BLÜTENLESE
Zeitnah
„Die Erfahrung lehrt, daß der gefährlichste Augenblick für eine schlechte Regierung in der Regel der ist, wo sie sich zu reformieren beginnt. Nur ein großer Genius kann ei- nen Fürsten retten, der es unternimmt, nach langer Un- terdrückung die Lage seiner Untertanen zu erleich- tern. . ." (Alexis de Tocque- villes: „Ancien regime et la revolution")
Dr. Bernhard Fleiß Die Information:
Bericht und Meinung
NACHRICHTEN
Krankenkassen pochen auf Mitwirkung
bei der Bedarfsplanung
Für ein qualifiziertes Mitwirkungs- recht bei der Krankenhausbe- darfsplanung haben sich die Spit- zenverbände der gesetzlichen Krankenversicherung (einschließ- lich der Ersatzkassenverbände und der Bundesknappschaft) zum Auftakt des parlamentarischen An- hörungsverfahrens und der Schlußberatungen des sogenann- ten Kran ken hausfinanzieru ngsge- setzes (KHG) ausgesprochen. Ein bloßes Anhörungsverfahren der Beteiligten (wie der Regierungs- entwurf der KHG-Novelle es vor- sieht) reicht nach Meinung der Kassen nicht aus, um künftig Pla- nungsmängel zu Lasten der Kran- kenkassen auszuschließen. Soll- ten die Krankenkassen nicht an der Bedarfsplanung unmittelbar beteiligt werden, so sollen die Ko- sten von Fehlplanungen voll zu La- sten der öffentlichen Hand gehen.
Auch in anderen Punkten gehen die Änderungsforderungen der Krankenkassen über den Ehren- bergschen Gesetzentwurf hinaus:
So sollen die Pflegesätze zwi- schen Krankenkassen und Kran- kenhäusern frei vereinbart wer- den, gegebenenfalls unter Ein- schaltung einer Schiedsstelle.
Nach dem Gesetzentwurf hinge- gen soll bei ergebnislosen Pflege- satzverhandlungen weiterhin die Preisbehörde der Länder ent- scheiden.
Die Krankenkassenspitzenverbän- de und die Deutsche Kranken- hausgesellschaft (DKG) sollen ge- meinsame Empfehlungen über Maßstäbe und Grundsätze für die Wirtschaftlichkeit und Leistungs- fähigkeit der Krankenhäuser, ins- besondere für Personal- und Sachkosten, erarbeiten. Auch für Krankenhausärzte soll analog zum ambulanten kassenärztlichen Sek- tor ein Gebot zur wirtschaftlichen Behandlungs- und Verordnungs- weise eingeführt werden. Eine stärkere Mitwirkung und Vertre-
tung ärztlicher Sachverständiger bei der Krankenhausbedarfspla- nung wird von den Kassen für nicht notwendig erachtet, da die ärztlichen Verbände bereits in der Deutschen Krankenhausgesell- schaft angeblich ausreichend „in- korporiert" seien.
Die Mitwirkungsmöglichkeiten der Kassen und Krankenhäuser sollen auf Bundesebene verstärkt wer- den. Aus dem Zuständigkeitsbe- reich des Bund-Länder-Ausschus- ses sollen deshalb bestimmte Auf-
gaben in den Beirat für Kranken- hausfragen (§ 7, KHG-Beirat; künf- tig § 36 KHG) verlagert werden. Die Beratungsergebnisse des Beirates sollen im Bund-Länder-Ausschuß stärker als bisher berücksichtigt werden.
Das duale Finanzierungsprinzip soll konsequenter und durchgän- giger als bisher angewandt wer- den. Die öffentliche Hand dürfe ih- ren prozentualen Anteil an der Ge- samtfinanzierung der Investitions- kosten nicht weiter mindern. Der Bund müsse ein volles Drittel (zu- letzt: gut 10 Prozent) übernehmen.
Die Instandhaltungs- und Instand- setzungskosten sollen (wie der Bundesrat bereits angeregt hat) den Investitionskosten zugerech- net und daher von der öffentlichen Hand voll finanziert werden.
Eine endgültige Regelung des Arztkostenabschlages müsse in der ebenfalls zu novellierenden Bundespflegesatzverordnung vor- genommen werden. In jedem Falle dürfe ein Abschlag nicht zu Lasten des allgemeinen Pflegesatzes ge- hen. Im übrigen sollten Doppelbe- rechnungen von Leistungen bei privatärztlicher Behandlung unter- bleiben.
Unabdingbar sollen die Kranken- häuser den Empfehlungen der
„Konzertierten Aktion im Gesund- heitswesen" ebenso wie die übri- gen Bereiche des Gesundheitswe- sens unterworfen werden. Nur so könne das Ziel der KHG-Novelle, eine „durchschlagende Kosten- dämpfung" herbeizuführen, er- reicht werden. HC
EG-Wanderungsbilanz nach zwei Jahren
Knapp zwei Jahre nach dem In- krafttreten der Richtlinien der Europäischen Gemeinschaft über die Niederlassungsfreiheit von Ärzten innerhalb der EG haben nach Erhebungen der internatio- nalen Konferenz der Ärztekam- mern und ärztekammerähnlichen Organisationen 661 Ärzte die Mög- lichkeit wahrgenommen, ihre Be- rufsausübung in einem anderen als ihrem Heimatland innerhalb der EG aufzunehmen. Diese Zahl ist allerdings nicht vollständig: Sie enthält nicht diejenigen Ärzte aus anderen EG-Ländern, die in der Bundesrepublik tätig sind, weil wegen der föderalen Struktur des Gesundheitswesens die deut- schen Zahlen erst später geliefert werden können — bis zum Frühjahr dieses Jahres hatten in der Bun- desrepublik 84 nichtdeutsche EG- Staatsangehörige Approbationen erhalten. Ferner fehlen Zahlen aus Italien. Den größten „Zustrom"
hatten mit 260 EG-Ärzten die Nie- derlande. Es folgen 162 Ärzte in Großbritannien, 128 in Frankreich, 70 in Belgien, 21 in Dänemark, 16 in Luxemburg und 4 in Irland. Vor einem Jahr betrug die Gesamtzahl der „migrierten" Ärzte erst 178. pb
2876 Heft 48 vom 30. November 1978 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT