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Archiv "Damit die Strukturreform nicht zur Strangulierung wird" (05.11.1987)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Damit die Strukturreform

nicht zur Strangulierung wird

Hartmannbund fordert Schulterschluß der Ärzteschaft

D

er Hartmannbund hat sich bei seiner Hauptversamm- lung '87 in Baden-Baden (22./23. Oktober) darauf eingeschworen, das „Strukturre- formgeschäft" kritisch-konstruktiv zu begleiten. Der Vorsitzende des Verbandes, Prof. Dr. Horst Bour- mer, Köln, sieht die freiberuflich tä- tigen Ärzte ebenso wie die übrigen

„Leistungserbringer" als „Schachfi- guren" bei der „Bewältigung"

sämtlicher lauthals beklagten Struk- turprobleme und Finanzkrisen der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Bei allen Widrigkeiten — der Hartmannbund und seine Funk- tionsträger wollen sich nicht in eine Defensivrolle drängen lassen, auch wenn der Ärzteschaft aus unter- schiedlichen Lagern Querschläge entgegenprasseln.

Bourmer bezeichnete die hoch- fliegenden Pläne für die Strukturre- form als einen Prüfstein für die von der konservativ-liberalen Regierung angekündigte „ordnungspolitische Neubesinnung" im Gesundheitswe- sen. Wenn am Ende nichts weiter herauskomme als ein straffes Ko- stendämpfungs- und Beitragsfest- schreibungsgesetz mit „struktureller Schmuckfassade", müsse die Ärzte- schaft die Loyalität und Koopera- tionsbereitschaft zu den „Regieren- den" aufkündigen.

Für die Ärzteschaft sei der einzi- ge Wertmesser zur Beurteilung der Reformvorhaben die Antwort auf die Frage, ob und inwieweit „sich der Arzt auch nach der Reform noch als Freiberufler erkennen kann".

Die gesundheitspolitische „Groß- wetterlage" erfordere den Schulter- schluß aller Initiativkräfte innerhalb der Ärzteschaft und der Mitkombat- tanten.

Der Hartmannbund kündigte energischen Widerstand gegen alle strukturkosmetischen Interventions-

maßnahmen seitens der Regierung an, die einseitig darauf angelegt sind, ausgerechnet den nachgewiese- nermaßen sparsamsten Sektor — den ambulanten ärztlichen Bereich — zu knebeln und zu weiteren Sparopfern zu zwingen. Gemeinsam mit der Zahnärzteschaft und der Arzneimit- telindustrie will der Hartmannbund die Patienten durch Informationsak- tionen über die Auswirkungen der Strukturreformmaßnahmen infor- mieren.

Die unangenehmen Folgen, die aus der Strukturreform resultieren könnten, liegen für den HB darin, daß weiterhin die ambulante Versor- gung belastet und eingeschränkt, da- für die para-staatliche stationäre Versorgung ausgeweitet werde. Dies widerspreche dem Primat einer bür- gernahen, sparsamen und zugleich fachlich sichergestellten ambulanten Patientenversorgung. Das führe zu- gleich zu einer Akkumulation der personellen, technischen und finan- ziellen Ressourcen im stationären Bereich und einer Ausbreitung von Einrichtungen, die als Großorgani- sation Patienten eher anonym ver- sorgen.

Versorgung älterer Patienten gefährdet

Überhaupt vermißt der Hart- mannbund eine Politik, die die dra- matisch sich verschlechternde demo- graphische Struktur und die daraus resultierenden Finanzierungsproble- me berücksichtigt. Damit werde die Versorgung älterer Patienten ge- fährdet.

Wenn die Regierung aus- schließlich auf Kostendämpfung setze und obendrein noch die ko- stenträchtige Pflegeversicherung in der gesetzlichen Krankenversiche-

rung unterbringen wolle, program- miere sie weitere Beitragssatzsteige- rungen (auch wenn mit Ausgrenzun- gen und Streichaktionen bis zu 10 Milliarden DM aus dem Kassentopf herausgespart werden sollen).

Durch die Bindung an die Grund- lohnentwicklung, durch eine sekto- rale (politische) Budgetierung und eine erweiterte Negativliste werde der patientennahe ambulante Sektor einseitig belastet.

