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„Früh übt sich...“

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„Früh übt sich ...“

Zugänge und Facetten freiwilligen Engagements junger Menschen

Fachtagung am 21. und 22. Juni 2007 in der Evangelischen Akademie Bad Boll

[Schriftenreihe der LANDESSTIFTUNG Baden-Württemberg; 31]

LANDESSTIFTUNG

Baden-Württemberg gGmbH Im Kaisemer 1

70191 Stuttgart

Telefon: +49(0)7 11.24 84 76 – 0 Telefax: +49(0)7 11.24 84 76 – 50 info@landesstiftung-bw.de www.landesstiftung-bw.de

Die Landesstiftung Baden-Württemberg setzt sich für ein lebendiges und lebenswertes Baden-Württemberg ein.

Sie ebnet den Weg für Spitzenforschung, vielfältige Bil- dungsmaßnahmen und den verantwortungsbewussten Umgang mit unseren Mitmenschen. Die Landesstiftung ist eine der großen operativen Stiftungen in Deutschland.

Sie ist die einzige, die ausschließlich und überparteilich

in die Zukunft Baden-Württembergs investiert – und

damit in die Zukunft seiner Bürgerinnen und Bürger.

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Impressum

„Früh übt sich…“

Zugänge und Facetten freiwilligen Engagements junger Menschen

Fachtagung am 21. und 22. Juni 2007 in der Evangelischen Akademie Bad Boll

Herausgeberin:

LANDESSTIFTUNG Baden-Württemberg gGmbH Im Kaisemer 1, 70191 Stuttgart

Verantwortlich:

Birgit Pfitzenmaier

Redaktion:

Sigrid Schöttle

Abbildungen:

Ev. Akademie Bad Boll

LANDESSTIFTUNG Baden-Württemberg gGmbH

Konzeption und Gestaltung:

BPPA GmbH, Stuttgart

Druck:

RöslerDruck GmbH, Schorndorf

© November 2007, Stuttgart

Schriftenreihe der LANDESSTIFTUNG Baden-Württemberg ; 31 ISSN 1610-4269

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[ Inhalt ] „Früh übt sich…“

Zugänge und Facetten freiwilligen Engagements junger Menschen

Fachtagung am 21. und 22. Juni 2007 in der Evangelischen Akademie Bad Boll

Inhalt 1

1.0 Vorwort:Landesstiftung Baden-Württemberg 2

Begrüßung:Joachim L. Beck, Direktor, Ev. Akademie Bad Boll 4 Eröffnung der Tagung:Brigitte Hertlein und Udo Wenzl, 6 Dialogplattform Freiwilligendienste und -projekte

2.0 Freiwilliges Engagement lernen: 8

Biographischer Bildungsprozess mit gesellschaftlicher Wirkung Dr. Gisela Jakob, Hochschule Darmstadt

3.0 Protokolle der Fachforen

A: Jung und Alt gemeinsam – Generationsübergreifendes Engagement 24

B: Vielfältig freiwillig – Zugänge öffnen für Jugendliche mit 26 Migrationshintergrund

C: Jugendliche als Botschafter für Gleichaltrige 32 D: Sozialprojekte mit Schülerinnen und Schülern nachhaltig gestalten 34

E: Unternehmen fördern Jugendengagement – 38

Modelle der Kooperation

4.0 Neue Berufe? Wir haben sie! 42

Jugendkabarett „Steine im Glashaus“, mit Dr. Wolfgang Grulke, Reutlingen

5.0 Marketing für freiwillige Einsätze: 44

Wie kann man um Jugendliche werben?

Ingo Barlovic, IconKids & Youth, Markt- und Meinungsforschungsinstitut, München

6.0 Strategien entwickeln – Perspektiven eröffnen 56 Resumee zur Tagung

Anhang

Info Freiwillig aktiv und engagiert im Jugendnetz 58 Liste der Tagungsteilnehmerinnen und Teilnehmer 60

Tagungsprogramm 64

Übersicht Schriftenreihe der Landesstiftung Baden-Württemberg 66

(4)

„Das Thema Jugendfreiwilligendienste und Bürgerschaftliches Engagement von Jugendlichen hat Konjunktur. Das gilt in besonderer Weise für das Land Baden- Württemberg.“

Mit diesen Sätzen wurde in die Dokumentation der ersten gemeinsamen Fachtagung der Evangelischen Akademie Bad Boll, der Dialogplattform Freiwilligendienste und -projekte sowie der Landesstiftung Baden-Württemberg im Juni 2005 eingeführt.

Und es gibt keinen Grund, diese Aussage zwei Jahre später beim zweiten gemein- samen Fachtag nicht an den Anfang zu stellen. Steigende Zahlen an Freiwilligenpro- jekten, aber auch beim Freiwilligen Sozialen Jahr belegen dies.

Unter rein monetären Aspekten betrachtet ist eine gut funktionierende Konjunktur ein wichtiger Motor für gesellschaftliche Entwicklung. Ein verbessertes Steueraufkom- men ist letztlich der Garant zur Sicherung staatlicher Leistungen. Aber die Erkenntnis ist nicht neu, dass nicht alles durch den Staat leistbar ist. Das ist auch nicht seine Auf- gabe. Zudem dürfte bekannt sein, dass Motoren leicht ins Stottern geraten können.

Spätestens dann reift die Gewissheit, dass vielerorts Liebgewonnenes und selbstver- ständlich Erscheinendes auf andere Weise aufrechterhalten werden muss. Und das geschieht ja auch auf vielfältige Weise – entweder durch organisierte Dienste oder aber verstärkt durch das freiwillige Engagement vieler Bürgerinnen und Bürger.

Die diesjährige Tagung stand unter dem Motto „Früh übt sich …“ – Zugänge und Facetten freiwilligen Engagements junger Menschen. In Anbetracht des sich vollzie- henden demografischen Wandels ein nachzuvollziehender Ansatz. Und die Fach- tagung hat gezeigt, dass der richtige Schwerpunkt gesetzt wurde. Darin besteht häufig die Schwierigkeit in der Planung und Vorbereitung solcher Veranstaltungen.

Der Dank der Landesstiftung gilt daher dem Vorbereitungsteam zu dieser Veranstal- tung – den engagierten Vertretern der Dialogplattform Freiwilligendienste und -projekte sowie der Evangelischen Akademie Bad Boll.

Welche Schlüsse aus einer Tagung gezogen werden, muss jeder für sich selbst entscheiden. Für die Landesstiftung sind drei Aussagen grundlegend:

1. Junge Menschen müssen begeistert werden.

Dabei muss ihnen verdeutlicht werden, warum die Gesellschaft sie braucht und welchen Nutzen und Wert sie selbst durch ihr Engagement ziehen können. Dieses muss sehr spezifisch, ziel- und altersgruppengerecht erfolgen.

2. Engagement muss gelernt werden.

Und es muss in jeder Generation neu gelernt werden. Das bedeutet, dass Kindern und Jugendlichen früh geeignete Themenfelder und Zugänge ins Engagement eröffnet werden müssen. Zum einen lernt man in jungen Jahren einfacher und schneller, zum anderen engagieren sich diese jungen Menschen auch eher im Erwachsenenalter.

3. Mit sinkendem Bildungsniveau nimmt auch die Engagementbereitschaft ab.

Hier muss ein weiterer Hebel angesetzt werden: junge Menschen aus bildungs- fernen Milieus und verstärkt junge Menschen mit Migrationshintergrund für das bürgerschaftliche Engagement zu gewinnen. Das wäre zugleich ein wichtiger und gelingender Beitrag zur Integration.

[ 1.0 ] [ Vorwort ]

(5)

Sich freiwillig zu engagieren, sich freiwillig für etwas einzusetzen ist eine Leistung, die das gesellschaftliche Miteinander garantiert. Freiwilligkeit in seinem Handeln ist zudem Ausdruck von Freiheit und Solidarität. Diese wiederum sind elementar für eine auch in Zukunft funktionierende Gesellschaft. Und Zukunft zu stiften ist das Motto der Landesstiftung Baden-Württemberg. Daher hat die Landesstiftung diesen Fachtag gerne mit veranstaltet. Für die Landesstiftung sind alle weiteren Entwicklungen auf diesem Gebiet von Interesse und sie will diese mit ihren Möglichkeiten im Dialog mit den Fachleuten aus den Verbänden und Organisationen, des Landes und der Kommu- nen sowie den engagierten Bürgerinnen und Bürgern aktiv mit gestalten.

Herbert Moser Birgit Pfitzenmaier

Geschäftsführer der Landesstiftung Leiterin des Bereichs

Baden-Württemberg gGmbH Soziale Verantwortung & Kultur, Stiftung Kinderland

(6)

Früh übt sich, was ein Meister werden will …

Mir wurde dieser Satz immer wieder im Musikunterricht gesagt. Und ich habe viel geübt und freue mich heute noch an dem, was ich damals gelernt habe und reakti- vieren kann. Was Hänschen lernt, vergisst Hans nie – oder anders: Was früh geübt wurde, darauf kann später zurückgegriffen werden.

Das gilt auch für das Engagement von Menschen in der Gesellschaft. Die Zivilgesell- schaft – oder müssen wir mit Dahrendorf besser von der Bürgergesellschaft reden? – lebt davon, dass Menschen sich einbringen, dass Bürgerinnen und Bürger ihre Sache selbst in die Hand nehmen und sich engagieren. In den vielfältigsten nichtstaatlichen Organisationen und Institutionen, autonom vom bürokratischen (Staats-)Apparat, gestalten immer mehr Menschen ihr Quartier und ihre Gesellschaft. Das, was einen Stadtteil wohnlich und liebens- bzw. lebenswert macht, sind neben eigenen Initiati- ven auch alle die Institutionen und Ämter, die im Umfeld das Leben erleichtern, z.B. Lebensmittelladen, Ärzte, Schule, Kindergarten, Jugendhaus, Kirchengemeinden.

Bereits bei der Aufzählung wird deutlich: Auch diese Einrichtungen leben vom frei- willigen Engagement.

Dieses zivilgesellschaftliche, bürgerschaftliche Engagement, das frühere sog.

