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Archiv "Telematik im Gesundheitswesen: „Größte elektronische Baustelle weltweit“" (05.11.2004)

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ie Einführung der elektronischen Gesundheitskarte ab 2006 ist für Vertragsärzte zunächst mit hohen Investitionskosten verbunden. Rund 10 000 Euro schätzt die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) müssen Ärzte auslegen, um ihre Praxis vollstän- dig mit der für die Karte notwendigen EDV auszurüsten. Betroffen wäre etwa jede fünfte Praxis. Die Mehrzahl der niedergelassenen Ärzte verfügt aller- dings schon heute über aus- baufähige Hardware. Sie müssten mit Ausgaben von rund 2 000 Eu- ro rechnen.

Nach bisherigen Schätzungen soll die Einführung der elektroni- schen Gesundheitskarte insge- samt rund 1,8 Milliarden Euro kosten. Die Hauptlast tragen die Krankenkassen. Ärzte, Kranken- häuser und Apotheker müssen zusammen rund 700 Millionen Euro für ihre technische Ausrü- stung vorschießen. Über Transak- tionsgebühren beziehungsweise Zuschläge außerhalb des Budgets – zum Beispiel für das Erstellen eines elektronischen Rezepts – sollen diese Ausgaben refinanziert werden.

Wie dies genau funktionieren soll, ist bislang ebenso unklar wie die konkrete Ausgestaltung der für die elektronische Gesundheitskarte notwendigen Telema- tikinfrastruktur. Seit Monaten streiten das Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung (BMGS) und die nach dem Gesetz für die Gesundheits- karte verantwortlichen Selbstverwal- tungspartner um geeignete Umsetzungs- konzepte. Einen neuerlichen Höhepunkt erreichte die Auseinandersetzung am 28. Oktober in Berlin. Bundesgesund- heitsministerin Ulla Schmidt bestellte

Vertreter der Selbstverwaltung in ihr Ministerium und drohte, das Verfahren an sich zu ziehen. Eine Ersatzvornahme des Ministeriums hätte allerdings den Bundesrat passieren müssen, was den weiteren Fortgang verzögert hätte. Am Ende des einstündigen Gesprächs einig- ten sich beide Seiten auf einen Kompro- miss. Demnach werden die parallel von der Selbstverwaltung und vom BMGS mit der IT-Industrie erarbeiteten Kon-

zepte verglichen und geprüft. Zudem müssen Krankenkassen und Leistungs- erbringer bis Anfang Dezember eine Tochtergesellschaft gründen, die das Projekt koordinieren soll. Der Dresd- ner Rechtsanwalt Werner Nicolay, im Gesundheitswesen bekannt als Schlich- ter beim Bundesschiedsamt, ist als Ge- schäftsführer der neu zu gründenden Organisation im Gespräch.

Industrie, Wissenschaft, Patientenor- ganisationen und Länder werden über einen Beirat einbezogen. Das Ministeri- um soll Sitz, aber keine Stimme in der Einrichtung haben. Allerdings müssen die Vorschläge aus der Betriebsorgani-

sation vom Ministerium genehmigt wer- den. Das bislang geltende Einstimmig- keitsprinzip in dem von Krankenkassen und Leistungserbringern gebildeten Lenkungsausschuss soll in der neuen Organisation durch ein qualifiziertes Mehrheitsprinzip ersetzt werden. Die bisherige Regelung habe die Beratun- gen über die Gesundheitskarte gelähmt, begründete dies die Ministerin.

Tatsächlich waren die Selbstverwal- tungspartner auch wegen interner Ab- stimmungsprobleme in Zeitverzug ge- raten. Es scheint aber gerade die Eile des Ministeriums zu sein, die unter Ärz- ten für Verunsicherung sorgt. Dies wur- de bei einer Telematik-Fachtagung der KBV am 28. Oktober in Berlin deut- lich. Im Mittelpunkt des Interesses stan- den Fragen zur Datensicherheit, der Gewährleistung der ärztlichen Schwei- gepflicht sowie zur Ausgestaltung der Telematikinfrastruktur.

