1.0 Untermannigfaltigkeiten im R n
Zur Erinnerung:
Eine Norm auf einem R -Vektorraum E ist eine Funktion N : E → R mit folgenden Eigenschaften:
1. N (v) ≥ 0 f¨ ur jedes v ∈ E, und N (v) = 0 ⇐⇒ v = 0, 2. N (α v) = |α| · N (v ) f¨ ur α ∈ R und v ∈ E,
3. N (v + w) ≤ N (v) + N(w) f¨ ur v, w ∈ E (Dreiecks-Ungleichung).
Ein normierter Vektorraum ist ein Vektorraum E, auf dem eine Norm gegeben ist.
Ein typisches Beispiel ist die kanonische euklidische Norm auf dem R
n, gegeben durch kvk := p
v
12+ · · · + v
n2. Aber auch auf dem Raum M
n( R ) der n-reihigen quadratischen Matrizen haben wir eine solche Norm:
F¨ ur eine Matrix A = a
iji=1,...,n j=1,...,n
∈ M
n( R ) setzen wir kAk :=
s X
i,j
a
2ij. Das ist nichts anderes als die gew¨ ohnliche euklidische Norm von A in M
n( R ) ∼ = R
n2. Ist E ein Vektorraum mit einer Norm k. . .k
E, so versteht man unter der (offenen) Kugel mit Radius r um x
0die Menge
B
r(x
0) := {x ∈ E : kx − x
0k
E< r}.
Mit x
•y := x
1y
1+ · · · + x
ny
nsei das kanonische Skalarprodukt auf dem R
nbe- zeichnet. Dann gilt die
” Ungleichung von Cauchy-Schwarz“:
|v
•w|
2≤ kvk
2· kwk
2.
Definition
Seien E, F zwei endlich-dimensionale R -Vektorr¨ aume mit Normen k. . .k
Ebzw.
k. . .k
F, sowie f : E → F eine lineare Abbildung. Dann nennen wir kf k
op:= sup{kf (x)k
F: kxk
E≤ 1}
die Operator-Norm von f .
1.0.1. Satz
Die Operator-Norm ist eine Norm, und f¨ ur x ∈ E ist kf (x)k
F≤ kf k
op· kxk
E. Ist g : H → E eine weitere lineare Abbildung, so ist kf ◦ gk
op≤ kf k
op· kgk
op. Beweis: 1) Offensichtlich ist stets kf k
op≥ 0 und kfk
op= 0 ⇐⇒ f = 0.
2) F¨ ur α ∈ R ist kαf k
op= sup
kxkE≤1
k(αf)(x)k
F= |α| · sup
kxkE≤1
kf(x)k
F= |α| · kf k
op. 3) Es ist
kf + gk
op= sup
kxkE≤1
k(f + g)(x)k
F≤ sup
kxkE≤1
kf (x)k
F+ kg(x)k
F≤ kfk
op+ kgk
op. 4) Ist x 6= 0 ein beliebiger Vektor, so ist
kf (x)k
Fkxk
E= kf x kxk
Ek
F≤ kf k
op, also kf(x)k
F≤ kf k
op· kxk
E. 5) Es ist kf ◦ gk
op= sup
kukH≤1
kf(g(u))k
F≤ sup
kukH≤1
kfk
op· kg(u)k
E= kf k
op· kgk
op. Jede Matrix A ∈ M
m,n( R ) definiert eine lineare Abbildung f
A: R
n→ R
mdurch f
A(x) := x · A
>.
1Ist n = m, so kann man kAk
op:= kf
Ak
opsetzen und zeigen, dass kAk
op≤ kAk ist.
Eine Teilmenge U ⊂ E heißt offen, falls es zu jedem x ∈ U ein ε > 0 gibt, so dass die Kugel B
ε(x) ganz in U enthalten ist. Eine Funktion f : U → F heißt stetig in x
0∈ U , falls gilt:
∀ ε > 0 ∃ δ > 0, so dass f(B
δ(x
0)) ⊂ B
ε(f(x
0)) ist.
Definition
Seien E und F zwei endlich-dimensionale normierte Vektorr¨ aume, U ⊂ E offen und x
0∈ U . Eine Funktion f : U → F heißt differenzierbar in x
0, falls es eine Abbildung ∆ : U → Hom
R(E, F ) gibt, so dass gilt:
1. f(x) = f(x
0) + ∆(x)(x − x
0) f¨ ur alle x ∈ U . 2. ∆ ist stetig in x
0.
Die lineare Abbildung Df(x
0) := ∆(x
0) ∈ Hom
R(E, F ) heißt die (totale) Ab- leitung von f in x
0.
1
Ich verwende vorwiegend Zeilenvektoren. In Spaltenschreibweise h¨ atte man hier die Zuord-
nung x
>7→ A · x
>.
Die Ableitung ist eindeutig bestimmt: Gibt es zwei Darstellungen f(x) − f (x
0) = ∆
1(x)(x − x
0) = ∆
2(x)(x − x
0), so ist ∆
1(x) − ∆
2(x)
(x − x
0) ≡ 0. Sei v ∈ E beliebig gew¨ ahlt. F¨ ur x = x
0+ tv ist dann
t · ∆
1(x)(v) − ∆
2(x)
(v) ≡ 0,
woraus f¨ ur t 6= 0 folgt: ∆
1(x
0+ tv)(v) = ∆
2(x
0+ tv)(v). L¨ asst man t gegen Null gehen, so folgt aus der Stetigkeit der ∆
i: ∆
1(x
0)(v ) = ∆
2(x
0)(v ). Da das f¨ ur alle v ∈ E gilt, ist ∆
1(x
0) = ∆
2(x
0).
Ist E = R
nund F = R
m, so kann man eine lineare Abbildung L : R
n→ R
mbez¨ uglich der Standardbasen durch eine Matrix A beschreiben, so dass L = f
Aist.
Es ist dann A = a
ij: i = 1, . . . , m und j = 1, . . . , n
mit a
ij= e
i•L(e
j), denn es gilt:
e
i•L(e
j) = e
i•(e
j· A
>) = e
i· A · e
>j= e
i· (a
1j, . . . , a
mj)
>= a
ij.