Ehrenamt ist „Salz in der Suppe“, manchmal auch Sand im Getriebe – auf alle Fälle:

Die Gesellschaft und Gemeinschaft lebt davon und lebt darin.

Die Evangelische Akademie Bad Boll hat den Auftrag zusammen mit den Akteuren all die Fragen aufzugreifen, die gesellschaftspolitisch aktuell sind. Uns geht es darum, die verbindenden Kräfte in einer Gesellschaft zu stärken, der man nachsagt, sie könn- te in Parallelgesellschaften auseinander driften oder Mulitkulti-Phänomene anneh- men. Wir wollen das benennen und unterstützen, was den Graben zwischen Gene- rationen, Nationen und Ethnien, zwischen Bildungsschichten und sozialen Schichten überwindet.

Dazu organisieren wir im Jahr ca. 350 Seminare und Veranstaltungen mit ca. 20.000 Teilnehmenden zu Themen aus dem Bereich „Internationale Beziehungen und Nach- haltige Entwicklung“, „Wirtschaft, Technik, Arbeit“, „Politik, Recht, Gemeinwohl“

sowie „Theologie, Kultur, Bildung“.

Dabei geht es uns immer um die Fragen: Was hilft dieser Gesellschaft? Wie können Friede, Gerechtigkeit, Bewahrung der Schöpfung vorangetrieben werden? Wie können all die Menschen, die guten Willens sind, eine demokratiefähige und sozial taugliche Gesellschaft zu gestalten, zusammengebracht, vernetzt und unterstützt werden?

„Früh übt sich …“ Das Programm passt ganz gut in die Ev. Akademie Bad Boll.

Ich freue mich, wenn diese Tagung alle unterstützt, die ehrenamtliches, bürgerschaft- liches oder zivilgesellschaftliches Engagement auf ihre Fahnen geschrieben haben.

Diese Termini machen deutlich, dass zu dieser Tagung unterschiedliche Träger, Insti- tutionen, Einrichtungen, Berufsgruppen und Blickwinkel zusammengekommen sind.

Dies ist ein gutes Zeichen, denn bekanntermaßen ist das Ganze immer mehr als die Summe der Einzelteile. Auf das Thema konkretisiert: Die unterschiedlichen Angebote der Freiwilligen Dienste sind im Zusammenhang zu sehen, sowohl in der Biographie des Freiwilligen als auch im Zusammenwirken vor Ort.

In dieser Fachtagung geht es darum, interdisziplinär zu denken und vernetzt vorwärts zu gehen: Was ist das Motiv für einen jungen Menschen und was kann sein Gewinn sein? Wie kommt er dazu, sich erstmalig freiwillig zu engagieren – und wie bleibt er dabei? Die Grundlagen der biographischen und soziologischen Forschung und eine verstärkte Ausrichtung der Träger in Richtung auf eine zielgruppenspezifische Kom- munikation der Freiwilligendienste werden Tagungsinhalt sein. Ziel ist es, eine Platt-

[ Begrüßung ]

(7)

form für die weitere Entwicklung freiwilliger Dienste und Projekte auf Landesebene als auch Inspirationen für die Weiterentwicklung des eigenen Aufgabenfeldes zu bie- ten.

Das, was für Musik- und anderen Unterricht gilt, ist auch hier richtig: Selbst wenn das eine oder andere zeitweilig in den Hintergrund rückt, kann man später daran anknüp- fen und sich auf das „Gelernte“ beziehen und wieder einsteigen.

Was Hänschen gelernt und geübt hat, das kann Hans und muss er gar nicht mehr ler- nen. Übrigens: Für Gretel gilt das auch.

Allen, die sich hier engagieren und die Initiative ergriffen haben, meinen herzlichen Dank und meine Anerkennung.

Joachim L. Beck

Direktor der Evangelischen Akademie Bad Boll

(8)

Eröffnung der Tagung durch die Dialogplattform Freiwilligendienste und -projekte

Brigitte Hertlein, Udo Wenzl

Das Freiwilligenengagement in allen Altersgruppen, das Freiwillige Soziale Jahr sowie die unterschiedlichsten Freiwilligenprojekte haben sich in den letzten Jahren in Baden- Württemberg weiterentwickelt und ausdifferenziert und haben damit zunehmend auch für junge Menschen an Attraktivität gewonnen.

Im Rahmen der „Dialogplattform Freiwilligendienste und -projekte“ hat sich eine Kommunikationskultur zwischen den Akteurinnen und Akteuren der jeweiligen Träger auf Landesebene entwickelt.

Im Rahmen dieser Plattform wurden zuletzt u.a. die drei folgenden Themenbereiche bearbeitet:

> Eine Arbeitsgruppe beschäftigt sich mit Eckpunkten für eine Bundesratsinitiative des Landes Baden-Württemberg zur Erarbeitung eines Freiwilligendienstgesetzes,

> eine zweite Arbeitsgruppe hat im Rahmen des Jugendnetzes Baden-Württemberg das Themennetz „Freiwillig aktiv und engagiert“

(www.freiwillig-aktiv.jugendnetz.de) entwickelt und

> eine dritte Arbeitsgruppe hat die heutige Tagung konzeptionell und organisato- risch vorbereitet und moderiert nun die Plenen und Foren.

Darüber hinaus hat sich die Dialogplattform mit den Erfahrungen und Entwicklun- gen im Rahmen des Bundesmodells „generationsübergreifende Freiwilligendienste“

beschäftigt.

Die Dialogplattform lebt von der Vielfalt ihrer Mitwirkenden. Diese Vielfalt soll auch bei der diesjährigen Tagung wieder erlebbar sein: Es ist unser Ziel, möglichst vielen verschiedenen Trägern, Institutionen und der Bandbreite der Zielgruppen mit ihren Erfahrungen und Fragen Raum zu geben. Somit wird die heutige Tagung zu einem wichtigen Forum, dessen Erkenntnisse und Empfehlungen wir wiederum in der wei- teren Arbeit der Dialogplattform aufgreifen werden.

Ziel der Tagung ist es, eine landesweite Plattform für die weitere Entwicklung der Freiwilligendienste und -projekte zu bieten. Das vielfältige Interesse junger Menschen am freiwilligen Engagement gilt es, mit differenzierten Angeboten, angemessenen Standards und nicht zuletzt über attraktive Informations- und Werbewege zu beant- worten.

Der Vorbereitungskreis:

Günter Bressau,Servicestelle Jugend der Jugendstiftung Baden-Württemberg Brigitte Hertlein,Arbeitskreis Freiwilliges Soziales Jahr in Baden-Württemberg Sonja Lehmann,NABU Naturschutzbund Baden-Württemberg e.V.

Martin Link,Paritätisches Bildungswerk – Landesverband Baden-Württemberg Albrecht Ottmar,Diakonisches Werk Württemberg

Sigrid Schöttle,Ev. Akademie Bad Boll

Steffen Vogel,Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg Sven Walter,Landesstiftung Baden-Württemberg gGmbH

Udo Wenzl,Landesjugendring Baden-Württemberg e.V.

[ Eröffnung ]

(9)

[ Plenum 1 ]

(10)

Freiwilliges Engagement lernen:

Biographischer Bildungsprozess mit gesellschaftlicher Wirkung

Prof. Dr. Gisela Jakob

Freiwilliges bürgerschaftliches Engagement als Bildungsprozess:

Die Entdeckung eines neuen Themas

Seit einiger Zeit können wir einen interessanten Prozess beobachten, in den sich auch die heutige Tagung einreiht: Freiwilliges bürgerschaftliches Engagement wird derzeit als Bildungsthema entdeckt. Und zwar in zweierlei Hinsicht: als Bildungsziel und als Bildungsort (vgl. Hartnuß/Maykus 2005). Bürgerschaftliches Engagement als Bildungs- ziel meint, dass der Erwerb sozialer Kompetenzen und die Bereitschaft zur Übernah- me von gesellschaftlicher Verantwortung im Verlauf des Lebens gelernt werden müs- sen. Dies ist von der Einsicht geleitet, dass demokratische Gesellschaften auf das Engagement der Bürgerinnen und Bürger angewiesen sind und dass die Bereitschaft zum Engagement und sogenannte bürgerschaftliche Haltungen in jeder Generation aufs Neue gelernt werden müssen.

Bürgerschaftliches Engagement als Bildungsort zielt darauf ab, dass soziale Kompe- tenzen und Engagementbereitschaften im und durch das freiwillige Engagement erworben werden. Erfahrungen, die Kinder und Jugendliche beim Engagement in einem Verein, in Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe oder auch in der Schule machen, tragen dazu bei, dass sie damit wertvolle Kompetenzen für den eigenen biographischen Bildungsprozess erwerben und zugleich in gemeinwohlorientiertes Handeln und bürgerschaftliche Haltungen eingeführt werden.

Für diese Neuentdeckung bürgerschaftlichen Engagements als Bildungsthema gibt es aus meiner Sicht mindestens zwei gesellschaftspolitische Hintergründe: 1. Dies ist einmal die neuere Bildungsdebatte mit ihrer Neubewertung informeller Bildungspro- zesse. Dabei rückt auch das freiwillige Engagement als Lern- und Bildungsort in den Aufmerksamkeitsfokus. 2. Des Weiteren wird freiwilliges Engagement als Bildungs- thema in der Engagementdebatte bearbeitet. Erkenntnisse aus dem Freiwilligensur- vey, der bundesweiten Befragung zum freiwilligen Engagement, verweisen darauf, wie wichtig es ist, dass bereits Kinder und Jugendliche Erfahrungen mit einem Engagement machen.

1. „Bildung ist mehr als Schule!“ Freiwilliges Engagement als Bildungsort In der Folge des PISA-Schocks und der nachfolgenden Schulstudien hat eine Bildungsdebatte eingesetzt, die auch von der Jugendhilfe mitgestaltet wird und darauf hinweist, dass Bildung nicht nur in der Schule stattfindet. Mit dem Kernsatz

„Bildung ist mehr als Schule!“ wird in den Leipziger Thesen des Bundesjugendku- ratoriums 2002 ein erweitertes Bildungsverständnis formuliert (vgl. Bundesjugend- kuratorium [BJK] 2002), das im 12. Kinder- und Jugendbericht fortgeführt und ausdifferenziert wird. Bildung findet demnach nicht nur in dafür explizit vorgese- henen Orten wie dem der Schule statt, sondern vollzieht sich an vielen Orten, in denen Kinder und Jugendliche leben. Weite Teile der Bildung sind informelle Bildungsprozesse, die in der Familie, in Einrichtungen und Angeboten der Kinder- und Jugendhilfe, in der Peer Group, durch die Medien, aber auch bei der Nutzung kommerzieller Freizeitangebote oder etwa beim Schülerjob erfolgen. Auch Orte wie Jugendverbände, Sportvereine und selbstorganisierte Gruppen, an denen frei- williges Engagement stattfindet, sind demnach wichtige Orte für Bildungspro- zesse Jugendlicher.

