erst seit circa zehn Jahren als Erre- ger von Infektionen des Respi- rationstrakts bekannt und offenbar auch in Deutschland, mit Seropräva- lenzraten von bis zu 70 Prozent im Er- wachsenenalter, weit verbreitet. Seit seiner Entdeckung wurden zunächst vor allem klinisch-epidemiologische Untersuchungen, später auch grundla- genorientierte Arbeiten vorangetrie- ben, die zu einem raschen Wissenszu- wachs geführt haben. Weitere ent- scheidende Fortschritte bei der Auf- klärung der molekularen Mechanis- men von C.-pneumoniae-Infektionen sind zu erwarten, da inzwischen das komplette Genom des Erregers se- quenziert wurde. Auslöser dieser ver- stärkten Forschungsanstrengungen dürften sicher aufsehenerregende Pu- blikationen gewesen sein, die einen ätiologischen Zusammenhang mit der koronaren Herzkrankheit (KHK) po- stulieren. Weit entfernt von einer ab- schließenden Klärung dieser Frage, gibt es bereits neue Spekulationen

über eine Beteiligung von C. pneumo- niae bei der Entstehung weiterer chro- nischer Erkrankungen wie der multi- plen Sklerose, dem Morbus Alzhei- mer, dem Asthma bronchiale, der re- aktiven Arthritis und dem chroni- schen Müdigkeitssyndrom. Im Folgen- den soll versucht werden, den gegen- wärtigen Stand der Forschung kritisch zu reflektieren, damit auch der prak- tisch tätige Arzt entsprechenden An- fragen seiner, möglicherweise durch die Laienpresse sensibilisierten, Pati- enten begegnen kann.

C. pneumoniae gehört zu den obli- gat intrazellulären Bakterien und ist eng verwandt mit Chlamydia tracho- matis, einem häufigen Erreger von se- xuell übertragbaren Infektionen des Urogenitaltrakts, und Chlamydia psittaci, dem Erreger der in Deutsch- land eher selten vorkommenden Or- nithose beziehungsweise Papageien- krankheit. Charakteristisch für alle

Chlamydienarten ist ein einzigartiger Entwicklungszyklus, der für die Pa- thogenese, Diagnostik und Therapie von Chlamydieninfektionen von un- mittelbarer Bedeutung ist (Grafik ).

Akute Infektionen

Unbestritten ist in der Fachwelt, dass C. pneumoniae typischerweise hart- näckige, in der Regel jedoch milde In- fektionen der Atemwege wie Pharyn- gitis, Sinusitis und Bronchitis verur- sacht (16). Schwerere Verlaufsformen münden in eine atypische Pneumonie, die in Deutschland bei circa 10 bis 15 Prozent der Patienten mit ambulant erworbener Pneumonie gesehen wird (24). Es ist davon auszugehen, dass et- wa 60 Prozent der Bevölkerung bis zum 20. Lebensjahr eine C.-pneumo- niae-Infektion durchgemacht hat.

Freymuth et al. identifizierten C.

pneumoniae mittels PCR in 4,5 Pro- zent der kindlichen Patienten mit ei- ner akuten Exazerbation des Asthma

Chlamydia pneumoniae

Ein Erreger chronischer, extrapulmonaler Infektionen?

Andreas Essig Reinhard Marre

Zusammenfassung

Chlamydia pneumoniae ist ein obligat intra- zellulärer, weitverbreiteter Erreger von In- fektionen des Respirationstrakts, der mögli- cherweise auch chronische, extrapulmonale Erkrankungen hervorruft. Während die Da- tenlage für Erkrankungen wie multiple Sk- lerose, Morbus Alzheimer und chronisches Müdigkeitssyndrom noch spärlich ist, ließ sich C. pneumoniae in atherosklerotisch ver- änderten Gefäßproben von Patienten mit koronarer Herzerkrankung (KHK) nachwei- sen. Ergebnissen von In-vitro-Untersuchun- gen zufolge passt eine Gefäßläsion, bedingt durch C. pneumoniae, in das aktuelle Konzept der Atheroskleroseentstehung. Ein geeigne- ter diagnostischer Marker, der eine extrapul- monale (vaskuläre) C.-pneumoniae-Infektion zuverlässig erfasst, fehlt bisher. Für die Anti- biotikabehandlung der mit C. pneumoniae as- soziierten extrapulmonalen Erkrankungen, insbesondere der KHK, gibt es bisher keine

Empfehlungen der wissenschaftlichen Fach- gesellschaften. Unter Berücksichtigung des derzeitigen Erkenntnisstands erscheint eine Antibiotikatherapie dieser Erkrankungen außerhalb von kontrollierten Studien nicht indiziert.