Im Falle einer differenzierbaren Funktion f : U → R
m(mit einer offenen Teilmenge U ⊂ R
n) wird dementsprechend die Ableitung Df(x
0) durch eine Matrix, die Jacobi-Matrix oder Funktionalmatrix J
f(x
0) beschrieben.
Die Vektoren
D
jf(x
0) = ∂f
∂x
j(x
0) = f
xj(x
0) := Df (x
0)(e
j) ∈ R
mnennt man die partiellen Ableitungen von f in x
0.
Schreibt man f = (f
1, . . . , f
m) und ∆ = (∆
1, . . . , ∆
m), so sieht man, dass Df
i(x
0) =
∆
i(x
0) ist, f¨ ur i = 1, . . . , m, also Df (x
0) = Df
1(x
0), . . . , Df
m(x
0) . Ist f : U → R eine skalare Funktion, so ist
J
f(x
0) = Df(x
0)(e
1), . . . , Df(x
0)(e
n) = (f
x1(x
0), . . . , f
xn(x
0) .
Diesen Vektor nennt man auch den Gradienten von f in x
0und bezeichnet ihn mit ∇f (x
0). Allgemein ist
J
f(x
0) =
∂f
1∂x
1(x
0) · · · ∂f
1∂x
n(x
0)
.. . .. .
∂f
m∂x
1(x
0) · · · ∂f
m∂x
n(x
0)
.
Wir betrachten wieder eine differenzierbare Funktion f : U → F (mit U ⊂ E offen).
Ist v ∈ E, so nennt man D
vf(x
0) := Df (x
0)(v) ∈ F die Richtungsableitung von
f in x
0in Richtung v.
1.0.2. Satz
Es ist D
vf (x
0) = lim
t→0
1
t f (x
0+ tv) − f(x
0) .
Beweis: Es ist
f(x
0+ tv) − f (x
0) = ∆(x
0+ tv)(tv) = t · ∆(x
0+ tv)(v), wegen der Stetigkeit von ∆ in x
0also
lim
t→01
t f(x
0+ tv) − f (x
0)
= lim
t→0
∆(x
0+ tv)(v) = ∆(x
0)(v) = D
vf (x
0).
Speziell gilt im R
n: D
ejf (x
0) = ∂f
∂x
j(x
0), f¨ ur j = 1, . . . , n.
Existieren alle partiellen Ableitungen von f, so heißt f partiell differenzierbar. Eine total differenzierbare Funktion ist stetig und partiell differenzierbar. Eine partiell differenzierbare Funktion braucht weder stetig noch total differenzierbar zu sein.
1.0.3. Allgemeine Kettenregel
Seien E, F, H endlich-dimensionale normierte Vektorr¨ aume, U ⊂ E offen, f : U → F in x
0∈ U differenzierbar, V ⊂ F offen, f(U ) ⊂ V und g : V → H in y
0= f(x
0) differenzierbar. Dann ist g ◦ f : U → H in x
0differenzierbar und es gilt:
D(g ◦ f)(x
0) = Dg(f (x
0)) ◦ Df (x
0) bzw. im Falle E = R
n, F = R
mund H = R
kJ
g◦f(x
0) = J
g(f (x
0)) · J
f(x
0).
Ist E = R (also f ein differenzierbarer
” Weg“) und H = R (also g eine skalare Funktion), so ist g ◦ f : R → R eine skalare Funtion von einer Ver¨ anderlichen, also
(g ◦ f )
0(t
0) = ∇g(f (t
0))
•f
0(t
0) =
m
X
ν=1
g
xν(f (t
0))f
ν0(t
0).
Ist U ⊂ E offen und f : U → R in jedem Punkt differenzierbar, so erh¨ alt man die
abgeleitete Funktion Df : U → Hom
R(E, R ) mit Df : x 7→ Df(x). Ist sie stetig, so
nennt man f stetig differenzierbar. Ist f partiell differenzierbar und sind alle
partiellen Ableitungen stetig, so folgt daraus, dass f stetig (total) differenzierbar
ist.
1.0.4. Satz von der Umkehrabbildung
Sei M ⊂ R
noffen, f : M → R
nstetig differenzierbar. Ist x
0∈ M , f (x
0) = y
0und det J
f(x
0) 6= 0, so gibt es offene Umgebungen U (x
0) ⊂ M und V (y
0) ⊂ R
n, so dass gilt:
1. det J
f(x) 6= 0 f¨ ur alle x ∈ U . 2. f : U → V ist bijektiv.
3. f
−1: V → U ist wieder differenzierbar.
4. F¨ ur x ∈ U und y = f (x) ist Df
−1(y) = (Df (x))
−1. Die Definition h¨ oherer Ableitungen ist schwieriger.
Sei wieder E ein endlich-dimensionaler (normierter) R -Vektorraum und E
∗= Hom
R(E, R ) = {λ : E → R linear} der Dualraum von E. Ist {a
1, . . . , a
n} eine Basis von E , so wird durch α
i(a
j) := δ
ijf¨ ur i, j = 1, . . . , n die dua- le Basis {α
1, . . . , α
n} definiert. Insbesondere ist dim(E) = dim(E
∗). Ist E = R
n, {e
1, . . . , e
n} die Standardbasis und {ε
1, . . . , ε
n} die duale Basis. Dann ist ε
i(x
1, . . . , x
n) = x
if¨ ur i = 1, . . . , n.
Ist E beliebig endlich-dimensional, aber mit einem Skalarprodukt h. . . , . . .i ver- sehen, so gibt es zu jeder Linearform λ ∈ E
∗einen eindeutig bestimmten Vektor a ∈ E, so dass λ(x) = ha , xi f¨ ur alle x ∈ E gilt.
Beweis: F¨ ur a ∈ E wird auf jeden Fall durch λ
a(x) := ha , xi eine Linearform λ
a∈ E
∗definiert. Die Zuordnung a 7→ λ
aliefert eine lineare Abbildung F : E → E
∗. Ist λ
a= F (a) = 0, so ist ha , xi = 0 f¨ ur alle x ∈ E, insbesondere ha , ai = 0.
Das kann nur sein, wenn a = 0 ist. Also ist F injektiv, und weil E und E
∗die gleiche Dimension besitzen, muss F sogar ein Isomorphismus sein.