Des Weiteren verweist ein solch erweiterter Bildungsbegriff darauf, dass Bildung sich nicht auf den Erwerb kognitiven Wissens beschränkt, wie es klassischerweise

[ 2.0 ]

[ I ]

(11)

in der Schule vermittelt wird. Vielmehr wird in Bildungsprozessen ein breites Spektrum an Kompetenzen erworben und erweitert (vgl. zum Folgenden 12. Kin- der- und Jugendbericht, S. 24 ff.): kulturelle Kompetenzen als umfassende Fähig- keiten zur Aneignung des kulturellen Erbes einschließlich seiner sprachlich-symbo- lisch vermittelten Grundlagen, instrumentelle Kompetenzen als Fähigkeiten zur Erschließung der naturwissenschaftlich-technischen Welt, soziale Kompetenzen als Fähigkeiten, sich mit anderen handelnd auseinander zu setzen und die Gesell- schaft mitzugestalten sowie personale Kompetenzen im Sinne einer umfassenden Persönlichkeitsentwicklung.

Und ein dritter Aspekt ist an der neueren Bildungsdebatte und für unser heutiges Thema wichtig. Bildung hat immer zwei Funktionen: eine individuelle und eine gesellschaftliche (vgl. ebd., S. 197 ff.). Es geht dabei einmal um die Bildung des einzelnen Individuums und einen selbstbestimmten Prozess der Entwicklung der einzelnen Person. Bildung ist demnach „ein aktiver Prozess, in dem sich das Subjekt eigenständig und selbsttätig in der Auseinandersetzung mit der sozialen, kultu- rellen und natürlichen Umwelt bildet“ – so der 12. Kinder- und Jugendbericht (ebd., S. 197).

Bildung hat aber auch eine gesellschaftliche Funktion. Bildung dient auch der Reproduktion und dem Fortbestand der Gesellschaft. In Bildungsprozessen werden kulturelle Traditionen, gesellschaftliche Strukturen, Werte und grundlegende Sinn- orientierungen angeeignet, die für das Zusammenleben in der Gesellschaft von elementarer Bedeutung sind und von jeder Generation neu gelernt werden müssen.

Diese neue Bildungsdebatte, verbunden mit Reformen in der Organisation von Schulen und Kindertageseinrichtungen und einer neuen Diskussion um das Ver- hältnis von Schule und Jugendhilfe sind also ein Hintergrund dafür, dass bürger- schaftliches Engagement als Bildungsthema entdeckt wurde. Des Weiteren wird auch in der Engagementdebatte die Frage aufgeworfen, wie Engagement gelernt wird.

2. Engagement ergibt sich nicht selbstläufig, sondern muss gelernt werden!

Der Bericht der Bundestagsenquete-Kommission „Zukunft des Bürgerschaftlichen Engagements“ enthält ein eigenes Kapitel zum Lernen von bürgerschaftlichen Engagement (vgl. Enquete-Kommission „Zukunft des Bürgerschaftlichen Engage- ments“ Deutscher Bundestag 2002, S. 289 ff.). Im Bundesnetzwerk Bürgerschaft- liches Engagement (BBE) gibt es eine eigene Projektgruppe, in der es um Bildung und Qualifizierung im und für das Engagement geht. Angeregt durch das BBE sind in den letzten Jahren in mehreren Bundesländern große Tagungen durchgeführt worden, in denen es um bürgerschaftliches Engagement als Bildungsziel in der Schule ging. Die neuen Ansätze zur Integration von Service Learning in die Lehr- pläne von Schulen versuchen, Engagementlernen und Verantwortungsübernahme mit schulischem Lernen zu verknüpfen (vgl. Sliwka/Petry/Kalb 2004). Und nicht zuletzt: Auch die Jugendfreiwilligendienste befassen sich mit der Rolle eines Frei- willigen Sozialen Jahres (FSJ) oder eines Freiwilligen Ökologischen Jahres (FÖJ) als Lernort für bürgerschaftliches Engagement (vgl. Jakob 2004, Schmidle/Slüter/

Wißdorf 2004).

In der Engagementdebatte wird darauf hingewiesen, dass soziale Kompetenzen und bürgerschaftliche Tugenden in jeder Generation neu gelernt werden müssen.

„Zivile Gesellschaften sind darauf angewiesen, dass ihre Mitglieder ihre Freiheiten

(12)

auch für solche Pflichten und Verantwortungen nutzen. Eben diese Notwendigkeit aber ist nicht natur-, sondern nur ,kulturwüchsig’ zu haben. Sie wird in einer kom- plexen Folge von Entwicklungs- und Bildungsphasen einzelner Menschen und ganzer Generationen jeweils wieder neu erzeugt und gesichert werden müssen.“

(Mader 2000, S. 217)

Demokratische und zivile Gesellschaften sind auf das bürgerschaftliche Engage- ment ihrer Gesellschaftsmitglieder angewiesen. Die einem Engagement zugrunde liegenden Bürgertugenden wie die Bereitschaft, gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen, Zivilcourage zu zeigen und die Akzeptanz und Toleranz gegenüber fremden Lebenswelten ergeben sich nicht selbstläufig. Bürgerschaftliche Haltun- gen müssen vielmehr in jeder Generation neu gelernt und hervorgebracht werden.

Dies ergibt sich nicht naturwüchsig und von selbst, sondern erfolgt in einer kom- plexen Folge von Entwicklungs- und Bildungsphasen. Bürgerschaftliches Lernen beginnt demnach bereits in der Kindheit und setzt sich im Jugendalter fort. Orte dafür sind die Familie, die Peer Group, öffentliche Einrichtungen wie Kindertages- einrichtungen, Schulen und Jugendhilfeeinrichtungen sowie die Organisationen freiwilligen Engagements, aber auch die Medien und kommerzielle Freizeitangebote.

Auch Ergebnisse der Engagementforschung machen darauf aufmerksam, wie wichtig das Lernen von Engagement bereits in der Jugendphase ist. Die Daten des 1. und 2. Freiwilligensurveys, der bundesweiten Befragungen zum freiwilligen Engagement, zeigen, dass frühe Engagementerfahrungen ein wichtiger Faktor dafür sind, ob man sich als Erwachsener auch später im Leben engagiert. Fast die Hälfte der engagierten Bürger, 43 Prozent, haben bereits vor ihrem 20. Lebensjahr erste Erfahrungen mit einem Engagement gemacht (vgl. Picot 2006, S. 217-218).

Das heißt, soziale Kompetenzen und die Bereitschaft, gesellschaftliche Verantwor- tung zu übernehmen, werden offensichtlich bereits in Kindheit und Jugend ausge- bildet. Die Grundlage, ob ein Engagement biographisch relevant und in das eigene Leben integriert wird, wird bereits in frühen Lebensjahren gelegt.

Zwischenbemerkung: Zum Begriff des bürgerschaftlichen Engagements

Ich spreche hier im Vortrag von freiwilligem und bürgerschaftlichem Engagement.

Der Begriff des bürgerschaftlichen Engagements hat den Vorteil, dass er die Bedeu- tung dieses Engagements für die Gesellschaft betont. Bürgerschaftliches Engage- ment ist demnach mehr als freiwilliges Engagement. Bürgerschaftliches Engagement macht deutlich, dass die Entscheidung, ob die Bürgerinnen und Bürger gesellschaftli- che Verantwortung übernehmen, zwar freiwillig, aber nicht beliebig ist. Aus der Perspektive einer demokratischen Gesellschaft ist die Mitgestaltung und Mitwirkung der Bürgerinnen und Bürger von existenzieller Bedeutung (vgl. Enquete-Kommission

„Zukunft des Bürgerschaftlichen Engagements“ 2002). Demnach wird die Rolle des Bürgers bzw. der Bürgerin nicht nur dadurch ausgefüllt, dass Individuen Verantwor- tung für ihr eigenes Lebens übernehmen. Der Status als Bürger bzw. Bürgerin geht vielmehr davon aus, dass zum Bürger-Sein auch die Übernahme von Verantwortung für gesellschaftliche Prozesse gehört. Mit dem Bürgerstatus sind Rechte und Pflichten verbunden. Die Mitgestaltung des Gemeinwesens im Engagement ist demnach bei- des: eine Pflicht, mit der die Bürger Aufgaben übernehmen und zum Zusammenleben im Gemeinwesen beitragen, und ein Recht, das Optionen für die Mitgestaltung der Gesellschaft gemeinsam mit anderen eröffnet. Diese enge Verknüpfung von Rechten und Pflichten ist kennzeichnend für unser Verständnis von bürgerschaftlichem Engagement und seiner gesellschaftlichen Rolle. Die Bürgerpflicht, sich zu engagie- ren, hat allerdings nicht den verpflichtenden Charakter wie durch Gesetz geregelte

(13)

Pflichten, wie z.B. die Schulpflicht. Bürgerschaftliches Engagement ist vielmehr darauf angewiesen, dass sich die Bürgerinnen und Bürger aufgrund einer inneren Haltung freiwillig bereit erklären, Verantwortung für das Gemeinwesen zu übernehmen. Der Politikwissenschaftler Herfried Münkler hat diese paradoxe Anforderung als „freiwilli- ge Selbstverpflichtung“ bezeichnet (Münkler 1997). Die Bereitschaft, sich zu engagie- ren, kann nicht staatlich verordnet werden und ist auch kein selbstläufiger Prozess, der sich von allein ergibt. Engagement braucht vielmehr Gelegenheitsstrukturen und fördernde Rahmenbedingungen, um sich zu entfalten. Und es muss im Verlauf des Lebens gelernt und als Haltung verinnerlicht werden, so dass die Mitglieder eines Gemeinwesens bereit sind, sich als Bürger/-in zu engagieren.

