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Archiv "Zum aktuellen Stand der Zyklooxygenase-Forschung" (13.02.1998)

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ane zeigte im Jahre 1971, daß die sauren antiphlogistischen Analgetika wie Ace- tylsalicylsäure durch Hemmung der Zyklooxygenase (COX) zur Reduktion proinflammatorischer Prostaglandine führen (16).

Dieser Befund ergab eine plausible Erklärung für die antiinflammatorischen und analgetischen Ef- fekte der „aspirin-like drugs“. Auf der anderen Seite ließen sich auch einige unerwünschte Effekte dieser Substanzen erklären. Die Blockade der phy- siologischen Bildung von Prostazyklin, Prosta- glandin E2 und Thromboxan A2 im Gastrointesti- naltrakt, der Niere und im Blut bedingt die erhöh- te Inzidenz von Schäden in diesen Organsystemen oder bei der Blutgerinnung. Unsere Arbeitsgrup- pe – damals noch in Basel – konnte zeigen, daß sich die sauren nichtsteroidalen antiphlogistischen/

analgetischen Wirkstoffe (NSAID) aufgrund ihres Säurecharakters und ihrer hohen Eiweißbindung besonders im entzündeten Gewebe, in der Schleim- haut des Magen-Darm-Traktes sowie in Nieren- rinde, Blut und Knochenmark anreichern (2).

Diese Eigenschaft wird als entscheidender Faktor der antiinflammatorischen, aber auch der uner- wünschten Effekte der Antiphlogistika angesehen.

Dieser Kenntnisstand ist in den 90er Jahren durch eine Reihe neuer Entdeckungen erweitert, aber auch kompliziert worden. So konnten wir in den vergangenen Jahren zusammen mit Schmidt und Schaible (Würzburg) und Shimada (New Ha- ven) zeigen, daß die nichtsauren, nicht im ent- zündlichen Gewebe akkumulierenden Phena- zonderivate über eine Hemmung der Prostaglan- dinsynthese im Rückenmark und im Hypothala- mus analgetische und antipyretische Effekte aus- lösen (11, 15).

Wichtiger noch, im Jahre 1990 wurde die Exi- stenz einer zweiten COX-Isoform durch die

Gruppe um Needleman postuliert (5). Dieses En- zym wird nach Gewebeschäden oder Belastung (zum Beispiel im entzündeten Gewebe) gebildet.

Bereits ein Jahr später wurde die COX-2-Isoform durch Xie et al. (18) kloniert.

Selektive Hemmung der COX 2:

ein neues pharmakologisches Prinzip

Die von unterschiedlichen Genen kodierten Isoformen COX 1 und COX 2 unterscheiden sich hinsichtlich Gewebeverteilung und Regulation der Expression. COX 1 ist konstitutiv unter an- derem in Niere, Magen, Thrombozyten und Ge- fäßendothel exprimiert und reguliert als soge- nanntes „house-keeping enzyme“ physiologische Adaptationen. Die Induktion von COX 2 erfolgt zum Beispiel im Rahmen von Gewebeschaden und Entzündungen durch Tumornekrosefaktor α, Interleukin(IL)-1 und andere Zytokine und Mitogene. Glukokortikoide und die antiinflam- matorischen Zytokine IL-4 und IL-10 hemmen die Bildung dieses Enzyms.

Diese Befunde führten zur Hypothese, daß eine selektive Hemmung der COX 2 zur Inhibi- tion von Schmerz und Entzündungen bei fehlen- der Beeinträchtigung der (COX-1-abhängigen) Funktion des Magen-Darm-Trakts, der Niere und der Blutgerinnung führen müßte (17).

Auf der Suche nach selektiven COX-2-Inhibitoren

Diese Hypothese führte sofort zur Suche nach selektiven COX-2-Hemmern. Überra- schenderweise zeigten einige längst bekannte

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Deutsches Ärzteblatt 95,Heft 7, 13. Februar 1998 (35)

Zum aktuellen Stand der Zyklooxygenase-Forschung

Kay Brune, Burkhard Hinz

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NSAID (Etodolac, Meloxicam, Nabumeton) ei- ne scheinbar selektive Hemmung der COX 2.