Wir bezeichnen den Raum der R -bilinearen Abbildungen von E × E nach R mit L
2(E, R ) (Raum der Bilinearformen).
1.0.5. Satz
Durch Φ(L)(v, w) := L(v)(w) wird ein Isomorphismus Φ : Hom
R(E, E
∗) → L
2(E, R ) definiert.
Beweis: Ist L ∈ Hom
R(E, E
∗), so ist die Zuordnung (v, w) 7→ L(v)(w) bilinear.
Also haben wir zumindest eine Abbildung Φ : Hom
R(E, E
∗) → L
2(E, R ).
Sind L
1, L
2zwei lineare Abbildungen von E nach E
∗, so ist
Φ(L
1+ L
2)(v, w) = (L
1+ L
2)(v)(w) = L
1(v) + L
2(v) (w)
= L
1(v)(w) + L
2(v)(w) = Φ(L
1)(v, w) + Φ(L
2)(v, w), also Φ(L
1+ L
2) = Φ(L
1) + Φ(L
2). Analog zeigt man, dass Φ(α · L) = α · Φ(L) ist.
Damit ist Φ linear.
Sei umgekehrt b : E × E → R eine Bilinearform. Ist v ∈ E fest, so ergibt die Zuordnung w 7→ b(v, w) eine Linearform λ
bv∈ E
∗. Durch L
b(v) := λ
bverh¨ alt man eine lineare Abbildung L
b: E → E
∗, und durch Ψ(b) := L
beine Abbildung
Ψ : L
2(E, R ) → Hom
R(E, E
∗).
Nun sieht man:
Φ(L
b)(v, w) = L
b(v)(w) = λ
bv(w) = b(v, w), also Φ(L
b) = b, und
Ψ ◦ Φ(L)(v)(w) = L
Φ(L)(v)(w) = λ
Φ(L)v(w)
= Φ(L)(v, w) = L(v)(w), also Ψ ◦ Φ(L) = L.
Das bedeutet, dass Φ bijektiv und damit ein Isomorphismus ist.
Sei jetzt U ⊂ E offen und f : U → R eine differenzierbare Funktion. Wenn die abgeleitete Funktion
Df : U → Hom
R(E, R ) = E
∗in einem Punkt x
0∈ U erneut differenzierbar ist, dann ist D(Df)(x
0) ein Element aus Hom
R(E, E
∗) ∼ = L
2(E, R ).
Im Falle E = R
nist Df (x) ∈ ( R
n)
∗f¨ ur jedes x ∈ U eine Linearform, deren Basisdarstellung wie folgt aussieht:
Df (x) =
n
X
ν=1
∂f
∂x
ν(x)ε
ν.
Ist F ein k-dimensionaler Vektorraum mit Basis {b
1, . . . , b
k} und f : U → F eine differenzierbare Abbildung, so ist f (x) = f
1(x)b
1+ · · · + f
k(x)b
kf¨ ur x ∈ U , mit differenzierbaren Funktionen f
i: U → R , und es folgt f¨ ur Df (x
0) ∈ Hom
R( R
n, F ):
Df (x
0)(v) =
k
X
µ=1
Df
µ(x
0)(v)b
µ=
k
X
µ=1
X
nν=1
(f
µ)
xν(x
0)v
νb
µ.
Das wenden wir auf die Bildung der 2. Ableitung, also der Ableitung von f = Df an: D(Df )(x
0) ∈ Hom
R( R
n, ( R
n)
∗) ist gegeben durch
D(Df )(x
0)(v)(w) =
n
X
µ=1
X
nν=1
(f
xµ)
xν(x
0)v
νw
µ= X
ν,µ
f
xνxµ(x
0)v
νw
µ.
Die zugeh¨ orige Bilinearform D
2f (x
0) := D(Df)(x
0) ∈ L
2( R
n, R ) ist also die Hesse-Form, die man von der Untersuchung lokaler Extremwerte her kennt. Es ist D
2f(x
0)(v, w) = v · H
f(x
0) · w
>, mit H
f(x) = f
xνxµ(x)
ν, µ = 1, . . . , n . Die Menge der stetig differenzierbaren Funktionen f : U → R wird mit C
1(U) bezeichnet. Induktiv definiert man f¨ ur beliebiges k ∈ N den Raum C
k(U ) der k-mal stetig differenzierbaren Funktionen und schließlich den Raum C
∞(U) der beliebig oft differenzierbaren Funktionen auf U . Man kann zeigen, dass f genau dann in C
k(U ) liegt, wenn alle partiellen Ableitungen von f bis zur Ordnung k existieren und stetig sind.
Eine Folgerung aus dem Umkehrsatz ist der Satz ¨ uber implizite Funktionen. Dazu betrachten wir ein Gebiet G ⊂ R
n= R
k× R
mund eine stetig differenzierbare Abbildung f = (f
1, . . . , f
m) : G → R
m, also ein System von m nichtlinearen Glei- chungen f¨ ur k + m Variable. Die Gleichungen schaffen Abh¨ angigkeiten zwischen den Variablen, und man kann versuchen, z.B. die Variablen x
k+1, . . . , x
k+mals dif- ferenzierbare Funktionen der Variablen x
1, . . . , x
kdarzustellen.
Den Satz der ersten k Variablen x
1, . . . , x
kfassen wir zu einem Vektor x, den der folgenden m Variablen x
k+1, . . . , x
k+mzu einem Vektor y zusammen. Dann definieren wir:
∂ f
∂x :=
∂f
1∂x
1· · · ∂f
1∂x
k.. . .. .
∂f
m∂x
1· · · ∂f
m∂x
k
und ∂f
∂y :=
∂f
1∂x
k+1· · · ∂f
1∂x
k+m.. . .. .
∂f
m∂x
k+1· · · ∂f
m∂x
k+m
.
Damit ist
J
f(x, y) = ∂f
∂x (x, y)
∂f
∂ y (x, y)
.
1.0.6. Satz ¨ uber implizite Funktionen
Auf dem Gebiet G ⊂ R
nsei das Gleichungssystem f (x, y) = 0 gegeben. Ist f (x
0, y
0) = 0 und die Matrix ∂f
∂y (x
0, y
0) ∈ M
m,m( R ) regul¨ ar, so gibt es Umge- bungen U (x
0), V (y
0) mit U × V ⊂ G und eine stetig differenzierbare Abbildung g : U → V , so dass gilt:
1. g(x
0) = y
0.