Schlüsselwörter: Chlamydia pneumoniae, ex- trapulmonale Infektion, koronare Herzkrank- heit (KHK), Atherogenese, Antibiotikatherapie

Summary

Chlamydia Pneumoniae – A Cause of Chronic Extrapulmonary Infections?

The obligate intracellular pathogen Chlamydia pneumoniae has been recognized as a common cause of respiratory tract infections. In addi- tion, C. pneumoniae has attracted attention because of its link to some extrapulmonary chronic diseases. While the published data con- cerning an association between C. pneumoniae

and multiple sclerosis, Alzheimer`s disease and chronic fatigue syndrome, respectively, is still sparse, there is increasing evidence that the agent can be detected in atherosclerotic plaques of patients with coronary heart disease.

In vitro experiments confirm that vascular le- sion development caused by C. pneumoniae would fit perfectly into the current concept of atherogenesis. However until now, a reliable diagnostic marker for detection of extrapulmo- nary (vascular) C. pneumoniae infection is still missing. Treatment guidelines concerning the antibiotic therapy of C. pneumoniae associated extrapulmonary diseases including coronary heart disease have not been published. From our point of view and basing on the current knowledge the antibiotic treatment of athero- sclerosis is not indicated except in controlled treatment studies.

Key words: Chlamydia pneumoniae, extrapul- monary infection, coronary heart disease (CHD), atherogenesis, antibiotic treatment

Abteilung Medizinische Mikrobiologie und Hygiene (Di- rektor: Prof. Dr. med. Reinhard Marre) der Universität

(2)

und schließen daraus, dass dieser Er- reger eher eine seltenere Ursache der akuten Exazerbation ist (10).

Die mikrobiologische Diagnostik akuter Infektionen durch Chlamydia pneumoniae umfasst den Nachweis spezifischer IgM- und erhöhter IgG- Antikörpertiter sowie den zellkultu- rellen und molekularbiologischen Er- regernachweis aus respiratorischen Sekreten (9). Aufgrund immunologi- scher Kreuzreaktivitäten und häufig schwieriger Befundinterpretation soll- te die serologische Diagnostik von ei- nem mikrobiologischen Fachlabor durchgeführt und von einem erfahre- nen Facharzt beurteilt werden. Der zellkulturelle und der PCR-Nachweis des Erregers wird bisher nur in Spezi- allaboratorien angeboten. Es bleibt abzuwarten, ob sich die Diagnostik der C.-pneumoniae-Infektion in den nächsten Jahren soweit verbessert, dass sie dem inzwischen guten Stand der Diagnostik von C. trachomatis entspricht.

Zur Therapie akuter C.-pneumo- niae-Infektionen des Respirations- trakts kommt eine mindestens 14-tä- gige Behandlung mit Doxycyclin oder Erythromycin infrage, wobei aufgrund ihrer guten In-vitro-Wirksamkeit und Verträglichkeit zunehmend auch neue- re Makrolid- oder Azalid-Antibiotika, die offenbar auch bei kürzerer Be- handlungsdauer effektiv sind, einge- setzt werden.

Chronische Infektionen?

Diskutiert wird, ob auch chronische, extrapulmonale Erkrankungen wie die koronare Herzkrankheit und Atherosklerose, die reaktive Arthri- tis, die multiple Sklerose, der Morbus Alzheimer und das chronische Müdig- keitssyndrom von C. pneumoniae her- vorgerufen werden könnten.