Der Erste Vorsitzende der KBV, Dr.

med. Manfred Richter-Reichhelm, kün- digte an, dass die Kassenärztlichen Vereinigungen umfassend über die anstehenden Neuerungen in- formieren werden. Schon jetzt sei abzusehen, dass neben den mate- riellen Investitionen umfangrei- che Schulungen der Beschäftig- ten im Umgang mit der Karte und ihren Funktionen notwendig sei- en. Betroffen sind rund 130 000 Ärzte und deren Mitarbeiter in den Praxen. Richter-Reichhelm wies in Anwesenheit des Staats- sekretärs im BMGS, Dr. Klaus Theo Schröder, darauf hin, dass die Ärzte bei der Umsetzung der Telematik erheblich in Vorlei- stung gingen. Als erste Funktion der Karte werde das elektronische Rezept realisiert. Dies bringe vor allem den Apothekern Vorteile. Die Ärzte hinge- gen müssten erhebliche Investitionsko- sten vorfinanzieren, ohne zunächst von den neuen Möglichkeiten zu profitieren.

Der KBV-Vorsitzende sieht die Tele- matik dennoch als Chance für das Ge- sundheitswesen. Insbesondere die Ein- führung der elektronischen Patienten- akte werde die Kommunikation zwi- schen den Leistungserbringern verbes- sern. Staatssekretär Schröder hofft, Ef- fizienzreserven so nicht nur in den einzel- nen Orten der Leistungserbringung, son- P O L I T I K

Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 455. November 2004 AA2995

Telematik im Gesundheitswesen

„Größte elektronische Baustelle weltweit“

Bundesregierung und Selbstverwaltung haben den Streit um die elektronische Gesundheitskarte entschärft. Dennoch sind Ärzte wegen vieler noch offener Fragen verunsichert.

Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt will die elektro- nische Gesundheitskarte ab 2006 schrittweise im Gesund- heitswesen etablieren.

Foto:dpa

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dern im System insgesamt zu heben. Mit der elektronischen Patientenakte gehen aber auch Ängste um die Sicherheit der darin enthaltenen Informationen einher.

Unklar ist etwa, wie die Daten minder- jähriger Patienten geschützt werden können. Kinderärzte und Gynäkologen fürchten, dass Eltern an vertrauliche In- formationen ihrer mitversicherten Kin- der gelangen könnten. Dies könnte bei Schwangerschaftsabbrüchen, bei der Ver- schreibung von Verhütungsmitteln oder bei der Beratung Drogenabhängiger das Arzt-Patienten-Verhältnis massiv stören.

KBV-Vize Dr. med. Leonhard Hansen räumte ein, dass hier noch etliche recht- liche Fragen geklärt werden müssten.

Ebenfalls offen ist, wie es sich auf die Qualität der Versorgung auswirkt, wenn der Patient alleiniger Herr seiner Daten ist und somit auch verhindern kann, dass Informationen auf der Karte ge- speichert werden. Nach Überzeugung Hansens kann eine unvollständige Pati- entenakte keine gesicherte Handlungs- grundlage für einen behandelnden Arzt sein. „Unvollständige Daten benutzen – das wäre wie Navigieren nach einer Seekarte, die nur lückenhaft Inseln, Un- tiefen und Strömungen verzeichnet“, so Hansen. Erst recht ließen sich daraus keine verlässlichen Daten für Steue- rungszwecke gewinnen.

Bisher Enormes geleistet

Für den KBV-Vize ist es angesichts der größten elektronischen Baustelle, „die je ein Gesundheitssystem der Erde er- richtet hat“, unvermeidlich, dass kon- trovers über den Umgang mit der neu- en Technik diskutiert werde. Dies be- stätigte auch der Göttinger Medizinin- formatiker Prof. Dr. Otto Rienhoff. Bis- lang sei „Enormes geleistet worden“.

Er verglich die Einführung der Telema- tik im Gesundheitswesen mit dem Um- stieg des Bankenwesens auf die elektro- nische Datenverarbeitung. In anderen Ländern ständen für einen solchen Sy- stemwechsel im Gesundheitswesen gut finanzierte zentrale Einrichtungen zur Projektsteuerung zur Verfügung. Dies sei auch in Deutschland notwendig – ob als untergeordnete Bundesbehörde oder in Trägerschaft der Selbstverwal- tung, ließ er offen. Samir Rabbata

P O L I T I K

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A2996 Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 455. November 2004

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ormalerweise produziert die Stän- dige Impfkommission (STIKO) des Robert Koch-Instituts keine großen Schlagzeilen, wenn sie – alle Jah- re wieder – ihre Impfempfehlungen be- kannt gibt. Dieses Mal aber hat sie es in viele Tageszeitungen und sogar in den

„Spiegel“ geschafft. Der Grund: Erst- malig hat sich die Kommission für eine allgemeine Windpockenimpfung aus- gesprochen. Bisher war diese nur für Risikogruppen, wie HIV-Infizierte und Krebspatienten, vorgesehen. Die Emp- fehlung ist fachlich umstritten. Kritiker sagen, die STIKO berücksichtige zu stark die Interessen der Pharmaindustrie.