2. F¨ ur (x, y) ∈ U × V gilt: f (x, y) = 0 ⇐⇒ y = g(x).
Insbesondere ist f (x, g(x)) ≡ 0 f¨ ur x ∈ U.
3. Es ist J
g(x) = − ∂f
∂y (x, g(x))
−1· ∂f
∂ x (x, g(x)) auf U .
Der Satz ¨ uber implizite Funktionen l¨ asst sich immer anwenden, sobald eine m- reihige Unterdeterminante von J
f(x
0, y
0) existiert, die nicht verschwindet. Nach einer Vertauschung der Koordinaten sind die Voraussetzungen des Satzes erf¨ ullt.
Dann wendet man den Satz an und bekommt eine implizite Funktion. Anschließend macht man die Koordinatenvertauschung r¨ uckg¨ angig.
Wir nennen ein beschr¨ anktes Gebiet P ⊂ R
nein Parametergebiet, falls jeder Randpunkt von P auch ein Randpunkt von P ist.
Definition
Eine Teilmenge S ⊂ R
nheißt ein glattes p-dimensionales parametrisiertes Fl¨ achenst¨ uck, falls es ein Parametergebiet P ⊂ R
pund eine stetig differenzier- bare Abbildung ϕ : P → R
nmit ϕ(P ) = S gibt, so dass gilt:
1. ϕ ist injektiv.
2. rg J
ϕ(u) = p f¨ ur alle u ∈ P .
3. Ist u
0∈ P und u
ν∈ P eine Folge mit lim
ν→∞
ϕ(u
ν) = ϕ(u
0), so ist auch
ν→∞
lim u
ν= u
0.
Definition
Sei B ⊂ R
noffen, M ⊂ B , 0 ≤ q < n und p := n − q.
M heißt eine p-dimensionale Untermannigfaltigkeit, falls es zu jedem Punkt x
0∈ M eine Umgebung U = U (x
0) ⊂ B und stetig differenzierbare Funktionen f
1, . . . , f
q: U → R gibt, so dass gilt:
1. M ∩ U = {x ∈ U : f
1(x) = . . . = f
q(x) = 0}.
2. Die Vektoren ∇f
1(x), . . . , ∇f
q(x) sind in jedem Punkt x ∈ M ∩ U linear unabh¨ angig.
Ist p = n − 1, so spricht man von einer Hyperfl¨ ache.
1.0.7. Satz
Sei B ⊂ R
noffen. Eine Teilmenge M ⊂ B ist genau dann eine p–dimensionale Untermannigfaltigkeit, wenn es zu jedem Punkt x
0∈ M eine offene Umgebung U(x
0) ⊂ B und einen Diffeomorphismus F : U → V ⊂ R
ngibt, so dass gilt:
F(U ∩ M ) = {y ∈ V : y
p+1= . . . = y
n= 0}.
Beweis:
1) Sei M eine Untermannigfaltigkeit und U = U (x
0) eine Umgebung, so dass M ∩ U = {f
1= . . . = f
n−p= 0} ist, ∇f
1(x), . . . , ∇f
n−p(x) linear unabh¨ angig.
Nach geeigneter Nummerierung der Koordinaten ist x = (x
∗, x
∗∗) ∈ R
p× R
n−p, und die Funktionalmatrix von f = (f
1, . . . , f
n−p) hat die Gestalt
J
f(x) = ∂ f
∂x
∗(x)
∂ f
∂ x
∗∗(x)
,
mit det ∂f
∂x
∗∗(x
0)
6= 0.
Wir definieren F : U → R
ndurch F(x
∗, x
∗∗) := (x
∗, f (x
∗, x
∗∗)). Dann ist
J
F(x
∗, x
∗∗) =
E
n−dO
∂f
∂x
∗(x) ∂f
∂x
∗∗(x)
und det J
F(x
0) 6= 0. Also ist F ein lokaler Diffeomorphismus und F(M ∩ U ) = {(y
∗, y
∗∗) ∈ F(U ) : y
∗∗= 0}.
2) Ist umgekehrt ein Diffeomorphismus F = (F
1, . . . , F
n) : U → V ⊂ R
ngegeben, mit
F
−1{y ∈ V : y
p+1= . . . = y
n= 0}
= U ∩ M,
so setzen wir f
i:= F
p+if¨ ur i = 1, . . . , n − p. Dann ist M = {f
1= . . . = f
n−p= 0}, und da J
Fregul¨ ar ist, sind ∇f
1, . . . , ∇f
n−plinear unabh¨ angig.
1.0.8. Satz
Eine Menge M ⊂ R
nist genau dann eine p-dimensionale Untermannigfaltigkeit, wenn es zu jedem Punkt x
0∈ M eine Umgebung U = U (x
0) ⊂ R
ngibt, so dass M ∩ U ein p-dimensionales glattes parametrisiertes Fl¨ achenst¨ uck ist.
Beweis: 1) Es gebe eine offene Umgebung U = U(x
0) und stetig differenzierbare Funktionen f
1, . . . , f
n−p: U → R , so dass gilt:
1. M ∩ U = {x ∈ U : f
1(x) = . . . = f
n−p(x) = 0}.
2. ∇f
1(x), . . . , ∇f
n−p(x) sind in jedem Punkt x ∈ M ∩ U linear unabh¨ angig.
Sei q := n − p. Dann ist f := (f
1, . . . , f
q) eine stetig differenzierbare Abbildung von U nach R
q. Ist x
0∈ M ∩ U , so gilt nach Voraussetzung rg J
f(x
0) = q. O.B.d.A.
kann man annehmen, dass
det
(f
1)
xp+1(x
0) · · · (f
1)
xn(x
0)
.. . .. .