Insbesondere die zuverlässige Be- weisführung einer Beteiligung von C.

pneumoniae an diesen Infektionen ist problematisch, was sich am besten am Beispiel der koronaren Herzkrankheit veranschaulichen lässt:

Das sorgfältige Studium der Litera- tur macht deutlich, dass die für den Anfangsverdacht maßgeblichen sero-

epidemiologischen Arbeiten über ei- nen Bezug zwischen C.-pneumoniae- Antikörpertitern und der koronaren Herzkrankheit nicht immer reprodu- ziert werden konnten, was möglicher- weise auf die unterschiedliche Berück- sichtigung statistischer Störfaktoren zurückzuführen ist (8, 18, 22). Es fehlt außerdem an einem diagnostischen

Marker, der zuverlässig eine abgelau- fene von einer (hypothetischen) chro- nisch-persistierenden Infektion, die für extrapulmonale Manifestationen verantwortlich gemacht wird, diskri- minieren kann.

Die vermutete Assoziation zwi- schen spezifischen Antikörpertitern und koronarer Herzkrankheit initiier- te Arbeiten zum Direktnachweis von C. pneumoniae mittels PCR aus athe- rosklerotischen Plaques. Leider konn- ten die bisher publizierten Befunde nicht zur Klärung beitragen, denn es findet sich eine enorme Schwankungs- breite der Befunde, wobei die Rate positiver Ergebnisse je nach Untersu- cher zwischen 0 und 100 Prozent liegt (4). Diese Diskrepanz basiert am ehe- sten auf methodenbedingten Ursa- chen, die in einer mangelnden Stan- dardisierung und Validierung der ver- schiedenen PCR-Verfahren zu suchen sind. Darüber hinaus ist, wie für jede

andere diagnostische PCR, die Ein- haltung strengster Qualitätskontrol- len zu fordern, wenn reproduzierbare Ergebnisse erzielt werden sollen. Da- her ist es eigentlich verwunderlich, dass viele der zu diesem Thema veröf- fentlichten Publikationen in Zeit- schriften erscheinen, die auf dem Ge- biet der klinischen Mikrobiologie und mikrobiologischen Diagno- stik fachlich wenig ausgewie- sen sind und somit vermut- lich nicht auf Gutachter zurückgreifen können, die mit dieser Problematik ver- traut sind. Erste Ringversu- che mit definierten Chlamy- dien-versetzten (gespikten) Untersuchungsproben be- stätigen, dass die Ergebnisse der teilnehmenden Labora- torien eine unakzeptable Diskrepanz aufweisen (per- sönliche Mitteilung Dr. J.

Boman). Ähnlich verhält es sich mit dem immunhistoche- mischen Nachweis des Erre- gers. Im Allgemeinen finden sich immunhistochemisch höhere Nachweisraten von C. pneumoniae aus Koronar- gefäßen im Vergleich zur PCR, wobei es unklar ist, ob dies durch eine höhere Sensi- tivität oder schlechtere Spezifität der Methode bedingt ist. Wenn in einer Studie sowohl die PCR als auch die Immunzytochemie eingesetzt wurden, finden sich nur selten Proben, die mit beiden Methoden als positiv bewertet wurden (20).

Die Situation wird noch komplizier- ter, indem offenbar bei gesunden Blut- spendern in 46 Prozent der Fälle C.

pneumoniae mittels PCR aus Mono- zyten detektierbar ist (5). Damit be- steht grundsätzlich die Möglichkeit der Kontamination von Blutgefäßproben oder anderen Gewebeproben durch C.-pneumoniae-positive Monozyten und die Gefahr, dass das untersuchte Gewebe zu Unrecht als C.-pneumo- niae-positiv bewertet wird. Anderer- seits werden infizierte Monozyten wie- derum als Carrier (Vehikel) angese- hen, mit deren Hilfe sich Chlamydien theoretisch in Gefäßwänden absiedeln können.

Grafik

Schematische Darstellung des Chlamydien-Entwicklungszy- klus in der eukaryonten Wirtszelle. 1. Adhäsion des Chlamy- dien-Elementarkörperchens an die Wirtszelle mit ansch- ließender Internalisierung des Erregers. 2. Intravakuoläre Umwandlung des Elementarkörperchens in das metabolisch aktive Retikularkörperchen. 3. Vermehrung der Retikular- körperchen innerhalb der Wirtszellvakuole (Einschlusskör- per). 4. Umwandlung der Retikularkörperchen in infektiöse Elementarkörperchen. 5. Freisetzung der Elementarkörper- chen und Infektion benachbarter Zellen.