Bildungsprozesse im freiwilligen Engagement: Was wird im freiwilligen Engagement gelernt und was sagen die vorliegenden Untersuchungen dazu?

1. Erkenntnisse des 1. und 2. Freiwilligensurveys zum freiwilligen Engagement Jugendlicher

Bereits die Ergebnisse des 1. Freiwilligensurveys, basierend auf den Daten von 1999, machen deutlich, dass Jugendliche genauso stark engagiert sind wie Erwachsene. Die Rede von einer „Spaßgeneration“ und Jugendlichen auf dem

„Egotrip“ erweist sich bezüglich des Engagements als nicht haltbar. 2004 waren 36 Prozent der Jugendlichen und jungen Erwachsenen zwischen 14 und 24 Jahren in irgendeiner Form freiwillig und ehrenamtlich engagiert, 33 Prozent der Frauen und 38 Prozent der Männer (vgl. Picot/Gensicke 2006, S. 231). Diese Zahl liegt damit genauso hoch wie die Engagementquote der deutschen Bevölkerung mit 36 Prozent insgesamt. Die größten Engagementbereiche sind Sport und Bewe- gung, Schule, Religion und Kirche sowie Kultur und Musik. Es folgen die Bereiche Freizeit und Geselligkeit, Jugend und Bildung sowie Freiwillige Feuerwehren und Rettungsdienste mit je 4 Prozent der engagierten Jugendlichen (Picot 2006, S. 191).

Im Vergleich zum Engagement in der Bevölkerung insgesamt gibt es bei den 14- bis 24- Jährigen einige Besonderheiten, die typisch sind für jugendliches Engagement:

> Jugendliches Engagement spielt sich vorwiegend im direkten Lebensumfeld ab, in der Schule, im Sportverein oder in der Jugendgruppe. Es ist meist ein Enga- gement innerhalb der eigenen Generation, d.h., Jugendliche engagieren sich zumeist für andere Jugendliche oder für Kinder. Demnach kommen 63 Prozent der Tätigkeiten jugendlicher Engagierter Kindern und Jugendlichen zugute (Picot 2007, S. 9). Mit zunehmenden Alter verliert diese Ausrichtung an der eige- nen Generation allerdings an Bedeutung und sie ist bei den jungen Erwachsenen schon wesentlich geringer ausgeprägt als bei den unter 20-Jährigen.

[ II ]

1

1 5 4 1

14 5

4 3 0

7 4 2 2 1

6 4 3 2

15 5

7 2

6 2 2

1999 2004 Sport und Bewegung

Kultur und Musik Freizeit und Geselligkeit Sozialer Bereich

Gesundheit Schule und Kindergarten Jugend und Bildung Umwelt- und Tierschutz Politik und Interessenvertretung Berufl. Interessenvertretung Religion und Kirche FFW und Rettungsdienste Lokales Bürgerengagement

4039 1314 19 12 5 7 21 1619 106 5 5 6 5 3 2 13 18 11 12 1 3

Engagierte Alle

Freiwilliges Engagement nach Engagementbereichen

Jugendliche 14-24 Jahre, Angaben in %

(Aus: Picot 2006, S. 191)

(14)

> Das Engagement Jugendlicher ist – stärker als in anderen Altersgruppen – interessenbezogen (vgl. Picot 2006, S. 214). Jugendliche erwarten vor allem einen beruflichen und einen persönlichen Nutzen aus ihrem gemeinwohlorien- tierten Engagement. Demnach soll das Engagement auch dazu beitragen, dass man Qualifikationen erwirbt, die für die berufliche Platzierung nützlich sein können. Bezüglich des persönlichen Nutzens geht es darum, dass das Engage- ment mit Erwartungen verbunden wird, dabei etwas für die eigene biographi- sche Entwicklung zu lernen.

Ein Vergleich der Daten des 1. und des 2. Freiwilligensurveys zeigt, dass dieser Trend einer Nutzenorientierung bei den 14- bis 24-Jährigen in den letzten Jahren zugenommen hat (ebd., S. 215). Die Erwartung eines beruflichen Nutzens ist bei ostdeutschen Jugendlichen noch wesentlich stärker vorhanden als bei westdeutschen Jugendlichen. Auch wenn man nach der Kategorie Geschlecht schaut, gibt es Unterschiede: Für junge Frauen spielt die Interessenorientierung noch eine etwas größere Rolle als für junge Männer.

In dieser wachsenden Interessenorientierung und einem stärker zweckrationa- len Verständnis des Engagements bei den jungen Leuten spiegelt sich eine Situation wieder, auf die auch die Jugendforschung und insbesondere die letz- ten beiden Shell-Studien hingewiesen haben (vgl. Shell Holding Deutschland 2006): Angesichts der schwierigen Berufseinmündung und ausgeprägter Sorgen der Jugendlichen vor Arbeitslosigkeit gewinnen Fragen nach der beruf- lichen Platzierung und einer Verbesserung der beruflichen Ausgangsposition an Bedeutung. Dabei gerät offensichtlich auch das freiwillige Engagement in den Strudel dieser Entwicklungen und es wird von einem großen Teil der Jugend- lichen unter dem Blickwinkel seines beruflichen und persönlichen Nutzens betrachtet. Jugendliche reagieren damit auf den stärkeren sozialen Problem- druck und versuchen, auch ihr Engagement für den Umgang mit den gesell- schaftlichen Anforderungen zu nutzen.

> Damit komme ich zu einer dritten Besonderheit des freiwilliges Engagements Jugendlicher: In keiner anderen Altersgruppe ist das Engagement so abhängig vom Bildungsstatus und Schulabschluss wie in der Gruppe der 14- bis 24- Jährigen (vgl. Picot 2006, S. 196 ff.).

Es sind vor allem die Jugendlichen mit hohem Bildungsabschluss und die besser sozial integrierten, die sich freiwillig engagieren. Nach den Daten des Freiwilligen- surveys sind nur 22 Prozent der Jugendlichen mit niedrigem Bildungsstatus, sprich Hauptschul- und Sonderschulabsolventen, engagiert gegenüber 43 Prozent der Jugendlichen mit einem hohen Abschluss bzw. hoher Bildungsaspiration (Picot

0 1 0 2 0 3 0 4 0 5 0

Engagier te (%) niedrig

mittel hoch

1999 2004

Aktivität und Engagement nach Bildungs- und Erwerbsstatus Jugendliche 14-24 Jahre

(Aus: Picot 2006, S. 197)

(15)

2006, S. 197).

Das Beunruhigende an diesen Zahlen: Diese Differenzen haben sich in den letzten Jahren verstärkt. Der Zeitvergleich zwischen 1. und 2. Freiwilligensurvey deutet da- rauf hin, dass sich diese Tendenz einer starken Abhängigkeit jugendlichen Engage- ments vom Bildungsstatus sogar noch verstärkt. Während das Engagement der Jugendlichen mit niedrigem Bildungsstatus erheblich zurückgegangen ist, ist es zugleich bei den Jugendlichen mit hohem Bildungsstatus gestiegen (ebd.). Der Bildungsstatus hat offensichtlich für den Zugang zu einem freiwilligen Engage- ment zunehmende Bedeutung gewonnen.

Hier setzt sich im freiwilligen Engagement ein Trend fort, den wir aus der Bildungs- diskussion, in der Folge von PISA und anderen Schulvergleichsstudien, kennen:

Nicht nur unser Schulsystem befördert soziale Ungleichheiten, sondern auch die Organisationen und Strukturen des freiwilligen Engagements. Junge Leute aus bil- dungsorientierten Milieus, die bereits über viel soziales Kapital verfügen, können dieses im Engagement ausweiten. Demgegenüber gestalten sich für Jugendliche aus bildungsfernen Milieus die Zugänge zu einem Engagement sehr viel schwieri- ger. Über die Hintergründe für diesen Sachverhalt lassen sich bislang nur Vermu- tungen anstellen und vieles spricht für Wechselwirkungen zwischen zumeist unbeabsichtigten Ausschlussmechanismen der Vereine und Verbände sowie Selbstausgrenzungstendenzen der Jugendlichen.

2. Was wird im freiwilligen Engagement gelernt?

Auch dazu gibt der Freiwilligensurvey einige interessante Hinweise. In keiner anderen Altersgruppe spielt die Möglichkeit, durch Engagement zu lernen, eine so große Rolle wie bei den Jugendlichen und jungen Erwachsenen. 58 Prozent der jungen Leute zwischen 14 und 24 Jahren geben an, mit ihrem Engagement um- fangreiche Lernerfahrungen gemacht zu haben (Picot 2006, S. 216). Wichtige Lernerfahrungen ergeben sich dabei vor allem im Bereich informellen und sozialen Lernens. Zwar spielt bei den Jugendlichen auch der Erwerb von Wissen und fach- lichen Kenntnissen eine Rolle. Viel wichtiger sind aus der Sicht der Jugendlichen aber Lernerfahrungen, die für die eigene biografische Entwicklung bedeutsam sind. Als Lerngewinne werden von den Jugendlichen genannt: Kompetenzen im Umgang mit komplexen Situationen, Erfahrungen bei der Bewältigung von Situa- tionen persönlicher Belastbarkeit, der erfolgreiche Umgang mit hohen Anforde- rungen an das eigene Organisationstalent sowie Lernmöglichkeiten bezüglich sozialer Kompetenzen, hoher Einsatzbereitschaft und Führungsqualitäten (ebd., S. 217).

Zu ähnlichen Ergebnissen kommt eine Studie an der Universität Dortmund, in der die informellen Lernprozesse in gesellschaftlichen Organisationen wie Sportverei- nen, Kirchen, Hilfs- und Rettungsorganisationen und Jugendverbänden untersucht werden (vgl. Düx 2007). Für alle Organisationen gilt, dass es bei dem Kompetenz- erwerb der Jugendlichen im und durch das freiwillige Engagement insbesondere um soziale und persönlichkeitsbildende Kompetenzen geht. Wiebken Düx, wissen- schaftliche Mitarbeiterin in dem Dortmunder Forschungsprojekt, hebt als über- greifende Schlüsselkompetenzen, die im Engagement gelernt oder zumindest erweitert werden, hervor: Erweiterung der kommunikativen Fähigkeiten, Fähigkei- ten zur Teamarbeit, Verantwortungsbewusstsein, aber auch Stärkung des eigenen Selbstbewusstseins und der Selbständigkeit.