Weitere Untersuchungen ergaben jedoch, daß die COX-1/COX-2-Selektivität einer Substanz je nach Testsystem (isoliertes Enzym, Zellhomoge- nate, Zellinien, isolierte Zellen) und Versuchs- bedingungen (Inkubationszeit, verwandte Sti- muli) erheblich variiert. Mit dem von Patrono und Mitarbeitern beschriebenen „Vollblutassay“

(12) wird die COX-1/COX-2-Selektivität einer Verbindung an klinisch relevanten humanen Blutzellen bestimmt, die COX 1 (Blutplättchen) oder COX 2 (Monozyten nach Lipopolysaccha- rid-Stimulation) exprimieren. Diese Methode kann auch ex vivo zur präklinischen und klini- schen Evaluierung der COX-2-Selektivität einer Verbindung verwandt werden und berücksich- tigt im Unterschied zu anderen Testsystemen die unterschiedliche Proteinbindung der Testsub- stanzen. Untersuchungen von unterschiedlichen Autoren mit diesem Versuchssystem zeigten schließlich, daß keines der in Deutschland thera- peutisch eingesetzten NSAID ein selektiver Hemmer der COX 2 ist (14). Man kann sie be- stenfalls (Diclofenac, Meloxicam, Nimesulid) als

„präferentielle“ Hemmer der COX 2 bezeich- nen. Im Einklang mit diesem Befund zeigt das im Mai 1996 in Deutschland zur Therapie der rheu- matoiden Arthritis und aktivierten Arthrose zu- gelassene Meloxicam zwar in Studien des Her- stellers ein etwas geringeres Ausmaß an gastro- intestinalen Nebenwirkungen im Vergleich mit zum Beisiel Diclofenac, aber vergleichsweise mehr unerwünschte Effekte in anderen Organ- systemen (Haut, ZNS, Respirationstrakt und Niere) (4). Schließlich scheint Meloxicam bisher auch häufig vergleichsweise niedrig do- siert zu werden. Dementsprechend hat der Hersteller inzwischen eine 15-mg-Formulierung eingeführt.

Allerdings ist es durchaus möglich, hochse- lektive COX-2-Inhibitoren auf Basis eines target- orientierten Drug Designs zu synthetisieren. Die Aufklärung der Kristallstrukturen der beiden Isoenzyme durch die Arbeitsgruppen um Garavi- to (13) und Browner (10) war dafür die Basis. Sie zeigten, daß sich in beiden Enzymproteinen ein hydrophober Kanal befindet, an dessen Ende die COX-aktive Stelle des Enzyms lokalisiert ist.

Dieser hydrophobe Tunnel zeigt bei der COX 2 eine Seitentasche („Side pocket“), in die sich Phenylsulfonamid-Reste bereits bekannter se- lektiver COX-2-Inhibitoren mit diarylheterozy- klischer Struktur (zum Beispiel SC-558) einla- gern können (7).

Der selektive COX-2-Hemmer Celecoxib (SC-58635) befindet sich gegenwärtig in den USA und Europa in der Spätphase klinischer Studien an Patienten mit rheumatoider und Osteoarthritis. In einer plazebokontrollierten kli- nischen Studie an 293 Patienten mit Kniegelenks- arthrose zeigt Celecoxib in Dosen von 100 bis 200 Milligramm (zweimal täglich) analgetische und antiphlogistische Effekte ohne schwere gastroin- testinale Komplikationen und Störungen der Blutgerinnung (6). Ob hier allerdings vergleich- bare (wie zum Beispiel mit Indometacin mögli- che) antiphlogistische Effekte erzielt wurden, bleibt offen.

COX 2: Mehr als ein induzierbares Enzym!

Die generelle Bedeutung der erwähnten COX-2-Hypothese muß allerdings aus vielerlei Gründen in Frage gestellt werden. So erbrachten beispielsweise Versuche mit Knock-out-Mäusen, die das jeweilige Isoenzym nicht exprimieren können, da das verantwortliche Gen deletiert wurde, überraschende Befunde. So sind COX-1- Knock-out-Mäuse recht lebensfähig. Sie bekom- men auch keine spontanen Magenulzera, ent- wickeln aber nach Indometacingabe Ulzeratio- nen (8). Eine Hemmung der COX 1 durch NSAID kann daher nicht die alleinige Ursache für Ulzerationen sein. Weitere Befunde legen na- he, daß auch via COX 1 generierte Prostaglandi- ne in das akute Entzündungsgeschehen involviert sind. So zeigten COX-1-Knock-out-Mäuse eine geringere Ausbildung von akuten Enzündungs- reaktionen (8).