(3)

Der Versuch eines zellkulturellen Erregernachweises aus Gefäßproben, der selbst bei akuten respiratorischen Infektionen mit hoher Erregerdichte wenig ergiebig ist, gelang bisher nur vereinzelt (17, 20). Wenn sich diese Befunde durch weitere Arbeiten be- stätigen lassen würden, wären sie al- lerdings ein sehr wichtiges Indiz für ei- nen C.-pneumoniae-induzierten pa- thologischen Prozess.

Bei der Bewertung des Erkenntnis- standes sollte insgesamt weiterhin be- dacht werden, dass stets ein erhebli- ches Bias bezüglich der veröffentlich- ten Daten besteht: Befunde, die die Hypothesen des Untersuchers bestäti- gen, werden eher zu einer Publikation zusammengeschrieben und zur Publi- kation eingereicht; Manuskripte, de- ren Daten die allgemein akzeptierten Vorstellungen unterstützen und gut in die wissenschaftliche Landschaft pas-

sen, werden leichter publiziert als Ma- nuskripte mit Außenseiterbefunden.

Es passt zu diesem Bias, dass Arbeiten über den Nachweis von C. pneumo- niae aus Gewebeproben nur deshalb angezweifelt werden, weil ihre C.- pneumoniae-Nachweisrate gering ist (11, 14).

Koronare Herzkrankheit und Atherosklerose

Die Diskussion, ob C. pneumoniae mit der KHK assoziiert ist, wurde auf- grund seroepidemiologischer Studien von Saikku und Mitarbeitern 1988 im Lancet initiiert und in den ver- gangenen zehn Jahren zunehmend intensiver, kontrovers und auch emo- tional geführt. Zusammenfassend gilt:

Es gibt zahlreiche Publikationen, in denen dargestellt wird, dass sich C. pneumoniae in athero- sklerotisch veränderten Ge- fäßproben immunhistoche- misch, elektronenmikrosko- pisch, molekularbiologisch und kulturell nachweisen lässt, allerdings sind die Be- funde aufgrund der oben ge- nannten Einwände umstrit- ten. Dennoch erscheint es, aufgrund der enormen Aus- wirkungen dieser Befunde hinsichtlich Behandlung und Vermeidung der Atheroskle- rose, dringend geboten, die begonnenen Forschungsar- beiten weiter zu intensivie- ren. Dies umfasst insbeson- dere die Entwicklung eines diagnostischen Markers, mit dem chronische C.-pneumo- niae-Infektionen zuverlässig erfasst werden, die moleku- lare Charakterisierung vas- kulärer C.-pneumoniae-In- fektionen mithilfe von geeig- neten Infektionsmodellen, sowie die Durchführung kon- trollierter Therapiestudien.

Pathogenetisch würde ei- ne C.-pneumoniae-bedingte Gefäßläsion gut in das aktu- elle Konzept der Athero- skleroseentstehung passen, dem die so genannte „res-

ponse to injury“-Theorie von Russel Ross zugrunde liegt (21). Demnach ist die Entstehung atherosklerotischer Läsionen die Folge einer chronisch-in- flammatorischen Reaktion der Ge- fäßwand nach primärer Schädigung des Endothels und der glatten Muskel- zellen durch verschiedene infrage kommende Noxen. In-vitro-Untersu- chungen belegen, dass C. pneumoniae mit Endothelzellen, glatten Muskel- zellen und Makrophagen prinzipiell alle relevanten Zelltypen humaner Gefäße infizieren kann, und dass die betroffenen Zellen mit einer Freiset- zung von proinflammatorischen Zy- tokinen, Wachstumsfaktoren und ver- mehrter Expression prothromboti- scher Stimuli reagieren (13). Ferner konnte gezeigt werden, dass Chla- mydia pneumoniae die Schaumzell- bildung induziert, was als ein Schlüs- selereignis der frühen Atherogenese gilt (15).