(f
q)
xp+1(x
0) · · · (f
q)
xn(x
0)
6= 0
ist. Setzen wir x
0:= (x
1, . . . , x
p) und x
00:= (x
p+1, . . . , x
n), so gibt es nach dem Satz ¨ uber implizite Funktionen eine Umgebung U = U (x
00) ⊂ R
p, eine Umgebung V = V (x
000) ⊂ R
qund eine stetig differenzierbare Abbildung g : U → V , so dass (U × V ) ∩ M = {(x
0, x
00) ∈ U × V : x
00= g(x
0)} ist. Durch ϕ(x
0) := (x
0, g(x
0)) gewinnt man eine lokale Parametrisierung von M in x
0.
2) Sei umgekehrt P ⊂ R
pein Parametergebiet und ϕ : P → U ∩ M eine glatte Parametrisierung. Dann ist rg J
ϕ(u) = p f¨ ur u ∈ P . Ist u
0∈ P mit ϕ(u
0) = x
0, so kann man die Koordinaten geeignet w¨ ahlen, so dass Im Dϕ(u
0) = R
p× {0} ⊂ R
nist. Das bedeutet, dass det J
pr1◦ϕ(u
0) 6= 0 ist.
Wir definieren F : P × R
n−p→ R
ndurch F(u, v) := ϕ(u) + (0, v). F¨ ur beliebiges v
0∈ R
n−pist dann
J
F(u
0, v
0) =
J
pr1◦ϕ(u
0) 0 J
pr2◦ϕ(u
0) 1
,
also det J
F(u
0, v
0) 6= 0. Das bedeutet, dass F ein lokaler Diffeomorphismus in (u
0, v
0) ist.
F bildet also insbesondere eine Umgebung V = V (u
0, 0) diffeomorph auf eine offene Umgebung U = U (x
0) (die o.B.d.A. mit der Umgebung U aus dem Satz
¨ ubereinstimmt) ab. Dann gilt:
F
−1(U ∩ M ) = F
−1{x ∈ U : ∃ u ∈ P mit ϕ(u) = x}
= F
−1{x ∈ U : ∃ u ∈ P mit F(u, 0) = x}
= F
−1F (P × {0}) ∩ V
= (P × {0}) ∩ V
= {y ∈ V : y
p+1= . . . = y
n= 0}.
Sei M ⊂ R
neine beliebige Teilmenge. Eine Teilmenge U ⊂ M heißt relativ offen in M , falls es eine offene Menge U b ⊂ R
ngibt, so dass U = U b ∩ M ist. Unter der Relativtopologie auf M versteht man das System aller relativ offenen Teilmen- gen von M . Stetige Funktionen auf M bzw. stetige Abbildungen von M in einen R
kwerden mit Hilfe dieser Relativtopologie erkl¨ art. Eine bijektive und in beiden Richtungen stetige Abbildung nennt man einen Hom¨ oomorphismus.
Im R
nist man gewohnt, Begriffe wie Stetigkeit eventuell auch mit Folgen zu be-
schreiben (Folgenkriterium f¨ ur die Stetigkeit). Kommt jetzt die Relativtopologie
ins Spiel, so kann man nur dann mit Folgen arbeiten, wenn es gelingt, Folgen-
konvergenz allein mit Hilfe offener Mengen (also ohne Benutzung einer Norm) zu
beschreiben. Das ist tats¨ achlich m¨ oglich: Eine Folge von Punkten x
νkonvergiert
(bezogen auf ein bestimmtes System O offener Mengen) gegen einen Punkt x
0,
wenn es zu jeder offenen Menge W ∈ O mit x
0∈ W ein ν
0∈ N gibt, so dass x
ν∈ W f¨ ur alle ν ≥ ν
0gilt.
1.0.9. Satz
Sei M eine Untermannigfaltigkeit des R
n, versehen mit der Relativtopologie, x
0∈ M, U = U (x
0) ⊂ R
neine offene Umgebung und ϕ : P → U ∩ M eine lokale Parametrisierung. Dann ist ϕ ein Hom¨ oomorphismus, also ϕ
−1: U ∩ M → P stetig.
Beweis: Sei y
0∈ U ∩ M beliebig vorgegeben und y
νeine Folge in U ∩ M, die (in der Relativtopologie) gegen y
0konvergiert. Dann konvergiert sie offensichtlich auch in der gew¨ ohnlichen Topologie des R
n. Zu jedem ν ∈ N gibt es ein u
ν∈ P mit ϕ(u
ν) = y
ν, und es gibt ein u
0∈ P mit ϕ(u
0) = y
0. Eigenschaft (3) des parame- trisierten Fl¨ achenst¨ ucks besagt, dass u
νgegen u
0konvergiert. Weil ϕ
−1(y
ν) = u
νund ϕ
−1(y
0) = u
0ist, ist damit alles gezeigt.
1.0.10. Satz
Sei B ⊂ R
noffen und M ⊂ B eine k-dimensionale Untermannigfaltigkeit.
W
1, W
2seien zwei offene Mengen im R
nmit W
1∩ W
2∩ M 6= ∅ , so dass es lokale Parametrisierungen ϕ
1: P
1→ W
1∩ M und ϕ
2: P
2→ W
2∩ M gibt. Dann ist
ϕ
−11◦ ϕ
2: ϕ
−12(W
1∩ W
2∩ M ) → ϕ
−11(W
1∩ W
2∩ M ) ein Diffeomorphismus.
W
1∩ M
W
2∩ M
ϕ
2ϕ
1ϕ
−11◦ ϕ
2P
1P
2s x
0Beweis: Der Beweis erfordert einen kleinen Trick. Ist x
0∈ W
1∩ W
2∩ M und
ϕ
1(u
0) = x
0, so k¨ onnen wir annehmen, dass die ersten k Zeilen von J
ϕ1(u
0) linear
unabh¨ angig sind. Anschaulich bedeutet das, dass M in der N¨ ahe von x
0wie ein
Graph ¨ uber einem Gebiet G des R
kaussieht. Ist n¨ amlich lokal ϕ
1= (g, h), mit
Werten in R
k× R
n−kund invertierbarem g, so ist ϕ
1(u) = w
0, f (w
0)
, mit w
0= g(u) und f = h ◦ g
−1.
Wir definieren F : P
1× R
n−k→ R
ndurch F(u, t) := ϕ
1(u) + (0, t).