Die Dortmunder Studie gibt darüber hinaus auch Hinweise darauf, dass im Enga- gement bürgerschaftliches Lernen stattfindet. Die Jugendlichen erweitern im Engagement nicht nur ihre persönlichen Fähigkeiten, sondern es können auch wichtige Basiskompetenzen ausgebildet werden, die für das Handeln als aktive(r)

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Bürger bzw. Bürgerin in einer demokratischen Gesellschaft wichtig sind. Dies sind Kompetenzen „wie miteinander verhandeln, gemeinsam Entscheidungen treffen sowie Konflikte lösen oder Kompromisse schließen“ (ebd., S. 2). Diese Kompeten- zen eines demokratischen Umgangs werden in der Gremienarbeit erworben, aber auch im Alltag der Organisationen durch Möglichkeiten, selbstorganisiert zu han- deln und Abläufe mitzugestalten. Das Engagement bindet die Jugendlichen offen- sichtlich in einen über ihre eigene Person hinausweisenden Sinnzusammenhang ein und stellt dabei einen Zusammenhang her zwischen dem eigenen Leben und der Gesellschaft.

Die Dortmunder Studie weist auf weitere Besonderheiten des Lernens im Engage- ment hin, die diese Lernprozesse von dem Wissenserwerb in der Schule grund- legend unterscheiden:

> Lernen im Engagement ist informelles Lernen, das von den Jugendlichen erst mal gar nicht als Lernen gesehen wird. „Lernen im Engagement ereignet sich in vielen Situationen nebenher, unbewusst oder erscheint selbstverständlich und nicht erwähnenswert.“ (Ebd., S. 5) Gelernt wird nicht in besonders als Lernset- tings ausgewiesenen Situationen oder Orten, sondern Lernen ist sozusagen ein Nebeneffekt des Handelns im Engagement. Die Jugendlichen lernen nicht in erster Linie um des Lernens willen, sondern gelernt wird, um die übernomme- nen Aufgaben angemessen erfüllen zu können. „Anlass, Medium und Ziel des Lernens ist in der Regel die Tätigkeit.“ (Ebd., S. 5)

> Damit Lernprozesse im Engagement stattfinden können, müssen bestimmte Bedingungen gegeben sein: Das Engagement muss eine frei gewählte Tätigkeit sein, die entsprechend den eigenen Interessen gewählt wurde. Die Tätigkeit muss und Ausprobieren eröffnen. Und die Tätigkeit muss eine ernsthafte Aufgabe darstellen, bei der die Jugendlichen Verantwortung übernehmen und in der sie reale Anforderungen bewältigen müssen. Die Besonderheit von Lern- und Bildungsprozessen im freiwilligen Engagement resultiert offensichtlich daraus, dass Lernen in der Auseinandersetzung mit konkreten, verantwortungs- vollen Aufgaben stattfindet und dass erst die Übernahme von Verantwortung und die Erfahrung erfolgreichen Handelns Lernen ermöglicht.

Diese ersten Ergebnisse aus deutschen Befragungen werden bestätigt durch Untersuchungen in den USA. Studien zu den Lernerfahrungen junger Volunteers zeigen, dass das freiwillige Engagement sowohl zur biographischen Entwicklung der jungen Leute als auch für die Übernahme ihrer Rolle als mündiger Bürger beigetra- gen hat (vgl. zum Folgenden Oswald 2004, S. 20 ff.). Demnach stärkt das gemein- nützige Engagement das Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen der Freiwilligen und kann sogar dazu beitragen, dass sich die schulischen Leistungen verbessern.

In der Arbeit mit sozial benachteiligten Menschen und mit Migrantinnen und Migranten werden Haltungen der Toleranz und Akzeptanz gegenüber Fremdem sowie der Empathie und Hilfsbereitschaft ausgebildet oder befördert. Darüber hinaus erfahren sich die Freiwilligen in ihrer Rolle als engagierte Bürgerinnen und Bürger, die mit ihrem Handeln etwas bewirken können. Sie erleben sich als Teil einer Gemeinschaft und sie lernen, in der Zusammenarbeit mit Menschen, die andere Interessen verfolgen und von anderen Orientierungen geleitet sind, Dinge auszuhandeln, Kompromisse zu schließen oder auch Grenzen zu ziehen, wenn ihnen Vorgaben von Autoritäten unsinnig erscheinen.

Allerdings haben nicht alle freiwilligen Aktivitäten diese positiven Wirkungen und nicht alle Jugendlichen entwickeln die entsprechenden Haltungen und Einstellun- gen. Toleranz, Hilfsbereitschaft und Engagement entwickeln sich vor allem in den Settings, in denen sich Jugendliche mit der Situation benachteiligter Bevölkerungs- gruppen auseinander setzen müssen und sich dabei ihrer eigenen zumeist privile-

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gierten Lage bewusst werden (vgl. ebd.). Erst in der Konfrontation mit sozialen Problemen und Notlagen entwickeln sich Vorstellungen von Gerechtigkeit und eigener Verantwortung. Freiwillige Tätigkeiten, in denen die Jugendlichen nicht mit benachteiligten Menschen in Beziehung kommen, scheinen nicht in gleicher Weise dazu beizutragen, dass sich bürgerschaftliche Haltungen herausbilden.

Zwischenresümee:

> Das freiwillige Engagement ist demnach vor allem ein Lernort für soziales Lernen und für die Förderung kommunikativer und personaler Kompetenzen.

> Das Lernen findet quasi nebenbei und in Settings statt, die gar nicht als explizite Lernorte vorgesehen sind (informelles Lernen).

> Wichtig ist des Weiteren, dass das Lernen mit konkreten und ernsthaften Hand- lungsanforderungen verbunden ist. „Learning by doing“ – diese ‚alte’ Weisheit der Reformpädagogik – gilt auch für Bildungsprozesse im Engagement. Die bloße Wissensvermittlung reicht nicht aus, sondern Lernen im Engagement ist an Erfah- rungen gebunden. Leben und Lernen sind aufs Engste miteinander verbunden. In der tätigen Auseinandersetzung und der anschließenden Reflexion der Erfahrun- gen finden Bildungsprozesse statt.

> Dabei ist es wichtig, dass die Jugendlichen mit Ernstsituationen konfrontiert sind, die sie bewältigen müssen. Im Unterschied zum Lernen in der Schule sind die Jugendlichen im Engagement mit Situationen und Anforderungen konfrontiert, deren Bearbeitung für sie selbst und für andere mit weit reichenden Folgen ver- bunden sein können. Hartmut von Hentig, der große Reformer der Pädagogik, hat dies in seinem letzten Buch genannt: „Von der nützlichen Erfahrung nützlich zu sein.“ (Von Hentig 2006). Lernen im Engagement ist daran gebunden, dass ernst- hafte Aufgaben übernommen und erfolgreich bewältigt werden.

> Lernen im Engagement eröffnet die Möglichkeit für bürgerschaftliches Lernen.

Über den Erwerb persönlicher Fähigkeiten und biographischer Bildungsprozesse hinausgehend verbindet das Engagement die Jugendlichen mit der Gesellschaft.

Im Engagement werden Regeln angeeignet und Kompetenzen erworben, die für das Zusammenleben in einem demokratischen Gemeinwesen von zentraler Bedeutung sind.

> Besonders lehrreich sind dabei Lernorte und -settings, in denen die jungen Leute Erfahrungen mit sozialer Benachteiligung und Grenzerfahrungen des Lebens machen. Insbesondere im Kontakt mit Menschen, die sich in sozialen Notlagen befinden, die gesellschaftlich ausgegrenzt sind oder sich gar in lebensbedroh- lichen Situationen befinden, findet soziales und bürgerschaftliches Lernen statt.

Freiwilligendienste als Lernorte für bürgerschaftliches Engagement

Freiwilligendienste sind besondere Formen bürgerschaftlichen Engagements und sie sind zugleich Lernorte für die Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung. In einem Freiwilligendienst engagieren sich junge Leute, nach wie vor zumeist junge Frauen, freiwillig in der Unterstützung anderer Menschen oder bei der Bearbeitung gesell- schaftlicher Probleme. Dafür setzen sie einen Teil ihrer Lebenszeit ein und werden während dieser Zeit nur geringfügig, mit einem Taschengeld, entgolten. Dieses Enga- gement erfolgt keineswegs selbstlos, sondern die Freiwilligen haben konkrete Erwar- tungen an den Freiwilligendienst. Sie möchten ihre Fähigkeiten erproben, suchen nach beruflicher Orientierung, möchten persönliche Kompetenzen erwerben und in manchen Fällen geht es auch darum, eine Phase der Arbeitslosigkeit zu überbrücken.

Die Freiwilligendienste sind demnach eine Form freiwilligen bürgerschaftlichen Enga- gements, in denen die gesellschaftlichen Aktivitäten aufs Engste mit biographischen Zielsetzungen verbunden sind.

[ III ]

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Eine besondere Form bürgerschaftlichen Engagements ist der Freiwilligendienst des- halb, weil er sich durch seine Regelungen einer in Vollzeit erbrachten, länger dauern- den, sozialversicherungspflichtig und vertraglich geregelten Struktur von ‚normalem’

freiwilligen Engagement unterscheidet. Aus diesen äußeren Merkmalen resultieren andere Förderbedingungen, andere Einsatzbedingungen und möglicherweise auch andere Motivstrukturen bei den Freiwilligen. Deswegen ist es wichtig, auch auf die Differenzen zwischen Freiwilligendiensten und freiwilligem Engagement hinzuweisen.