Vorwärtsstrategie der Forderungen

Die „Vorwärtsstrategie" des Verbandes plädiert für eine Schlank- heitskur der Krankenversicherung und eine Auflockerung sowohl des Beitrags- als auch des Leistungsgefü- ges der Kassen.

Statt einer Pflichtversicherung sollte lediglich eine allgemeine Ver- sicherungspflicht vorgeschrieben werden (freie Wahl des Trägers, des Tarifs und des selbst bestimmbaren Leistungskatalogs). Entsprechend sollten versicherungsfremde und -ferne Leistungen aus den beitragsfi- nanzierten Leistungen gestrichen, erstattet oder durch die Veranlasser refinanziert werden. Ferner: Gleich- stellung von Arbeitern und Ange- stellten im Versicherungsrecht, För- derung der Wahlfreiheit ohne Anhe- bung der Versicherungspflichtgren- ze. Wahlfreiheit aller Pflichtversi- cherten zwischen Sachleistungs- und Kostenerstattungssystem (dies för- dere die Leistungs- und Kosten- transparenz). Weitere Forderungen:

> Restriktive Handhabung des Beitrittsrechts zur GKV, Beamte, Gewerbetreibende und Freiberufler sowie Berufsanfänger mit Einkom- men über der Versicherungspflicht- grenze sind nicht mehr beitrittsbe- rechtigt.

> Neudefinition der Regellei- stungen der GKV. Im Zusatzlei- stungsbereich Gestaltungsmöglich- keit durch die Selbstverwaltung und Wahlfreiheit gegen äquivalent be- rechnete

Beitragszuschläge.

> Freiwillig Weiterversicherte sollen angemessene Teilbeiträge für mitversicherte Familienangehörige Dt. Ärztebl. 84, Heft 45, 5. November 1987 (23) A-3019

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ÄRZTEBLATT

zahlen, wenn eine im Verhältnis zur Bemessungsgrenze festgelegte Ein- kommensgrenze überschritten wird.

Obligatorisches Kostenerstattungs- prinzip für freiwillig Weiterversi- cherte.

> Beitragssätze für die Rent- ner-Krankenversicherung sollen nach den durchschnittlichen Bei- tragssätzen in der gesetzlichen Kran- kenversicherung für aktiv Versicher- te berechnet werden. Der Solidar- beitrag der Allgemeinversicherten zur Krankenversicherung der Rent- ner soll 20 Prozent der Leistungsauf- wendungen der KVdR nicht über- steigen.

> Ausweitung des kooperati- ven Belegarztsystems und moderner Praxisformen. Einführung einer Teilarbeitsfähigkeit im Interesse der Rehabilitation mit Einverständnis des Versicherten und des Arbeitge- bers. Förderung und Ausweitung der primär- und sekundär-präventiv- medizinischen Maßnahmen

> Rückkehr zur Einzellei- stungsvergütung in der ambulanten Versorgung. Leistungskomplexbe- zogene Vergütungen für besondere Präventivmaßnahmen (allgemeiner Check up im Zweijahre-Rhythmus).

Aufhebung der Konzertierten Ak- tion und Ausweitung der Regionali- sierung der Verhandlungs- und Ver- tragsrechte.

> Monistische Finanzierung der Krankenhausleistungen, Wegfall des Selbstkostendeckungsprinzips und Einführung preisorientierter Entgel- te. Aufhebung des faktischen Kon- trahierungszwanges der gesetzlichen Krankenversicherung und Kranken- häuser zugunsten freier Vereinba- rungen. Ersatz der Festzuschläge durch Höchstzuschläge auf Arznei- mittel in Apotheken. Ablehnung ei- nes staatlich verfügten Bonus-Ma- lus-Systems.

Und schließlich:

> Neuorientierung der ärzt- lichen Ausbildung. Reduzierung der Ausbildung auf fünf Studienjahre bei anschließender Weiterbildung von mindestens drei Jahren als Vor- aussetzung für die Zulassung zur selbständigen Ausübung der kassen- ärztlichen Tätigkeit.

Dr. Harald Clade

„Lustobjekte"

Die Politiker entdecken — wie- der mal — die Frauen. Die SPD plant eine „Frauenquote" von 40 Prozent für alle ihre Ämter und Mandate.