Dann bildet F die Schichten P
1× {t} auf entsprechend verschobene Exemplare von ϕ
1(P
1) ab. Es ist F(u
0, 0) = x
0und
J
F(u
0, 0) =
J
ϕ1(u
0)
0 E
n−k,
also det J
F(u
0, 0) 6= 0. Das bedeutet, dass F eine offene Umgebung U × U
∗von (u
0, 0) diffeomorph auf eine offene Umgebung W von x
0abbildet. Dabei kann man U so klein w¨ ahlen, dass W ∩ M in W
1∩ W
2∩ M enthalten ist.
s
u0P
1× {0}
P
1× {t}
F s
x0s
x0+(0,t)
ϕ
1(P
1) G
Es gibt einen Punkt v
0∈ P
2mit ϕ
2(v
0) = x
0. Da ϕ
2stetig ist, gibt es eine offene Umgebung V von v
0in P
2mit ϕ
2(V ) ⊂ W . Die Abbildung F
−1◦ ϕ
2: V → U × U
∗ist stetig differenzierbar und bildet V nach P
1× {0} ab. Zu jedem v ∈ V gibt es ein u ∈ P
1mit ϕ
1(u) = ϕ
2(v), und dann ist
F
−1◦ ϕ
2(v) = F
−1◦ ϕ
1(u)
= F
−1◦ F(u, 0) = (u, 0)
= (ϕ
−11◦ ϕ
2(v), 0).
Daraus folgt, dass ϕ
−11◦ ϕ
2auf V stetig differenzierbar ist. Und genauso zeigt man, dass ϕ
−12◦ ϕ
1stetig differenzierbar ist.
Definition
Sei M eine k-dimensionale Untermannigfaltigkeit. Eine stetige Funktion h : M →
R heißt differenzierbar, falls h ◦ ϕ f¨ ur jede Parametrisierung ϕ differenzierbar
ist.
Diese Definition ist nach dem obigen Satz unabh¨ angig von der Parametrisierung.
Ist n¨ amlich f ◦ ϕ differenzierbar und ψ eine andere Parametrisierung, so ist auch f ◦ ψ = (f ◦ ϕ) ◦ (ϕ
−1◦ ψ) differenzierbar.
Ist M eine k-dimensionale Untermannigfaltigkeit und ϕ : P → U ∩ M eine lokale Parametrisierung, so nennt man ξ := ϕ
−1: U ∩ M → P ein Koordinatensystem f¨ ur M . Schreibt man ξ = (x
1, . . . , x
k), so heißen die Funktionen x
i: U ∩ M → R Koordinatenfunktionen. Sie sind nat¨ urlich allesamt differenzierbare Funktio- nen.
1.0.11. Beispiele
A. Sei U ⊂ R
noffen, f : U → R
kdifferenzierbar und M := {(x, y) ∈ U × R
k: y = f (x)} der Graph von f . Wir definieren F : U × R
k→ U × R
kdurch F x, y
:= x, y − f(x)
. Dann ist F ein Diffeomorphismus mit F
−1v, w
= v, w + f (v)
. Außerdem ist F (M ) = {(v, w) : w = 0}. Damit ist M eine n-dimensionale Untermannigfaltigkeit. Hier kommt man mit einer einzigen Parametrisierung ϕ : U → M (mit ϕ(x) := (x, f(x))) und damit auch mit einem einzigen Koordinatensystem aus.
B. S
n:= {x ∈ R
n+1: kxk = 1} ist die n-dimensionale Einheits-Sph¨ are. Sei f : R
n+1\ {0} → R definiert durch f(x) := kxk
2− 1 = x
21+ · · · + x
2n+1− 1.
Dann ist S
n= {x ∈ R
n+1\ {0} : f (x) = 0}. Weil ∇f (x) = 2x 6= 0 ist, liegt eine Untermannigfaltigkeit vor.
F¨ ur i = 1, . . . , n + 1 sei
U
i+:= {x = (x
1, . . . , x
n+1) ∈ S
n: x
i> 0}
und U
i−:= {x = (x
1, . . . , x
n+1) ∈ S
n: x
i< 0}.
Jeder Punkt auf der Sph¨ are liegt in einer der Mengen U
i+oder U
i−. Sei B :=
B
1(0) die Einheitskugel im R
nund ϕ
±i: B → U
i±definiert durch ϕ
±i(u
1, . . . , u
n) := (u
1, . . . , u
i−1, ± p
1 − kuk
2, u
i, . . . , u
n).
Dann ist ϕ
±ieine lokale Parametrisierung (klar, weil ein Graph parametrisiert wird). Als Koordinatensystem erh¨ alt man also ξ
i±: U
i±→ B mit
ξ
i±(x
1, . . . , x
n+1) := (x
1, . . . , x b
i, . . . , x
n+1),
wobei das Dach bedeutet, dass der i-te Eintrag weggelassen wird.
Ein Wechsel von Parametrisierungen sieht z.B. (im Falle j < i) folgenderma- ßen aus:
ϕ
±i −1◦ ϕ
±j(u
1, . . . , u
n) = (u
1, . . . , u b
j, . . . , u
i−1, ± p
1 − kuk
2, u
i, . . . , u
n).
Definition
Sei M ⊂ R
neine Untermannigfaltigkeit, x
0∈ M . Ein Vektor v ∈ R
nheißt Tangentialvektor an M im Punkte x
0, falls es ein ε > 0 und einen stetig differenzierbaren Weg α : (−ε, ε) → R
ngibt, so dass gilt:
1. Die Spur von α liegt ganz in M . 2. Es ist α(0) = x
0und α
0(0) = v.
1.0.12. Charakterisierung von Tangentialvektoren
Sei M ⊂ R
neine Untermannigfaltigkeit, x
0∈ M . Es sei U = U (x
0) ⊂ R
neine offene Umgebung, so dass gilt:
a) Es gibt eine stetig differenzierbare Abbildung f : U → R
n−pmit f
−1(0) = U ∩ M und rg(J
f(x)) = n − p f¨ ur alle x ∈ U ∩ M .
b) Es gibt ein Parametergebiet P ⊂ R
pund eine stetig differenzierbare Parame- trisierung ϕ : P → R
nmit ϕ(u
0) = x
0und ϕ(P ) = U ∩ M .
Dann sind die folgenden Aussagen ¨ uber einen Vektor v ∈ R
n¨ aquivalent:
1. v ist ein Tangentialvektor an M im Punkte x
0. 2. v ∈ Ker Df (x
0).