Außerdem hat ein Peptidfragment eines äußeren Membranproteins von Chlamydien große Homologien zum Myosin glatter Muskelzellen und kann damit durch molekulares Mimikry Autoaggressionsphänomene im Myo- kard auslösen (2). Weiterhin ist seit langem bekannt, dass, wie die Bei- spiele von Chlamydia trachomatis und Chlamydia psittaci zeigen, chronisch persistierende Chlamydien-Infektio- nen nicht nur möglich, sondern häu- fig sind. Eventuell bilden Chlamydien nicht nur in vitro, sondern auch in vi- vo persistierende, wenig stoffwechsel- aktive Formen aus, die von der Infekt- abwehr nicht mehr beseitigt werden können. Inwiefern dabei eine verän- derte Morphogenese von Chlamydia pneumoniae in glatten Muskelzel- len eine Rolle spielt, müssen weite- re Untersuchungen zeigen (Abbildung 1 a, b).

Erste Therapiestudien mit den An- tibiotika Roxithromycin und Azi- thromycin bei allerdings relativ gerin- gen Fallzahlen postulierten, dass Pati- enten mit instabiler Angina pectoris von einer Antibiotikagabe profitieren können, da bei den Behandelten im Vergleich zu Patienten, die ein Pla- cebo erhielten, signifikant weniger schwere kardiale Ereignisse wie re- kurrierende kardiale Ischämie, Herz-

a

b

Abbildung 1 a und b: C. pneumoniae in humanen glatten Ge- fäßmuskelzellen. Multiple Einschlusskörper mit polförmiger Akkumulation der intravakuolären Chlamydienvorstufen. a) Konfokale Lasermikroskopie (Vergrößerung: x 1 000); b) Transmissionselektronenmikroskopie (Vergrößerung: x 13 000)

(4)

infarkt, oder Herztod aufgetreten sind. Wegen geringer Patientenzahlen ist mit diesen Daten die Diskussion zur Therapie höchstens angestoßen worden, eine abschließende Bewer- tung ist in weiter Ferne (1).

Beteiligung an weiteren Erkrankungen

Im Gegensatz zu veröffentlichten Stu- dien über C. pneumoniae und KHK ist die Literatur zur Beteiligung von C.

pneumoniae an Krankheiten wie mul- tiple Sklerose, Morbus Alzheimer, chronisches Müdigkeitssyndrom und reaktive Arthritis noch spärlich und kann wie folgt zusammengefasst wer- den:

❃ Arbeiten aus der Gruppe von Hudson berichten über einen Nach- weis von C. pneumoniae mittels PCR und Immunhistochemie aus Hirnbiop- sieproben von Patienten mit Morbus Alzheimer (3). Die immunzytochemi- schen Untersuchungen identifizierten C. pneumoniae in Perizyten, Mikro- glia und Astroglia. Der in der Chla- mydien-Diagnostik sehr erfahrenen Gruppe um Campbell gelang aller- dings der Nachweis bei vergleichbaren Patienten nicht (19).

❃ Stratton und Mitarbeiter konn- ten in 64 Prozent aller Liquorproben von Patienten mit multipler Sklero- se C. pneumoniae kulturell nachwei- sen. Die PCR war in 97 Prozent posi- tiv, Liquor-Antikörper-Titer lagen im Durchschnitt um drei Standardabwei- chungen über denen der Kontrolle (23). Eine Bestätigung dieser Ergeb- nisse steht noch aus. Unveröffentlicht ist eine vergleichbare Studie von Bo- man, die diese Ergebnisse nicht be- stätigen konnte.

❃ Erhöhte Antikörper-Titer gegen C. pneumoniae konnte die Gruppe von Chia et al. bei zehn Patienten mit dem chronischen Müdigkeitssyndrom zeigen (7). Eine Therapie mit Azi- thromycin führte zu einem Rückgang der Beschwerden und zu einer Absen- kung der Antikörper-Titer. Die Be- stätigung dieser Befunde anhand eines größeren Kollektivs steht noch aus.

❃ Serologische und klinische Hin- weise auf eine kausale Bedeutung von

C. pneumoniae bei reaktiver Arthritis fanden Braun und Mitarbeiter bei 5 von 70 Patienten und Hannu bei 4 von 35 Patienten (6, 12). Anekdotische Berichte bestätigen dies. Trotzdem zeigen die klinische Erfahrung und ei- gene unveröffentlichte Untersuchun- gen, dass bei C.-pneumoniae-Infektio- nen eher flüchtige Arthralgien, jedoch im Gegensatz zur C.-trachomatis-In- fektionen nur selten reaktive Arthriti- den zu beobachten sind.