Auf der anderen Seite hätte man von COX- 2-Knock-out-Mäusen keine wesentliche Funkti- onsbeeinträchtigung erwartet, da ihnen, der Hy- pothese nach, nur die am Entzündungsgeschehen beteiligten Prostaglandine fehlen sollten. Die Realität zeigt hingegen, daß diese Tiere schwere Nephropathien entwickeln, die pränatal oder nach der Geburt zum Tode führen (3). Die COX 2 muß folglich auch regulatorische Funktio- nen während der Embryo- und Organogenese ausüben. Weiterhin zeigen COX-2-Knock-out- Mäuse kardiale Fibrose, und weibliche Tiere sind infertil (3). Auch COX-2-Knock-out-Mäuse zei- gen Entzündungen – sie sind aber meist in einem so schlechten Allgemeinzustand, daß quantita- tive Aussagen unmöglich sind.

Darüber hinaus ist heute bekannt, daß das COX-2-Isoenzym konstitutiv im ZNS, den Se-

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xualorganen und der Niere (Macula densa) ex- primiert wird. Wir konnten zeigen, daß gerade in der analgetischen Filterstation, dem Hinterhorn des Rückenmarks, COX 2 konstitutiv vorhanden ist (1).

Implikationen

Aufgrund unseres heutigen Wissens kann kein endgültiges Urteil über den künftigen Stel- lenwert selektiver COX-2-Inhibitoren abgege- ben werden. Es steht zu hoffen, daß sich diese Substanzen meßbar positiv von den weltweit im Gebrauch befindlichen analgetischen/antipyreti- schen nichtsauren Wirkstoffen wie Propyphena- zon unterscheiden, die ja bekanntlich auch kein ulzerogenes Risiko aufweisen (9). Andererseits werden auch nichtselektive COX-Hemmer wie Acetylsalicylsäure in der Zukunft ihren thera- peutischen Stellenwert bei der Prophylaxe kar- dio- und zerebrovaskulärer Erkrankungen behal- ten. Bei aller Euphorie sollte man sich auch darü- ber im klaren sein, daß selektive COX-2-Hem- mer, die lediglich die Bildung einer in den Ent- zündungsprozeß involvierten Gruppe von Me- diatoren hemmen, vermutlich nicht die antiin- flammatorische Potenz von zum Beispiel Gluko- kortikoiden erreichen werden, die zusätzlich die Bildung mehrerer proinflammatorischer Zytoki- ne blockieren.

Auf der Grundlage von Befunden zum kon- stitutiven Vorkommen und zur physiologischen Rolle der COX 2 können neue Nebenwirkungen COX-2-selektiver Verbindungen (beispielsweise Nephrotoxizität, Infertilität, zentralnervöse Ef- fekte) nicht grundsätzlich ausgeschlossen wer- den. Eine endgültige Beurteilung möglicher Risi- ken wird auch dadurch erschwert, daß die Rolle der COX-Isoformen bei einer Reihe physiologi- scher Prozesse (zum Beispiel Ovulation, Schwan- gerschaft, Kontrolle des Gefäßtonus) nicht voll- ständig aufgeklärt ist.

Auf der anderen Seite könnte der Einsatz se- lektiver COX-2-Inhibitoren ein Spektrum neuer Indikationen eröffnen. So soll die Entwicklung kolorektaler Karzinome sowie die Degeneration großer Gehirnareale bei der Alzheimerschen Krankheit unter Mitwirkung der COX 2 ge- schehen.

Es wird Aufgabe der Klinik sein, den Platz der wirklich spezifischen COX-2-Hemmer zu definieren und zu zeigen, ob die Hoffnung auf eine neue NSAID-Generation gerechtfertigt ist.

Zitierweise dieses Beitrags:

Dt Ärztebl 1998; 95: A-343–346 [Heft 7]

Literatur

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Anschrift der Verfasser

Prof. Dr. med. Dr. h. c. Kay Brune Dr. rer. nat. Burkhard Hinz Institut für Experimentelle und

Klinische Pharmakologie und Toxikologie Friedrich-Alexander-Universität

Erlangen-Nürnberg Universitätsstraße 22 91054 Erlangen

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