3. v ∈ Im Dϕ(u
0).
Beweis: (1) = ⇒ (2): Sei v ein Tangentialvektor an M in x
0. Dann gibt es ein ε > 0 und einen stetig differenzierbaren Weg α : (−ε, ε) → R
n, dessen Spur ganz in M liegt, so dass α(0) = x
0und α
0(0) = v ist. Insbesondere ist dann f ◦ α(t) ≡ 0 und 0 = Df (x
0)(v), also v ∈ Ker Df (x
0).
(2) = ⇒ (3): Weil f ◦ ϕ(u) ≡ 0 ist, also Df (x
0) ◦ Dϕ(u
0) = 0, ist Im Dϕ(u
0) ⊂ Ker Df (x
0). Definitionsgem¨ aß ist
dim Im Dϕ(u
0) = rg J
ϕ(u
0) = p und
dim Ker Df (x
0) = n − rg J
f(x
0) = n − (n − p) = p.
Daraus folgt, dass Ker Df (x
0) = Im Dϕ(u
0) ist. Jeder Vektor v ∈ Ker Df (x
0) liegt also auch in Im Dϕ(u
0).
(3) = ⇒ (1): Sei v ∈ Im Dϕ(u
0). Dann gibt es einen Vektor w ∈ R
pmit
Dϕ(u
0)(w) = v. Nun sei α : (−ε, ε) → R
ndefiniert durch α(t) := ϕ(u
0+ tw).
Dann liegt die Spur von α in M , es ist α(0) = x
0und α
0(0) = Dϕ(u
0)(w) = v.
Also ist v ein Tangentialvektor an M in x
0.
Bemerkung: Wir haben insbesondere gezeigt, dass die Tangentialvektoren an eine p-dimensionale Untermannigfaltigkeit M ⊂ R
n(in einem beliebigen Punkt von M ) einen p-dimensionalen Vektorraum bilden. Die anschauliche
” Tangentialebene“
in einem Punkt x
0∈ M ist i.a. kein Vektorraum, sondern ein affiner Raum. Den Vektorraum der Tangentialvektoren in x
0erh¨ alt man, indem man die anschauliche Tangentialebene in den Nullpunkt verschiebt.
Definition
Den Vektorraum T
x(M ) der Tangentialvektoren an M in x nennt man den Tan- gentialraum von M in x.
1.0.13. Beispiele
A. Sei P ⊂ R
nein Parametergebiet. Die identische Abbildung ϕ : P → R
nmit ϕ(u) := u kann man als Parametrisierung einer n-dimensionalen Unterman- nigfaltigkeit auffassen. Deshalb ist T
x( R
n) = R
n.
B. Im Falle der Sph¨ are S
n= {x ∈ R
n+1: f(x) = 0} mit f(x) := kxk
2− 1 ist T
x0(S
n) = Ker Df (x
0) = {v ∈ R
n+1: ∇f (x
0)
•v = 0} = {v : x
0•v = 0}.
C. Sei U ⊂ R
noffen, g : U → R stetig differenzierbar, M := {(x, t) ∈ U × R : t = g(x)}
der Graph von g und ϕ(u) := (u, g(u)) die Parametrisierung von M , so ist T
(x0,z0)(M ) = Im Dϕ(x
0) = {(v, ∇g(x
0)
•v) ∈ R
n+1: v ∈ R
n}, f¨ ur x
0∈ U und z
0:= g(x
0).
D. F¨ ur das n¨ achste Beispiel brauchen wir noch eine Differentiationsregel.
Sei Φ : E × E → F eine bilineare Abbildung. Man kann auch f¨ ur Φ eine Operator-Norm einf¨ uhren:
kΦk
op:= sup{kΦ(x, y)k : kxk ≤ 1 und kyk ≤ 1}.
Setzt man |(x, y)| := max(kxk, kyk), so ist dies eine Norm auf E × E , und f¨ ur x, y ∈ E gilt:
kΦ(x, y)k ≤ kΦk
op· kxk · kyk ≤ kΦk
op· |(x, y)|
2.
Sei nun (x
0, y
0) ∈ E × E ein fester Punkt. Dann ist
Φ(x, y) − Φ(x
0, y
0) = Φ(x − x
0, y) + Φ(x
0, y − y
0)
= Φ(x − x
0, y
0) + Φ(x
0, y − y
0) + Φ(x − x
0, y − y
0).
Die Abbildung L : E × E → F mit
L(v, w) := Φ(v, y
0) + Φ(x
0, w)
ist linear! Und f¨ ur die Abbildung r mit r(u, v) := Φ(u, v) gilt die Beziehung
(u,v)→(0,0)
lim
r(u, v)
|(u, v)| = 0.
Daher ist Φ in (x
0, y
0) differenzierbar, und
DΦ(x
0, y
0)(v, w) = Φ(v, y
0) + Φ(x
0, w) .
Ist nun B ⊂ R
noffen und sind f , g : B → E zwei differenzierbare Abbildun- gen, so ist auch Φ ◦ (f , g) : B → F differenzierbar, und es gilt:
D(Φ ◦ (f , g))(x
0)(v) = DΦ(f (x
0), g(x
0)) ◦ D(f , g)(x
0)(v)
= Φ(Df (x
0)(v), g(x
0)) + Φ(f (x
0), Dg(x
0)(v)).
Das ist eine Verallgemeinerung der Produktregel. Haben f und g Werte in R und ist Φ : R × R → R definiert durch Φ(x, y) := xy, so erh¨ alt man die Beziehung
D(f · g)(x
0) = f(x
0) · Dg (x
0) + g(x
0) · Df (x
0) . Wir betrachten jetzt die Menge
O(n) := {A ∈ M
n( R ) : A · A
>= E
n}, die sogenannte orthogonale Gruppe. Außerdem sei
Sym(n) := {B ∈ M
n( R ) : B
>= B }
der Vektorraum der symmetrischen Matrizen (mit der Dimension n(n +1)/2).
Definiert man f : M
n( R ) → Sym(n) durch f (A) := A · A
>− E
n, so ist O(n) = f
−1(0).
