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Archiv "Defizitpolitik: Eichel ohne Seil am Schuldenberg" (04.06.2004)

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ie Regierung muss entweder dra- stisch sparen oder weiter die Schulden erhöhen. Eine andere Wahl hat sie nicht, seit die Steuerschät- zer beim Bund für dieses Jahr einen Einnahmeausfall von 8,3 und für 2005 von 9,3 Milliarden Euro erwarten und sich Rot/Grün gegen eine Erhöhung der Mehrwertsteuer festgelegt hat. Von dem Fehlbetrag im laufenden Jahr ent- fallen 5,6 Milliarden Euro auf Steuer- änderungen. Der Ausfall von 3,7 Milli- arden Euro ist konjunkturbedingt; der Aufschwung lässt auf sich warten.

Für Politiker bedeutet dies die Wahl zwischen Pest und Cholera. Die Koaliti- on glaubt, den Bürgern keine Lei- stungskürzungen mehr zumuten zu können.Als das kleinere Übel erscheint ihr die Finanzierung des steigenden De- fizits mit Krediten. Der Schuldenberg wächst, kein Seil sichert Eichel vor dem Absturz. Lange wird er sich nicht mehr halten können.

Unter den Etatansätzen

Die jüngste Steuerschätzung weist aus, dass die Steuereinnahmen von Bund, Ländern und Gemeinden bis 2007 um rund 61 Milliarden Euro hinter den bis- herigen Etatansätzen und Erwartungen zurückbleiben. Dennoch bleibt festzu- halten, dass die gesamten Steuerein- nahmen in diesem Jahr gegenüber den Einnahmen im letzten Jahr noch gering um 1,6 Milliarden auf 443,8 Milliarden Euro, 2005 dann aber um weitere zehn Milliarden Euro und in den Jahren da- nach um jeweils 18 bis 20 Milliarden auf 493 Milliarden Euro steigen dürften.

Dabei wird eine deutliche Beschleuni- gung des nominalen Wachstums des Bruttoinlandprodukts von 2,3 Prozent im laufenden Jahr auf 3,4 Prozent in den

Jahren 2006/07 unterstellt. Eichel bezif- fert das Defizit des Bundes im laufen- den Jahr mit etwa zehn Milliarden Eu- ro. Ohne zusätzliche Sparanstrengun- gen wird sich auch diese Zahl als zu op- timistisch erweisen. Eichel gerät damit in die Gefahr, verfassungswidrige Haus- halte vorzulegen, Waigels Schuldenre- kord von 40 Milliarden Euro in einem Jahr zu übertreffen und 2005 zum vier- ten Mal das Defizitkriterium des Euro- Stabilitätspaktes zu verletzen.

Rot/Grün will zwar die Eigenheim- zulage streichen, doch dieses Geld ist schon für die Erhöhung der Ausgaben für Bildung und Forschung verplant.

Die bislang vorgesehenen Zuschüsse an die Bundesagentur für Arbeit dürften wegen der immer noch steigenden Ar- beitslosenzahlen nicht ausreichen. Dem Bund fließt nur ein Bundesbankgewinn von 300 Millionen zu; 3,5 Milliarden wa- ren eingeplant. Auch die Ansätze für Privatisierungserlöse könnten sich als überhöht erweisen. Das Maut-Debakel muss finanziell kompensiert werden, wenn der Straßenbau nicht noch stär- ker eingeschränkt werden soll. Das Er- gebnis der Steuerschätzung dürfte kaum die letzte Hiobsbotschaft gewe- sen sein. Der politische Streit über die Defizitpolitik wird sich bis zur Vorlage eines Nachtragetats für 2004 und des Etatentwurfs für 2005 Mitte Juli sowohl innerhalb der Koalition als auch mit der Opposition fortsetzen.

Niemand weiß bis dahin, wie es wei- tergehen soll. Das ist Gift für die Kon- junktur. Dabei hängen Erfolg oder Miss- erfolg der Politik davon ab, ob sich die konjunkturelle Erholung beschleunigt.

Von Aufschwung kann man bisher nicht reden, obwohl im ersten Vierteljahr das Bruttoinlandsprodukt (BIP) immerhin um 0,4 Prozent gewachsen sein soll. Die Zahl passt nicht so ganz zu den von den

Konjunkturforschern vorgelegten Pro- gnosen, die zuletzt nach unten korri- giert worden waren. Ziemlich überein- stimmend wird jetzt für 2004 ein reales Wachstum des BIP von 1,5 Prozent vor- ausgesagt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass 0,5 Punkte dieses Wachstums auf die größere Zahl der Arbeitstage in die- sem Jahr entfallen. Das Wachstum liegt also faktisch bei nur einem Prozent. Das ist zwar mehr als das „Null-Wachstum“

im letzten Jahr, aber nicht genug, um die Finanzen des Staates und der Sozialver- sicherung nachhaltig zu konsolidieren, die Zahl der Arbeitslosen zu verringern und die der Erwerbstätigen zu steigern.

Nachzügler der Konjunktur

Deutschland, Italien und Frankreich bleiben mit Wachstumsraten von be- stenfalls 1,5 Prozent die Nachzügler im internationalen Konjunkturexpress. Für die USA wird ein Wachstum von 4,7 Prozent, für Großbritannien von 3,2 Prozent, für Japan von 3,2 Prozent und für die EU-Beitrittsländer von etwa vier Prozent prognostiziert. In ostasiati- schen Ländern boomt es.

Deutschland, daran ist kaum zu zwei- feln, wird von der Expansion des Welt- handels profitieren. Deutsche Unter- nehmen bieten Produkte, die in der Welt gefragt sind. Daran hat auch die Stärke des Euro bislang kaum etwas geändert.

Der Export dürfte 2004 um wenigstens sieben Prozent zunehmen. Nur die Aus- fuhr hat die deutsche Wirtschaft nach der dreijährigen Stagnation wieder auf den Wachstumspfad geführt. Aber der Konjunktur-Motor stottert noch; er zieht die Binnenkonjunktur nicht mit. Hinzu kommen erhebliche Risiken: Der hohe Ölpreis belastet die Weltkonjunktur.

Euro- und Dollarkurse schwanken; mal sind sie für die europäische Konjunktur hilfreich, mal wirken sie dämpfend. Der Preisanstieg beschleunigt sich überall, in Deutschland zuletzt um 2,1 Prozent. So ist eher mit steigenden als sinkenden Zinsen zu rechnen. Belastend wirken die Diskussionen über die Ausbildungs- platzabgabe, über Bürgerversicherung, Mehrwert- und Erbschaftsteuer. Wen wundert es da, dass der Konsum sta- gniert und die Unternehmen zu wenig investieren? Walter Kannengießer P O L I T I K

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A1648 Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 234. Juni 2004

Defizitpolitik

Eichel ohne Seil am Schuldenberg

Export stützt die Konjunktur. Im Inland fehlt Dynamik.

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