Überlegungen zur Therapie extrapulmonaler Infektionen

Für die Behandlung extrapulmonaler Erkrankungen, die mit C. pneumoniae assoziiert sein sollen, gibt es bisher keine offiziell publizierten Empfeh- lungen. Es sind auch keine allgemein akzeptierten Vorstellungen über die Ziele der Behandlung (Beschwer- defreiheit? Abfall der Antikörper- Titer?) oder die Therapieschemata (Langzeittherapie? Wiederholte The- rapiezyklen? Therapiedauer? Dosis?) erarbeitet worden. Trotzdem stellt sich die Frage, ob es unter Berücksich- tigung des derzeitigen Erkenntnis- stands und der derzeitigen diagnosti- schen Möglichkeiten vertretbar ist, außerhalb von Studien Antibiotika zur Therapie einer angeblich chroni- schen C.-pneumoniae-Infektion zu verordnen. In die Beantwortung ge- hen Überlegungen zu dem Nutzen einerseits und den Kosten, Neben- wirkungen der Therapie und Risiken der mikrobiellen Resistenzentwicklung andererseits ein. Auf der Basis einer evidenzbasierten Medizin ist aus unse- rer Sicht eine Antibiotika-Therapie der oben besprochenen chronischen Er- krankungen derzeit nicht indiziert.

Zitierweise dieses Beitrags:

Dt Ärztebl 2000; 97: A 3440–3443 [Heft 50]

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literatur- verzeichnis, das über den Sonderdruck beim Verfasser und über das Internet (www.aerzteblatt.de) erhältlich ist.

Anschrift für die Verfasser:

Dr. med. Andreas Essig

Abteilung Medizinische Mikrobiologie und Hygiene der Universität Ulm Robert-Koch Straße 8, 89081 Ulm E-Mail: andreas.essig@medizin.uni-ulm.de

Ungerechtfertigt hohe Dosierungen

Dem Satz in der Zusammenfassung „Ei- ne euphorische Überverwendung ist da- her zu vermeiden“ – gemeint sind die selektiven COX-2-Inhibitoren Celecoxib und Rofecoxib – kann man nur zustim- men. Aus diesem Grund muss aber auf eine fehlerhafte Darstellung und Inter- pretation in Grafik 6 in der Arbeit ver- wiesen werden. Mit Bezug auf eine Pu- blikation von Simon et al. (4) wird die In- zidenz gastrointestinaler Ulzera nach der Gabe von Celecoxib (100, 200, 400 mg/d) und Naproxen (500 mg/d) im Vergleich zur Placebogabe dargestellt. Naproxen schneidet nach zwölf Wochen mit 26 Pro- zent sehr schlecht ab. Wenn man sich die Originalarbeit ansieht, dann haben die Patienten allerdings doppelt so hohe Ta- gesdosen erhalten, was von Brune et al.

übersehen wurde. Das betrifft nicht nur Celecoxib, sondern auch Naproxen. Eine Hochdosis von 1 000 mg Naproxen/d über zwölf Wochen ist allerdings kaum akzeptabel. Syntex/Roche empfiehlt für Proxen zur Erhaltungstherapie bei rheu- matischen Schmerzen nur 500 mg/d (Ro- te Liste 2000, Präparat 05 318)! Es fehlt auch der Hinweis darauf, dass die Inzi- denz aller unerwünschten Ereignisse in der Studie von Simon et al. nahezu iden- tisch war: Placebo, 55 Prozent; Celecoxib 200 mg/d, 68 Prozent; 400 mg/d, 63 Pro- zent; 800 mg/d, 62 Prozent; Naproxen 1 000 mg/d, 65 Prozent. In der Legende zur Grafik 6 steht: „Die längerfristige

zu dem Beitrag

Selektive Inhibitoren der Zyklooxygenase 2

Evolution oder Revolution?

von

Prof. Dr. med. Dr. h. c.

Kay Brune

Prof. Dr. med. Dr. h. c.

Joachim Kalden

Priv.-Doz. Dr. med. Josef Zacher Priv.-Doz. Dr. med.