Folge ist,dass sich die Spitzenverbände der Krankenkassen in einer gemeinsa- men Erklärung gegen die Übernahme der Varizellenimpfung aussprachen.

Da die Impfungen zu den freiwilligen Satzungsleistungen gehören, obliegt es den einzelnen Kassen, über die Kosten- übernahme zu entscheiden.

Rund 750 000 Menschen erkranken hierzulande jedes Jahr an Windpocken.

Die STIKO hofft, mit den Impfungen die Zahl der Neuerkrankungen und die Zahl der jährlichen Todesfälle, die sie auf etwa 20 hochrechnet, verringern zu können. Zudem ließen sich durch Varizellen verursachte Komplikationen verhindern, wie etwa bakterielle Super- infektionen oder die seltenen Folgen für das zentrale Nervensystem.

Noch im März 2003 hatte sich die Kommission gegen eine allgemeine Einführung der Windpockenimpfung ausgesprochen. Die Begründung: Die erforderliche Impfrate werde mit dem verfügbaren monovalenten Impfstoff nicht erreicht. Zudem gebe es interna- tional keine überzeugenden Vorbilder.

„Damals war die Zeit nicht reif“, sagt der stellvertretende Vorsitzende der STIKO, Dr. med. Jan Leidel. Neue Studien aus den USA belegten jetzt die

Verträglichkeit und die Effektivität der Impfung. Untersuchungen hierzulande hätten darüber hinaus ergeben, dass die Komplikationsrate bei erkrankten Säuglingen und Kleinkindern höher sei als bisher angenommen. Auch wenn die erforderlichen Impfraten nicht erreicht würden, seien zumindest die Geimpften geschützt.

Bei den Krankenkassen sieht man den plötzlichen Sinneswandel kritisch.

In 95 Prozent der Fälle verlaufe die Krankheit problemlos, halten sie entge- gen. Und die notwendige Impfrate von 85 bis 90 Prozent werde ohne eine Kombi- Impfung mit Masern, Mumps, Röteln nicht erreicht. Vermehrt würde dadurch die Krankheit im höheren Alter durch- lebt, weil die Chance zur natürlichen Immunisierung sinke. In der Folge stie- gen sowohl die Schwere der Krankheit als auch die Komplikationsrate.

Pharmaindustrie finanziert Studien für STIKO

Kritiker werfen der STIKO vor, die Interessen der Pharmaindustrie zu ver- treten. Tatsächlich hat ein Konzern, der bis vor kurzem alleiniger Anbieter eines Impfstoffes in Deutschland war, Studien finanziert, anhand derer die STIKO unter anderem ihre Empfeh- lung aussprach. „Immer wieder haben STIKO-Mitglieder auch Forschung für die Pharmaindustrie betrieben“, sagt Dr. med. Klaus Hartmann. Er war Mitarbeiter am Paul-Ehrlich-Institut, das für die Zulassung neuer Impfstoffe verantwortlich ist.

Für den stellvertretenden STIKO- Vorsitzenden ist das kein Problem:

„Bevor ein Mitglied vom Gesundheits- ministerium in die STIKO berufen wird, muss es seine Verbindungen zur Pharmaindustrie darlegen.“ Zudem dürfe jemand, der Auftragsforschung mache, nicht an den diese Bereiche betreffenden Abstimmungen teilneh- men. Aus Leidels Sicht spricht sogar einiges für eine Finanzierung der Stu- dien durch die Pharmaindustrie: „Alle Impfstoffe müssen immer wieder auf den Prüfstand. Das sollten die Pharma- Unternehmen nicht alleine machen, sondern besser renommierte Institute damit beauftragen.“ Timo Blöß

Impfungen

Kommission in der Kritik

Experten streiten über Impfung

gegen Windpocken.

Referenzen

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