Freiwilligendienste zeichnen sich durch die Verbindung von Bildungs- und Orientie- rungsprozessen einerseits und Übernahme von Verantwortung und soziales Handeln andererseits aus. Einerseits bietet der Freiwilligendienst Freiräume für persönliche und berufliche Orientierungsprozesse und ist von seiner Konstruktion her auch so angelegt, dass er den Teilnehmer/-innen Gelegenheiten bietet, ihre Fähigkeiten zu erproben, und sie bei individuellen Orientierungsprozessen unterstützt. Das Besonde- re eines Freiwilligendienstes besteht darin, dass die Orientierungs- und Bildungspro- zesse mit der Übernahme von gesellschaftlicher Verantwortung verbunden sind. Im Unterschied zum Leben der meisten Jugendlichen in ihren Herkunftsfamilien und im Unterschied zu ihren Erfahrungen in der Schule stellt der Freiwilligendienst konkrete und ernsthafte Anforderungen. Die Freiwilligen übernehmen verantwortungsvolle Aufgaben, die für Leben und Gesundheit anderer folgenreich sein können. Sie müssen sich mit grundlegenden sozialen und gesellschaftlichen Problemen auseinander set- zen und werden mit Notlagen und Leidensprozessen konfrontiert. Mit ihrem Handeln tragen sie zur Bearbeitung dieser Probleme bei und erweitern dabei ihre Fähigkeiten und Kompetenzen. In dieser Mischung aus Orientierungsphase und verantwortungs- voller Tätigkeit besteht die Besonderheit der Freiwilligendienste in einer Lebensphase im Übergang zwischen Schule und Beruf, die von Anforderungen zur Orientierung gekennzeichnet ist. Der Erfolg der Freiwilligendienste bei den jungen Freiwilligen selbst resultiert aus diesem „gelungenen Passungsverhältnis“ (vgl. Jakob 2004). Das Angebot der Freiwilligendienste passt offensichtlich zu den Anforderungen, mit denen die Freiwilligendienste in der Statuspassage des Übergangs vom Jugendalter zum Erwachsenenstatus konfrontiert sind.

Vieles, was ich bisher für Lernen im freiwilligen Engagement gesagt habe, gilt auch für Lernen in den Freiwilligendiensten. Die Freiwilligendienste werden als Orte infor- mellen Lernens und als Kontrasterfahrung zur Schule wahrgenommen. Die Antwort- variable „was ich hier gelernt habe, kann keine Schule vermitteln“ findet eine hohe Zustimmung bei den Teilnehmern/-innen – so jedenfalls ein Ergebnis der Evaluations- studie des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend mit dem FSJ und FÖJ, die nach der Gesetzesnovellierung 2002 untersucht wurde (vgl. BMFSFJ o.J., S. 161). Auch die Freiwilligendienste sind Orte informellen Lernens, in denen die jun- gen Freiwilligen konkrete Aufgaben bewältigen müssen. Als Lernerfahrungen sind besonders wichtig: persönliche Kompetenzen wie mehr Selbstvertrauen und Selbst- sicherheit und die Fähigkeit, Verantwortung übernehmen zu können, sowie berufs- vorbereitende Kompetenzen wie soziale Kompetenzen für das Arbeitsleben, sich in ein Arbeitsteam einfinden zu können, klarere Vorstellungen über eine berufliche Tätigkeit und Fachkenntnisse gewonnen zu haben (ebd., S. 168 ff.)

Leider hat die Evaluationsstudie es versäumt, nach den Erfahrungen sozialen und bürgerschaftlichen Lernens in einem Freiwilligendienst explizit zu fragen. Die hohe Zustimmung zu Antwortvariablen wie „Menschen helfen“, „etwas für Natur und Umwelt tun“ oder auch “Erfahrungen über soziale und ökologische Zusammenhänge sammeln“ spricht allerdings dafür, dass über persönliche und berufsvorbereitende Lernerfahrungen hinausgehend die Freiwilligendienste auch Möglichkeiten zum bür- gerschaftlichen Lernen eröffnen (ebd., S. 166). Dazu gehören Erfahrungen, dass man mit dem eigenen Handeln in einem organisatorischen und öffentlichen Rahmen

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andere Menschen unterstützen kann, dass man dazu beitragen kann, gesellschaft- liche Probleme zumindest ‚im Kleinen’ zu bearbeiten, dass man überhaupt sensibili- siert wird für soziale oder auch ökologische Notlagen und Probleme und dass man den eigenen Horizont erweitert, indem man die Lebenswelten von Menschen aus anderen sozialen und kulturellen Milieus kennen lernt.

Ähnlich wie für das Lernen freiwilligen Engagements insgesamt gilt übrigens auch für die Freiwilligendienste der Zusammenhang zwischen Bildungsstatus und Über- nahme eines Freiwilligendienstes. Jugendliche mit niedrigen Bildungsabschlüssen und insbesondere Jugendliche aus Migrationsfamilien sind stark unterrepräsentiert in den Freiwilligendiensten (vgl. BMFSFJ o.J., S. 132 ff).

Während über die persönlichkeitsbildende und berufsorientierende Funktion der Freiwilligendienste in der Fachdebatte weitgehend Einigkeit herrscht, bleibt bislang ihre Bedeutung als bürgerschaftliches Handeln und als Lernort für bürgerschaftliche Haltungen unterbelichtet. Wenn man die Freiwilligendienste stärker als Orte bürger- schaftlichen Engagements konturieren will, muss es darum gehen, die fachlichen und pädagogischen Konzepte darauf auszurichten und dazu beizutragen, dass ein Freiwil- ligendienst als nachhaltige Lernerfahrung für bürgerschaftliches Handeln verbucht werden kann.

Perspektiven

Abschließend möchte ich auf einige Punkte eingehen, die für die Weiterentwicklung des Engagements als Lernort für bürgerschaftliches Engagement wichtig sind. Im Zentrum stehen im Folgenden Überlegungen und Empfehlungen, die das gesamte Spektrum des freiwilligen Engagements junger Leute betreffen. Die folgenden Aus- führungen sind keine abgeschlossenen Überlegungen, sondern eher Vorschläge und Anregungen, die mit Fragen verbunden sind und der Diskussion bedürfen.

1. Bürgerschaftliches Engagement als Bildungsauftrag ernst nehmen!

Die Frage danach, wie Engagement gelernt wird und dass es dafür entsprechender Orte und Settings bedarf, muss eine größere Aufmerksamkeit und entsprechende Aktivitäten erfahren. Nach meinem Eindruck sind Fragen danach, wie Engagement und bürgerschaftliche Tugenden gelernt werden und welche neuen Rahmenbe- dingungen es dafür braucht, bislang unterbelichtet. Zwar gibt es Ansätze in der Bildungsdebatte, in den Organisationen freiwilligen Engagements und ebenso die eben erwähnten neuen Initiativen zum bürgerschaftlichen Lernen in und mit Schulen. Dies sind aber bislang nur erste Ansätze und vorsichtige Annäherungen.

Betrachtet man dagegen das Gesamtbild etwa bei der Umgestaltung der Schulen zu Ganztagsschulen, bleibt das Thema allerdings – bis auf wenige Ausnahmen – außen vor. Im Kontext eines erweiterten Bildungsverständnisses, wie ich es soeben vorgestellt habe, müsste die Frage nach sozialem und Engagement-Lernen eine neue Bedeutung bekommen.

Darüber hinaus ist die Frage nach Gelegenheiten zum Lernen von Engagement und zum Erwerb sozialer Kompetenzen auch deshalb wichtig, weil tradierte Mög- lichkeiten dafür an Bedeutung verlieren. Mit der Auflösung traditioneller sozialer Milieus, in die Kinder und Jugendliche bereits in frühem Lebensalter durch die Eltern und durch die einschlägigen Jugendorganisationen einsozialisiert wurden, gehen auch Lern- und Erfahrungsräume für gemeinsame Aktivitäten und die Über- nahme von gesellschaftlicher Verantwortung verloren. Für Orte wie Jugendverbän- de wird es schwieriger, Jugendliche zu binden. Angesichts dieser Veränderungen in den klassischen Strukturen von milieubezogenen Organisationen und Verbänden stellt sich die Frage, welche neuen Gelegenheiten es braucht, um Engagement zu lernen und wie die Orte dafür aussehen sollten. Damit ist zugleich die Anforderung

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an die bestehenden Organisationen verbunden, Strukturen zu modernisieren und neue Engagement- und Beteiligungsangebote zu entwickeln.

2. Kooperation mit der Schule, ohne Engagement zu „verschulen“!

Angesichts der Umgestaltungen im Bildungssektor und des Ausbaus von Ganztags- schulen könnten Schulen für das Lernen von freiwilligem bürgerschaftlichen Enga- gement wichtige Partner werden. Dabei ginge es darum, im schulischen Alltag Lern- und Erfahrungsräume bereitzustellen, in denen die Kinder und Jugendlichen soziale Kompetenzen erwerben und erweitern und bürgerschaftliche Haltungen und demokratische Verfahrensweisen lernen (vgl. Hartnuß/Maykus 2005, S. 25).

In solchen Räumen müssten Kinder und Jugendliche Engagementfelder und -for- men kennen lernen. Sie müssten die Gelegenheit erhalten, ein Engagement aus- zuprobieren, Engagementrollen einzuüben und dabei Engagement zu lernen.

Allerdings sollte die Integration sozialen und bürgerschaftlichen Lernens in schuli- sche Settings nicht nach den Regeln traditionellen schulischen Lernens organisiert sein. Die Studien zum Lernen von freiwilligem Engagement zeigen ja auf ein- drucksvolle Weise, dass dieses Lernen an Freiwilligkeit, an informelle Settings, an konkrete Handlungsanforderungen und an selbstgewählte Aufgaben gebunden ist. Mit diesen Merkmalen repräsentiert das freiwillige Engagement eine Art Gegenwelt zur Schule und schulischen Lernprozessen, wie sie in vielen Schulen nach wie vor praktiziert und von den Schüler/-innen erfahren werden (vgl. Rau- schenbach 2004). Angesichts dieser Differenzen in den Funktionslogiken von frei- willigem Engagement und Schule ergibt sich die Anforderung, soziales und bür- gerschaftliches Lernen so in schulische Abläufe zu integrieren, dass ihre Merkmale erhalten bleiben.