Hanns Ulrich Zeilhofer in Heft 26/2000

DISKUSSION

(5)

Anwendung von Celecoxib und Rofeco- xib führt zu keiner Steigerung der Inzi- denz von intestinalen (endoskopisch ge- sicherten) Erosionen im Vergleich zur Placebobehandlung.“ Mit „längerfristi- ger Anwendung“ sind hier mehr als zwölf Wochen gemeint. Für Celecoxib ist diese Aussage nicht möglich, da die Studie nur über zwölf Wochen lief (4). Aus der Ar- beit von Laine et al. (2) geht dagegen ein- deutig hervor, dass die kumulative Inzi- denz gastrointestinaler Ulzera (sowohl ✞ 3 mm als auch ✞5 mm) nach 24 Wochen Rofecoxib (25 mg/d, 50 mg/d) oder Ibu- profen (2 400 mg/d) deutlich höher ist als nach zwölf Wochen. Alles andere wäre auch merkwürdig. Ich halte das Vorge- hen beider Autoren, mit ungerechtfertigt hohen Dosen von Naproxen (4) oder Ibuprofen (2) über zwölf beziehungswei- se 24 Wochen gastrointestinale Schäden geradezu zu provozieren, nicht für beson- ders ethisch. In der letzten Zeit wurden übrigens auch schon schwerere Neben- wirkungen beschrieben, zum Beispiel Magenperforation nach Celecoxib (3), akute Pankreatitis nach Celecoxib (1).

Eine „Rheumatherapie ohne Reue“

ist vermutlich nicht zu haben.

Literatur

1. Baciewicz AM, Sokos DR, King TJ: Acute pancreatitis associated with celecoxib. Ann Intern Med 2000; 132:

680.

2. Laine L, Harper S, Simon T et al.: for the Rofecoxib Osteo- arthritis Endoscopy Study Group: A randomized trial comparing the effect of rofecoxib, a cyclooxygenase 2- specific inhibitor, with that of ibuprofen on the gastro- duodenal mucosa of patients with osteoarthritis. Ga- stroenterology 1999; 117: 776–783.

3. Reuben SS, Steinberg R: Gastric perforation associated with the use of celecoxib. Anesthesiology 1999; 91:

1548–1549.

4. Simon LS, Weaver AL, Graham DY et al.: Anti-inflamma- tory and upper gastrointestinal effects of celecoxib in rheumatoid arthritis: a randomized controlled trial. J Am Med Ass 1999; 282: 1921–1928.

Prof. Dr. med. Frank P. Meyer Institut für Klinische Pharmakologie Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg Leipziger Straße 44, 39120 Magdeburg

E-Mail: frank-peter.meyer@medizin.uni-magdeburg.de

Schlusswort

Herr Meyer kritisiert, dass eine geringe- re Inzidenz gastrointestinaler Ulzeratio- nen nach Cyclooxygenase-2-Hemmern (COX-2) bisher nur in einer dreimonati- gen Untersuchung bei der Anwendung

hochdosierter COX-2-Hemmer im Ver- gleich zu ebenfalls sehr hochdosierten unspezifischen COX-Hemmern aufge- treten ist. Insbesondere übt Herr Meyer Kritik am Studiendesign und an der aus seiner Sicht ethisch bedenklichen Do- sierung. In der Tat lagen bei Abfassung unseres Beitrags zahlreiche Daten noch nicht in zitierfähiger Form vor. Das ist heute anders.