Die Abbildung Φ : M
n( R ) × M
n( R ) → M
n( R ) mit Φ(A, B ) := A · B ist bili- near. Weil Φ differenzierbar mit DΦ(A
0, B
0)(X, Y ) = Φ(X, B
0) + Φ(A
0, Y ) und A 7→ A
>linear ist, folgt:
Df (A
0)(Z) = Φ(Z, A
>0) + Φ(A
0, Z
>) = Z · A
>0+ A
0· Z
>.
Die Ableitung Df (A
0) : M
n( R ) → Sym(n) ist surjektiv. Ist n¨ amlich eine
symmetrische Matrix S gegeben, so k¨ onnen wir Z :=
12S · A
0setzen. Dann
ist tats¨ achlich
Df (A
0)(Z) = 1
2 [S · A
0· A
>0+ A
0· A
>0· S
>] = S .
Also ist O(n) eine Untermannigfaltigkeit von M
n( R ), ihre Dimension betr¨ agt n
2− n(n + 1)
2 = n
2− n
2 = n(n − 1)
2 .
Der Tangentialraum an O(n) ist im Punkte A
0= E
nbesonders leicht zu berechnen. Es ist
T
En(O(n)) = Ker Df (E
n) = Ker(Z 7→ Z + Z
>) = {Z ∈ M
n( R ) : Z
>= −Z}.
Das ist der Vektorraum der schiefsymmetrischen Matrizen, er hat offensicht- lich die Dimension n(n − 1)/2.
Zum Schluss dieses Abschnittes wollen wir noch an den Existenz- und Ein- deutgkeitssatz f¨ ur Systeme gew¨ ohnlicher Differentialgleichungen erinnern. Sei G ⊂ R × R
kein Gebiet und F : G → R
neine stetige Abbildung. Unter einer L¨ osung der Differentialgleichung
y
0= F(t, y)
versteht man bekanntlich eine Abbildung ϕ : I → R
kmit folgenden Eigenschaften:
1. I ⊂ R ist ein Intervall, und der Graph {(t, ϕ(t)) : t ∈ I} liegt in G.
2. ϕ ist differenzierbar, und es ist ϕ
0(t) = F (t, ϕ(t)) auf I.
Die L¨ osung heißt maximal, wenn sie sich nicht zu einer L¨ osung mit gr¨ oßerem Definitionsbereich fortsetzen l¨ asst.
In der obigen Situation gen¨ ugt F einer Lipschitz-Bedingung mit Lipschitz- Konstante k, falls gilt:
kF(t, x
1) − F(t, x
2)k ≤ k · kx
1− x
2k, f¨ ur alle Punkte (t, x
1), (t, x
2) ∈ G.
F gen¨ ugt lokal der Lipschitz-Bedingung, falls es zu jedem (t
0, x
0) ∈ G eine Um- gebung gibt, auf der F einer Lipschitz-Bedingung gen¨ ugt. Das ist z.B. der Fall, wenn F = F(t, x
1, . . . , x
n) stetig und nach den Variablen x
1, . . . , x
nstetig partiell differenzierbar ist.
1.0.14. Lokaler Existenz- und Eindeutigkeitssatz
Gen¨ ugt F auf G lokal der Lipschitz-Bedingung, so gibt es zu jedem (t
0, y
0) ∈ G
ein ε > 0, so dass auf I := [t
0− ε, t
0+ ε] genau eine L¨ osung ϕ der Differential-
gleichung y
0= F(t, y) mit ϕ(t
0) = y
0existiert.
1.1 Topologische R¨ aume
Definition
Sei X eine beliebige Menge. Unter einer Topologie auf X versteht man ein Sytem O von Teilmengen von X mit folgenden Eigenschaften:
1. X und ∅ geh¨ oren zu O .
2. Der Durchschnitt von endlich vielen Elementen von O geh¨ ort wieder zu O . 3. Die Vereinigung von beliebig vielen Elementen von O geh¨ ort wieder zu O . Die Elemente von O bezeichnet man als offene Mengen. Die Menge X, verse- hen mit einer Topologie, nennt man einen topologischen Raum.
Eine Menge W ⊂ X heißt Umgebung von x ∈ X, falls es eine offene Menge U mit x ∈ U und U ⊂ W gibt. Die Elemente von X nennt man Punkte.
1.1.1. Beispiele
A. Sei X ein metrischer Raum mit Metrik d : X × X → R (ein Beispiel ist der Raum X = R
nmit der Metrik d(x, y) := ky − xk).
Ist x
0∈ X und ε > 0, so nennt man
U
ε(x
0) := {x ∈ X : d(x, x
0) < ε}
eine ε-Umgebung von x
0. Eine Menge U ⊂ X heißt offen, falls es zu jedem Punkt x ∈ U ein ε > 0 gibt, so dass U
ε(x) ganz in U liegt.
a) Offensichtlich sind ∅ und X offen in X.
b) Seien U und V offen in X. Ist x
0∈ U ∩ V , so gibt es Zahlen ε
1, ε
2> 0, so dass U
ε1(x
0) ⊂ U und U
ε2(x
0) ⊂ V ist. Setzt man ε := min(ε
1, ε
2), so liegt U
ε(x
0) in U ∩ V .
c) Sei (U
ι)
ι∈Iein System von offenen Mengen in X. Ist x
0∈ U := S
ι∈I
U
ι, so gibt es ein ι
0∈ I, so dass x
0in U
ι0liegt. Dann gibt es auch ein ε > 0, so dass U
ε(x
0) in U
ι0und damit erst recht in U enthalten ist. Also ist U offen.
Also ist jeder metrische Raum X auch ein topologischer Raum.
B. Sei X eine beliebige Menge und O := { ∅ , X }. Offensichtlich ist O eine Topo- logie auf X (man spricht von der
” Klumpen-Topologie“). Das zeigt, dass es auf ein und derselben Menge ganz unterschiedliche Topologien geben kann.
C. Sei X = C . Eine Menge U ⊂ C heißt Zariski-offen, falls sie leer ist oder ihr
Komplement C \ U h¨ ochstens endlich viele Punkte enth¨ alt.
Weil ( C \ M
1) ∩ ( C \ M
2) = C \ (M
1∪ M
2) und S
ι∈I
( C \ M
ι) = C \ T
ι∈I