n den letzten Jahren werden insbesondere in der Gynäkolo- gie häufig serologische Verfah- ren eingesetzt, um vermutete Infektionen mit Chlamydia tracho- matis nachzuweisen. Abgesehen von den allgemeinen Problemen serolo- gischer Aussagen bei lokalen, nicht- generalisierenden Infektionen wer- den bei der Interpretation oft einige grundsätzliche Aspekte der Spezifi- tät zu wenig berücksichtigt.
Praktisch alle derzeit kommer- ziell verfügbaren und in größerem Umfang eingesetzten Testverfahren (zum Beispiel Ipazyme®, Ornithose- KBR, Chlamydia trachomatis IgG IFA, Chlamydia EIA) erfassen vor allem Antikörper gegen das gat- tungsspezifische Antigen, ein Lipo- polysaccharid, das allen bekannten Chlamydia-Arten (Chlamydia tra- chomatis, Chlamydia psittaci, Chla- mydia pneumoniae) gemeinsam ist.
Auch kreuzreagierende Proteine sind beteiligt (2). Somit ist bei einem erhöhten Titer nicht erkennbar, ob er zum Beispiel auf einer Chlamydia- trachomatis-Infektion oder einer Or- nithose (Chlamydia psittaci) beruht.
Diese diagnostische Unschärfe er- schien in der Vergangenheit aus da- maliger Kenntnis noch vertretbar, da sich gegebenenfalls eine — seltene — Ornithose anamnestisch ausschlie- ßen ließ. Die Kreuzreaktion konnte in besonderen Fällen sogar diagno- stisch mit Erfolg ausgenutzt werden, um zum Beispiel ein Lymphogranu- loma venereum mit Hilfe einer posi- tiven Ornithose-KBR nachzuweisen.
Mit der Entdeckung von Chlamydia pneumoniae (vormals sogenannte TWAR-Stämme von Chlamydia psit- taci) (1) hat sich die Situation jedoch völlig verändert.
Nach bisheriger Kenntnis sind Infektionen mit C. pneumoniae au- ßerordentlich häufig. Bis zu 70 Pro- zent der Erwachsenen haben IgG- Antikörper, dazu IgM und IgA in wechselnder Häufigkeit. Antikörper im Menschen gegen Chlamydia-Gat- tungsantigen sind also zu einem ho- hen Anteil durch C. pneumoniae hervorgerufen. So sind mehr als die Hälfte der erhöhten Titer durch In- fektionen mit C. pneumoniae verur- sacht (3). In eigenen orientierenden Untersuchungen (H. Freidank, un- veröffentlichte Ergebnisse) waren von 86 „Chlamydia-Titern" (Ipazy- me®) 58 durch C. pneumoniae be- dingt, nur 22 zeigten teilweise oder ausschließlich Antikörper gegen C.
trachomatis an.
Berücksichtigt man diese hohe Durchseuchung mit C. pneumoniae, so sind die Ergebnisse gattungsspezi- fischer Testverfahren der sogenann- ten „Chlamydia-Serologie" völlig oh- ne Bezug zur Diagnose einer Chla- mydia-trachomatis-Infektion. Nur Titer, die mit einem für C. trachoma- tis spezifischen Test ermittelt und möglichst durch ein negatives C.- pneumoniae-Ergebnis abgesichert sind, erlauben den Hinweis auf eine mögliche Infektion mit C. trachoma- tis.
Das praktische Problem liegt derzeit noch in der sehr aufwendigen Technik der artspezifischen, das heißt jeweils für C. trachomatis oder C. pneumoniae spezifischen Testver- fahren. Ausreichende Erfahrungen liegen nur mit der Mikroimmunflu- oreszenz nach Wang vor, die Anti- körper gegen speziesspezifisches Protein nachweist (1). Bei entspre- chender Übung sind mit dieser Me- thode Titer gegen C. pneumoniae
einwandfrei von solchen gegen C.
trachomatis zu unterscheiden. Bei letzteren läßt sich gegebenenfalls noch nach Serotypen differenzieren.
Spezifische ELISA-Verfahren wer- den entwickelt (2), sind aber noch nicht allgemein verfügbar.
Die Diagnose einer Chlamydia- trachomatis-Infektion sollte heute möglichst durch den Erregernach- weis gestellt werden (4), sei es durch direkte Kultur oder indirekt durch Gensonden oder vorzugsweise Anti- gennachweis (direkte Immunfluores- zenz, Enzymimmunoassay). Bei den letztgenannten Verfahren ist zu be- achten, daß die Zahl der falsch posi- tiven Ergebnisse mit abnehmender Infektionshäufigkeit in der unter- suchten Population deutlich zu- nimmt. Eine C.-trachomatis-spezifi- sehe Serologie kann den Erreger- nachweis nicht ersetzen, jedoch bei bestimmten klinischen Bildern (zum Beispiel bei Salpingitis und Perihe- patitis, Neugeborenenpneumonie, reaktive Arthritis) Diagnose und Verlaufskontrolle unterstützen.
Nach derzeitiger Kenntnis ist die Bestimmung von nichtspezifischen sogenannten „Chlamydia-Titern"
auf jeden Fall weder für den Nach- weis von Chlamydia-pneumoniae-In- fektionen noch für die Diagnostik von Chlamydia-trachomatis-Erkran- kungen von Wert.
Literatur
1. Grayston, J. T.; Campbell, L. A.; Kuo, C.-C.;
Mordhorst, C. H.; Saikku, P.; Thom, D. H.;
Wang, S.-P.: A new respiratory tract patho- gen: Chlamydia pneumoniae strain TWAR. J.
Infect. Diseas. 161 (1990) 618-625 2. Ladany, S.; Black, C. M.; Farshy, C. E.; Osse-
waarde, J. M.; Barness, R. C.: Enzyme im- muno assay to determine exposure to Chla- mydia pneumoniae (strain TWAR). J. Clin.
Microbiol. 27 (1989) 2778-2783
3. Mordhorst, C. H.; Wang, S.-P.; Mykra, W.;
Grayston, J. T.: Chlamydia pneumoniae, strain TWAR, infections in Denmark 1975-1987. In: W. R. Bowie et al. (eds.):
Chlamydial infections, p. 418-421. Cam- bridge University Press, 1990
4. Näher, H.; Petzoldt, D.: The significance of the Ipazyme IgA and IgG antibody test in the diagnosis of urogenital chlamydial infections.
Zbl. Bakt. Hyg. A 270 (1989) 373-378
Anschrift des Verfassers:
Prof. Dr. med. Wolfgang Bredt Institut für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene Hermann-Herder-Straße 11 W-7800 Freiburg
Chlamydia-trachomatis-Infektionen
Bewertung
serologischer Ergebnisse
Wolfgang Bredt
A-2576 (58) Dt. Ärztebl. 88, Heft 30, 25. Juli 1991