Dies verweist unmittelbar auf die Notwendigkeit, dass sich die Schule verändern muss. Dazu gehört ein erweitertes Bildungsverständnis, das den neuen Erkennt- nissen informellen Lernens gerecht wird, in dem das Lernen von Engagement auch als Teil des Bildungsauftrags verstanden wird und in dem sich Schule als Einrich- tung im Gemeinwesen versteht. Die Enquete-Kommission „Zukunft des Bürger- schaftlichen Engagements“ hat es in ihrem Abschlussbericht pointiert formuliert:

„Von der Schulanstalt zum lokalen und partnerschaftlich orientierten Lernzentrum.“

(vgl. Enquete-Kommission 2002, S. 546) Schule müsste sich ins Gemeinwesen öffnen und mit den Akteuren des sozialen Nahraums, den Angeboten und Einrich- tungen der Jugendarbeit, der Vereine und auch der Kommune, auf Augenhöhe kooperieren.

3. An Nutzenerwartungen der Jugendlichen ansetzen, ohne das Engagement zu

„verzwecken“!

Wie die Ergebnisse aus dem Freiwilligensurvey und aus der Dortmunder Engage- ment-Studie zeigen, erwarten Jugendliche – mehr als andere Bevölkerungsgrup- pen – einen Nutzen aus ihrem Engagement. Dies kann die Bewältigung persön- licher Anforderungen sein, kann darauf gerichtet sein, bessere Chancen für die berufliche Einmündung zu erhalten oder auch allgemein durch das Engagement zu lernen. Wenn es darum geht, Kinder und Jugendliche für ein Engagement zu gewinnen, sind diese Nutzenerwartungen ernst zu nehmen und zu berücksichtigen.

Dies wird umso wichtiger, wenn es darum geht, auch Jugendliche, die von sozialen Benachteiligungen bedroht oder betroffen sind, für ein Engagement zu gewinnen.

Dem wird in einem Teil der Organisationen und durch die Politik bereits Rechnung getragen. Dies reicht von der JugendleiterCard bis hin zu Zertifikaten für freiwilli- ges Engagement und Beiblättern im Zeugnis in der Schule, in denen das Engage- ment belegt wird. Dies kommt offensichtlich den Bedürfnissen der Jugendlichen

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entgegen. Allerdings ist auch in dieser Praxis ein Spannungsfeld angelegt (vgl. Düx 2006): Zertifikate und Zeugnisbelege folgen der Logik des Lernens und der Aner- kennung in formalen Institutionen wie der Schule. In lebensweltlichen Bereichen wie der Familie und dem Engagement gibt es keine solche formale Bewertung von Leistungen und Lernanstrengungen. Hier drückt sich Anerkennung anders aus:

durch direkte Rückmeldungen der Interaktionspartner, durch besondere soziale Beziehungen und Nähe, durch die Erfahrung, etwas Sinnvolles zu tun etc.

Auch wenn die Zertifizierung von Kompetenzen, die in informellen Lernkontexten erworben wurden, aus der Perspektive der Jugendlichen durchaus verstehbar ist.

Aus der Perspektive des freiwilligen bürgerschaftlichen Engagements ist hier ein Konfliktpotenzial angelegt. Das freiwillige Engagement wird damit der Logik for- mellen Lernens unterworfen und es besteht die Gefahr, dass damit sein Eigensinn ausgehöhlt wird. Bislang ist das Engagement ein gesellschaftlicher Bereich, der wenig verregelt ist und der den Engagierten Möglichkeiten bietet, innerhalb eines vorgegebenen Rahmens, ausgehend von den eigenen biographischen Erfahrungen, das Gemeinwesen mitzugestalten. Diese Freiräume sind sicherlich in den verschie- denen Einrichtungen und Tätigkeiten unterschiedlich ausgeprägt. In vielen Enga- gementbereichen sind aber diese Freiräume nach wie vor gegeben und das Enga- gement eröffnet Möglichkeiten für die Gestaltung gesellschaftlicher Strukturen.

Die Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung ist dabei mit selbstbezogenen und eigensinnigen Erwartungen und Vorstellungen der engagierten Bürger/-innen verbunden.

Diese Freiräume drohen, verloren zu gehen, wenn das Engagement zweckrationa- len Kriterien unterworfen wird. Je stärker das Engagement auf konkrete Zwecke wie berufliche Orientierung und zertifizierter Kompetenzerwerb ausgerichtet wird, umso mehr geht seine Struktur eines Freiraums für eine selbstbestimmte Gestaltung von Gesellschaft verloren. Wenn neue Orte für das Lernen von Enga- gement entwickelt werden, gilt es, diese Zusammenhänge zu berücksichtigen.

4. „Freiwillig hätte ich das nie gemacht, jetzt würde ich das sofort wieder tun“

(Sliwka 2004, S. 32)

Mit diesem Satz bilanziert ein Schüler seine Erfahrungen mit einem Service- Learning-Projekt in seiner Schule. Die Ergebnisse aus den Studien zum Engage- mentlernen und auch der Erfolg der verschiedenen Freiwilligendienste zeigen, dass die freiwillige Übernahme einer Aufgabe eine wichtige Voraussetzung für Lernen ist. Zugleich verweist der Satz des Schülers auf die Paradoxie der Freiwillig- keit, die wir im Übrigen z.B. auch aus Kontexten des Zivildienstes kennen. Lern- erfahrungen finden auch statt, wenn die übertragenen Aufgaben nicht völlig frei gewählt sind. Ich würde daraus jetzt nicht ableiten, dass wir eine Engagement- pflicht bräuchten, und ich teile auch nicht Hartmut von Hentigs Plädoyer für ein Soziales Pflichtjahr. Allerdings glaube ich, dass wir neue Diskussionen darüber brauchen, wie Jugendliche für ein Engagement gewonnen werden können, welche Aufgaben dabei Institutionen wie den Schulen, aber auch den Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe zukommen und wie Haltungen einer freiwilligen Selbst- verpflichtung gelernt werden können.

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Literatur

> Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hrsg.) 2005:

Zwölfter Kinder- und Jugendbericht. Bericht über die Situation junger Menschen und die Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe in Deutschland. Bildung, Betreu- ung und Erziehung vor und neben der Schule. Berlin

> Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) o.J.:

Ergebnisse der Evaluation des FSJ und FÖJ. Abschlussbericht des Instituts für Sozial- forschung und Gesellschaftspolitik e.V. O.O. In: http://www.bmfsfj.de/Redaktion BMFSFJ/Pressestelle/Pdf-Anlagen/evaluierungsbericht-freiwilligendienste,proper- ty=pdf,bereich=,rwb=true.pdf, Download vom 26. Juni 2007

> Düx, Wiebke 2006:„Informelle Lernprozesse ins Blickfeld rücken.“ Interview. In:

http://www.dji.de/cgibin/projekte/inklude.php?inklude=9_themen/thema0602/

interview. Download vom 15.05.2007

> Enquete-Kommission „Zukunft des Bürgerschaftlichen Engagements“, Deutscher Bundestag 2002:Bericht Bürgerschaftliches Engagement: Auf dem Weg in eine zukunftsfähige Bürgergesellschaft. Opladen

> Hartnuß, Birger/Maykus, Stephan 2005:Mitbestimmen, mitmachen, mitgestalten.

Entwurf einer bürgergesellschaftlichen und sozialpädagogischen Begründung der Partizipations- und Engagementförderung in ganztägigen Lernarrangements.

Expertise im Auftrag des BLK-Programms „Demokratie leben und lernen“.

Manuskript. Münster

> Hentig, Hartmut von 2006:Bewährung. Von der nützlichen Erfahrung, nützlich zu sein. München, Wien

> Jakob, Gisela 2004:Freiwilligendienste zwischen Tradition und Erneuerung. In:

Slüter/Schmidle/Wißdorf (Hrsg.): a.a.O., S. 15-35

> Mader, Wilhelm 2000:Freiwillige soziale Dienste als Erfahrungsfelder einer zivilen Gesellschaft. In: Guggenberger, Bernd (Hrsg.): Jugend erneuert Gemeinschaft.

Freiwilligendienste in Deutschland und Europa. Baden-Baden, S. 208 ff.

> Münkler, Herfried 1997:Der kompetente Bürger. In: Klein, Ansgar/Schmalz-Bruns, Rainer (Hrsg.): Politische Beteiligung und Bürgerengagement in Deutschland.

Opladen, S. 153-172

> Oswald, Hans 2004:Politische Identität und freiwilliges Engagement im Jugend- alter. In: Forschungsjournal Neue Soziale Bewegungen, Jg. 17, Heft 1, S. 17-25

> Picot, Sibylle 2006:Freiwilliges Engagement Jugendlicher im Zeitvergleich 1999- 2004. In: Gensicke, Thomas/Picot, Sibylle/Geiss, Sabine: Freiwilliges Engagement in Deutschland 1999-2004. Wiesbaden, S. 177-223

> Picot, Sibylle 2007:Ein zivilgesellschaftlicher Generationenvertrag im Spiegel des Freiwilligensurveys. Vortrag auf der Fachtagung des BMFSFJ „Bürgerschaftliches Engagement – Ressource für die Zivilgesellschaft?“ am 22.9.2006 in Berlin. In:

http://www.tns-infratest-sofo.com/downloads/Vortrag_Generationenvertrag_

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> Picot, Sibylle/Gensicke, Thomas 2006:Freiwilliges Engagement bei Frauen und Männern im Zeitvergleich 1999-2004. In: Gensicke, Thomas/Picot, Sibylle/

Geiss, Sabine: Freiwilliges Engagement in Deutschland 1999-2004. Wiesbaden, S. 224-264

> Rauschenbach, Thomas 2004:Schule und bürgerschaftliches Engagement – zwei getrennte Welten? Anmerkungen zu einer schwierigen Beziehung. In:

Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement (Hrsg.): Bürgerschaftliches Engagement als Bildungsziel (in) der Schule. Dokumentation der bundesweiten Fachtagung des Bundesnetzwerkes Bürgerschaftliches Engagement in Kooperation

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mit der Staatskanzlei Rheinland-Pfalz und der Deutschen Kinder- und Jugendstif- tung am 29.-30. Oktober 2004 in Mainz. Berlin, S. 13-20

> Shell Deutschland Holding (Hrsg.) 2006 (15. Shell Jugendstudie):Jugend 2006.