Ohne Zweifel werden bei Arthrose in angelsächsischen Ländern höhere Do- sen von nichtsteroidalen Antirheumati- ka (NSAR) über längere Zeit eingenom- men. Inzwischen publizierte Ergebnisse weiterführender Untersuchungen be- treffen sowohl Celecoxib (Class-Studie [1]) als auch Rofecoxib (Vigor-Studie [2, 3]). In beiden Fällen wurden Patienten mit Arthrose bis zu einem Jahr mit rela- tiv hohen Dosen von Celecoxib (800 mg) und Rofecoxib (50 mg) pro Tag behan- delt. Die Vergleichsgruppe erhielt ent- sprechend hoch dosierte, klassische NSAR (Ibuprofen 2,4 g/d oder Diclo- fenac, 150 mg/d) beziehungsweise Na- proxen (1 g/d). Am Ende der Studien waren jeweils circa 8 000 Patienten be- handelt und beobachtet worden. Etwa 4 000 hatten den Cyclooxygenase-2- Hemmer erhalten. Diese von der ame- rikanischen Aufsichtsbehörde (FDA) geforderten Studien zeigen, dass signifi- kant weniger Patienten unter der Thera- pie mit COX-2-Hemmern an lebensbe- drohlichen, interventionspflichtigen, ga- strointestinalen Perforationen, Ulzera- tionen und/oder Blutungen erkrankten (PUBS) als in den (Standard-)NSAR- Gruppen (circa 50 Prozent). Beide Stu- dien waren als so genannte „Outcome Studies“ (Kohorten-Studien) angelegt, die dann beendet werden, wenn ein sig- nifikanter Unterschied hinsichtlich des Zielkriteriums zwischen den Gruppen besteht. Um eine entsprechende thera- peutische Überlegenheit in der Praxis (bei freier Dosiswahl) zu beurteilen, wären „Fallkontrollstudien“ nötig. Of- fensichtlich sind beide COX-2-Hemmer verträglicher für den Magen-Darm- Trakt.

Die hier zitierten Class- und Vigor- Studien haben allerdings zu weiteren interessanten Befunden geführt. So erlit- ten weniger Patienten in der Naproxen- als in der Rofecoxib-Gruppe einen In- farkt. Dieser (Neben-)Befund ist überra-

schend, der Unterschied signifikant. Al- lerdings war in dieser Studie eine Kome- dikation mit niedrig dosierter Acetylsa- licylsäure (ASS) ausgeschlossen. In der Class-Studie war die Komedikation mit ASS nicht untersagt. Es zeigte sich kein Unterschied in der Inzidenz kardiovas- kulärer Ereignisse zwischen den Celeco- xib und NSAR-Gruppen. Allerdings war Celecoxib plus ASS auch nicht messbar gastrointestinal verträglicher als NSAR.

Diese Befunde bedürfen der Über- prüfung mit adäquatem Studiendesign.

Trotzdem werden sie schon jetzt inten- siv diskutiert, werfen sie doch eine grundsätzliche Frage zu einem mögli- chen Nachteil von selektiven COX-2- Hemmern auf: Durch die selektive Hem- mung der COX-2 in Endothelzellen des arteriellen Systems kann es zu einer Verminderung der antiaggregatorischen Prostazyklinproduktion kommen, wäh- rend die proaggregatorische Thrombo- xan-Synthese in Blutplättchen-COX-1 nicht beeinträchtigt wird.

Für die Anwendung in der Praxis erge- ben sich aus diesen Befunden zwei wichti- ge Hinweise: Beim älteren Menschen mit Arthrose und der Gefahr gastrointestina- ler Blutungen zeigen Cyclooxygenase-2- Hemmer hinsichtlich des gastrointestina- len Risikos eindeutige Vorteile.

Niedrigdosierte Acetylsalicylsäure sollte bei Risikopatienten bei der An- wendung von Cyclooxygenase-2-Hem- mern zusätzlich gegeben werden, leider geht dabei allerdings der gastrointestina- le Vorteil des selektiven Hemmers weit- gehend verloren.

Für die Forschung ergibt sich die Not- wendigkeit, diese Nebenbefunde zu veri- fizieren und gegebenenfalls die Patho- mechanismen aufzudecken.

Literatur

1. Silverstein FE et al.: Gastrointestinal toxicity with cele- coxib vs nonsteroidal antiinflammatory drugs for osteo- arthritis and rheumatoid arthritis; The Class Study: A ran- domized controlled trial. JAMA 2000; 284 (10):

1247–1255.

2. NN: Both COX-2 inhibitors twice as safe as NSAIs, but how different are they? SCRIP 2000; 2544/45: 25 und SCRIP 2000, 2554.

3. NN: Studie belegt die Sicherheit von Rofecoxib. Der Kas- senarzt 2000; 33/34: 48.

Prof. Dr. med. Dr. h. c. Kay Brune Institut für Experimentelle und Klinische Pharmakologie und Toxikologie Universität Erlangen-Nürnberg Fahrstraße 17, 91054 Erlangen

Referenzen

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