Die CDU will ähnliches ohne „Quo- te" erreichen. Die Grünen gehen sprachlich vor: In allen Gesetzestex- ten sollen personenbezogene Be- zeichnungen „geschlechts-neutral"

oder „gleichzeitig weiblich und männlich" abgefaßt werden. Wörter wie Wähler, Steuerzahler, Ver- kehrsteilnehmer usw. seien nämlich gar nicht „objektiv". Sondern in Wirklichkeit werde „Herrschaft aus- gedrückt" , wenn von „Arbeitern mit ihren Frauen" oder „Professo- ren mit ihren Gemahlinnen" die Re- de ist.

Man fragt sich, wie die Grünen das eigentlich machen, wenn sie ge- sellschaftlich zusammenkommen Zum Beispiel die drei Unterzeichner dieses Antrages — pardon: die Un- terzeichnerinnen und der Unter- zeichner. Der muß dann doch vor- stellen: „Gestatten, Ebermann das ist Frau Rust, Frau Schoppe .. . freut mich sehr . . . das ist meine Frau . . ."; ist das etwa „sexistische Sprache"?

Auch das Europäische Parla- ment hat sich jetzt mit den Frauen befaßt, mit dem Bild der Frau in den Medien. In den Illustrierten und im Werbefernsehen habe sich während der letzten Jahre/Jahrzehnte viel ge- ändert. Aber daß nun statt dem

„Heimchen am Herd" ein „jugend- liches Aussehen" propagiert werde,

„die Pflicht zum eigenen Lebensge- nuß" und die „Vertretung etwas ge- lockerter Sexualnormen", scheint manchen auch wieder nicht recht zu sein. Für die Werbestrategen sei die Frau halt immer noch ein „Sex- und Lustobjekt".

In Freiburg hat man Werbefilme getestet, ausgerechnet an Mitarbei- tern eines Arzneimittelunterneh- mens. Es stellte sich heraus (welche Überraschung!): Zahnpasta-Rekla- me ist wirkungsvoller, wenn dazu

„junge nackte Frauen im Bikiniun- terteil" gezeigt werden (was immer das auch sein mag).

Hier sollte man aber mal „hin- terfragen", wie es auf Neudeutsch heißt. Das hat man doch schon im- mer gewußt — vielmehr: die Werbe- strategen haben es immer gewußt.

Und sie haben immer geglaubt, das Volk habe ihre Tricks nie durch- schaut. Oder besser: sie tun so, als glaubten sie es. Es wird doch kein Mensch im Ernst behaupten, die Leute kauften nur deswegen Zahn- pasta, weil im Werbefilm eine nack- te Frau neben, vor, auf, unter oder vielleicht gar in der Tube — sagen wir mal — „an eine zärtliche Nacht erin- nert"!

Bei dem Freiburger Experiment war man emanzipatorisch. Es wur- den nämlich mit der Zahnpasta auch

„nackte Herren gezeigt, um die Da- men zu aktivieren" (was immer da- mit gemeint sein soll) — siehste, und da haben wir's: das wird sicher wie- der entweder als zuviel Emanzipa- tion oder als Sexismus abgelehnt.

Die Männer sollten sich mal ernsthaft fragen, ob sie denn wirk- lich durch die Emanzipationswelle so tief verunsichert worden sind, wie manchmal behauptet wird. Wahr- scheinlich können sie mit großer Ge- lassenheit zusehen, wie sich Eman- zen, Werbestrategen, Politiker und Sprachreiniger in allen ihren Wider- sprüchen abstrampeln. Und wenn die Frauen klug sind (vieles spricht dafür, daß sie es sind), dann sehen sie ebenso gelassen zu. Denn wer für wen „Lustobjekt" ist, wird sich wohl niemand von der Zahnpasta- Werbung vorschreiben lassen oder gar von politischen Parteien . . . gb

Verleugnung

In dem Artikel „Medizini- sche Fortpflanzungstechnolo- gien — Moralische Doktrinen gegen gesellschaftlichen Wan- del" in Heft 41 steht ein dum- mer Druckfehler: in der zwei- ten Spalte, 7. Zeile ist von der

„Verleumdung immanenter Gefahren" die Rede. Das aber hat der Autor natürlich nicht gemeint. Ihm geht es um: Ver-

leugnung. ❑

A-3020 (24) Dt. Ärztebl. 84, Heft 45, 5. November 1987

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