Eine pragmatische Generation unter Druck. Frankfurt am Main

> Slüter, Uwe/Schmidle, Marianne/Wissdorf, Sabine (Hrsg.) 2004:Bürgerschaftliches Engagement Grundlage für Freiwilligendienste. O.O.

> Sliwka, Anne 2004:„Freiwillig hätte ich das nie gemacht, jetzt würde ich das sofort wieder tun“: Erfahrungen mit Service Learning an deutschen Schulen.

In: Sliwka/Petry/Kalb: a.a.O., S. 32-57

> Sliwka, Anne/Petry, Christian/Kalb, Peter E. (Hrsg.) 2004:Durch Verantwortung lernen. Service Learning: Etwas für andere tun. Weinheim, Basel

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[ Fachforen ]

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Jung und Alt gemeinsam

Generationsübergreifendes Engagement

Demografischer Wandel

Der demografische Wandel wird sich sehr langsam vollziehen und sich regional unterschiedlich entwickeln. Eine weitere Auswirkung des demografischen Wandels ist die steigende Lebenserwartung, sie wird auf schätzungsweise 120 Jahre ansteigen.

Auch die Zahl der Demenzkranken wird sich bis 2050 verdreifachen. Generell lässt sich sagen, es gibt nicht mehr „das“ Alter. Altern und Alter hat viele Facetten. Durch Gesundheit, Bildung, Habitus und Lebensweg sieht das Alter bei jedem anders aus.

Alt-Jung-Projekte sollen den Blick für das Leben und Änderungen in der Gesellschaft schärfen, sie können jedoch nicht gesellschaftliche Probleme beheben.

Intergenerationelles Lernen (IGL)

Bei IGL treffen sich Alt und Jung auf Augenhöhe, indem sie gemeinsam lernen:

> Gemeinsame Lernprozesse schaffen Win-Win-Situationen

> IGL funktioniert nur mit klar verteilten Rollen

> IGL-Projekte laufen nicht von alleine, sie müssen angestoßen werden

Es ist ein Unterschied, ob Generationen sich begegnen und austauschen oder ob sie zusammen arbeiten. Intergenerationelle Kommunikationsfähigkeit ist für beide Seiten wichtig, aber auch herausfordernd.

KOJALA

Das Ulmer Lernnetzwerk KOJALA (KOmpetenzbörse Jung und AltLernAlternative) entwickelt Alt-Jung-Projekte mit dem konzeptionellen Ansatz „Lernen und weiterbil- den“; es ist im Internet unter www.kojala.de zu finden.

Zentral ist, dass gemeinsam etwas Neues gelernt wird und darüber eine gemeinsame Weiterentwicklung stattfindet. Entscheidend sind die Rahmenbedingungen, denn es braucht Moderatoren, da es künstliche Situationen sind. Der Kontakt zu den Jugend- lichen erfolgt über Schulen als ein zentraler Zugang für Erstkontakte.

Beispiele:

> Lieblingsorte besuchen, Perspektivenaustausch.

> Lernprojekte, in denen beide lernen: Portraitzeichnen und anschließend Anwendung im Altersheim.

> Thematischer Dialog, z.B. Schule heute und früher – Ein Erfahrungsaustausch.

Freiwilligendienst

Der generationsübergreifende Freiwilligendienst (GÜF) will Generationen in den Dialog miteinander bringen. Da die Teilnehmer nur 10 Stunden pro Woche arbeiten, ist die Abgrenzung zum Ehrenamt schwer.

Dieser Freiwilligendienst wird mit finanziellen Leistungen vergütet und anerkannt.

Sobald aber finanzielle Mittel über die Aufwandsentschädigung hinaus fließen, eröffnet dies einen grauen Arbeitsmarkt. Tatsächlich engagieren sich viele, die Arbeitslosengeld beziehen, um ihre finanzielle Situation aufzubessern. Einige wollen etwas Neues ausprobieren, andere möchten sich ein Taschengeld verdie- nen, Arbeitslose finden in der ehrenamtlichen Tätigkeit eine Identitätsstiftung.

Bei den Jugendlichen lässt sich das FSJ als Ausbildungszeit anrechnen.

[ 3.0.A ]

Moderation: >Udo Wenzl,

Landesjugendring Baden- Württemberg

Referenten: >Dr. Markus Mayer, Caritasverband für die Erzdiözese Freiburg e.V.

>Markus Marquard, ZAWIW, Universität Ulm

Fachforum A

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Fragen

Inwieweit wollen sich die Senioren in die Gesellschaft einbringen?

Einige möchten nur ihre eigene Welt erweitern. Andere wollen sich sozial engagieren.

Die meisten, die sich engagieren, sind in vielen anderen Bereichen engagiert.

Ist die Internetbörse das einzige Instrument oder gibt es andere Plattformen?

Das Internet wird immer häufiger als unterstützendes Medium eingesetzt. Es gibt auch Vorbehalte gegenüber dem Internet. Bei KOJALA werden über die Internetbörse punktu- elle Kontakte geknüpft. Ein Problem ist, dass die meisten Schüler nicht mit dem Internet als Informationsmedium umgehen können.

Lohnt sich der Aufbau von neuen Alt-Jung-Projekten?

Wird der Nutzen dem Einsatz gerecht?

Man muss abwägen, was für das jeweilige Ziel sinnvoll ist. Beispielsweise steht bei KOJALA der Lernauftrag im Vordergrund. Alt-Jung-Projekte bringen nur bei konkreter Zielsetzung etwas. Meist ist es sinnvoller, Brücken zu bauen oder Projekte mit begrenz- ter Laufzeit, aber keine dauerhaften Gruppen ins Leben zu rufen.

Beispiele

> Stuttgart „50 Plus – 16 Minus“: Patenschaft „50 Plus“ gibt Nachhilfe und „16 Minus“ geht mit dem Hund spazieren.

> Mehrgenerationenhaus (Bürgerhaus): „Hut ab“: Erzieherinnen und Ehrenamtliche arbeiten zusammen in Kindergärten. Erzieherinnen werden nicht ersetzt, sondern haben mehr Zeit für Kinder mit Schwierigkeiten.

> Alt und Jung bauen zusammen Parkbänke.

> Jung-Alt-Tandem in Heilbronn. Ein Senior und ein Junior teilen sich gemeinsam eine Einsatzstelle.

> Medienkooperation mit Radio Free FM: Da Jugendliche wegen Praktikum u.a.

wechseln, geht Kompetenz verloren; oft fehlen ihnen Redaktionsideen.

Die Senioren helfen nun mit, wurden qualifiziert, um länger dabei zu bleiben.

Themen sollen für Jung und Alt interessant sein.

Weitere Informationen:

> Dr. Markus Mayer, Caritasverband für die Erzdiözese Freiburg e.V.:

www.dicvfreiburg.caritas.de

> Markus Marquard, ZAWIW, Universität Ulm:www.uni-ulm.de/uni/fak/zawiw

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[ 3.0.B ]

Moderation: > Brigitte Hertlein Referentinnen: > Gerlinde Röhm,

Landesjugendring Baden- Württemberg e.V.

> Angela Rein,

Kreisjugendring Esslingen

> Matthias Altwasser, LINDE Zentrum für Begegnung und Kultur Kirchheim/Teck

> Ernst Strohmaier, Deutsche Jugend aus Russland

Vielfältig freiwillig:

Zugänge öffnen für Jugendliche mit Migrationshintergrund

Freiwilliges Engagement junger Menschen in der Einwanderungsgesellschaft Auf politischer Ebene hat das Thema Integration derzeit Hochkonjunktur. Auf verän- derte Rahmenbedingungen (demographische Entwicklung, zunehmende Vielfalt gesellschaftlicher Gruppen etc.) des „Freiwilligen Engagements in der Einwande- rungsgesellschaft“ wird allerdings noch zögerlich reagiert. Positiv ist zu vermerken:

> Der Nationale Integrationsplan wird im Juli 2007 verabschiedet und soll den viel- fältigen Herausforderungen der Integration Rechnung tragen. Begrüßenswert an diesem Plan ist, dass bei seiner Erstellung MigrantInnen und ihre Organisationen beteiligt waren. Auch gab es eine Arbeitsgruppe zum Themenfeld „Integration durch bürgerschaftliches Engagement und gleichberechtigte Teilhabe stärken“.

Diese würdigt in ihren Ergebnissen ausdrücklich auch die Rolle des freiwilligen Engagements von MigrantInnen.

> Das Landeskuratorium für außerschulische Jugendbildung Baden-Württemberg hat 2007 ein Positionspapier und Empfehlungen mit dem Titel „Migration – Integration“ verabschiedet.

Für diesen Workshop haben wir eine breite Definition „Freiwilliges Engagement“

gewählt und fassen darunter in Anlehnung an die Definition des Freiwilligensurveys Ehrenamt, Freiwilligendienste, Freiwilligenarbeit, Selbsthilfe und vielfältige Formen bürgerschaftlichen Engagements … zusammen.

Freiwilliges Engagement junger Menschen in Deutschland:

Junge Menschen engagieren sich generell eher, wenn sie der Mittelschicht angehören (mittlere und höhere Schulabschlüsse haben) und eine gute soziale Einbindung haben. Ausnahmen stellen Sportvereine, Gewerkschaften und technisch orientierte Organisationen, z.B. Jugendfeuerwehr, dar, dort werden z.B. auch HauptschülerInnen verstärkt erreicht.

Förderlich wirken generell Faktoren wie: Ermutigung durch Freunde, Eltern und GruppenleiterInnen, engagementfreundliche Schulzeiten und zunehmend auch ein sichtbarer „Verwertungsnutzen“ des Engagements für die Jugendlichen selbst, z.B. ein Zertifikat.

Junge Menschen mit Migrationshintergrund:

Junge Menschen, die entweder selber zugewandert sind oder mindestens ein Elternteil haben, das im Ausland geboren wurde,

> stellen 1/3 der Jugendlichen dar, ihr Anteil steigt weiter;

> sind keine homogene Gruppe (auch jugendkulturell sehr vielfältig);

> wachsen oft zweisprachig auf und haben interkulturelle Kompetenzen;

> sehen ihren Lebensmittelpunkt meist in Deutschland (trotz Orientierung an der Kultur des Herkunftslandes der Eltern).

Fachforum B

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